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Entscheidungen

StPO

Inbegriffsrüge, Verfahrensrüge Begründung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Naumburg, Beschl. v. 23.05.2023 - 1 ORs 64/23

Eigener Leitsatz:

Zur Zulässigkeit einer sog. Inbegriffsrüge ist erforderlich, dass die Revision vorträgt, dass die beanstandeten Feststellungen auch nicht durch andere Vorgänge, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehören, gewonnen worden sind.


OLG Naumburg

BESCHLUSS

1 ORs 64/23

In der Strafsache
gegen pp.

wegen besonders schweren Fall des Diebstahls
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 22. Mai 2023

auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Auf die Sprungrevision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bernburg vom 23. Februar 2023 mit seinen Feststellungen aufgehoben und zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bernburg, das auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden hat, zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bernburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 23. Februar 2023 (Az: 5 Ls 267 Js 12105/21 (2/23)) wegen Diebstahls unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Braunschweig vom 22. Januar 2021 (Az: 54 Cs 550 Js 58605/20) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Mit Schriftsatz vom 02. März 2023, eingegangen beim Amtsgericht am gleichen Tag, hat der Verteidiger zunächst Berufung eingelegt. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe, die an den Verteidiger unter dem 21. März 2023 erfolgt war, wechselte er das Rechtsmittel zur Sprungrevision und diese mit mehreren Verfahrensrügen und der Rüge materiellen Rechts näher begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 08. Mai 2023 beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Bernburg - Schöffengericht - zurückzuverweisen.

II.

Die (Sprung-) Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bernburg ist gemäß §§ 335 Abs. 1, 312 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Übergang von der zunächst eingelegten Berufung zur (Sprung-) Revision innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) gegenüber dem zuständigen Amtsgericht erklärt worden (Schmitt in: Meyer/Goßner, StPO, 65. Aufl. § 335 Rn. 10 m. w. N.).

Die (Sprung-)Revision hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg und führt schon auf die erhobene Verfahrensrüge einer Verletzung des § 261 StPO (Inbegriffsrüge) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Eines Eingehens auf die weiter erhobenen Rügen bedarf es daher nicht mehr.

Die Inbegriffsrüge, mit welcher der Angeklagte beanstandet, dass die im angefochtenen Urteil enthaltenen Feststellungen zur Schadenshöhe, zu Folgen der Tat auf den Ablaufplan und die Organisation der Baustelle, zu Mehrkosten verursachenden Verzögerungen des Baufortschritts, zum Verbleib des Schadens bei der geschädigten Firma und zur Frage der Spontanität des Tatentschlusses nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel gewonnen worden sind, ist in zulässiger Weise erhoben. Die Revision trägt vor, dass außer der über seinen Verteidiger vorgebrachten Einlassung des Angeklagten, mit der der Tatvorwurf bis auf die Schadenshöhe eingeräumt wurde, keinerlei Beweise in der Hauptverhandlung erhoben wurden, was durch das in der Revisionsbegründung mitgeteilte Hauptverhandlungsprotokoll bewiesen wird (§ 274 Abs. 1 StPO). Weiter trägt die Revision - wie erforderlich - vor, dass die Feststellungen auch nicht durch andere Vorgänge, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehören, gewonnen worden sind.

Die Verfahrensrüge ist begründet, da das Gericht seine Überzeugung von den Folgen der Tat für die geschädigte Firma unter Verstoß gegen § 261 StPO gewonnen hat, wonach die Überzeugungsbildung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen ist. Es ist nicht ersichtlich, worauf das Gericht seine Überzeugung,
- der Wiederbeschaffungswert der entwendeten Werkzeuge und Baumaschinen betrage 42.000,00 €,

- durch die Tat des Angeklagten sei der Ablaufplan und die Organisation der Baustelle massiv und empfindlich gestört worden,

- es sei davon auszugehen, dass der Baufortschritt der Baustelle sich erheblich verzögert habe. was mit erheblichen Mehrkosten verbunden sei

- der Schaden sei bei der geschädigten Firma verblieben,

stützt. Der Einlassung des Angeklagten sind diese Ausführungen nicht zu entnehmen. Weitere Beweise wurden nicht erhoben. Die Verzögerung des Baufortschritts oder der Verbleib des Schadens bei der geschädigten Firma sind auch nicht zwingende Folgen eines Diebstahls von Bauwerkzeugen, da die Möglichkeit der Verfügbarkeit von Ersatzgeräten beziehungsweise des Eintritts einer Versicherung besteht.

Auf der Verletzung des § 261 StPO beruht das Urteil, da das Amtsgericht den o.g. Feststellungen bei seiner Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten Relevanz beigemessen hat. Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen den Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör vor. Gründet das Gericht seine Überzeugung nämlich auch auf Tatsachen, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, zu denen sich also der Angeklagte dem erkennenden Gericht gegenüber nicht abschließend äußern könnte, so verstößt das Verfahren nicht nur gegen § 261 StPO, sondern zugleich auch gegen den in § 261 StPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs (BGH, 2 StR 433/15 v. 21.01.2016, NStZ 2017, 375, beck-online; KG, 3 Ws 282/17 - 122 Ss 174/17 v. 14.09.2017).

Aufgrund der aufgezeigten Mängel war das angefochtene Urteil gemäß § 349 Abs. 4 StPO durch einstimmigen Beschluss insgesamt aufzuheben und gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens ¬an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bernburg zurückzuverweisen.


Einsender: RA W. Siebers, Braunschweig

Anmerkung:


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