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Entscheidungen

StPO

Geschäftsverteilung, unterjährige Änderung, Begründungsanforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.08.2023 - 2 OLG 53 Ss 80/22

Eigener Leitsatz:

Eine unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans, mit der bereits anhängige Verfahren übertragen werden, ist allein dann zulässig, wenn nur so dem Beschleunigungsgebot angemessen Rechnung getragen werden kann.


2 OLG 53 Ss 80/22

Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen vorsätzlicher Körperverletzung und sexueller Nötigung u.a.
hat das Brandenburgische Oberlandesgericht - 2. Strafsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO am 17. August 2023 beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. März 2022 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) zurückverwiesen.

Gründe;

I.

Das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree — Schöffengericht — verhängte gegen den Angeklagten durch Urteil vom 18. März 2020 wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung, Bedrohung, Widerstand gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen in zwei Fällen, in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung, versuchter Nötigung und Nachstellens in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung hat das Amtsgericht den Angeklagten freigesprochen. Darüber hinaus verurteilte das Amtsgericht den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 5.000 € an den Adhäsionskläger.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Darüber hinaus haben die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin Berufungen eingelegt, die sich u.a. gegen den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der sexuellen Nötigung richteten.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat das Urteil des Amtsgerichts auf die Berufungen unter Verwerfung der Rechtsmittel im Übrigen neu gefasst. Es hat den Angeklagten unter Auflösung der mit Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 15. September 2020 gebildeten Gesamtgeldstrafe unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. April 2019 wegen Nachstellens in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt. Ferner hat es gegen ihn unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 15. Juni 2021 wegen sexuellen Übergriffs, versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Sachbeschädigung sowie wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung und in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung sowie wegen versuchter Nötigung eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt und wegen einer Verfahrensverzögerung einen Monat für vollstreckt erkannt. Ferner hat das Landgericht den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zu zahlen.

Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Sachrüge dringt zwar nicht durch, weil die Überprüfung des angefochtenen Urteils materiell-rechtliche Fehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben hat. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Aufklärungsrüge, die bereits nicht den Begründungsanforderungen genügt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) und darüber hinaus auch in der Sache erfolglos bliebe, weil das Landgericht sich zu einer Erweiterung der Beweisaufnahme nicht gedrängt sehen musste.
Die Revision führt jedoch insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, als sie mit Erfolg die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts beanstandet (§ 338 Nr. 1 StPO).

1. Dem Rügevorbringen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

Die beim Landgericht am 4. August 2020 eingegangene Berufungssache wurde gemäß dem geltenden Geschäftsverteilungsplan (Vorschaltliste IV) zunächst der 8. Strafkammer zugewiesen (28 Ns 26/20) und von dem zuständigen Vorsitzenden dieser Strafkammer weiter gefördert. Unter dem 2. Dezember 2020 vermerkte der Vorsitzende, dass eine Terminierung im Jahr 2020 nicht mehr möglich und für Januar/Februar 2021 nicht zielführend sei, weil die 8. Strafkammer zum 1. Januar 2021 von einem anderen Vorsitzenden übernommen werden solle, der mitgeteilt habe, in seinem (anderen) Dezernat bereits bis Mitte März 2021 terminiert zu haben.

Durch Beschluss vom 29. März 2021 hat das Präsidium des Landgerichts den Vorsitz der 8. Strafkammer dem zum 1. April 2021 den Dienst beim Landgericht antretenden Vorsitzenden Richter am Landgericht pp. mit 20 % Arbeitskraftanteil zugewiesen und „angesichts der Neuübernahme des Vorsitzes (...) sowie des daraus resultierenden Erfordernisses eines Belastungsausgleichs zwischen der 8., der 7. und der 5. Strafkammer (...) eine Neuverteilung der Eingänge und eine Übernahme von Beständen" angeordnet. Der Jahresgeschäftsverteilungsplan 2021 wurde mit Wirkung zum 1. April 2021 u.a. insoweit geändert, als der 7. Strafkammer der zum 31. März 2021 bei der 8. Strafkammer anhängige Bestand und der 8. Strafkammer lediglich näher bestimmte Neueingänge zugeteilt wurden.

Die vorliegende Berufungssache wurde sodann bis zur Urteilsverkündung von der gemäß dem geänderten Geschäftsverteilungsplan nunmehr zuständigen 7. Strafkammer geführt (27 Ns 23/21).

Zum Erfordernis eines Belastungsausgleiches hat die Präsidentin des Landgerichts die Verteidigung mit Schreiben vom 23. März 2022 darüber informiert, dass das Protokoll der Präsidiumssitzung vom 29. März 2021 mit Ausnahme der Beschlussfassung keine weiteren Erläuterungen in dieser Sache enthalte. Den Präsidiumsmitgliedern sei mit Anschreiben vom 19. März 2021 mitgeteilt worden, dass bei dem Vorschlag zu den kleinen Strafkammern die Übernahme des Vorsitzes der 8. Strafkammer mit 20 % Arbeitskraftanteil des Vorsitzenden zugrunde gelegt worden sei und die Verschiebungen zur Zuständigkeit zwischen der 7. und 8. Strafkammer aus „der dann folgenden Überlast der 8. Strafkammer" resultierten. Die weiteren Veränderungen in der 7. Strafkammer ergäben sich aus dem Belastungsausgleich (Neueingänge) im Vergleich zur 5. Strafkammer.

2. Die Verfahrensrüge ist zulässig und begründet.

a) Das Rügevorbringen genügt den Begründungsanforderungen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Dass die Verteidigung mit der Revisionsrechtfertigung die vom 1. Januar 2021 bis zum 1. April 2021 geltende, unterjährig geänderte Geschäftsverteilung der betreffenden Strafkammern nicht mitteilt, so dass u.a. schon unklar bleibt, mit welchem Arbeitskraftanteil der Vorsitz in der entlasteten 8. Strafkammer zunächst besetzt war, und dass auf dieser Grundlage das Erfordernis einer Änderung der Geschäftsverteilung wegen eines Belastungsausgleiches revisionsgerichtlich nicht hinreichend prüfbar ist, führt vorliegend nicht zur Unzulässigkeit der Rüge.

Die Besetzungsrüge erfordert zwar grundsätzlich u.a. auch die Mitteilung der vollständigen Regelung über die geänderte Geschäftsverteilung der betreffenden Strafkammer, ohne deren Kenntnis die Sachgerechtigkeit des Umfangs der konkret beanstandeten Entlastungsmaßnahmen nicht sicher beurteilt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Juni 2005 —5 StR 191/05, BeckRS 2005, 7508). Die Revision stützt die Rüge einer Verletzung von § 338 Nr. 1 StPO jedoch ausdrücklich darauf, dass aufgrund der unzureichenden Darlegung der Belastungssituation nicht nachprüfbar sei, ob der Belastungsausgleich zum Erhalt oder zur Wiederherstellung der Effizienz des Geschäftsablaufs überhaupt erforderlich gewesen sei. Die Angriffsrichtung der Verfahrensbeanstandung bezieht sich insoweit auf eine unzureichende Dokumentation zu den Gründen bzw. der Rechtmäßigkeit der unterjährigen Änderung der Geschäftsverteilung, die der Senat anhand des diesbezüglich vollständigen Revisionsvortrags zu beurteilen vermag. Einer ausführlicheren Schilderung der zunächst geltenden Geschäftsverteilung bedurfte es hierfür nicht (vgl. BGH, Beschl. 17. Januar 2023 — 2 StR 87/22, zit. nach Juris).

b) Die Rüge dringt auch in der Sache durch, weil der Präsidiumsbeschluss die Gründe für die Erforderlichkeit einer Übertragung des Berufungsverfahrens — zusammen mit den weiteren bei der zunächst mit der Sache befassten Strafkammer anhängigen Verfahren — auf eine andere Strafkammer nicht im erforderlichen Umfang dokumentiert hat und dadurch nicht hinreichend prüfbar ist, ob dem Angeklagten der gesetzliche Richter entzogen wurde (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

Eine unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans, mit der bereits anhängige Verfahren übertragen werden, ist allein dann zulässig, wenn nur so dem Beschleunigungsgebot angemessen Rechnung getragen werden kann (BGH, Beschl. v. 12. Mai 2015 — 3 StR 569/14, NJW 2015, 2597). Dass dies der Fall war, vermag der Senat aufgrund der vorliegenden Dokumentation nicht zu erkennen.

aa) Das Präsidium darf die getroffenen Regelungen zur Geschäftsverteilung ausnahmsweise auch während des laufenden Geschäftsjahres ändern, wenn dies wegen der Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird und nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit erreicht werden kann (§ 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG); das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter ist dabei mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen; § 21e Abs. 3 GVG lässt eine Änderung der Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren zu, sofern dies geeignet ist, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen; Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (BGHSt 58, 268, 270f.; BVerfG NJW 2005, 2689, 2690). Die betreffende Präsidiumsentscheidung unterliegt in der Revisionsinstanz insoweit nicht lediglich einer Willkürkontrolle, sondern ist auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 10. Juli 2013 — 2 StR 160/13, NStZ 2014, 226; Urt. v. 21. Mai 2015 4 StR 577/14, NStZ-RR 2015, 288 Beschl. v. 17. Januar 2023 — 2 StR 87/22, zit. nach Juris Rdnr. 41 mwN).

Da die Übertragung einer bereits anhängige Strafsache auf einen anderen Spruchkörper erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters in sich birgt, bedarf es insbesondere in diesen Fällen einer umfassenden Dokumentation und Darlegung der Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern und rechtfertigen, damit überprüfbar ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die nur ausnahmsweise zulässige Änderung der Geschäftsverteilung vorlagen, wobei die Begründung so detailliert sein muss, dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit möglich ist (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689; BGH, Beschl. v. 17. Januar 2023, aaO.; Karlsruher Kommentar/Diemer-StPO, 9. Aufl. § 21e GVG Rdnr. 15 mwN.). Sowohl der Grund für die Entlastung an sich („ob") als auch das Erfordern für die konkrete Ausgestaltung der Entlastungsmaßnahme („wie) müssen stets im Beschluss des Präsidiums, einer darin in Bezug genommenen Überlastungsanzeige oder einem Protokoll der entsprechenden Präsidiumssitzung festgehalten werden (Karlsruher Kommentar, aaO. mwN.).

bb) Den danach geltenden Anforderungen wird der Präsidiumsbeschluss vom 29. März 2021 nicht gerecht, denn weder die Beschlussfassung noch das Protokoll der Präsidiumssitzung weisen eine näher dokumentierte Begründung dafür auf, warum infolge der mit dem Dienstantritt des Vorsitzenden Richters am Landgericht pp. vorgesehenen Neubesetzung der 8. Strafkammer ein „Belastungsausgleich" zwischen den kleinen Strafkammern und mit Blick auf das Beschleunigungsgebot eine Übernahme des (gesamten) Bestandes durch die 7. Strafkammer zwingend erforderlich gewesen sein soll.

Eine ausreichende Begründung für die unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung lässt sich auch der vom Senat erbetenen ergänzenden Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts vom 28. November 2022 zu den Gründen der Beschlussfassung des Präsidiums nicht entnehmen.

(a) Obgleich die Gründe für eine Umverteilung der Geschäfte grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung dokumentiert sein müssen (vgl. BGH, Urt. v. 9. April 2009 — 3 StR 376/08, NJW 2010, 625, 627; Urt. v. 21. Mai 2015 — 4 StR 577/14, NStZ-RR 2015, 288; BeckOK GVG/Graf, § 21e Rdnr. 21), ist eine Behebung von Begründungsmängeln noch im Revisionsverfahren möglich, da die zu einer Besetzungsrüge vorgetragenen Umstände grundsätzlich einer Überprüfung durch das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zugänglich sind und die Einschränkung, dass Mängel der Begründung nur noch bis zur Entscheidung über einen Besetzungseinwand erhoben werden können, nicht gelten, wenn das Landgericht nicht erstinstanzlich, sondern als Berufungsgericht mit der Sache befasst war und somit das für den Besetzungseinwand gemäß § 222b StPO geregelte Verfahren nicht zum Tragen kommt (vgl. zur Prüfung der Besetzungsrüge in der Revisionsinstanz nach altem Recht: BGH, Urt. v. 25 September 1975 — 1 StR 199/75, zit. nach Juris). Auch ist eine erläuternde Stellungnahme des Landgerichtspräsidenten zum erhobenen Besetzungseinwand nicht grundsätzlich ungeeignet, um dem Revisionsgericht die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Präsidiumsbeschlusses nach den durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten verfassungsrechtlichen Kriterien zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschl. v. 25. März 2015 — 5 StR 70/15, BeckRS 2015, 07394, Rdnr. 12).

(b) Nach der ergänzenden Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts zu den vom Präsidium erwogenen Gründen der Beschlussfassung hätte die vorgesehene Besetzung der 8. Strafkammer unter Einsatz des Vorsitzenden Richters am Landgericht pp. mit einem Arbeitskraftanteil von nur 20 % — gegenüber der bis dahin geltenden Besetzung mit einem Arbeitskraftanteil des für die Kammer bislang zuständigen Vorsitzenden von 40% — „bei gleichbleibenden Zuständigkeiten (...) dazu geführt, dass eine erhebliche Überlast sowohl des Richters als auch des Spruchkörpers vorgelegen hätte. Insbesondere die dort bereits anhängigen Verfahren hätten nicht in einem angemessenen Zeitraum und damit nicht mit der erforderlichen Effizienz bearbeitet werden können". Angesichts der Bestände in der 7. Strafkammer (37 Verfahren) und der 8. Strafkammer (33 Verfahren) und der bisherigen Besetzung beider Kammern mit einem Vorsitzenden mit jeweils 40-prozentigem Arbeitskraftanteil sei dem Präsidium vorgeschlagen worden, die Bestände in der — fortan mit einem Vorsitzenden mit 80-prozentigem Arbeitskraftanteil zu besetzenden — 7. Strafkammer zu konzentrieren und der von Herrn geleiteten 8. Strafkammer ausschließlich Neueingang zuzuweisen.

(c) Dieser Begründung für die Änderung der Geschäftsverteilung lässt sich bereits nicht entnehmen, warum überhaupt infolge des Dienstantritts des Vorsitzenden Richters am Landgericht pp. und dessen vorgesehenem Einsatz als Vorsitzender der 8. Strafkammer eine Entlastung des Spruchkörpers durch eine unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung geboten und erforderlich gewesen sein soll („ob" der Entlastungsmaßnahme). Insbesondere ist nicht dargetan, warum die bislang geltende Besetzung durch einen Vorsitzenden mit 40 Arbeitskraftanteil nicht beibehalten werden konnte, sondern der Arbeitskraftanteil des Vorsitzenden der 8. Strafkammer nunmehr auf 20 % verringert werden musste. Hierzu teilt die Präsidentin des Landgerichts mit, es sei vorgeschlagen worden, dass Herr pp. den Vorsitz der Strafvollstreckungskammer mit 80 % seiner Arbeitskraft übernehme, weil der bisherige Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer, der dort mit 20 % seiner Arbeitskraft eingesetzt war, bereits seit längerem darum gebeten habe, wieder ausschließlich im Zivilbereich eingesetzt zu werden, und dass „Beisitzer aus der Kammer ausschieden". Dass diese weitreichenden, die Belastungssituation der 8. Strafkammer erst auslösenden Besetzungsänderungen innerhalb des laufenden Geschäftsjahres zur Gewährleistung der Effizienz der Verfahrensabläufe zwingend erforderlich waren, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

Zu etwaigen Besonderheiten, die bei Dienstantritt eines Vorsitzenden Richters am Landgericht und dessen womöglich erstmaligem Einsatz als Strafkammervorsitzenden unter Umständen vorlagen und die im Einzelfall geeignet sein könnten, eine unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung zu rechtfertigen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 12. April 1978 — 3 StR 58/78, NJW 1978, 1444, 1445), verhalten sich weder die Dokumentation des Präsidiums, noch die
ergänzende Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts.

Darüber hinaus ist auch nicht dargelegt, weshalb aufgrund der — durch die Verringerung des Arbeitskraftanteils des Vorsitzenden erst verursachten — Belastung der 8. Strafkammer eine Verlagerung von bereits im Bestand der Kammer befindlicher Verfahren auf einen anderen Spruchkörper erforderlich und nicht mehr bis zum folgenden Geschäftsjahr aufschiebbar gewesen sein soll, nur hierdurch eine hinreichend beschleunigte Bearbeitung der bereits anhängigen Sachen gewährleistet gewesen sei und eine Anpassung des Geschäftsanfalls durch eine weitergehende Verringerung der Zuständigkeit für Neueingänge (als naheliegende Alternative) nicht ausgereicht habe (Dokumentationsmangel zum „wie" der Entlastung). Die Präsidentin des Landgerichts hat hierzu lediglich ausgeführt, dass dem Präsidium vorgeschlagen worden sei, „die Bestände in einer Kammer zu konzentrieren", was dazu geführt habe, dass „die von Herrn geleitete Kammer ausschließlich für Neueingänge zuständig sein sollte, was unter Berücksichtigung der Arbeitskraftanteile sowohl in der Strafvollstreckungs-als auch in der Strafkammer vertretbar erschien". Warum die damit vorgesehene „Bündelung der Bestandsverfahren" in der Zuständigkeit der 7. Strafkammer und die damit verbundene unterjährige Umverteilung bereits anhängiger Verfahren notwendig und geeignet gewesen sein soll, um die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen, wird damit nicht nachvollziehbar dokumentiert; namentlich, ob nur auf diese Weise zu gewährleisten war, die Bestandsverfahren der 8. Strafkammer zeitnah zu fördern und in angemessener Zeit zu verhandeln bzw. abzuschließen.


Einsender: RA R. Beth, Berlin

Anmerkung:


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