Gericht / Entscheidungsdatum: LG Kiel, Beschl. v. 21.06.2023 - 2 Qs 41/23
Eigener Leitsatz:
Voraussetzung für die sich durch eine Verbindung ergebenden Folgen, nämlich ein einheitliches Verfahren, ist, dass der Verbindungsbeschluss nicht nur „aktenmäßig“ erlassen ist. Er muss auch schon „ergangen“ sein. Das ist aber erst der Fall, wenn er für das Gericht unabänderlich ist. Das ist ggf. erst mit der Verkündung in der HV der Fall, so dass bis dahin selbständige Verfahren vorliegen, in denen ggf. Gebühren entstehen können, wie z.B. die Terminsgebühr.
2 Qs 41/23
Landgericht Kiel
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Verteidiger;
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls u.a.
hat das Landgericht Kiel - 2. große Strafkammer - durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin am 21. Juni 2023 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Pflichtverteidigers wird die Erinnerungsentscheidung des Amtsgerichts Neumünster vom 08.05.2023 aufgehoben. Der Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 15.03.2023 wird dahingehend geändert, dass die dem Pflichtverteidiger pp. aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren über die bereits erfolgte Festsetzung hinaus auf weitere 1.053,15 EUR festgesetzt werden.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 RVG.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen die Erinnerungsentscheidung des Amtsgerichts Neumünster ist begründet.
Streitgegenständlich ist die im Festsetzungsbeschluss erfolgte Absetzung dreier Terminsgebühren für die Verfahren 231 Ls 551 Js 38311/22, 231 Ls 588 Js 37618/22 und 231 Ls 588 Js 38428/22 in Höhe von jeweils 295 EUR zuzüglich der Umsatzsteuer.
Die Verbindung der genannten Verfahren zum führenden Verfahren ist im hiesigen Falt wirksam erst in der Hauptverhandlung erfolgt, nachdem in den hinzuverbundenen Verfahren bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden hatte, so dass auch in den hinzuverbundenen Verfahren jeweils eine Terminsgebühr gern. Nr. 4108, 4109 VV RVG entstanden ist.
Zwar hat der zuständige Richter den Verbindungsbeschluss hinsichtlich der genannten Verfahren bereits vor Beginn der Hauptverhandlung verfasst, unterzeichnet und mutmaßlich zu den Akten genommen. Dieser „aktenmäßige Erlass" führt zwar bereits zur Existenz und auch Anfechtbarkeit des Beschlusses (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. A., vor § 33 Rn. 5 - 8; Valerius, in: MüKo-StPO, 2. A., § 33 Rn. 18 - 20). Ergangen ist eine Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung aber grundsätzlich erst dann, wenn sie für das Gericht, das sie gefasst hat, unabänderlich ist. Dies ist in der Regel erst dann der Fall, wenn ihn die Geschäftsstelle an eine Behörde oder Person außerhalb des Gerichts hinausgegeben hat und eine Abänderung tatsächlich unmöglich ist. Ausgenommen sind davon Beschlüsse, die nach rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels unmittelbar die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung herbeiführen (BGH NStZ 2011, 713; NStZ 2012, 710 f.; Schneider-Glockzin, in: KK-StPO, 9. A., § 33 Rn. 4; Valerius, in: MüKo, a.a.O., § 33 Rn. 18 - 20; Graalmann-Scheerer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. A., § 33 Rn. 12). Demnach ist der außerhalb der Hauptverhandlung gefasste Verbindungsbeschluss noch nicht mit seinem aktenmäßigen Erlass wirksam geworden, sondern erst mit der Verkündung in der Hauptverhandlung. Zu diesem Zeitpunkt waren die Anklagen aus den in Rede stehenden Verfahren aber bereits verlesen worden, so dass auch eine Hauptverhandlung in den Verfahren stattgefunden hatte. Der Umstand, dass die Eröffnungsentscheidung erst im Verbindungsbeschluss getroffen worden ist, steht dieser Wertung nicht entgegen, zumal der Eröffnungsbeschluss nach herrschender Meinung noch in der Hauptverhandlung nachgeholt werden kann.
Die Terminsgebühr in den drei hinzuverbundenen Verfahren beläuft sich auf jeweils 295 EUR zuzüglich der Umsatzsteuer von 19 %, mithin insgesamt auf 1.053,15 EUR.
Einsender: RA Dr. J. M. Schulte, Kiel
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