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Entscheidungen

Corona

Corona, Falschdokumentation Coronaschutzimpfung, Beihilfe, Impfpass, Strafzumessung, persönliches Merkmal

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 09.08.2023 – 206 StRR 190/23

Leitsatz des Gerichts:

1. Bietet der zu einer Falschdokumentation entschlossene Arzt einer in seiner Praxis anwesenden Patientin an, die Durchführung einer Coronaschutzimpfung in einem Impfpass zu bescheinigen, ohne diese tatsächlich vorzunehmen, und nimmt diese das dann in die Tat umgesetzte Angebot an, leistet sie Beihilfe zur nicht richtigen Dokumentation einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus.
2. Die Impfberechtigung i.S.v. §§ 22 Abs. 1, 74 Abs.2 IfSG ist ein besonderes persönliches Merkmal in der Person des Haupttäters i.S.v. §§ 74 Abs. 2, 73 Abs. 1a Nr. 8, 22 Abs. 1 IfSG, demgemäß ist die Strafe für einen Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.


In pp.

I. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16. Februar 2023 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Der Schuldspruch wird wie folgt neu gefasst:
Die Angeklagte ist schuldig der Beihilfe zur nicht richtigen Dokumentation einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in zwei Fällen.
III. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
IV. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Mit Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 15. November 2022 ist die Angeklagte vom Vorwurf der Anstiftung zum Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz in zwei Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Augsburg mit Urteil vom 16. Februar 2023 das Ersturteil aufgehoben, die Angeklagte wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz in zwei Fällen schuldig gesprochen und deswegen gegen sie eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 35,00 Euro verhängt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten mit der Rüge materiellen Rechts. Angegriffen wird die Beweiswürdigung des Berufungsurteils. Die Revision bringt vor, die Angeklagte habe nicht gewusst, dass der gesondert Verfolgte Dr. x ihr tatsächlich keinen wirksamen Impfstoff verabreicht habe; sie sei selbst von diesem getäuscht worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit ihrer Vorlageschrift vom 5. Juni 2023, die Revision der Angeklagten als unbegründet zu verwerfen. Sie regt an, den Schuldspruch dahin zu ändern, dass er auf Beihilfe zur nicht richtigen Dokumentation einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in zwei Fällen lautet.

II.

Die Revision ist offensichtlich unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Insoweit hat die Nachprüfung des alle sich aufwerfenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen umfassend abhandelnden Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben, § 349 Abs. 2 StPO (dazu nachfolgend zu 1). Der Schuldspruch ist jedoch klarstellend wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich neu zu fassen.

Die Revision hat jedoch in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Das Landgericht hat übersehen, dass zusätzlich zu der vorgenommenen Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB eine weitere Milderung des Strafrahmens gemäß §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB hätte erfolgen müssen, da in der Person der Angeklagten ein besonderes persönliches Merkmal, welches die Strafbarkeit des Haupttäters begründet, nicht vorliegt (dazu nachfolgend zu 2).

1. Der Schuldspruch des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. Er wird von den Feststellungen des Berufungsurteils, die ihrerseits auf einer rechtlich nicht zu beanstandenden Beweisaufnahme beruhen, getragen.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich die Angeklagte erstmals am 8. Juni 2021 in die Praxis des gesondert verfolgten Allgemeinarztes Dr. x begeben. Dies erfolgte nicht ausschließbar, um sich wegen einer Tumorerkrankung am Kleinhirn naturheilkundlich beraten zu lassen, woraufhin ihr als Therapie zur Einnahme von Bittermandeln geraten worden sei. Weiter sei, ebenfalls nicht ausschließbar, auf Initiative von Dr. x ein Gespräch über das Thema „Impfung gegen das COVID-19-Virus“ zustande gekommen, wobei der Arzt der Angeklagten angeboten habe, die Durchführung der Impfung in einem für sie neu anzulegenden Impfpass zu bescheinigen, ohne sie tatsächlich zu impfen. Die Angeklagte habe das Angebot angenommen. Es sei dann ohne tatsächliche Durchführung eine Impfung mit dem Impfstoff von Biontech (COMIRATY) bescheinigt worden. In der ersten Julihälfte 2021 sei die Angeklagte dann erneut in der Praxis erschienen. Zu diesem Zeitpunkt sei eine zweite Impfung mit dem genannten Impfstoff ohne tatsächliche Durchführung bescheinigt worden. Sowohl für Dr. x als auch für die Angeklagte sei klar gewesen, dass die Dokumentation – wie später tatsächlich geschehen – dazu bestimmt war, von der Angeklagten bei einer geeigneten Stelle vorgelegt zu werden, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten.

b) Die Feststellungen beruhen auf einer Beweiswürdigung, die keine Rechtsfehler aufweist. Auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Stellungnahme vom 5. Juni 2023 (S. 2 bis 3 des Vorlageschreibens) wird Bezug genommen. Insbesondere hat die Strafkammer, wie auch von der Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt, entgegen der Beanstandung der Revision in der Beweiswürdigung unter Abwägung aller maßgeblichen subjektiven wie objektiven Tatumstände nachvollziehbar und ohne Lücken oder Widersprüche ausgeschlossen, dass die Angeklagte eine tatsächliche Impfung gewünscht habe und ihrerseits von Dr. x über die tatsächliche Nicht-Verabreichung eines Impfstoffs getäuscht worden sei.

c) Die rechtliche Würdigung des Landgerichts, dass sich die Angeklagte deswegen in zwei tatmehrheitlichen Fällen, § 53 StGB, wegen Beihilfe, § 27 Abs. 1 StGB, zu Straftaten des gesondert verfolgten Dr. x gemäß § 74 Abs. 2 i.V.m. §§ 73 Abs. 1 a Nr. 8, 22 Infektionsschutzgesetz (IfSG) schuldig gemacht hat, erweist sich ohne Rechtsfehler.

aa) § 74 Abs. 2 IfSG, deren aktuelle Fassung mit der zur Tatzeit geltenden Fassung vom 1. Juni 2021 übereinstimmt und deswegen maßgeblich ist, stellt die wissentlich nicht richtige Dokumentation einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zur Täuschung im Rechtsverkehr unter Strafe. Gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 8 IfSG liegt eine nicht richtige Dokumentation dann vor, wenn die Schutzimpfung entgegen § 22 Abs. 1 IfSG nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig dokumentiert wird. Gemäß § 22 Abs. 1 IfSG hat die zur Durchführung von Schutzimpfungen berechtigte Person jede Schutzimpfung unverzüglich in einem Impfausweis oder einer Impfdokumentation zu dokumentieren.

bb) Der gesondert Verfolgte ist Allgemeinarzt und damit impfberechtigt. Er hat sich, was auf der Grundlage der Feststellungen vorliegend keiner weiteren Erörterung bedarf, als Haupttäter einer wissentlich nicht richtigen Dokumentation nach den genannten Vorschriften schuldig gemacht. Die Feststellungen tragen auch die Verwirklichung des Straftatbestandes in zwei tatmehrheitlichen Fällen. Zwar führen die Urteilsgründe einerseits aus, Dr. x habe der Angeklagten bereits beim ersten Termin das Angebot gemacht, Impfungen - ersichtlich gemeint: die beiden für einen vollständigen Impfschutz erforderlichen Impfungen - ohne tatsächliche Durchführung zu bescheinigen (UA S. 4) und stellen für die zweite Tathandlung auch nicht ausdrücklich einen neuen Tatentschluss fest. Ein solcher ergibt sich aber aus den Umständen. Die zweite unrichtige Impfbescheinigung erfolgte mindestens rund vier Wochen nach der ersten Impfung. Eine natürliche Handlungseinheit, die zur Annahme von Tateinheit nach § 52 StGB führen könnte (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, vor § 52 Rn. 3 m.w.N.), scheidet mangels zeitlichen Zusammenhangs der mehreren strafrechtlich erheblichen Handlungsweisen für den Haupttäter aus.

cc) Ob § 278 StGB durch die Sondervorschrift des § 74a Abs. 2 IfSG verdrängt wird (so Erb in MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2022, § 278 Rn. 11; BT-Drs. 19/2987 S. 34; anders Weidemann in BeckOK StGB, Stand 1. Mai 2023, § 278 Rn. 10.1; BT- Drs. 20/15 S. 34: Idealkonkurrenz), kann der Senat offenlassen, denn eine etwaige Lücke in der rechtlichen Bewertung der Haupttat wirkt sich nicht zum Nachteil der Angeklagten aus.

dd) Die Beteiligung der Angeklagten an den vorbezeichneten Haupttaten hat das Landgericht rechtlich als Beihilfe in zwei tatmehrheitlichen Fällen, §§ 27 Abs. 1, 53 StGB, zu den vorbezeichneten Haupttaten gewertet. Auch dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Zwar läge, wenn das Landgericht rechtsfehlerhaft lediglich von einer Beihilfe- statt von einer Anstiftungshandlung ausgegangen wäre, darin kein Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten und wäre damit vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Im Hinblick auf den nachfolgend (zu 2.) darzustellenden Erörterungsmangel bei der Bestimmung des Strafrahmens kommt der Frage der Beteiligungsform gleichwohl Bedeutung zu, denn wenn die nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vom Landgericht vorgenommene Minderung nicht gerechtfertigt wäre, würde sich die übersehene obligatorische Minderung nach §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB auf die Strafhöhe im Ergebnis nicht zum Nachteil der Angeklagten auswirken.

(2) Das Landgericht hat erörtert, ob sich die Angeklagte im Hinblick auf die Haupttaten der Anstiftung gemäß § 26 StGB schuldig gemacht hat. Es hat dabei zutreffend gesehen, dass eine solche nicht nur dann in Betracht kommt, wenn noch kein Tatentschluss des Haupttäters vorliegt und dieser vom Anstifter erst geweckt wird, sondern auch dann, wenn der Haupttäter zu derartigen Taten bereits allgemein bereit ist, diese Bereitschaft auch aufgezeigt oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hat, er aber erst durch den Teilnehmer zu einer konkret-individuellen Tat bestimmt wird (vgl. BGH, Urt. v. 1. Juli 2021, 3 StR 84/21, NStZ-RR 2021, 273, 274; Urt. v. 7. Februar 2017, 1 StR 231/16, NStZ 2017, 401, 402). Nach den festgestellten Umständen besteht kein Zweifel daran, dass Dr. x allgemein dazu bereit war, unrichtige Impfbescheinigungen auszustellen und er insoweit auch initiativ tätig wurde, während die Ausstellung einer falschen Impfbescheinigung für einen jeweiligen Patienten letztlich aber erst die konkret-individuelle Tat verwirklichte, so dass eine entsprechende Anstiftungshandlung durch Täter, die eine Falschdokumentation verlangten, grundsätzlich nicht fernliegend ist. Das Landgericht ist aufgrund der von ihm festgestellten besonderen Umstände des Tatgeschehens gleichwohl zu Recht davon ausgegangen, dass die Angeklagte im konkreten Fall nicht als Anstifterin handelte. Der gesondert verfolgte Arzt war (unwiderlegbar) nämlich bereits zu einer konkret-individualisierten Falschdokumentation hinsichtlich der Angeklagten, die in seiner Praxis anwesend war und von ihm beraten und beeinflusst wurde, entschlossen, als er ihr das entsprechende Angebot konkret unterbreitete. Diese nahm erst in Reaktion hierauf das konkret formulierte Angebot an (UA S. 4). Von einer Bestimmung des Dr. x zum Tatentschluss durch ein Verhalten der Angeklagten kann unter diesen besonderen Umständen nicht ausgegangen werden. Das Landgericht hat dieses Ergebnis mit sorgfältigen und zutreffenden rechtlichen Erwägungen, auch unter Anwendung des Zweifelssatzes, wonach in Zweifelsfällen die weniger schwerwiegende Beteiligungsform anzunehmen ist, begründet (UA S. 31). Dagegen ist nichts zu erinnern.

(3) Eine Beihilfehandlung gem. § 27 StGB liegt, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend entschieden hat, hingegen vor.

Bei der Beihilfe handelt es sich um die Förderung der von einem anderen begangenen Straftat. Ohne Mitwirkung der Angeklagten durch Erklärung ihrer Bereitschaft, an der Falschdokumentation zu ihren Gunsten mitzuwirken, nicht zuletzt durch Angabe ihrer persönlichen Daten, Entgegennahme des unrichtigen Impfpasses, und zwar ersichtlich zum Zweck der Täuschung im Rechtsverkehr, um sich Privilegien tatsächlich geimpfter Personen zu verschaffen, wäre die Tat durch den Haupttäter nicht begangen worden; sie wäre aus Sicht des Haupttäters sinnlos gewesen. Es handelt sich bei der Mitwirkung der Angeklagten auch nicht um einen straflosen Fall notwendiger Teilnahme. Der Teilnehmer einer Tat kann nur belangt werden, wenn das betroffene Rechtsgut auch ihm gegenüber geschützt ist. Dies ist vorliegend der Fall, denn die Verpflichtung des Haupttäters zur richtigen Dokumentation von Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 dient nicht allein dem Schutz des Einzelnen, sondern dem Schutz von Leben und Gesundheit der Allgemeinheit. Auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft wird Bezug genommen (Vorlageschreiben S. 3 m.w.N.).

(4) Auch hinsichtlich der Beihilfehandlung ist das Landgericht zutreffend von tatmehrheitlicher Verwirklichung gem. § 53 StGB ausgegangen, denn es liegen auch auf Seiten der Angeklagten nach den Umständen schon aufgrund der zeitlichen Zäsur zwischen den beiden Besuchen in der Praxis des Haupttäters jeweils gesonderte Tatentschlüsse, gerichtet auf die Erlangung jeweils einer unrichtigen Impfdokumentation sowie gesonderte objektive Mitwirkungshandlungen vor.

d) Der Senat hat jedoch entsprechend der Anregung der Generalstaatsanwaltschaft (Vorlageschreiben S. 3) den Schuldspruch wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich - lediglich klarstellend - neu gefasst.

Gemäß § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO soll in der Urteilsformel die gesetzliche Überschrift des Straftatbestandes zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Fehlt eine solche, ist die Tat mit einer anschaulichen und verständlichen Wortbezeichnung so genau wie möglich zu bezeichnen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 260 Rn. 23; vgl. BGH, Beschl. v. 16. Januar 2007, 4 StR 574/06, NStZ-RR 2007, 149: nicht genügend ist Bezeichnung „Verstoß gegen das WaffG“).

2. Die Revision hat jedoch im Rechtsfolgenausspruch Erfolg, denn das Landgericht ist von einem nicht rechtsfehlerfrei begründeten zu hohen Strafrahmen ausgegangen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bestimmung der verhängten Einzelgeldstrafen und der Gesamtgeldstrafe zum Nachteil der Angeklagten hierauf beruht.

a) Das Landgericht hat zunächst den Strafrahmen des § 74 Abs. 2 IfSG, der bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren reicht, zutreffend nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB gemindert (UA S. 32) und innerhalb dieses Rahmens die konkreten Strafzumessungserwägungen angestellt.

b) Es hat dabei nicht bedacht, dass der Strafrahmen gem. §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein weiteres Mal zwingend zu mindern gewesen wäre; darauf weist auch die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hin (Vorlageschreiben S. 4, das ergänzend in Bezug genommen wird).

Wie vorstehend zu 1.c.) ausgeführt, macht sich nach § 74 Abs. 2 IfSG derjenige strafbar, der als zur Durchführung von Schutzimpfungen berechtigte Person im Sinne des § 22 IfSG eine Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 nicht richtig dokumentiert. Damit handelt es sich bei § 74 Abs. 2 IfSG um ein Sonderdelikt (Lorenz/Oglakcioglu in Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 74 Rn. 8 m.w.N.; Neuhöfer/Kindhäuser in BeckOK IfSG, Stand 8. Juli 2023, § 74 Rn. 35a; Erb in MünchKomm StGB, 4. Aufl. 2022, § 278 Rn. 8; Gaede/Krüger, NJW 2021, 2159, 2161 Rn. 11). Die Impfberechtigung i.S.d. §§ 22 Abs. 1, 74 Abs. 2 IfSG stellt demgemäß ein besonderes persönliches Merkmal dar, welches bei der Angeklagten nicht vorlag.

Der Strafrahmen des § 74 Abs. 2 IfSG wäre folglich zwingend gem. §§ 28 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein weiteres Mal zu mindern gewesen.

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen auf dem Rechtsfehler beruhen; dies erfasst auch die Gesamtstrafe.

(1) Sowohl bei der Strafrahmenverschiebung nach § 27 Abs. 2 StGB als auch bei derjenigen nach § 28 Abs. 1 StGB, jeweils in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB, handelt es sich um obligatorische Milderungen, die keinen Ermessensgebrauch zulassen, und die kumulativ anzuwenden waren. Wie ausgeführt, beruht die vom Landgericht vorgenommene Milderung nach § 27 Abs. 2 StGB auch nicht auf einer unzutreffenden Beurteilung der Teilnahme der Angeklagten an der Haupttat.

(2) Die vom Landgericht verhängten Einzelgeldstrafen von jeweils 90 Tagessätzen bewegen sich auch nicht so nahe am unteren Rand des sich nach doppelter Milderung ergebenden Rahmens, der zu einer Obergrenze von einem Jahr und einem Monat Freiheitsstrafe führt, dass auszuschließen ist, dass sie bei zutreffender Strafrahmenbestimmung nicht geringer ausgefallen wären.

d) Die Rechtsfolgenentscheidung ist demnach nach § 353 Abs. 1 StPO aufzuheben. Der Senat hebt auch die der Strafbemessung zugrunde liegenden Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO auf, um dem neuen Tatgericht, an das die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird, eine widerspruchsfreie Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.

Für das weitere Verfahren wird insoweit jedoch darauf hingewiesen, dass infolge der mit diesem Beschluss eintretenden Rechtskraft hinsichtlich des Schuldspruchs die Feststellungen des Landgerichts zum Tathergang bindend werden (vgl. (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 354 Rn. 46). Lediglich hinsichtlich solcher Feststellungen, die ausschließlich für die Rechtsfolgenbestimmung von Bedeutung sind, entfällt die Bindungswirkung.

III.

Auf die Revision der Angeklagten hin ist daher das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen (§§ 349 Abs. 4, 353 Abs. 1 und Abs. 2 StPO) aufzuheben; im Umfang der Aufhebung wird die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision war als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).


Einsender: RiBayObLG Dr. G. Gieg, Bamberg

Anmerkung:


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