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Entscheidungen

Klimaaktivisten

Klimaaktivisten, Hausfriedensbruch, Betreten eines Fußballfeldes, Rechtfertigung

Gericht / Entscheidungsdatum: AG München, Urt. v. 01.06.2023 - 1035 Ds 113 Js 185580/22 jug (2)

Eigener Leitsatz:

Zur Rechtfertigung des unerlaubten Betretens eines Fußballfeldes während eines laufenden Spieles aus „Klimaschutzgründen“.


Amtsgericht München
1035 Ds 113 Js 185580/22 jug (2)

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil
des Amtsgerichts - Jugendrichter - München

In dem Strafverfahren gegen
1) pp.1.

2) pp.2

3) pp.3


wegen Hausfriedensbruchs

aufgrund der Hauptverhandlung vom 01.06.2023, an der teilgenommen haben:

1. Die Angeklagten pp.1, pp.2 und pp.3 sind schuldig des Hausfriedensbruchs.
2. Die Angeklagte pp.1 wird zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je pp € verurteilt.
3. Der Angeklagte pp.2 wird zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je pp. € verurteilt.
4. Die Angeklagte pp.3 wird zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je pp € verurteilt.
5. Die Angeklagten tragen die Verfahrenskosten sowie ihre eigenen notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften:

§§ 123 Abs. 1 und Abs. 2, 25 Abs. 2 StGB

Gründe:

I.

Persönliche Feststellungen …………

II.
Am 27.08.2022 gegen 18:45 Uhr betraten die Angeklagten gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten und anderweitig verfolgten pp. ihrem zuvor gemeinsam gefassten Tatplan entsprechend das Spielfeld der Allianz Arena in München entgegen dem erkennbaren Willen der Berechtigten, während dort zu diesem Zeitpunkt die erste Halbzeit des Bundesligafußballspiels zwischen dem FC Bayern München und Borussia Mönchengladbach stattfand. Dazu überwanden sie die Bande, die zur Abtrennung des Spielfelds vom Zuschauerraum dienen. Sofort folgten die Sicherheitsmänner und trugen die Angeklagten und anderweitig Verfolgten vom Spielfeld. Die Unterbrechung des Spiels dauerte unter 5 Minuten.

Das Spielfeld der Allianz Arena ist - wie den Angeklagten bewusst war - von den dortigen Tribünen mit einem Zaun ringsum abgegrenzt, der bei Fußballspielen von Ordnern bewacht wird. Die Angeklagten hatten den Zuschauerbereich des Stadions zuvor mit Eintrittskarten ordnungsgemäß betreten.
Teilweise planten die Angeklagten bei ihrer Tat, sich mittels mitgeführtem Sekundenkleber und Kabelbindern an den Fußballtoren festzukleben beziehungsweise zu schnüren. Mit ihrer Aktion wollten die Angeklagten Aufmerksamkeit erregen, um ein konsequenteres Einschreiten der politischen Akteure gegen den Klimawandel zu erreichen.

Strafantrag wurde von der Allianz Arena München Stadion GmbH form- und fristgerecht
gestellt.

III.

Die unter I getroffenen Feststellungen beruhen auf den Angaben der Angeklagten, der Verlesung der JGH-Berichte der Stadt pp. sowie des LRA pp. und Verlesung der Auszüge aus dem Zentralregister.

Der unter II festgestellte Sachverhalt beruht auf dem Geständnis der Angeklagten. Alle 3 Angeklagten schilderten im Wesentlichen, dass sie durch diese Aktion Aufmerksamkeit erreichen wollten, um auf den Klimanotstand hinzuweisen. Es bliebe ihnen gar nichts anderes übrig, als sich für den Klimaschutz einzusetzen, um das Eintreten der sogenannten Kipppunkte zu verhindern. Die Fridays- for -Future -Bewegung habe ihr Ziel nicht erreicht und daher seinen andere Maßnahmen erforderlich, die ein großes Publikum erreichen.

Die Angeklagte pp.1 wollte das Spiel unterbrechen, in die Mitte des Spielfelds laufen, um dort ein Banner zu zeigen, das sie unter ihrem T-Shirt hatte.

Der Angeklagte pp.2 räumt das Überwinden der beiden Bande ein und zeigte sich empört, dass er sich dafür vor Gericht verantworten müsse.

Die Angeklagte pp.3 schilderte, dass sie nach Überwinden der Bande zum Tor laufen wollte aber gleich von den Sicherheitskräften gefasst und weggetragen wurde.

Die Einlassung der Angeklagten wird bestätigt durch das in Augenschein genommene Video, das teilweise auch auf den in der Akte befindlichen Lichtbilder, Blatt 48-52, zusammengefasst ist.

Die gestellten Strafanträge, Blatt 17, 77 und 96, wurden verlesen.

IV.

1. Die Angeklagten haben Hausfriedensbruch im Sinne des § 123 StGB begangen. Die Angeklagten sind in das befriedete Besitztum eines anderen widerrechtlich eingedrungen. Bei dem durch die umlaufenden Sperrwände getrenntem Fußballfeld handelt es sich um ein befriedetes Besitztum.

Der Betreiber der Allianz Arena war nicht einverstanden, dass während des Fußballspiels FC Bayern München gegen Borussia Dortmund das Fußballfeld betreten wird. Es befinden sich Sicherheitskräfte an den Absperrungen.

Das Eindringen in das Fußballfeld verletzt das fremde Hausrecht und ist nicht durch ein stärkeres Recht legitimiert. Das stärkere Recht ergibt sich hier weder aus Nothilfe gemäß §32 StGB oder Notstand gemäß § 34 StGB. Auch zivilrechtliche Notstandsregelungen sind hier nicht ersichtlich ( dazu weitere Ausführungen unter 4.).

2. Es wurden durch den Geschäftsführer der die Allianzarena betreibenden GmbH entsprechende Strafanträge gestellt.

3. Die Angeklagten haben mittäterschaftlich im Sinne des § 25 II StGB gehandelt. Jeder der Angeklagten hatte ein eigenes Interesse am Erfolg der Tat, die auf gemeinsamen Tatentschluss erfolgte und für die jeder aufgrund eigener Tatherrschaft seinen eigenen Beitrag geleistet hat.

4. Das Handeln der Angeklagten war rechtswidrig. Bei der Prüfung der Rechtfertigung wurde zugunsten der Angeklagten unterstellt, dass wie im Beweisantrag der Angeklagten W vorgetragen „die Klimakrise stellt schon jetzt eine Gefahr für Leben und Freiheit heutiger und zukünftiger Generationen dar" zutrifft. Auch wurde zugunsten berücksichtigt die im Beweisantrag des Angeklagten SM angeführte Tatsache „die bislang in Deutschland ergriffenen Maßnahmen zu Reduktion der Treibhausgasemisionen reichen nicht aus, um die durch die Pariser Klimaziele konkretisierte Staatszielbestimmung aus Artikel 20 a Grundgesetz zu erfüllen." läge vor.

a) Die Angeklagten können sich nicht zur Rechtfertigung auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen, Art. 8 Abs. 1 GG. Grundsätzlich besteht der Schutz des Art. 8 GG unabhängig davon, ob eine Versammlung angemeldet ist und endet erst mit rechtmäßiger Auflösung der Versammlung ( BVerfG 1 BVR 388/05). Der Schutzbereich des Art. 8 GG war damit hier eröffnet, da es den Angeklagten darum gegangen ist, Aufmerksamkeit zu erregen und so einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Sie wollten friedlich und ohne Waffen demonstrieren. Be-hinderungen und Zwangswirkungen werden grundsätzlich aber nur dann durch Art. 8 GG gerechtfertigt, wenn sie als sozialadäquate Nebenfolge mit rechtmäßigen Demonstrationen verbunden sind (BVerfGE 73, 206, 250). Bei einer zielbewussten Verletzung gegenüber einem bestimmten Rechtsgut eines Dritten ist dem Täter hingegen in der Regel die Berufung auf die Versammlungsfreiheit als Rechtfertigungsgrund verwehrt (BVerfGE 73, 206, 250; 82, 236, 264; BGHSt 23, 46, 56 f.; BGHSt 44, 34-42).

So liegt es hier. Die Angeklagten haben zielgerichtet gegen das Hausrecht verstoßen. Es entsprach ihrem Tatplan, durch Betreten des Spielfeldes den Fortgang des Spiels zu unterbinden, um dadurch mediale Aufmerksamkeit für die Klimakrise zu erhöhen. Sie wählten bewusst ein Bundesligaspiel, um eine breite Zuschauerschaft zu erreichen.

b) Die Tat der Angeklagten ist nicht nach Art. 20 Abs. 4 GG gerechtfertigt. Nach Art. 20 Abs. 4 GG hat es jeder Deutsche gegen jeden, der es unternimmt die in Art. 20 GG niedergelegte Ordnung zu beseitigen das Recht zum Widerstand, wenn andere Ab-hilfe nicht möglich ist.

Die Vorschrift ist als Subsidiaritätsklausel zu verstehen daher darf andere Abhilfe nicht möglich sein. Hintergrund der Einschränkung ist das staatliche Gewaltmonopol als Grundpfeiler moderner Staatlichkeit.

Eine Konstellation, in der die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist und die staatlichen Organe nicht in der Lage sind, die verfasste Ordnung selbst hinreichend zu schützen ist nicht gegeben. Lediglich weil die Angeklagten der Meinung sind, dass die erforderlichen Gesetze nicht ausreichend schnell erlassen werden, besteht keine Handlungsbefugnis nach Art. 20 Abs. 4 GG. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass die „Widerstandshandlung", das Betreten des Spielrasens sich gegen denjenigen richtete, der es unternahm, die in Art. 20 Grundgesetz niedergelegte Ordnung zu beseitigen.

c) Das Handeln der Angeklagten ist nicht gern. § 34 StGB gerechtfertigt. Es mangelt jedenfalls an der Angemessenheit der vermeintlichen Notstandshandlung, § 34 S. 2 StGB. Nach § 34 StGB handelt nicht rechtswidrig, wer in einer gegenwärtigen , nicht anderes abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein an-deres Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen ab-zuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt, soweit die Tat ein an-gemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

Ob die durchgeführte Aktion geeignet ist, die Gefahr abzuwenden, kann dahinstehen. Die Angemessenheit einer vermeintlichen Notstandstat entfällt jedenfalls, wenn die Rechtsordnung für die Abwendung bestimmter Gefahren ein rechtlich geordnetes Verfahren vorsieht.

In der Bundesrepublik Deutschland haben die Bürger zahlreiche legale Möglichkeiten zur Geltendmachung abweichender politischer Standpunkte. Die Voraussetzungen für ein solches Widerstandsrecht liegen hier unzweifelhaft nicht vor. Hier wurde aktiv in den Verlauf des Fußballspiels eingegriffen und der Fortgang des Fußball-spiels behindert. Die Angeklagten betraten nicht nur das Spielfeld oder den Randbereich, um dort Transparente zu zeigen, sondern begaben sich auf das Spielfeld und in den Torraum beider Mannschaften, um das Spiel zu stören und zu behindern, den Fortgang zu unterbrechen. Der Angeklagte pp.2 und anderweitig Verfolgte pp. wollten sich zudem am Tor festkleben. Zum Erreichen des Ziels stehen andere Mittel zur Verfügung. Es obliegt nicht den Angeklagten darüber zu urteilen, ob legale Proteste oder andere Formen der Demonstrationen nicht ausreichend geeignet sind das Ziel des Klimaschutzes zu erreichen.

d) Auch ist das Handeln nicht durch den „zivilen Ungehorsam" gerechtfertigt. Hierbei handelt es sich um Protest, der sich gegen eine verfassungsgemäß zustande gekommene Mehrheitsentscheidung — einen fundamentalen Gemeinschaftswert —richtet.

Anstatt für die eigene Meinung auf legale Weise um eine Mehrheit zu werben, setzt derjenige, der zivilen Ungehorsam leistet, die Überlegenheit der eigenen Ansicht voraus und leitet dadurch das Recht ab, diese auch mit illegalen Mitteln durchsetzen zu dürfen. Die Annahme einer Rechtfertigung würde bedeuten, ein solches Recht tatsächlich zuzugestehen und damit der Ansicht einer Minderheit ein höheres Gewicht zuzubilligen als der im Rahmen des demokratischen Willensbildungsprozesses entstandenen Entscheidung der Mehrheit. Dies verstieße nicht nur gegen Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz der die Bevorzugung einer aktiv geltend gemachten politischen Anschauung ausdrücklich verbietet, sondern stellt der durch den Verzicht auf die Durchsetzung der Mehrheitsregel auch eine Selbstaufgabe von Demokratie und Rechtsfrieden durch die Rechtsordnung dar.

IV.

Die Angeklagten pp.1, pp.2. und pp.3 sind schuldig des Hausfriedensbruchs gemäß §§ 123 Abs. 1 und Abs. 2, 25 Abs. 2 StGB.

V.
Alle 3 Angeklagten waren zur Tatzeit Heranwachsende. Jeder von ihnen ist ausschließlich für die letzte Generation tätig und erhält teilweise von dieser Zuwendungen bzw. ist finanziell von den Eltern abhängig. Alle 3 Angeklagten haben höhere Schulen abgeschlossen und gehen momentan keiner hauptberuflichen Tätigkeit nach, um sich vollumfänglich für den Klimaschutz einsetzen zu können. Reifeverzögerungen im Sinne des § 105 JGG sind nicht ersichtlich und die Voraussetzungen für die Anwendung von Jugendstrafrecht sind nicht gegeben. Die Angeklagten handeln überlegt und bewusst.

Bei den Angeklagten pp.1. und pp.3 ist eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je pp, schuld- und tatangemessen und entspricht den wirtschaftlichen Verhältnissen. Beim Angeklagten pp.2 ist eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je pp tat- und schuldangemessen und den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend.

Innerhalb des Strafrahmens von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr sind im Hinblick auf die Angeklagten überwiegend identische Strafzumessungsgesichtspunkte maßgebend.

Zugunsten der Angeklagten konnte Berücksichtigung finden, dass sie den Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt haben und die Unterbrechung lediglich kurze Zeit angedauert hat. Zugunsten konnte auch berücksichtigt werden, dass die 3 Angeklagten nicht aus persönlichen Gründen, um sich etwa zu bereichern, gehandelt haben sondern sich hier für den Klimaschutz eingesetzt haben. Bei den Angeklagten pp1. und pp.3 konnte darüber hinaus zugunsten berücksichtigt werden, dass die Auszüge aus den Bundeszentralregistern ohne Eintrag waren. Bei der Angeklagten pp.3 konnte nicht strafschärfend berücksichtigt werden, dass bereits eine rechtskräftige Verurteilung bzw. ein Strafbefehl des Amtsgericht Hamburg vorliegt, da diese Verurteilung noch nicht zum Tatzeitpunkt bestand.

Zulasten wurde berücksichtigt, dass die Angeklagten hier durch den Hausfriedensbruch eine Vielzahl von Zuschauern, die zuvor Eintrittskarten erworben haben, zusätzlich mit belastet haben. Auch lässt sich nicht ausschließen, dass durch die erreichte Spielunterbrechung eine Beeinflussung des Spielergebnisses vorliegt.

Beim Angeklagten pp.3 wirkte sich auch strafschärfend aus, dass er bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten sind ähnlich.

Der Angeklagte pp. 1 und die Angeklagte pp.2 erhalten bzw. Unterstützung durch die Organisation der Last Generation I. Der jeweilige Wohnunterhalt kann keine Berücksichtigung finden.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465 StPO.


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