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Entscheidungen

Zivilrecht

Vorschadensproblematik, Teilschadensersatz

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bochum, Urt. v. 02.05.2023 - I 8 O 297/21

Eigener Leitsatz:

1. Steht nach einem eingeholten Sachverständigengutachten aus technischer Sicht zumindest ein abgrenzbarer Teil von Schäden fest, die auf das behauptete Unfallereignis zurückgeführt werden, können diese grundsätzlich als Ersatz verlangt werden.
2. Allerdings ist ein solcher Teilschadensersatzanspruch dem Geschädigten verwehrt, wenn zum einen bewiesen ist, dass ein anderer erheblicher Teil der geltend gemachten Schäden nicht auf der Kollision beruht und der Geschädigte zum anderen weiterhin keine Angaben zu dem Vorliegen irgendwelcher unreparierter Altschäden tätig, sondern weiterhin wahrheitswidrig behauptet, dass alle Schäden auf dem Unfallereignis beruhen.


LG Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil v. 02.05.2023

In dem Rechtsstreit
pp.

hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Bochum

im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 11.04.2023

durch den Richter am Landgericht pp. als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 `)/0 des jeweils vollstreckbaren Betrages leisten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom 21.06.2019 auf dem Parkplatz der Firma pp. in Datteln.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin des Fahrzeugs Mercedes-Benz AMD GLC mit dem amtlichen Kennzeichen pp. Der Beklagte zu 1) war zum Unfallzeitpunkt Halter und Führer des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen pp.

Der Unfallhergang ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin macht geltend zum Unfallzeitpunkt sei das klägerische Fahrzeug auf dem Parkplatz der Firma pp. ordnungsgemäß durch den Geschäftsführer der Klägerin geparkt worden. Er selbst sei zum Unfallzeitpunkt nicht vor Ort gewesen. Beim Vorbeifahren sei der Beklagte zu 1) mit dem von ihm mitgeführten Anhänger mit dem geparkten Klägerfahrzeug kollidiert. Das Schadensereignis sei vom Beklagten zu 1) allein verursacht und verschuldet worden. Das weit überwiegende Verschulden sowie die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs konsumiere jeden Tatbeitrag der Klägerin sowie die Betriebsgefahr des von ihr ordnungsgemäß geparkten Fahrzeugs.

Infolge des Zusammenstoßes habe das klägerische Fahrzeug einen Sachschaden in Höhe von 3.682,95 Euro erlitten. Zudem betrage der merkantile Minderwert 1.000,-Euro. Ebenso stünde ihr auch ein Unkostenbetrag in Höhe von 25,- Euro zu. Schließlich habe der privat beauftrage Sachverständige ihr für die Gutachtenerstattung einen Betrag in Höhe von 735,90 Euro netto in Rechnung gestellt.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 4.707,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2020 zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von einer Forderung der pp. anlässlich eines Verkehrsunfalles vom 21.06.2019 in Castrop-Rauxel in Höhe von 735,90 Euro freizustellen und die Freistellung zu bewirken,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von einer Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 480,20 Euro freizustellen und die Freistellung zu bewirken.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagten machen geltend, das Beklagtenfahrzeug habe den behaupteten Schaden nicht (vollumfänglich) verursacht. Das von der Klägerseite geschilderte Ereignis sei nicht plausibel. Es sei lediglich zutreffend, dass es zu einer Berührung zwischen dem klägerischen Pkw sowie dem Anhänger des Fahrzeuggespanns der Beklagtenseite gekommen sei. Aus technischer Sicht können die geltend gemachten Schäden nicht auf dem streitgegenständlichen Schadensereignis beruhen. Es werde vielmehr ein erkennbar ereignisfremder Altschaden zur Abrechnung gebracht. Insofern entfalle eine Einstandspflicht der Beklagtenseite, da die Klägerin ihrer Darlegungslast bezüglich des Vorschadens nicht nachgekommen sei. Zudem greife vorliegend der Grundsatz der Verwirkung, da die Klägerseite einen, zumindest teilweise, nicht unfallbedingten Schaden verfolge. Es sei zudem sehr befremdlich, dass das Sachverständigengutachten von einem Sachverständigenbüro aus Brandenburg vorgenommen worden sei. Daher sei eine Begutachtung des klägerischen Fahrzeuges durch das Sachverständigenbüro mit Nichtwissen zu bestreiten. Darüber hinaus seien auch Kürzungen bei den Instandsetzungskosten vorzunehmen. Insofern sei bei den Reifen ein Abzug „Alt für Neu" vorzunehmen und insofern lediglich ein Betrag in Höhe von 169,92 Euro in Ansatz zu bringen. Zudem sei für die Position Kleinersatzteile ein Abzug in Höhe von 5,09 Euro vorzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der Kammer überreichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des pp. Zudem hat es den Geschäftsführer der Klägerin, Herrn pp., sowie den Beklagte zu 1) persönlich angehört. Bezüglich der Ergebnisse wird auf das Gutachten vom 28.09.2022 (BI. 184 ff. d. eAkte) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2022 (BI. 142 ff. eAkte) Bezug genommen.

Mit entsprechendem Einverständnis der Parteien hat die Kammer mit Beschluss vom 28.03.2023 eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet. Die Parteien hatten Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme bis zum 11.04.2023.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Insbesondere folgt dieser gegen den Beklagten zu 1) nicht aus § 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG oder § 823 Abs. 1 BGB und gegen die Beklagten zu 2) nicht aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

1. Zwar steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte zu 1) beim Einparkvorgang mit dem klägerischen Fahrzeug kollidierte. Insofern ist der für die genannten Anspruchsgrundlagen erforderliche äußere Tatbestand, der von der Klägerin behaupteten Rechtsgutverletzung grundsätzlich anzunehmen. Mithin ist die haftungsbegründete Kausalität vorliegend zu bejahen.

3. Allerdings kann die Kammer auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 ZPO feststellen, dass die von der Klägerin behaupteten Schäden in ihrer Gesamtheit bei diesem Unfall entstanden sind.

Hiergegen spricht das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. pp. vom 28.09.2022.

Der Sachverständige führt aus, dass zum technischen Nachweis der Verursachung der Schäden am klägerischen Fahrzeug durch den Beklagten-Anhänger keine ausreichenden Anknüpfungsparameter vorliegen. Jedoch spreche gleichermaßen die Auswertung der Schadensmorphologie dafür, dass die Schäden an der Stoßfängerabdeckung des Klägerfahrzeugs und dem Radlaufbogen dem streitgegenständlichen Unfallereignis entstammen. Zudem zeigen sich am rechten Hinterrad keine Schäden am Leichtmetallrad. Die Reifenseitenwand zeige Druckspuren, diese lassen sich jedoch nicht individuell und allein auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückführen. Ohne weiteres sei nicht nachvollziehbar, dass der Schaden an der Fronttür aus dem hier streitgegenständlichen Unfallereignis stamme. Vor dem Hintergrund des zu beanstandenden Reparaturweges, welcher die Erneuerung von wiederverwendbaren Teilen vorsehe, rechtfertigten sich insbesondere die Erneuerung des rechten Hinterrades und die Reparatur der Tür nicht.

Die Ausführungen des Sachverständigen sind in jeder Hinsicht überzeugend und nachvollziehbar. Der Sachverständige ist bei der Begutachtung zutreffend von den durch die Lichtbilder dokumentieren Schäden an den unfallbeteiligten Fahrzeugen ausgegangen und hat diese auf ihre Kompatibilität zueinander sowie zu dem von den Parteien behaupteten Unfallhergang überprüft. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen nach eigener Sachprüfung vollumfänglich an.

Der Klägerin steht weiterhin auch nicht ein Anspruch der seitens des Sachverständigen berechneten Teilreparaturkosten in Höhe von 1.983,37 Euro zu.

Zwar ist es grundsätzlich in der Rechtsprechung anerkannt, dass für den Fall, dass ein zumindest abgrenzbarer Teil der seitens der Klägerin geltend gemachten Schäden auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, diese ersetzt verlangt werden können (vgl. OLG München NZV 2006, S. 261). Allerdings ist ein solcher Teilschadensersatzanspruch der Klägerin verwehrt, wenn bewiesen ist, dass ein Teil der geltendgemachten Schäden am Unfallfahrzeug nicht auf die Kollision zurückzuführen sind und der Geschädigte zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben macht, sondern vielmehr das Vorliegen irgendwelcher Vorschäden bestreitet (vgl. KG BeckRS 2007, 12643; KG BeckRS, 02982; vgl. auch Janke, in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 249 Rn. 89 mwN.). Diese Unsicherheit führt zur vollständigen Klageabweisung (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 104786). Vorliegend ist genau diese Konstellation anzunehmen. Die Klägerin bestreitet das Vorliegen etwaiger Altschäden. Insofern gab der Geschäftsführer der Klägerin an, dass sein Fahrzeug vor dem hier streitgegenständlichen Unfallereignis keine anderweitigen Unfälle erlitten hätte. Auch im Unfallbereich hätte das Fahrzeug keine Altschäden aufgewiesen. Das Fahrzeug sei zum Unfallzeitpunkt ca. ein 3/4 Jahr alt gewesen. Er habe das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 800 Kilometern gekauft. Da das unfallgeschädigtes Fahrzeug von Vorschäden betroffen ist, die den geltend gemachten Schaden überlagern, hätte die Klägerin zur Begründung ihrer Ersatzbegehrens nicht nur den Umfang der Vorschäden im Einzelnen darlegen, sondern auch spezifiziert vortragen müssen, welche Reparaturmaßnahmen in der Vergangenheit zur vollständigen und ordnungsgemäßen Beseitigung der Vorbeeinträchtigungen durchgeführt worden sind und, ob eventuelle Reparaturmaßnahmen jeweils in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Instandsetzungsvorgaben standen (vgl. OLG Düsseldorf aaO.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin das Fahrzeug als gebrauchten Vorführwagen gekauft hat. Insofern hätte es sodann einen Vortrag dahingehend berufen, ob die Klägerin das Fahrzeug mit einem Nachweis über eine Reparatur der Vorschäden gekauft hat (KG 25.2.2010 – 22 U 163/09). An einem entsprechenden Vortrag fehlt es in Gänze.

4. Da die Klägerin bereits gegenüber dem außergerichtlichen Sachverständigen Rabe die Vorschäden verschwiegen hat, kann sie die diesbezüglichen Sachverständigenkosten nicht ersetzt verlangen (vgl. KG NZV 2004, 470).

5. Mangels ersetzbarer Schäden steht der Klägerin ebenfalls die Unfallpauschale in
Höhe von 25,- Euro nicht zu.

II.

Nach allem war die Klage mit der sich aus § 91 ZPO ergebenen Kostenfolge abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 5.443,84 EUR festgesetzt.


Einsender: RA M. Nugel, Essen

Anmerkung:


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