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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung, Zulässigkeit, Untätigkeit der StA

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Leipzig, Beschl. v. 02.08.2023 - 5 Qs 41/23

Eigener Leitsatz:

Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Unverzüglichkeit“ in auch § 140 Abs. 2 Nr. 3 StPO ist nicht nach Maßgabe eines bestimmten Zeitablaufs zu bemessen. Ein Verstoß gegen die Unverzüglichkeit, ein schuldhaftes Zögern, ist nur dann gegeben, wenn die Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft und Polizei) einen Beiordnungsantrag pflichtwidrig übergehen und das Verfahren weiterbetreiben, insbesondere weitere Ermittlungshandlungen mit Außenwirkung und Beweiserhebungen zum Nachteil des Beschuldigten vornehmen bzw. anstrengen.


BESCHLUSS

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

wegen besonders schweren Falls des Diebstahls

ergeht am 02.08.2023 durch das Landgericht Leipzig - 5. Strafkammer als Beschwerdekammer -
nachfolgende Entscheidung:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Leipzig - Zweigstelle Torgau - vom 03.07.2023 (Blatt 58 der Akte) wird der Beschluss des Amtsgerichtes Torgau - Ermittlungsrichter - vom 03.07.2023, Az. 5 Gs 148/23 (Blatt 54 - 55 der Akte) aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig - Zweigstelle Torgau - führt unter dem Az. 955 Js 32753/23 gegen den Beschuldigten und einen weiteren Mitbeschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Tatverdachtes eines gemeinschaftlich begangenen besonders schweren Falls des Diebstahls. Der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte werden verdächtigt, am 26.11.2022 gegen 00:05 Uhr abgestellte LKWs angegriffen und aus den Tanks Diesel-Kraftstoff im Gesamtwert von 600,00 EUR entwendet zu haben, um ihren eigenen Transporter zu betanken. Bei einem der angegriffenen LKWs wurde der verschlossene Tankdeckel gewaltsam geöffnet, bei dem zweiten LKW sei der Tankdeckel bereits vorher defekt gewesen.

Noch am 26.11.2022 übersandte der Verteidiger des Beschuldigten unter Angabe der polizeilichen Tagebuchnummer eine Verteidigungsanzeige an die Staatsanwaltschaft Leipzig und beantragte gleichzeitig, dem Beschuldigten als notwendiger Verteidiger beigeordnet zu werden. Ein Fall der notwendigen Verteidigung läge vor, da sich der Beschuldigte in anderer Sache in einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Passau, Az. 35 Js 5877/22, in Untersuchungshaft befinden würde.

Mit Schlussbericht vom 17.04.2023 wurden die polizeilichen Ermittlungen durch das Polizeirevier Leipzig-Nord abgeschlossen und die Verfahrensakte an die Staatsanwaltschaft Leipzig gesandt, wo sie in der Hauptstelle am 21.04.2023 und in der Zweigstelle Torgau am 24.04.2023 einging. Die Zuordnung des Verteidigerschriftsatzes vom 26.11.2022 zur Verfahrensakte erfolgte am 07./08.06.2023, nachdem dem sachbearbeitenden Staatsanwalt die Akte erstmals vorgelegt wurde. Nach Einholung einer Auskunft der Staatsanwaltschaft Passau, Eingang: 19.06.2023, übersandte der sachbearbeitende Staatsanwalt am 20.06.2023 die Verfahrensakte an das Amtsgericht Torgau/Ermittlungsrichter mit der Anregung den Antrag des Verteidigers auf Beiordnung abzulehnen, da die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1, 2 StPO nicht vorliegen würden. Die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO läge nicht mehr vor, da nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Passau der Beschuldigte seit dem 06.12.2022 aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei. § 140 Abs. 2 StPO erfordere eine Beiordnung ebenfalls nicht. Weder die Schwere der Tat noch die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage würden eine Mitwirkung eines Verteidigers zwingend erfordern. Der Gegenstand des Verfahrens sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein einfacher Sachverhalt. Der Beschuldigte sei zum Tatzeitpunkt nicht vorbestraft gewesen und hätte mit der Verhängung von einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr nicht zu rechnen. Im Falle der Verurteilung drohe auch kein Bewährungswiderruf. Die in der Auskunft aus dem Bundeszentralregister enthaltene Entscheidung des Amtsgerichtes Passau vom 06.12.2022 durch die der Beschuldigte wegen versuchten Diebstahls zu einer 4-monatigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt wurde, sei erst nach der gegenständlichen Tat ergangen. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen könne (Bl. 50 d.A.). Mit Schriftsatz vom 30.06.2023 trat der Verteidiger der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme insbesondere mit der Erwägung entgegen, dass am 26.11.2022 die Voraussetzungen für eine Beiordnung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO gegeben gewesen wären und die Staatsanwaltschaft dem Beiordnungsantrag des Beschuldigten vom 26.11.2022 nicht unverzüglich dem zuständigen Ermittlungsrichter vorgelegt habe (Blatt 52 - 53 der Akte). Mit Beschluss vom 03.07.2023 ordnete das Amtsgericht Torgau, Az. 5 Gs 148/23, dem Beschuldigten Rechtsanwalt … als Pflichtverteidiger bei. Eine Beiordnung sei auch dann vorzunehmen, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung die Voraussetzung einer Beiordnung gegeben waren, diese aber zu einem späteren Zeitpunkt in Wegfall geraten seien. Im vorliegenden Fall sei der Beschuldigte in anderer Sache in Haft gekommen. Der Verteidiger habe bereits mit Schriftsatz vom 26.11.2022 bei der Staatsanwaltschaft beantragt, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen einer Beiordnung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO unstreitig aufgrund der Inhaftierung des Beschuldigten vorgelegen. Damit hätte entsprechend des § 141 S. 1 StPO die Akte unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung über den Beiordnungsantrag vorgelegt werden müssen. Dies auch deshalb, weil die Staatsanwaltschaft nicht hätte absehen können, zu welchem Zeitpunkt über die Inhaftierung in anderer Sache eine abschließende Entscheidung getroffen werde (Blatt 54 - 55 der Akte).

Am 05.07.2023, vorab per Fax, eingegangen mit Verfahrensakte am 06.07.2023, legte die Staatsanwaltschaft Leipzig - Zweigstelle Torgau - gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Torgau vom 03.07.2023 sofortige Beschwerde ein. Neben den Argumenten die bereits am 20.06.2023 zur Ablehnung des Antrages auf Beiordnung vorgetragen wurden, führt die Staatsanwaltschaft Leipzig - Zweigstelle Torgau - aus, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes Torgau eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung nicht Betracht komme, auch wenn zwischenzeitlich die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung gegeben gewesen sind. Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass das Verfahren erst im April 2023 durch die Staatsanwaltschaft Leipzig erfasst worden sei und der Antrag des Verteidigers vom 26.11.2022, ausweislich des darauf angebrachten Posteingangsstempels der Zweigstelle Torgau vom 30.05.2023 dem sachbearbeitenden Staatsanwalt erst zu einem Zeitpunkt vorgelegt wurde, als der Beschuldigte schon längst aus der Haft entlassen wurde. Eine pflichtwidrige, verzögerte Vorlage des Antrages an das zuständige Gericht läge mithin nicht vor.

II.

Die gem. § 142 Abs. 7 i.V.m § 311 StPO statthafte sofortige Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt und hat auch in der Sache Erfolg.

Zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses am 03.07.2023 lag ein Fall einer notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs. 1 und Abs. 2 StPO nicht (mehr) vor. In dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Passau, Az. 35 Js 5877/22 war der Beschuldigte bereits am 06.12.2022 aus der Haft entlassen worden, sodass zu diesem Zeitpunkt eine Beiordnung nicht mehr auf § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO gestützt werden konnte. Zutreffend hat im Übrigen die Staatsanwaltschaft Leipzig - Zweigstelle Torgau - darauf hingewiesen, dass auch ein Fall einer notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht gegeben ist. Der Gegenstand des Verfahrens bildet ein in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfacher Sachverhalt, nämlich der Vorwurf des gemeinschaftlichen Diebstahls von Kraftstoff am 26.11.2022. Die polizeilichen Ermittlungen haben lediglich einen Verfahrensumfang von 39 Seiten, einschließlich der polizeilichen Anzeige. Im Falle des Bestreitens des Tatvorwurfs sind nur einige wenige Polizeibeamte als Zeugen zu vernehmen und ggf. die Aufnahmen der Fliegerstaffel der Bundespolizei in Augenschein zu nehmen. Der Beschuldigte war zum Tatzeitpunkt nicht vorbestraft und hat auch unter Berücksichtigung, dass im Verurteilungsfall unter Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgerichtes Passau vom 09.12.2022 verhängten 4monatigen Freiheitsstrafe eine nachträgliche Gesamtstrafe gebildet werden müsste, nicht mit der Verhängung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe von mehr 1 Jahr oder darüber zu rechnen. Da das Urteil des Amtsgerichtes Passau vom 06.12.2022 nach der verfahrensgegenständlichen Tat erging, steht auch ein Bewährungswiderruf nicht im Raum. Umstände, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann, sind aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Im Übrigen sind keine anderweitigen Rechtsnachteile für den Beschuldigten erkennbar oder erwartbar, die eine Beiordnung gemäß § 140 Abs. 2 StPO und die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers zwingend gebieten würden.

Auch die von dem Amtsgericht Torgau angestellte Erwägung, dass der Beiordnungsantrag des Verteidigers vom 26.11.2022 nicht rechtzeitig bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO dem Amtsgericht vorgelegt worden wäre, rechtfertigt eine (rückwirkende) Beiordnung nicht. Zwar ist gemäß § 141 Abs. 1 S. 1 StPO ein Pflichtverteidiger unverzüglich zu bestellen, wenn der Beschuldigte dies beantragt hat und die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung gem. § 140 StPO vorliegen. Wie sich auch § 140 Abs. 2 Nr. 3 StPO jedoch ergibt, ist der unbestimmte Rechtsbegriff der „Unverzüglichkeit“ nicht nach Maßgabe eines bestimmten Zeitablaufs zu bemessen. Ein Verstoß gegen die Unverzüglichkeit, ein schuldhafttes Zögern, ist nur dann gegeben, wenn die Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft und Polizei) einen Beiordnungsantrag pflichtwidrig übergehen und das Verfahren weiterbetreiben, insbesondere weitere Ermittlungshandlungen mit Außenwirkung und Beweiserhebungen zum Nachteil des Beschuldigten vornehmen bzw. anstrengen (vgl. BT-Drucksache 19/13829, S. 38 zu § 141 Abs. 2 Satz 2 StPO: „... Mit der Richtlinienvorgabe zur unverzüglichen Verteidigerbeiordnung in den Fällen der Haft ist diese Ausnahme vereinbar, da eine vorwerfbare Verzögerung der Verteidigerbestellung solange nicht vorliegt, wie weder Vernehmungen noch sonstige Ermittlungsmaßnahmen mit Außenwirkung vorgenommen werden sollen...“). Entsprechendes ist vorliegend auch nicht passiert. Zum Zeitpunkt der Antragsstellung am 26.11.2022 war das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Leipzig noch gar nicht eingegangen bzw. erfasst, was zu diesem Zeitpunkt auch dem Verteidiger, der lediglich die polizeiliche Tagebuchnr. in seinem, am Tattag verfassten Schriftsatz vom 26.11.2022 angab, bekannt gewesen sein dürfte. Als erste Amtshandlung veranlasste der sachbearbeitende Staatsanwalt am 07.06.2023 die Beinahme des Schriftsatzes des Verteidigers vom 26.11.2022 zur Sachakte, zog nachfolgend eine Auskunft der Staatsanwaltschaft Passau bei und legte unmittelbar nach deren Eingang am 20.06.2023 das Verfahren dem Amtsgericht Torgau - Ermittlungsrichter - zur Entscheidung über den Beiordnungsantrag vor. Unter Missachtung des Beiordnungsantrages wurden keine weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen veranlasst. Im Übrigen ergibt sich aus der Ermittlungsakte, dass zwar die Verfahrensakte durch die Polizei erst am 17.04.2023 an die Staatsanwaltschaft Leipzig gesandt, aber nach dem 26.11.2022 auch von dort aus keine weiteren Ermittlungen durchgeführt wurden. Von daher fanden keinerlei Ermittlungshandlungen zum Nachteil des Beschuldigten unter Verletzung seiner Verteidigerrechte statt, weshalb es zu einer schuldhaft verspäteten Vorlage des Antrages vom 26.11.2022 nicht gekommen ist.

Im Übrigen folgt auch aus einer anderen Erwägung, dass vorliegend eine rückwirkende Beiordnung nur als systemwidrig anzusehen ist, weshalb die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Torgau nicht durchgreift. Gemäß § 143 Abs. 2 S.1 StPO kann nämlich eine erfolgte Beiordnung aufgehoben werden, wenn ein Fall einer notwendigen Verteidigung nicht mehr vorliegt. Gemäß § 143 Abs. 2 S. 2 StPO gilt dies im Falle des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO insbesondere dann, wenn der Beschuldigte mindestens 2 Wochen vor der Hauptverhandlung aus der Haft entlassen worden ist. Es wäre demzufolge vorliegend völlig widersinnig, wenn zunächst eine rückwirkende Beiordnung angeordnet werden würde, dann aber umgehend wieder auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufgehoben werden müsste, da der Beschuldigte sich bereits seit mehreren Monaten wieder auf freiem Fuß befindet und ein Strafverfahren noch gar nicht angestrengt ist. In der Regelung des § 143 Abs. 2 StPO spiegelt sich nämlich der Rechtsgedanke wieder, dass eine Beiordnung allein dem öffentlichen Zweck dient, die ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden (zukünftigen) (Straf-)Verfahren zu gewährleisten, jedoch nicht dem Kosteninteresse des Beschuldigten (BGH-Beschluss vom 20.07.2009, Az. 1 StR 344/08, NStZ-RR 2009, 348). An dieser Beurteilung hat auch die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 vom 26. Oktober 2016 (über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, nachfolgend als PKH-Richtlinie bezeichnet), die durch das Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 in nationales Recht umgesetzt wurde, nichts geändert (OLG Dresden, Beschl. v. 24.02.2023, Az. 2 Ws 33/23; ständige Rspr. der Kammer: Beschl. v. 08.05.2023, Az. 5 Qs 27/23; Beschl. v. 01.06.2023, Az. 5 Qs 32/23 u. Beschl. v. 10.07.2023, Az. 5 Qs 36/23).

§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO sieht bei einem inhaftierten Beschuldigten eine notwendige Verteidigung vor, da der sich nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte ersichtlich in seiner Verteidigung eingeschränkt ist. Deshalb ist nicht ansatzweise ersichtlich, warum der nunmehr seit längerer Zeit aus der Haft entlassene Beschuldigte noch eines bestellten Verteidigers bedarf, obwohl der die eigene Verteidigungsfähigkeit einschränkende Umstand in Wegfall geraten ist. Eine Pflichtverteidigerbeiordnung quasi als Sanktionierung der Strafverfolgungsbehörde für eine verspätete Vorlage eines Beiordnungsantrages ist gesetzlich nicht vorgesehen und war es auch bisher nicht. Werden Beweise unter Verletzung bzw. Missachtung strafprozessualer Rechte eines Beschuldigten erhoben, ist in einem späteren Strafverfahren (soweit ein solches überhaupt angestrengt wird) zu klären, ob und inwieweit derartige Beweismittel in eine strafrechtliche Hauptverhandlung eingebracht und verwertet werden können.

III.

Trotz dessen, dass die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Leipzig - Zweigstelle Torgau - erfolgreich war, waren in entsprechender Anwendung des §§ 473 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO die Kosten des Rechtsmittels und die durch dieses dem Beschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Ersichtlich wollte die Staatsanwaltschaft Leipzig - Zweigstelle Torgau - durch die beabsichtigte Aufhebung des erlassenen Beiordnungsbeschlusses den gesetzmäßigen Zustand wieder herstellen. Der Beschuldigte durfte grundsätzlich auf eine zuverlässige Prüfung und auf eine gesetzmäßige Entscheidung des Gerichts vertrauen. Er darf deshalb nicht mit Kosten belastet werden, die dadurch entstanden sind, dass eine auf einem Irrtum des Gerichtes beruhende gesetzwidrige Entscheidung beseitigt wird.

In einem solchen Fall ist die Vorschrift des § 473 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 473 Abs. 2 StPO zugunsten des Beschwerdegegners (Beschuldigten) anzuwenden und das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als erfolglos zu behandeln (BGH-Beschluss vom 20.02.1963, Az. 4 StR 497/62, NJW 1973, 820; OLG Düsseldorf Beschluss vom 04.09.1997, Az. 1 Ws 694/97, NStZ-RR 1998, 159).


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Anmerkung:


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