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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung, Zulässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Aurich, Beschl. v. 04.07.2023 - 6 Gs 1305/23

Eigener Leitsatz:

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Beendigung des Verfahrens ist nicht zulässig.


Beschluss v. 04.07.2023

6 Gs 1305/23

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

wegen Verdachts des Vergehens nach § 29 BtMG

werden die Anträge vom 16.05.2023 und vom 19.06.2023 von Rechtsanwalt pp. auf Bestellung als Pflichtverteidiger zurückgewiesen.

Gründe:
Die Anträge auf Beiordnung als Pflichtverteidiger waren zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen der Pflichtverteidigung liegen nicht vor. Die Staatsanwaltschaft Aurich hat das Verfahren gegen den Beschuldigten mit Verfügung vom 23.06.2023 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Ungeachtet der Frage, ob ein Grund für die Beiordnung als Pflichtverteidiger nach § 140 StPO vorliegt, ist eine rückwirkende Beiordnung in einem bereits eingestellten Ermittlungsverfahren
schlichtweg unzulässig, dies selbst dann, wenn die Anträge — wie hier — rechtzeitig gestellt wurden.

Bereits nach der alten Rechtslage war nach der überwiegenden Rechtsprechung eine Rückwirkende Beiordnung unzulässig _(vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 142, Rn. 19).

Soweit vereinzelt erwogen wird (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 142, Rn. 20), dass eine rückwirkende Bestellung mit Blick auf den mit dem Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 verfolgten Zweck möglich sein soll, um einen mittellosen Beschuldigten von den Kosten der Verteidigung freizustellen, verkennt diese Ansicht, dass nach Art. 4 der PKH-Richtlinie EU 2016/1919. vom 26. Oktober 2016 der „Anspruch auf Prozesskostenhilfe" nur dann besteht, „wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist, mithin für das weitere Verfahren von Bedeutung ist. Keineswegs sieht die Richtlinie vor, den Beschuldigten nachträglich in jedweder Phase des Verfahrens von den Kosten der Verteidigung frei zu halten, gar nach rechtskräftig erfolgter kostenpflichtiger Verurteilung noch eine Beiordnung eines Verteidigers vorzunehmen (OLG Hamburg Beschl. v. 16.9.2020 — 2 Ws 112/20, BeckRS 2020, 27077 Rn. 15; OLG Braunschweig Beschl. v. 2.3.2021 — 1 Ws 12/21, BeckRS 2021, 3268).

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers widerspräche nämlich dem Sinn und Zweck der notwendigen Verteidigung. Denn das Institut ist insbesondere dazu bestimmt, dem Beschuldigten einen rechtskundigen Beistand zu sichern und so einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten. Aus diesem Grund zählt § 140 StPO einzelne Fallgruppen auf, in denen die Verteidigung eines Beschuldigten durch einen Verteidiger als notwendig anzusehen ist. Dabei ist es unerheblich, ob der Beschuldigte in der Lage wäre, die Kosten der Verteidigung aus eigenen Mitteln aufzubringen oder nicht. Vielmehr knüpft das strafprozessuale Recht der notwendigen Verteidigung gerade nicht an die Bedürftigkeit der beschuldigten Person an. Dies kommt nicht nur dadurch zum Ausdruck, dass die Bestellungsvorschriften eine Bedürftigkeitsprüfung nicht vorsehen. Vielmehr hat der Beschuldigte im Falle einer späteren Verurteilung die Kosten seiner Verteidigung zu tragen, selbst wenn diese im Falle der Pflichtverteidigung zunächst (ggf. teilweise) aus der Staatskasse entrichtet wurden (LG Oldenburg, NStZ 2023, 127 Rn. 13).

Auch ist kein umfangreiches Tätigwerden des Verteidigers ersichtlich, was eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Anträge waren somit abzulehnen.



Einsender: RA F. Adler, Leer

Anmerkung:


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