Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

OWi

Übermittlung von Daten, Personalausweisregister, Zulässigkeit, Beweisverwertungsverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 11.04.2023 - 994 OWi - 359 Js 13613/23

Eigener Leitsatz:

Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 PAuswG dürfen Behörden Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn die ersuchende Behörde aufgrund von Gesetz oder Rechtsverordnung berechtigt ist, solche Daten zu erhalten. Dies sind etwa Strafverfolgungsbehörden und Verwaltungsbehörden im Ordnungswidrigkeitsverfahren auf Basis der vom §§ 161,163b StPO; 35, 46 Abs. 1 OWiG erhaltenen Ermächtigungsgrundlagen.






Urteil

Im Namen des Volkes

In der Bußgeldsache
gegen pp.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main - Bußgeldrichterin pp. - in der öffentlichen Sitzung vom 11. April 2023, an der teilgenommen haben:

für Recht erkannt:

Gegen die Betroffene wird wegen Unterschreitung des erforderlichen Abstands von 48,30 m zum vorausfahrenden Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 116 km/h (Abstand weniger als 5/10 des halben Tacho-Wertes) eine Geldbuße von 75,00 € festgesetzt.

Die Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen zu tragen.

An angewendete Vorschriften:
§§ 4 Abs. 1, 49 StVO; 24 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 5 StVG; 12.6.1 BKat.

Gründe:

I.

Die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 66 Jahre alte Betroffene lebt in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Der Fahreignungsregisterauszug erhält keine Eintragungen

II.

Die Betroffene befuhr am 12.09.2022 um 11:49 Uhr in Frankfurt am Main die BAB3, 179, 200 in Fahrtrichtung Köln als Führerin des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen pp.. Hierbei hielt sie bei einer Geschwindigkeit von 116 km/h den erforderlichen Abstand von 48,30 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein. Ihr Abstand betrug 25,50 m und damit weniger als 5/10 des halben Tacho-Wertes. Toleranzen sind zu ihren Gunsten berücksichtigt worden.

Die Betroffene hätte bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den Abstandsverstoß erkennen und vermeiden können.

III.

Der vorliegende Sachverhalt steht fest aufgrund des in der Hauptverhandlung in au-genscheingenommenen Messvideos, der Verlesung des in der Hauptverhandlung eingeführten Messprotokolls, Blatt 11 und 12 der Akte, des ebenfalls verlesenen Eichscheins, Blatt 14 der Akte, des in augenscheingenommen und verlesenen Messprotokolls, Blatt 13 der Akte sowie der verlesenen Teilnahmebescheinigung des Messbeamten, Blatt 15 der Akte, der Verlesung des Berichts BI. 31 der Akte, den in augenscheingenommenen Lichtbildern, Blatt 7 bis 10 der Akte. Auf die Lichtbilder wird wegen der Einzelheiten gemäß § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen, soweit Daten und Textzeilen auf den Bildern befindlich gewesen sind, sind diese in der Hauptverhandlung verlesen worden.

Die Betroffene, welche vom persönlichen Erscheinen entbunden ist, hat ihre Fahrzeugführereigenschaft im Vorfeld hinsichtlich des Entbindungsantrags glaubhaft ein-geräumt. Zweifel bestanden nicht.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht überzeugt, dass die Betroffene den ihr vorgeworfenen Abstandsverstoßes wie unter II. begangen hat.

Die Betroffene hat über die Einräumung der Fahrzeugführereigenschaft hinaus keinerlei Angaben gemacht.

Der Verteidiger der Betroffenen hat die Richtigkeit der Messung nicht in Zweifel gezogen. Er gab jedoch darüber hinaus an, dass im Vorfeld der Ermittlungen Fehler passiert seien. Aufgrund eines Verstoßes gegen § 22 Abs. 3, 3 PaßG beziehungs-weise § 24 Abs. 2 und Abs. 3 PAuswG liege ein Verfahrenshindernis vor, sodass das Verfahren eingestellt oder die Betroffene freizusprechen sei. Die Betroffene hätte vor Anforderung eines Passbildes als Betroffene im Verfahren angehört werden müssen.

Zunächst ist festzustellen, dass das Gericht von der Verwertbarkeit und Ordnungs-gemäßheit der vorgenommenen Abstandsmessungen überzeugt ist.

Auf der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Videosequenz ist das Fahrzeug der Betroffenen hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug zu sehen. Auf dem Film ist zu erkennen, dass auf allen vier Spuren Verkehr vorhanden ist. Das Fahr-zeug der Betroffenen hält in der gesamten Sequenz, die die Fahrtstrecke von der im Hintergrund auf dem Lichtbild Blatt 8 der Akte, auf das gemäß § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, die zu erkennende Schilderbrücke bis zum unteren Rand des Lichtbildes umfasst, einen etwa gleichbleibenden Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Einflüsse Dritter, etwa ein Einscheren dieses vo-rausfahrenden Fahrzeuges in die Spur der Betroffenen, ein Abbremsen des Fahr-zeuges oder dergleichen sind nicht ersichtlich.

Die Videosequenz legt den vorgeworfenen Abstandsverstoß insgesamt dar. Nach Ansicht des Videos steht fest, dass der Abstandsverstoß über eine nicht nur unerhebliche Fahrtstrecke und Zeit dokumentiert ist und Einflüsse Dritter nicht vorliegen, sodass der Verstoß ohne Frage auch vorwerfbar begangen wurde.

Das Gericht ist auch von der Richtigkeit der gemessenen Geschwindigkeit und des gemessenen Abstands überzeugt. Die Messung und die Auswertung erfolgten mit dem Mess- und Auswertegerät, die von der PTB zugelassen sind, über eine zum Tatzeitpunkt gültige Eichung verfügen und von einem Polizeibeamten bedient wurden, der hierfür ordnungsgemäß geschult ist. Aus dem Messprotokoll ist zudem er-sichtlich, dass der Messbeamte die Vorgaben der Bedienungsanleitung eingehalten und sich von der Unversehrtheit der Eichsiegel, Eichplomben und -sicherungsmarken überzeugt hat.

Bei dem hier eingesetzten Abstandsmessverfahren VKS (Verkehrskontrollsystem) der Herstellerfirma Videosystems GmbH handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (OLG Köln, Beschluss vom 08.04.2016 - 3(4) SsBS 121/16-,).

Ist ein Messgerät von der PTB zugelassen, ist das Messgerät im Rahmen der Zulassungsvorgaben verwendet worden, ist das Tatgericht grundsätzlich von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zu Funktionsweisen des Messgeräts, enthoben. Die Zulassung durch die PTB ersetzt diese Prüfung. Damit soll erreicht werden, dass bei dem Messverfahren im Bußgeldbereich nicht jedes Amtsgericht bei jedem einzelnen Verfahren die technische Richtigkeit der Messung jeweils neu überprüfen muss. Ist die Messung im Rahmen der Zulassung erfolgt, kann das Gericht grundsätzlich von der Richtigkeit der Messung ausgehen (OLG Köln, Beschluss vom 04.12.2014- 2Ss-OWi-1041/14-, sowie OLG Karlsruhe a.a.O. m.w.N.).

Auch soweit der auswertende Beamte die Messlinien an den jeweiligen Auftrittspunkten der Vorderreifen des vorausfahrenden Fahrzeuges und des Fahrzeuges der Betroffenen gewissermaßen von Hand im Rahmen der Auswertung gesetzt hat, wodurch geringfügige Abweichungen denkbar sind, steht indessen fest, dass etwaige Ungenauigkeiten, die aus der Setzung der Messlinien resultieren können, durch großzügige Toleranzen, die zu Gunsten der Betroffenen berücksichtigt wurden, mehr als ausgeglichen sind: Gemessen wurde der Abstand zwischen dem Vorderreifenauftrittspunkt des vorausfahrenden Fahrzeuges und dem Vorderreifenauftrittspunkt der Betroffenen. Dieser Abstand betrug bei der ersten Messung 27,90 m und bei der zweiten Messung, etwa mehr als eine Sekunde später, 28,00 m, wobei für den vor-liegenden Tatvorwurf der günstigere Wert zugrunde gelegt wurde. Da es für die Bestimmung des Abstands von zwei Fahrzeugen allerdings auf den Abstand zwischen Front des nachfahrenden und Heck des vorausfahrenden Fahrzeuges ankommt, ist die Länge des vorausfahrenden Fahrzeuges abzuziehen, welche hier von dem auswertenden Beamten mit 2,60 m angenommen wurde, was circa 40 cm weniger ist als die Länge eines Smart FordTwo, der circa 2,60 m lang ist. Auf dem Bild Blatt 9 der Akte ist deutlich zu erkennen, dass das vorausfahrende Fahrzeug wesentlich länger ist. Auf das Übersichtsfoto wird auch insoweit ausdrücklich gemäß § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO verwiesen. Auch der Abstand zwischen dem eigenen Reifenauftrittspunkt und der Front des Fahrzeuges der Betroffenen bleibt zu deren Gunsten unberücksichtigt. Schließlich wurde der gemessene Wert (28,00 m - 2,60 m = 25,40 m) zu Gunsten der Betroffenen noch auf 25,50 m aufgerundet. Damit steht im Ergebnis für das Gericht fest, dass der Abstand zwischen dem Fahrzeug der Betroffenen und dem vorausfahrenden Fahrzeug zum Zeitpunkt der Messung keinesfalls mehr als 25,00 m betrug und damit in Ansehung der gefahrenen Geschwindigkeit von 116 km/h weniger als 5/10 des halben Tacho-Wertes.

Demnach hat auch das Gericht im Einklang mit der Verteidigung keinerlei Zweifel daran, dass die Messung anstandsfrei und ordnungsgemäß verlaufen ist.

Sofern sich der Verteidiger darauf beruft, dass das Verfahren aufgrund eines Verfahrensfehlers wegen Verstoßes gegen § 24 Abs. 2 und Abs. 3 des PAuswG an einem derart schwerwiegenden Verfahrensmangel leidet, dass dies zur Einstellung beziehungsweise hier zum Freispruch hätte führen müssen, kann dem nicht entsprochen werden.

Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 PAuswG dürfen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn die ersuchende Behörde aufgrund von Gesetz oder Rechtsverordnung berechtigt ist, solche Daten zu erhalten. Dies sind etwa Strafverfolgungsbehörden und Verwaltungsbehörden im Ordnungswidrigkeitsverfahren auf Basis der vom §§ 161,163b StPO; 35, 46 Abs. 1 OWiG erhaltenen Ermächtigungsgrundlagen.

In der Hauptverhandlung verlesen worden ist Blatt 31 der Akte, der polizeiliche Vermerk des PK pp. vom 21.11.2022, wonach die Halteranschrift des zunächst im Verfahren als Betroffener geführten Herrn GRAF angefahren wurde, um eine Betroffenenermittlung durchzuführen. Laut Bericht ist bei dem zuvor geführten Betroffenen pp. geklingelt worden und dieser habe die Tür aufgemacht. Nach erneuter Belehrung und Verweis auf sein Zeugnisverweigerungsrecht habe er hiervon Gebrauch gemacht. Im Anschluss habe Unterzeichner, pp., gefragt, ob er denn alleine wohne. Er gab ab, dass er mit seiner Frau, Frau pp. zusammenwohne, welche derzeit nicht zu Hause sei. Daraufhin habe die Streife das Haus verlassen.

Anhand eines angeforderten Lichtbildes des Personalausweises von Frau pp. sei diese sodann an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Fahrzeugführerin identifiziert worden.

Die Polizeibehörde durch PK pp. hat daher im Rahmen der allgemeinen Ermächtigungsgrundlangen zur Ermittlung des Sachverhalts betreffend des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gehandelt, wobei hierdurch die formellen Voraussetzungen des § 24 PAuswG eingehalten worden sind.

Auch im Übrigen sind keine Fehler bei der Anforderung des Bildes aus dem Personalausweis der Betroffenen erfolgt.

Es mag sein, dass in der Praxis teilweise standardmäßig Lichtbilder angefordert werden, ohne dass zunächst andere Ermittlungen durchgeführt werden. Vorliegend war jedoch die Polizeibehörde bereits bei dem zuvor als Betroffeneneigenschaft geführten Herrn pp. vor Ort und hat vor Ort Ermittlungen hinsichtlich der Betroffenen angestellt. Hierbei war aufgrund des Fahrerfotos, Blatt 7 der Akte, ersichtlich, dass es sich um eine weibliche Person handeln muss. Aufgrund der Angaben des Herrn pp., dass er mit einer Frau pp. zusammenwohne, lag der Verdacht nahe, dass es sich hierbei um die mögliche Betroffene handeln könnte. Hiernach hat die Polizei bereits die vermutete Betroffene zum Zwecke der Identifizierung aufgesucht, diese aber nicht angetroffen im konkreten Zeitpunkt.

Dies ist vorliegend als ausreichende Ermittlungshandlung anzusehen, um es zu rechtfertigen, von der Betroffenen ein Lichtbild aus dem Personalausweis anzufordern.

Sollte dies anders gesehen werden, handelt es sich hierbei jedenfalls nicht um einen derart unerträglichen Verstoß, dass dieser zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnte, Vgl. Hornung, PaßG-PAuswG 1 Aufl. 2011, § 22 Randnummer 12 m.w.n. Willkür ist nicht ersichtlich.

IV.

Die Betroffene war demnach wegen fahrlässigen Nichteinhaltens des erforderliche Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug gemäß §§ 4 Abs. 1, 49 StVO2_24,-
Ziffer 12.6.1. BKat zu verurteilen.

V.

In Ermangelung von Voreintragungen war gegen die Betroffene die Regelgeldbuße in Höhe von 75,00 € nach 12.6.1 Kat als tat- und schuldangemessene Geldbuße festzusetzen.

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 465 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA C. Vogt, Frankfurt/Main

Anmerkung: Rechtskräftig durch OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 17.07.2023 - 1 ORbs 147/23.


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".