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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung, Zulässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 21.07.2023 - 5a Ws 1/21

Eigener Leitsatz:

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist auch nach der Neuregelung des Rechts der Pflichtverteidigung nicht zulässig


5a Ws 1/21

hat der 5a. Strafsenat – Staatsschutzsenat - des Oberlandesgerichts Frankfurt am
Main am 21. Juli 2023 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des (ehemals) Angeschuldigten gegen die Nichtbescheidung seines Antrags vom 03. Mai 2021 auf Entpflichtung von Rechtsanwalt Özkan und Bestellung von Rechtsanwalt als notwendiger Verteidiger ist erledigt.

Gründe

Die beim Landgericht Frankfurt am Main am 06. Oktober 2021 eingegangene (sofortige) Beschwerde richtet sich gegen die Nichtbescheidung des Antrags vom 03. Mai 2021, per Telefax eingegangen am selben Tag, auf Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt pp. und zugleich Beiordnung von Rechtsanwalt pp.. Diesen Antrag hat Rechtsanwalt pp. mit Schriftsatz vom 07. Mai 2021, per Telefax eingegangen am selben Tag, wiederholt. Ferner liegt eine per Telefax am 10. Mai 2021 eingegangene Erklärung des ehemals Angeschuldigten vom 09. Mai 2021 vor, mit der er mitteilt, anstelle von Rechtsanwalt pp. von Rechtsanwalt pp- vertreten werden zu wollen. Mit Schreiben vom 07. Juni 2021 hat Rechtsanwalt pp. erneut an den Antrag „auf Beiordnung" erinnert.

Zuvor hatte noch im Ermittlungsverfahren das Amtsgericht Frankfurt am Main unter dem 19. Juli 2020 dem Angeschuldigten Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat sodann unter dem 02. März 2021 die Anklage vom 20. Januar 2021 wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährden-den Gewalttat vor dem Landgericht Frankfurt am Main - 27. Strafkammer - erhoben.

Mit Beschluss vom 18. August 2021 regte die Staatsschutzkammer eine Einstellung nach § 153c Abs. 2, Abs. 5 StPO an. Hintergrund war die Verurteilung des Ange-schuldigten durch das erstinstanzliche Urteil des islamischen Revolutionsgerichts der Außenstelle 28 der Stadt Teheran vom 22./24. Juni 2019 (umgerechnet in den gregorianischen Kalender; Az. 9709980276700123; Urteil Nr. 9809970262800046) in Verbindung mit der undatierten Entscheidung der Außenstelle 36/36. Kammer des zweitinstanzlichen Gerichts, aufgrund derer nach Ansicht des Landgerichts eine Anrechnung der in diesem Verfahren erlittenen Haft zu erfolgen hätte. Das Urteil wurde bereits vollstreckt. In der Folge hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main den insoweit zuständigen Generalbundesanwalt um ein Vorgehen nach § 153c Abs. 2, Abs. 5 StPO ersucht.

Der Generalbundesanwalt hat sodann am 15. November 2021 in Anwendung des § 153c Abs. 2, Abs. 5 StPO die Anklage der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 20. Januar 2021 zurückgenommen und das Verfahren eingestellt.

Eine Reaktion des Landgerichts Frankfurt am Main auf den Antrag des ehemaligen Angeschuldigten, betreffend die Auswechslung des Pflichtverteidigers, erfolgte bis zur Erhebung der verfahrensgegenständlichen Untätigkeitsbeschwerde nicht. Nach Einlegung der Beschwerde führte der Vorsitzende am 07. Oktober 2021 aus, dass er die Untätigkeitsbeschwerde jedenfalls für unbegründet halte und ihr nicht abhelfe.

Die sofortige (Untätigkeits-)Beschwerde ist statthaft und sowohl form- als auch frist-gerecht eingelegt worden, jedoch aufgrund prozessualer Überholung nach ihrer Ein-legung gegenstandslos geworden und mithin mangels Beschwer unzulässig.

Im Beschwerdeverfahren ist das Fortbestehen einer Beschwer im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts Voraussetzung für die Sachentscheidung. Die Beschwer fehlt, wenn das beanstandete Geschehen nicht mehr korrigiert werden kann oder wenn es durch die Entwicklung des Verfahrens überholt ist (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 16. September 2020, 2 Ws 112/20, juris, Rn. 13).
Ein solcher Fall liegt hier nach wirksamen Rücknahme der Anklage durch den Generalbundesanwalt und der damit einhergehenden Verfahrensbeendigung gegen den ehemaligen Angeschuldigten vor, weil die Beiordnung eines Pflichtverteidigers allein im öffentlichen Interesse zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs erfolgt (BGH, Beschluss vom 18. August 2020, StB 25/20, juris, Rn. 6 f) und das beanstandete Geschehen nun nicht mehr im Sinne des Beschwerdeführers korrigiert werden kann.

Im Gegensatz zur Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg (Beschluss vom 6. November 2020, Ws 962 - 963/20, juris) hat sich an dieser Rechtslage, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 06. Dezember 2021 zutreffend aus-führt, auch nach der Reform durch das Gesetz zur Neureglung der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 nichts geändert. Denn mit der Neuregelung, die die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (PKH-Richtlinie) bezweckte, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. dazu S. 20 ff. des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Drucksache 19/13829) gerade kein Systemwechsel verbunden sein (OLG Hamburg, a.a.O., Rn.16). Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzesmaterialen (S. 44 der Drucksache 19/13829) ausdrücklich, dass die sofortige Beschwerde eine fortbestehende Beschwer voraussetzt (so auch BGH, a.a.O., Rn. 8 f. [unter Hinweis auf S. 49 der Drucksache 19/13829 für die Frage der sofortigen Beschwerde nach § 143 a Abs.4 StPO] und OLG Hamburg, a.a.O., Rn. 16).

Wie das Oberlandesgericht Hamburg (a.a.O., Rn.15) zutreffend ausgeführt hat, folgt auch kein anderes Ergebnis aus Art. 4 Abs.1 der PKH-Richtlinie, deren Wertungen das Oberlandesgericht Nürnberg (a.a.O., Rn. 27) ungeachtet ihres Anwendungsbereichs (dazu Art. 2 der PKH-Richtlinie) auf das Vollstreckungsverfahren übertragen hat. Die Richtlinie sieht nicht vor, den Betroffenen in jedem Fall von den Kosten der Verteidigung freizuhalten. Nach Art. 4 Abs. 1 haben die Mitgliedstaaten zwar sicher-zustellen, dass die von der Richtlinie erfassten Personen über ausreichende Mittel zur Bezahlung eines Rechtsbeistands verfügen. Die Beiordnung bezweckt jedoch den „Zugang zu einem Rechtsanwalt“ (Art. 3 der PKH Richtlinie) und setzt deshalb gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie voraus, dass die Bereitstellung finanzieller Mittel „im Interesse der Rechtspflege erforderlich“ ist. Ein solches Erfordernis besteht hier nach Rücknahme der Anklage gerade nicht mehr.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Entfällt die Beschwer wie hier erst nach der Rechtsmitteleinlegung, ist das zulässig eingelegte Rechtsmittel durch Be-schluss ohne Kostenentscheidung für erledigt zu erklären (vgl. OLG Hamm NStZ 2010, 170).


Einsender: RA Dr. T. Elobied, Berlin

Anmerkung:


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