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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Einziehung, anwendbares Recht, neues Recht, Entreicherung, Einstellung der Vollstreckung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Nürnberg, Beschl. v. 31.05.2023 - Ws 307/23

Leitsatz des Gerichts:


1. § 459 Abs. 5 S. 1 StPO in der ab 01.07.2021 geltenden Fassung findet ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens auf Einziehungsentscheidungen Anwendung, auch wenn die der Einziehung zugrundeliegende Tat vor dem 01.07.2021 begangen wurde. Der Meistbegünstigungsgrundsatz aus § 2 Abs. 3 StGB ist auf § 459g Abs. 5 S. 1 StPO nicht anzuwenden (Anschluss OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.12.2022, 4 Ws 514/22, und OLG Schleswig, Beschluss vom 07.07.2022, 2 Ws 63/22, sowie OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.2022, 5 Ws 211/22, juris Rn. 19; entgegen OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.05.2022, 1 Ws 122/22, und Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22.09.2022, 1 Ws 118/21).
2. Für die Einstellung der weiteren Vollstreckung der Einziehung des Wertersatzes wegen Unverhältnismäßigkeit ist es nicht ausreichend, dass das Erlangte nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist.


In dem Strafvollstreckungsverfahren
gegen pp.

wegen Verbrechen nach § 29 a BtMG

hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung der Einstellung der weiteren Vollstreckung der Einziehung

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 31. Mai 2023 folgenden

Beschluss

1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg - Kleine Strafvollstreckungskammer - vom 01.03.2023 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Verurteilte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Im Urteil des Landgerichts Bamberg vom 09.03.2022 (Az. 31 KLs 2106 Js 1118/22), rechtskräftig seit 29.03.2022, in dem der Verurteilte des vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen wurde, wurde insbesondere auch die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 13.300,00 € angeordnet. Dem zugrunde lag die Feststellung, dass der Verurteilte die Hälfte des von ihm im Zeitraum von Juni bis September erworbenen Methamphetamins, insgesamt 190 Gramm, zu einem Grammpreis von 70,00 € weiterveräußert hatte.
Im Termin zur Anhörung im Hinblick auf die Frage der Fortdauer der derzeit vollstreckten Unterbringung nach § 64 StGB vom 06.02.2023 legte der Verurteilte einen schriftlichen Antrag vom 02.02.2023 auf Erlass des Wertersatzes nach § 459g StPO vor. Er beantragte, festzustellen, dass die durch das Landgericht Bamberg angeordnete Einziehung von Wertersatz unterbleibt. Er befinde sich mittlerweile in der Resozialisierungsphase und bitte um den Erlass, um die Resozialisierung erfolgreich absolvieren zu können.

Die Staatsanwaltschaft Bamberg wandte sich gegen den Antrag des Verurteilten.

Mit Beschluss vom 01.03.2023 lehnte die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg den Antrag vom 02.02.2023 auf Einstellung der weiteren Vollstreckung der Einziehung des Wertersatzes aus dem Urteil des Landgerichts Bamberg vom 09.03.2022 ab.

Der Verurteilte hat gegen den ihm am 03.03.2023 zugestellten Beschluss mit Schreiben vom 10.03.2023, per Fax eingegangen beim Landgericht Regensburg am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Er beruft sich in seiner Beschwerde darauf, dass sein Delikt vor dem 01.07.2021, an dem die neue Fassung des § 459g StPO in Kraft getreten sei, stattgefunden habe und deswegen die vorherige Fassung des Paragraphen anwendbar sei. Mit dem Geld habe er seinen Eigenbedarf finanziert. Die 13.300 € würden eine massive Zusatzbelastung darstellen und seine Resozialisierung erheblich erschweren. Mit weiterem Schreiben vom 16.03.2023 hat der Verurteilte zur Unterstützung seiner Auffassung, dass § 459g Abs. 5 StPO a.F. anzuwenden sei, eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25.05.2022 (1 Ws 122/22) und eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 22.09.2022 (1 Ws 118/21) vorgelegt. Maßgeblich sei nicht das Datum der Antragstellung, sondern das Datum der Tat. Dass der Wert des Erlangten nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sei, ergebe sich bereits aus dem Urteil des Landgerichts Bamberg vom 09.03.2022. Auch nach § 459g StPO n.F. sei die Vollstreckung unverhältnismäßig, da sich das Vermögen nicht mehr in seinem Besitz befinde, er derzeit in der Therapie erfolgreich an sich arbeite, damit es nicht mehr zu neuen Taten komme und seine Position für einen Neustart durch die Vollstreckung der 13.300 € erheblich erschwert wäre.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 21.03.2023 beantragt, die sofortige Beschwerde kostenfällig als unbegründet zu verwerfen.

Mit Schreiben vom 16.03.2023 hat der Verurteilte sein Beschwerdevorbringen vom 10.03.2023 wiederholt und zusammen mit dem Schreiben eine Stellungnahme der Einrichtung vom 20.04.2023 vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer entspricht der Sach- und Rechtslage. Die Strafvollstreckungskammer hat die Einstellung der weiteren Vollstreckung der Einziehung mit zutreffender Begründung abgelehnt.

Zur Beschwerdebegründung sind folgende weitere Ausführungen veranlasst:

1. Das Erstgericht hat zu Recht angenommen, dass im vorliegenden Fall § 459g Abs. 5 S. 1 StPO in der aktuellen, ab 01.07.2021 geltenden Fassung Anwendung findet.

a) Während nach der bis zum 30.06.2021 gültigen Fassung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung der Einziehung zu unterbleiben hatte, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden war oder die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig gewesen wäre, bestimmt die Norm in ihrer aktuellen Fassung, dass die Vollstreckung auf Anordnung des Gerichts unterbleibt, soweit sie unverhältnismäßig ist.

b) Anwendbar ist die im Zeitpunkt der Entscheidung über die beantragte Einstellung der Vollstreckung gültige Fassung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO. § 2 Abs. 3 StGB, wonach das mildeste Gesetz anzuwenden ist, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert wird, findet auf die Verfahrensvorschrift des § 459g StPO keine Anwendung.

aa) Die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung ist hierzu nicht einheitlich.

Während der erste Senat des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss vom 25.05.2022, 1 Ws 122/22) und das Brandenburgische Oberlandesgericht (Beschluss vom 22.09.2022, 1 Ws 118/21), deren Entscheidungen der Verurteilte vorgelegt hat, § 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 StGB für anwendbar halten und § 459g Abs. 5 S. 1 StPO als milderes Recht anwenden wollen, lehnen das Oberlandesgericht Stuttgart (Beschluss vom 20.12.2022, Ws 514/22), das Oberlandesgericht Schleswig (Beschluss vom 07.07.2022, 2 Ws 63/22) und das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 18.08.2022, 5 Ws. 211/22, juris Rn. 19) dies ab. Auch das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einer nicht veröffentlichten Entscheidung vom 21.06.2022 (Ws 441/22) festgestellt, dass es sich bei § 459g Abs. 5 S. 1 StPO um eine verfahrensrechtliche Regelung handelt und der Anwendung der aktuellen Fassung das Rückwirkungsverbot nicht entgegensteht.

bb) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest und schließt sich darüber hinaus der überzeugenden Argumentation des Oberlandesgerichts Stuttgart in seinem Beschluss vom 20.12.2022 an. Das im Hintergrund der Regelung des § 2 StGB stehende Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) bezieht sich auf Strafen. Die Einziehung, die der Beseitigung der durch eine Straftat geschaffenen rechtswidrigen Vermögenslage dient, stellt keine Strafe in diesem Sinne dar. Zwar erklärt § 2 Abs. 5 StGB den § 2 Abs. 3 StGB auch für die Einziehung für anwendbar. § 2 StGB bezieht sich aber auf die materiellrechtlichen Regelungen zur Einziehung, während § 459g StPO eine (vollstreckungs-) verfahrensrechtliche Regelung ist. Während der Gesetzgeber für das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 mit Art. 316h S. 2 EGStGB eine Übergangsregelung getroffen hat, die nicht nur die mit dem Gesetz geänderten materiellen, sondern auch die geänderten prozessualen Vorschriften betrifft (vgl. dazu OLG Hamm a.a.O. Rn. 13 - 16), hat der Gesetzgeber eine solche Übergangsregelung bei der Neuregelung der vollstreckungsverfahrensrechtlichen Regelung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO im Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.06.2021 (BGBl. I 2021, S. 2099 ff.) nicht vorgesehen, so dass das Oberlandesgericht Stuttgart eine planwidrige Rechtslücke, die eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 3, 5 StGB ermöglichen würde, zu Recht verneint.

2. Die Vollstreckung ist nicht unverhältnismäßig.

a) Hierfür ist es nicht ausreichend, dass das Erlangte nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO bewusst die pauschale und zwingende gesetzliche Einordnung des Falls, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Einziehungsadressaten vorhanden ist, als Fall der Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung bei der Wertersatzeinziehung als zu weitgehend abgeschafft, da dies der Zielsetzung, durch Straftaten erlangtes Vermögen effektiv abzuschöpfen, widerspricht (“Verbrechen darf sich nicht lohnen!“). Soweit der Wertersatzeinziehung die Funktion zukommt, eine durch die Begehung einer Straftat geschaffene rechtswidrige Vermögenslage zu beseitigen, führt die zwischenzeitliche Entreicherung durch Verbrauch des Erlangten im Grundsatz daher nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung. Dies gilt insbesondere für den Regelfall, dass der Einziehungsadressat die Straftat begangen hat beziehungsweise als Teilnehmer an der Begehung beteiligt gewesen ist (§§ 73, 73a StGB). Denn demjenigen, der sich durch die vorsätzliche Begehung einer Vermögensstraftat zulasten des Verletzten bereichert, ist bewusst, dass ihm der erlangte Vermögenswert nicht zusteht und der Verbrauch des Vermögenswerts daran nichts ändert (BT-Drs. 19/27654 S. 111). Ebenso wie in dem in der Gesetzesbegründung zitierten Beispiel einer Vermögensstraftat ist demjenigen, der durch eine andere vorsätzliche Straftat, wie vorliegend eine vorsätzliche Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz, einen Vermögenswert erlangt, bewusst, dass ihm dieser nicht zusteht. Würde man dessen ungeachtet von einer Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung ausgehen, so würde derjenige privilegiert, der den erlangten Vermögenswert schnell verbraucht. Der Straftäter könnte sich alleine dadurch der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung entziehen, dass er den erlangten Vermögenswert schnell ausgibt. Die Vermögensabschöpfung würde sich als ineffektiv erweisen (BT-Drs. 19/27654 S. 111). Unverhältnismäßigkeit ist in Fällen, in denen der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, nur dann denkbar, wenn das vom Gesetz zugrunde gelegte Bedürfnis der Vermögensordnung stark herabgesetzt ist, beispielsweise, weil dem Einziehungsadressaten das Erlangte auf schicksalhafte und nicht von ihm zu vertretende Weise (etwa infolge schwerer Krankheit) verlustig gegangen ist (BT-Drs. 19/27654 S. 112).

b) Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat das Erstgericht eine schicksalhafte Entreicherung zu Recht verneint - wobei insoweit noch zu ergänzen ist, dass das Landgericht Bamberg in seinem Urteil vom 09.03.2022 festgestellt hat, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Verurteilten durch seine eigene Abhängigkeit nicht eingeschränkt, sondern vollständig erhalten war - und auf die bestehenden Pfändungsschutzvorschriften verwiesen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.


Einsender: Strafsenat des OLG Nürnberg

Anmerkung: Der Leitsatz zu 2 stammt vom Blogger.


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