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Entscheidungen

StPO

Fortdauer der Unterbringung, Anhörung des Sachverständigen, Zulässigkeit von Videotechnik

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.06.2023 - 1 Ws 87/23

Eigener Leitsatz:

Bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist es gemäß § 463e Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 StPO unzulässig, die mündliche Anhörung des Sachverständigen im Wege der Bild- und Tonübertragung durch Zuschaltung zum Termin über Videokonferenztechnik durchzuführen.


1 Ws 87/23

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Beschluss

In dem Maßregelvollstreckungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Totschlags

hier: Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; sofortige Beschwerde

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht am 13.06.2023 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Untergebrachten wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 20.02.2023 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Gegen die Untergebrachte wird seit dem 23.01.2020 die im Urteil der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 23.01.2020 (1 KLs 4129 Js 9426/19) angeordnete Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vollstreckt. Die Große Strafvollstreckungskammer hat die Untergebrachte am 14.02.2023 zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über die Fortdauer der Maßregel durch den beauftragten Richter mündlich angehört. Der Termin war in den Räumlichkeiten der Klinik anberaumt. An diesem Termin nahmen der anhörende Richter, die Untergebrachte mit seiner Verteidigerin sowie zwei Gutachter der Unterbringungseinrichtung teil. Die Teilnahme des externen Sachverständigen Dr. pp. an der Anhörung erfolgte im Wege der Bild- und Tonübertragung durch eine Videokonferenzschaltung. Mit Beschluss vom 20.02.2023 hat die Große Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung der Beschwerdeführerin angeordnet. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 463 Abs. 3 Satz 1, § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO), form- und fristgerecht eingelegt (§ 306 Abs. 1, § 311 Abs. 2 StPO) und damit zulässig. Sie erweist sich auch als begründet und führt zur Aufhebung und Zurückweisung an das Landgericht.

1. Die Entscheidung der Großen Strafvollstreckungskammer leidet an dem Verfahrensfehler, dass die nach den § 463 Abs. 3 Satz 1, § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO erforderliche mündliche Anhörung des Sachverständigen in persönlicher Anwesenheit unterblieben ist, sondern lediglich im Wege der Videokonferenzschaltung stattgefunden hat.

Die Durchführung der mündlichen Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung ist in der mit dem durch Art. 1 Nr. 65 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 25.06.2021 eingeführten und zum 01.07.2021 in Kraft getretenen Vorschrift des § 463e StPO geregelt (BGBl. I 2021, S. 2099). Holt das Gericht zur Vorbereitung einer Fortdauerentscheidung nach den §§ 67d Abs. 6, 67e StGB ein Sachverständigengutachten ein, ist der Sachverständige gemäß § 463 Abs. 4 Satz 7, § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO mündlich zu hören. Nach § 463e Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 StPO kann das Gericht für die Durchführung der mündlichen Anhörungen des Sachverständigen vor einer nach dem Abschnitt der StPO über die Strafvollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidung bestimmen, dass sich der Sachverständige bei der mündlichen Anhörung an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dieser mögliche Einsatz von Videokonferenztechnik im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen ist aber gemäß § 463e Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 StPO ausgeschlossen, wenn der Verurteilte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt oder die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Wegen des besonderen Gewichts dieser, die (weitere) Vollstreckung von unbefristet angeordneten Freiheitsentziehungen betreffenden Entscheidungen sieht die Neuregelung des § 463e StPO eine mündliche Anhörung bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der Beteiligten und des Sachverständigen im selben Raum vor, während bei zeitiger Freiheitsstrafe und bei der Unterbringung in der Entziehungsanstalt die mündliche Anhörung des Sachverständigen mittels audiovisueller Übertragung ohne Weiteres zulässig ist (s. BT-Drucks. 19/27654, 115 u. 116).

Bei der hier zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist es gemäß § 463e Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 StPO unzulässig, die mündliche Anhörung des Sachverständigen im Wege der Bild- und Tonübertragung durch Zuschaltung zum Termin über Videokonferenztechnik durchzuführen (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2022 - 2 StR 142/21 -, BeckRS 2022, 36903 Rn. 34 [in einem obiter dictum]; Senat, Beschluss vom 14.03.2023 - 1 Ws 9/23 -, juris; ausführlich auch: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 27.07.2022 – 1 Ws 91/22 –, juris; Beschluss vom 26.04.2022 - 1 Ws 32/22 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 18. April 2023 – III-3 Ws 76/23 –, juris; BeckOK StPO/Coen, 47. Ed. 1.4.2023, StPO § 463e Rn. 13).

2. Dieser Verfahrensfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 309 Rn. 8). Ob der von Gesetzes wegen eindeutige Ausschluss der mündlichen Anhörung des Sachverständigen im Wege der Bild- und Tonübertragung dann eine Einschränkung erfährt, wenn sie aus Gründen der besseren Sachaufklärung geboten ist (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 27.07.2022, a.a.O. Rn. 14) oder der Untergebrachte dies ausdrücklich wünscht und ausgeschlossen werden kann, dass mittels einer Anhörung in persönlicher Anwesenheit im Sinne bestmöglicher Sachaufklärung bessere Erkenntnisse hätten erzielt werden können (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rn. 13; BeckOK StPO/Coen, 47. Ed. 1.4.2023, StPO § 463e Rn. 7), kann hier offen bleiben, da weder ein ausdrücklicher Wunsch seitens der Untergebrachten noch ein ausdrückliches Einverständnis vorliegt. Das bloße Schweigen der Untergebrachten im Anhörungstermin ist nicht ausreichend, auch wenn die Verteidigerin im Vorfeld der Anhörung ihre Zustimmung zu einer Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung erklärt hatte.

Die mündliche Anhörung des Sachverständigen pp. wird Gelegenheit geben, ihn mit den von den Therapeuten vorgebrachten Argumenten, die gegen seine Diagnose sprechen, zu konfrontieren.

3. Eine Kostenentscheidung war wegen des nur vorläufigen Erfolgs des Rechtsmittels nicht veranlasst. Die Strafkammer wird insoweit im Rahmen der erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben.


Einsender: RÄin L. Juharos, Trier

Anmerkung:


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