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Entscheidungen

StPO

Fortdauer der Unterbringung, Anhörung des Sachverständigen, Zulässigkeit von Videotechnik

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 18.04.2023 – 3 Ws 76/23

Leitsatz des Gerichts:

1. Gemäß § 463e Abs. 1 Satz 3 StPO muss ein Sicherungsverwahrter grundsätzlich persönlich angehört werden, auch wenn dieser in den Einsatz von Videotechnik einwilligt.
2. Ausnahmsweise ist eine Anhörung im Wege der Videokonferenz dann zulässig, wenn im Sinne bestmöglicher Sachaufklärung ausgeschlossen ist, dass durch eine Anhörung in persönlicher Anwesenheit bessere Erkenntnisse erzielt werden können, sich der Sicherungsverwahrte nicht lediglich erst während seiner Anhörung mit dem Einsatz der Videotechnik bereit erklärt, sondern der Einsatz der Videotechnik ohne Veranlassung des Gerichts auf einen von ihm selbst bereits vor dem Anhörungstermin geäußerten Wunsch zurückgeht und er sich im Rahmen des Anhörungstermins auch tatsächlich äußern kann.


In pp.

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. Januar 2007, rechtskräftig seit dem 07. August 2007, wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Daneben wurde die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Sicherungsverwahrung wird seit dem 19. Januar 2012 - zunächst bis zum 30. November 2012 in einer Entziehungsanstalt - vollstreckt.

Der Beschwerdeführer richtet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen den Fortdauerbeschluss des Landgerichts Arnsberg vom 08. November 2022.

Die Strafvollstreckungskammer hatte vor Erlass des angefochtenen Beschlusses zunächst einen Anhörungstermin auf den 12. Oktober 2022 anberaumt. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer bereits von der Justizvollzugsanstalt D. in die Justizvollzugsanstalt B. verlegt worden. Letztere hatte jedoch nicht rechtzeitig Kenntnis von dem Termin erhalten, so dass eine Vorführung bzw. Überstellung des Beschwerdeführers, der erklärt hatte, er wolle an dem Anhörungstermin teilnehmen, nicht mehr rechtzeitig veranlasst werden konnte. Deshalb war der Anhörungstermin auf den 08. November 2022 verlegt worden.

Mit Schreiben seines Verteidigers vom 26. Oktober 2022 ließ der Beschwerdeführer jedoch mitteilen, er möge nicht zum Anhörungstermin nach D. verschubt werden. Es werde beantragt, ihn per Videokonferenz teilnehmen zu lassen. Auch die JVA B. ließ telefonisch mitteilen, dass sich der Beschwerdeführer "zur Videokonferenz bereit" erkläre, "um sich die lange Fahrt zu ersparen". Im Falle einer persönlichen Anhörung werde er am Tag der Anhörung direkt gebracht. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2022 teilte die JVA B. mit, der Beschwerdeführer sei "jetzt doch mit einer Videokonferenz einverstanden" und übersandte eine vom Beschwerdeführer unterzeichnete Einverständniserklärung.

Am 08. November 2022 fand ein Anhörungstermin in Anwesenheit der Mitglieder der Strafvollstreckungskammer, des Verteidigers, der Sachverständigen sowie unter Zuschaltung des Beschwerdeführers per Videokonferenz statt. Dieser erklärte nochmals sein entsprechendes Einverständnis und gab im Rahmen seiner Anhörung weitere Erklärungen ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und gemäß §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO zulässig eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1.

Die Verfahrensvoraussetzungen für die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung wurden eingehalten.

Insbesondere wurde der Beschwerdeführer ordnungsgemäß angehört. Die Regelung des § 463e Abs. 1 Satz 3 StPO wurde ausreichend beachtet.

Gemäß § 463e Abs. 1 Satz 1 StPO kann das Gericht für die Anhörung bestimmen, dass sich der Verurteilte bei der mündlichen Anhörung an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nach § 463e Abs. 1 Satz 3 jedoch unter anderem dann nicht, wenn - wie hier - die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.

Dementsprechend hätte der Beschwerdeführer grundsätzlich persönlich angehört werden müssen, denn nach dieser Regelung ist der Einsatz von Videotechnik unabhängig von einer vorherigen Einwilligung des Betroffenen ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2022 - 2 StR 142/21 -, BeckRS 2022, 36903 Rn. 34; ausführlich: OLG Bremen, Beschluss vom 26. April 2022 - 1 Ws 32/22 -, juris). Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts Bremen (a.a.O.) an, wonach zwar der Wortlaut des § 463e Abs. 1 Satz 3 StPO dahingehend verstanden werden könnte, dass in den von dieser Vorschrift erfassten Fällen lediglich die nach § 463e Abs. 1 Satz 1 StPO ermöglichte Bestimmung der Vornahme einer Anhörung unter Einsatz von Videokonferenztechnik auch ohne den Willen des Verurteilten bzw. Untergebrachten keine Anwendung finden soll, während es im Übrigen bei der von der früheren Rechtsprechung als zulässig erachteten einverständlichen Anwendung von Videokonferenztechnik verbleiben soll. Dem steht aber entgegen, dass nach der Begründung des Regierungsentwurfs mit der Neuregelung des § 463e Abs. 1 StPO wegen des besonderen Gewichts der Vollstreckungsentscheidung in den Fällen der Entscheidung über die weitere Vollstreckung einer unbefristeten Freiheitsentziehung eine Anhörung bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der Beteiligten im selben Raum generell geboten sein soll und dass daher eine Vollstreckungsanhörung in Form einer Videokonferenz ausgeschlossen sein soll (siehe die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 19/27654, S. 115). Der Gesetzgeber hat sich damit auch ausdrücklich gegen einen alternativen Regelungsvorschlag entschieden, wonach ohne einen dem § 463e Abs. 1 Satz 3 StPO entsprechenden Ausschlusstatbestand die Anhörung von Verurteilten im Strafvollstreckungsverfahren im Wege der Videokonferenztechnik generell zulässig sein sollte, sofern der Verurteilte dem nicht widerspricht (siehe den Entwurf für einen neuen § 453 Abs. 2 StPO-E im Gesetzentwurf des Bundesrats für ein Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung vom 12.08.2020, BT-Drucks. 19/21612, S. 10). Dieser Vorschlag ist im Gesetzgebungsverfahren mit der Begründung abgelehnt worden, dass hierin keine Unterscheidung nach dem Gewicht der in Rede stehenden gerichtlichen Entscheidung vorgesehen war (siehe die Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/21612, S. 12). Dies lässt erkennen, dass die gesetzgeberische Intention nicht allein auf die von der Gegenauffassung zitierte Absicht der erweiterten Zulassung der Nutzung von Videokonferenztechnik beschränkt war und dass vielmehr auch das Regelungsziel verfolgt wurde, dass auch für den Fall der Zustimmung des Verurteilten eine Anhörung im Wege der Videokonferenztechnik in Fällen besonders gewichtiger Entscheidungen wie insbesondere der nunmehr in § 463e Abs. 1 Satz 3 StPO gesondert angesprochenen Anordnung der weiteren Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig sein sollte (vorstehend: OLG Bremen a.a.O.).

Dennoch bleibt ein Verzicht auf die mündliche Anhörung insgesamt weiterhin möglich (vgl. OLG Bremen a.a.O. Rn. 14). Deshalb kann es - schon im Interesse bestmöglicher Sachaufklärung - nicht unzulässig sein, wenn in solchen Fällen, in denen keine Anhörung in persönlicher Anwesenheit des Untergebrachten und der weiteren Beteiligten erfolgen kann, stattdessen zumindest eine Anhörung unter Einsatz von Videokonferenztechnik stattfindet (OLG Bremen a.a.O. Rn. 14). An die erforderliche Feststellung, dass eine Anhörung nicht in persönlicher Anwesenheit des Untergebrachten und der weiteren Beteiligten, sondern nur unter Einsatz von Videokonferenztechnik durchgeführt werden kann, sind aber hohe Anforderungen zu stellen (hierzu ausführlich OLG Bremen a.a.O.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann aus der bloßen Zustimmung zu deren Einsatz nicht gefolgert werden und bedarf im Hinblick auf den Grundsatz der bestmöglichen Sachverhaltsermittlung genauer Prüfung (OLG Bremen a.a.O. Rn. 14).

Hier hat der Beschwerdeführer eine Teilnahme an einer mündlichen Anhörung in persönlicher Anwesenheit zwar nicht eindeutig und ernsthaft verweigert. Es besteht jedoch die Besonderheit, dass er sich - im Gegensatz zu dem vom Oberlandesgericht Bremen entschiedenen Fall - nicht lediglich während seiner Anhörung mit dem Einsatz der Videotechnik bereit erklärt hat, sondern dass der Einsatz dieser Technik gerade nicht vom Gericht, sondern von ihm selbst im Vorfeld des Termins angeregt worden war. Der Einsatz der Technik ging auf den von ihm selbst geäußerten Wunsch zurück, nicht verschubt zu werden und sich die lange Fahrt zu ersparen. Zudem wurde ihm trotz seiner Zustimmung weiterhin die Möglichkeit eröffnet, persönlich zu erscheinen. Schließlich hat er sich im Rahmen des Anhörungstermins auch tatsächlich geäußert, so dass der Senat vorliegend ausschließen kann, dass im Sinne bestmöglicher Sachaufklärung durch eine Anhörung in persönlicher Anwesenheit bessere Erkenntnisse hätten erzielt werden können. In diesem Fall konnte der Beschwerdeführer daher ausnahmsweise im Wege der Videokonferenz angehört werden.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen unbegründet. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht die Fortdauer des Vollzuges der Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung. Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass der Prüfungsmaßstab des § 67d Abs. 3 StGB bereits in den Beschlüssen der Strafvollstreckungskammer vom 25. August 2021 - Az. V-1 StVK 18/21 - bzw. des Senats vom 04. November 2021 - Az. 3 Ws 386/21 - Berücksichtigung gefunden hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Einer Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG bedurfte es nicht, da die Ausführungen im o. g. Beschluss des OLG Bremen, dass "allenfalls" bei ernsthafter und endgültiger Verweigerung einer Vorführung durch den Verurteilten Videotechnik ausnahmsweise eingesetzt werden dürfe, dort nicht tragend waren.


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