Gericht / Entscheidungsdatum: VG München, Urt. v. 02.05.2023 – M 23 K 22.1665
Eigener Leitsatz:
Zum Sichtbarkeitsgrundsatz beim sog. überlappenden Halteverbot.
In pp.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Leistungsbescheides für eine Abschleppmaßnahme.
Am 10. Januar 2022 sollte das auf den Kläger zugelassene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... in der G...straße in M... auf Veranlassung der Polizei durch ein privates Unternehmen abgeschleppt werden, da es im mobilen Halteverbot (Zeichen 283) mit dem Zusatzzeichen „10.01.- 31.01.22“ geparkt war (Bl. 1 ff. Behördenakte - BA). Es entstand eine Leerfahrt, da der Kläger vor Ausführung der Abschleppung zurückkehrte.
Mit Leistungsbescheid des Polizeipräsidiums M... vom 15. Februar 2022 wurden nach Anhörung Auslagen für die Leerfahrt (Forderung des Abschleppunternehmens) und Gebühren in einer Gesamthöhe von 223,22 EUR festgesetzt (Bl. 11 BA).
Ausweislich der Behördenakte (Bl. 9) erfolgte die Aufstellung der Verkehrszeichen am 6. Januar 2022 ab 13:40 Uhr aufgrund der verkehrsrechtlichen Anordnung der Landeshauptstadt M... vom 16. November 2021 zur Schaffung einer Anfahrtszone für Baustellenverkehr (Bl. 17 der BA). Das Fahrzeug des Klägers war am 10. Januar 2022 in einer Vornotierungsliste erfasst worden (Bl. 15 der BA).
Am 18. März 2022 erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
den Leistungsbescheid vom 15.2.2022 aufzuheben.
Zur Begründung wurde angegeben, dass der Kläger nur das Schild wahrgenommen habe, das ein Parken vom 12.1.2022 bis 14.1.2022 verboten habe. Weitere Schilder habe er nicht wahrgenommen. Im Übrigen habe er Bauarbeiten nicht behindert.
Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2022 beantragte der Beklagte
Klageabweisung
und begründete dies im Wesentlichen damit, dass an der Örtlichkeit eine weitere mobile Halteverbotszone ausgeschildert gewesen sei, welche für den Zeitraum vom 12.1.2022 bis zum 14.1.2022 gegolten habe. Es sei der Wille der Straßenverkehrsbehörde zweifelsfrei ersichtlich gewesen, die zwei Halteverbotszonen für dieselbe Örtlichkeit für zwei unterschiedliche Zeiträume zu schaffen.
Durch Beschluss vom 13. März 2023 wurde die Streitsache auf den Einzelrichter übertragen. Am 28. April 2023 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die übermittle Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht hat keine Zweifel, dass die Voraussetzungen für die (versuchte) Abschleppmaßnahme gegeben waren, ebenso wenig hat es Anlass, die Höhe der Kosten in Zweifel zu ziehen, die im Übrigen auch von Klageseite nicht thematisiert wurden. Das Gericht folgt dem Leistungsbescheid in seiner Kostenfestsetzung sowie in der Bewertung der Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Abschleppmaßnahme (Art. 16 Abs. 5 KG). Das Fahrzeug des Klägers war unstreitig am 10. Januar 2022 im Bereich des Halteverbotsschildes abgestellt. Einer tatsächlichen Störung des Baustellenverkehrs bedurfte es nicht, da das verbotswidrige Abstellen des Fahrzeugs an sich bereits die Störung der öffentlichen Sicherheit begründet.
Zu den hier augenscheinlich vorliegenden sog. überlappenden Halteverbotszonen gilt straßenverkehrsrechtlich das Folgende:
Der Sichtbarkeitsgrundsatz (vgl. dazu BVerwG, U.v. 16.4.2016 – 3 C 10.15 – juris Rn. 16 ff.) gebietet nicht, dass bei überlappenden Haltverbotszonen sämtliche mobile Verkehrszeichen jeweils mit Zusatzschildern versehen sind, die die bestehenden Verbotszeiträume und -modalitäten in ihrer Gesamtheit verlautbaren (vgl. OVG Hamburg, U.v. 20.6.2009 – 3 Vf 408/08 – juris Rn. 32; OVG Berlin, U.v. 22.6.2018 – OVG 1 B 13.16 – juris Rn. 28). Dementsprechend war vom Kläger, der nach seinen Angaben nur das Halteverbot ab 12. Januar 2022 wahrgenommen hatte, grundsätzlich eine Prüfung weiterer im Nahbereich aufgestellten Verkehrszeichen zu verlangen. Denn der Verkehrsteilnehmer darf bei Bedarfshalteverbotszonen nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass dieses eine Verbotszeichen die Verkehrslage allein und abschließend regelt (vgl. OVG Hamburg, U.v. 20.6.2009 – 3 Vf 408/08 – juris Rn. 35). Vielmehr ist er auch in diesem Fall verpflichtet, sich im leicht einsehbaren Nahbereich nach weiteren verkehrsrechtlichen Anordnungen umzusehen, wobei vor Ort erkennbare Anhaltspunkte zu berücksichtigen sind, zumal gerade im großstädtischen Bereich räumlich sich überschneidende Haltverbotszonen nicht so ungewöhnlich sind, dass mit ihnen vernünftigerweise nicht gerechnet zu werden braucht (vgl. OVG Hamburg, U.v. 20.6.2009 – 3 Vf 408/08 – juris Rn. 35; OVG Berlin, U.v. 22.6.2018 – OVG 1 B 13.16 – juris Rn. 28). Diese Prüfung hat der Kläger offenbar nicht vorgenommen, wie sich aus den Lichtbildern in der Verwaltungsakte (Bl. 6 und 14) ergibt, weil das sich auf den Zeitraum 10.01.- 31.01.22 beziehende Halteverbotsschild deutlich sichtbar im Bereich des Parkplatzes des Kfz des Klägers und in kaum 2 Metern Entfernung zu dem weiteren Halteverbotsschild aufgestellt war.
Dass sich die beiden Schilder logisch widersprechen und damit unwirksam sind, wie die Klägerbevollmächtigte meint, trifft nicht zu: Das vom Kläger beachtete Schild ist in zeitlicher Hinsicht eine Teilmenge des vom Kläger übersehenen Schildes und widerspricht ihm demzufolge logisch nicht. Hätte der Kläger dieses Schild beachtet, hätte ihm klar sein müssen, dass ab 10. Januar 2022 hier das Parken verboten war.
Die Klage war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.
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