Gericht / Entscheidungsdatum: AG Halle (Saale), Beschl. v. 02.06.2023 - 302 Cs 234 Js 6479/23 (64/23)
Eigener Leitsatz:
Vertritt die Staatsanwaltschaft die Ansicht vertritt, dass Name und weitere Daten einer Anzeigenerstatterin vor dem Beschuldigten geheim gehalten werden müssen, ist das dadurch entstehende Informationsdefizit dadurch auszugleichen, dass dem Beschuldigten ein Verteidiger zu bestellen ist, welcher vollumfängliche Akteneinsicht erhält.
Amtsgericht Halle (Saale)
Beschluss
302 Cs 234 Js 6479/23 (64/23) 02.06.2023
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Hausfriedensbruches
wird dem Beschuldigten pp. als Verteidiger bestellt, da eine oder mehrere der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist bzw. sind:
Die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage gebietet dies (§ 140 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)).
Es ist ersichtlich, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann (§ 140 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)).
Dies ergibt sich daraus, dass die Staatsanwaltschaft die Ansicht vertritt, Name und weitere Daten der Anzeigenerstatterin müssten vor dem Beschuldigten geheim gehalten werden. Diese Überlegungen sind durchaus nachvollziehbar. Allerdings entsteht hierdurch für den Beschuldigten ein Informationsdefizit, welches dadurch ausgeglichen werden muss, dass dem Beschuldigten ein Verteidiger zu bestellen ist, welcher vollumfängliche Akteneinsicht erhält. Die Bitte der Staatsanwaltschaft BI. 46 Band II, dem Verteidiger keine Einsicht in das Sonderheft zu gewähren, ist unzulässig. Der Verteidiger muss, um seine Aufgaben erfüllen zu können, Einsicht in sämtliche dem Gericht zur Entscheidungsfindung vorliegenden Unterlagen haben. Insoweit ist eine Beschränkung seines gesetzlichen Rechts auf Akteneinsicht nicht statthaft. Aufgrund seiner berufsrechtlichen Stellung ist der Verteidiger allerdings vorliegend nicht befugt, dem Beschuldigten die von der Staatsanwaltschaft für geheimhaltungsbedürftig angesehenen Daten der Anzeigenerstatterin mitzuteilen, worauf er im Rahmen der Aktenübersendung ausdrücklich hingewiesen wurde.
Eine Anhörung der Staatsanwaltschaft zu der erfolgten Beiordnung ist nicht geboten. Der Staatsanwaltschaft lag der Beiordnungsantrag des Verteidigers bereits am 19.04.2023 vor. Wenn die Staatsanwaltschaft hierzu nicht inhaltlich Stellung nimmt, sondern lediglich die Akte mit einem Strafbefehlsantrag an das Gericht weiterleitet, hat sie hierdurch in genügendem Maße zu erkennen gegeben, dass sie zum Beiordnungsantrag nicht Stellung nehmen möchte.
Der Beschuldigte hat die Bestellung des ausgewählten Pflichtverteidigers nach Belehrung ausdrücklich beantragt.
Einsender: RA J.-R. Funck, Braunschweig
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