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Entscheidungen

Zivilrecht

Wahrheitswidrige Behauptung, Schadensersatz, Bemessungskriterien

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Flensburg, Urt. v. 14.06.2023 - 7 O 140/20

Leitsatz des Gerichts:

Die wahrheitswidrige öffentliche Behauptung, eine Person sei Mitglied der Staatssicherheit (Stasi) gewesen, kann einen Unterlassungsanspruch und einen Schmerzensgeldanspruch begründen.


In pp.

Der Beklagte zu 1 wird weiter verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von € 10.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.2.2020 zu zahlen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte zu 1 81 % und der Beklagte zu 2 19 % zu tragen. Beide Beklagten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss
Der Streitwert wird auf € 32.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten Unterlassung öffentlich gemachter Behauptungen über seine Person sowie Schmerzensgeld im Zusammenhang mit diesen Behauptungen.

Im Hinblick auf den Sachverhalt und den bisherigen Verfahrensverlauf kann vollumfänglich auf das Grund- und Teilurteil vom 23.3.2022 Bezug genommen werden (nachfolgend: „Grund- und Teilurteil“).

Die Beklagten sind mit dem Grund- und Teilurteil bereits zur Unterlassung der beanstandeten Behauptungen verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Schleswig hat nach Überprüfung dieser Entscheidung erkannt, dass die Verurteilung gerechtfertigt war und dass die beklagtenseits aufgestellten Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen (siehe Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 12.8.2022, B. 347 d.A. und Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 20.9.2022, B. 366 d.A.).

Der Kläger begehrt mit seiner Klage (dort Ziffer 5) nunmehr noch die Verurteilung des Beklagten zu 1 zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes.

Der Kläger behauptet, dass der Prozess und die falschen Behauptungen ihn psychisch sehr belastet hätten. Dies habe letztlich dazu geführt, dass er psychisch erkrankt sei und sich daher im Januar in stationäre Behandlung habe begeben müssen. Der Prozess und die Behauptungen über ihn seien ursächlich für seine psychische Erkrankung gewesen.

Das Gericht hat die Parteien ordnungsgemäß zum Verhandlungstermin am 25.5.2023 geladen. Trotz der Ladung ist der Beklagte zu 1 zu dem Termin nicht erschienen. Auch seine bisherige Prozessbevollmächtigte ist nicht erschienen (Protokoll vom 25.5.2023, S. 1 ff.).

Der Kläger beantragt,
5. Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von € 10.000,00 jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Statt eines Versäumnisurteils eine Entscheidung nach Lage der Akten zu treffen, § 331a ZPO (siehe Protokoll vom 25.5.2023, S. 2).

Die Klagschrift ist dem Beklagten zu 1 am 22.2.2020 und dem Beklagten zu 2 am 30.3.2020 zugestellt worden (vgl. Bl. 42, 56 d. A.).

Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage mit den Parteien und den Parteivertretern in den Verhandlungen umfassend erörtert (vgl. Protokoll vom 22.7.2021 und vom 17.2.2022). In der mündlichen Verhandlung vom 25.5.2023 hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung des geladenen Zeugen … (siehe dazu Beweisbeschluss vom 3.2.2023, Bl. 403 d.A.).

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf die Verhandlungsprotokolle vom 22.7.2021, vom 17.2.2022 und vom 25.5.2023 sowie den Beweisbeschluss vom 3.2.2023, Bl. 403 d.A..

Entscheidungsgründe

Die Klage hat - in dem tenorierten Umfang - auch im Hinblick auf den verbliebenen Teil Erfolg.I. Die Klage ist insgesamt zulässig.

II.

Die Klage ist in dem tenorierten Umfang auch begründet.

1. Der Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld gegen den Beklagten zu 1 steht dem Grunde nach bereits rechtskräftig fest (siehe Grund- und Teilurteil).

2. Der Höhe nach hält das Gericht das vom Kläger als Mindestmaß angegebene Schmerzensgeld für sachlich gerechtfertigt und angemessen.

Bei der Bestimmung der Höhe war die Schwere des Eingriffs (siehe Ziffer b)), die persönlichen

Folgen / Beeinträchtigungen des Klägers (siehe Ziffer c)), wie auch der jeweilige Verschuldensgrad seitens des Störers (hier des Beklagten zu 1) zu berücksichtigen (dazu Ziffer d)).

Nach freier Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts, den vorgelegten medizinischen Befunden und Berichten (Anlage K 27 - K 29, Bl. 266 - 269 und Bl. 417 d.A.), den Angaben des Klägers und den Zeugenaussagen hält das Gericht – auch mit Blick auf vergleichbare Fälle in der Rechtsprechung – im vorliegenden Fall ein Schmerzensgeld in Höhe von € 10.000,00 für angemessen.

a) Grundsätzlich hängt die Schmerzensgeldhöhe entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder mit ihnen zu diesem Zeitpunkt als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss. Die Schwere der Belastungen wird dabei vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt. Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen zu (Leitsatz OLG München, Urteil v. 13.12.2013, Az. 10 U 4926/12, BeckRS 2013, 22617).

Die Überzeugung des Richters erfordert in dem Zusammenhang keine – ohnehin nicht erreichbare – absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ im Hinblick auf die Folgen, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. OLG München, Urteil v. 13.12.2013, Az. 10 U 4926/12, BeckRS 2013, 22617 m.w.N.). Nach der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität anwendbaren Vorschrift des § 287 ZPO werden geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt. Hier genügt je nach Lage des Einzelfalls eine überwiegende (höhere) Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung.

b) Die Qualität des Eingriffs dürfte vorliegend - wenn auch subjektiv auf Klägerseite anders empfunden - eher als mittelschwer zu qualifizieren sein.

Bei der Beurteilung der Qualität des Eingriffs ist einerseits die Art der Behauptung aber auch die Reichweite dieser zu berücksichtigen.

Zweifelsohne ist die vorliegende Art der Behauptung, der Kläger sei Mitglied (sogar „bis 1989 Offizier“) der Stasi gewesen und habe hierbei „viele Werftarbeiter persönlich über die Klinge springen [lassen] durch seine Spitzeltätigkeit“ schwerwiegend und in hohem Maße ehrverletzend. Derartige Behauptungen sind zudem geeignet, das soziale und ggf. politische Ansehen des Klägers zu mindern. Schließlich herrscht heute innerhalb der Bundesrepublik Deutschland allgemeiner Konsens darüber, dass die Stasi für zahlreiche Verbrechen an Menschen verantwortlich ist, die nach damaliger Beurteilung innerhalb der DDR nicht ins dortige System passten. Dass Menschen im Auftrag der Stasi verfolgt, verhaftet, gefoltert und gar getötet worden sind, dürfte heute nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt werden.

Indes geht das Gericht basierend auf den Angaben der Parteien von einer eher überschaubaren Reichweite der Äußerungen des Beklagten zu 1 aus. Zwar ist es unstreitig sehr wohl möglich gewesen, auf den Blog des Beklagten zu 1 sowie auf sein Buch aufmerksam zu werden, wenn man den Namen des Klägers zusammen mit anderen „Schlagwörtern“ bei der Suchmaschine „google“ eingegeben hat. Indes dürfte der Blog des Beklagten zu 1 mit der Domain „http://…“ ansonsten eher einen geringen „fraffic“ (Anzahl der Besucher auf der Homepage innerhalb eines bestimmten Zeitraums) gehabt haben. Zudem dürfte sich nur eine bestimmte Klientel mit dem Inhalt des Blogs auseinandergesetzt haben. Auch die Auflage des Buches beziehungsweise die bislang (geschätzte) Anzahl der Verkäufe (rund 25-30 mal) bei Amazon („www.amazon.de“) ist im Vergleich zu anderen Fällen verhältnismäßig gering. Hinzu kommt, dass der Kläger in dem Buch nur an vereinzelten Stellen genannt wird, sich das Buch also nicht ausschließlich um seine Person dreht.

c) Die persönlichen Folgen bzw. Beeinträchtigungen auf Seiten des Klägers stuft das Gericht indes als schwerwiegend ein.

Nach der Überzeugung des Gerichts haben die falschen ehrverletzenden Behauptungen des Beklagten zu 1 erhebliche negative psychische Auswirkungen auf den Kläger gehabt mit der Folge, dass dieser in eine schwere emotionale Krise gestürzt ist.

aa) Zum einen hat das Gericht die medizinischen Befunde und Berichte (Anlage K 27 - K 29, Bl. 266 - 269 und Bl. 417 d.A.) berücksichtigt. Auf deren Inhalt wird an dieser Stelle vollumfänglich Bezug genommen.

bb) Vor allem aber stützt das Gericht seine Beurteilung auf den eigenen persönlich vom Kläger gewonnenen Eindruck, dessen glaubhafte Darstellung seiner Situation sowie auf die glaubhaften Angaben des Zeugen … .

(1) In der mündlichen Verhandlung vom 22.7.2021, in welcher der Kläger das erste mal informatorisch zur Sache angehört wurde, hat das Gericht bereits den Eindruck gewonnen, dass der Kläger von dem Verfahren und der Situation schwer gezeichnet war. Mit hängenden Schultern und sorgenvoller Mine hat der Kläger damals berichtet, dass ihn die falschen Behauptungen sehr belasten würden. Er sehe seinen guten Ruf in Gefahr und wolle nicht, dass seine ehemaligen Kollegen und Schüler ein derartiges (falsches) Bild von ihm gezeichnet bekämen.

(2) Auch in der mündlichen Verhandlung vom 17.2.2022 wirkte der Kläger auf das Gericht sehr angeschlagen. Es fiel ihm merklich schwer, über die Auswirkungen der Vorwürfe zu sprechen. Dennoch gab er glaubhaft zu Protokoll, dass er sich vor ca. 10 Jahren in psychische Behandlung habe begeben müssen. Damals habe er mit den Folgen eines sog. „Burnout“ zu tun gehabt. Nachdem er diese Krise überwunden hatte, sei die Thematik - aufgrund der Behauptungen des Beklagten zu 1 und dieses Prozesses - jetzt allerdings wieder hochgekommen. Er habe sich im Zusammenhang mit den Anschuldigungen sogar in stationäre Behandlung begeben müssen.

(3) Diese Angaben hat der Zeuge … in der mündlichen Verhandlung vom 25.5.2023 glaubhaft bestätigt.

Dieser hat ausgesagt, den Kläger schon seit dem Jahr 2011 zu kennen. Damals sei er bei ihm wegen Depressionen und Angststörungen sowie Schmerzen in Behandlung gewesen. Diese damalige Behandlung habe zu tun gehabt mit der beruflichen Belastung des Klägers.

Im Jahr 2020, als er auf die Behauptungen über sich im Internet aufmerksam wurde, sei er dann erneut in eine schwere Krise gekommen. Er sei seit damals wieder verstärkt angespannt gewesen und habe nicht schlafen können. Er habe die Situation als „sehr bedrohlich“ wahrgenommen. Besonders belastet habe ihn, dass er dieser Situation so hilflos gegenüber stand.

Er sei damals auch sehr impulsiv gewesen und habe versucht, sich mit Alkohol zu beruhigen. Zuvor habe er lange Zeit gar keinen Alkohol mehr zu sich genommen.

Ein weiteres Thema sei gewesen, dass die Ehefrau des Klägers ebenfalls sehr besorgt gewesen sei. Dies habe letztlich auch zu einer Ehekrise geführt, da der Kläger seine Ehe in Gefahr gesehen habe. Dies insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Ehefrau des Klägers bei dem Konsum von Alkohol katastrophale Wirkungen bzw. Gedanken hervorgebracht habe. Die Ehefrau des Klägers dahingehend wieder einzufangen und sie davon zu überzeugen, dass die Probleme des Klägers gelöst werden müssten, sei für den Kläger und den Zeugen … ein enormer Kraftakt gewesen.

Zusammengefasst habe der Kläger zwischen 2020 und 2022 in einer erheblichen psychischen Krise gesteckt hat, die kausal durch die Behauptungen des Beklagten zu 1 hervorgerufen worden sei (Protokoll vom 25.5.2023, S. 2-4). Ob er diese Krise je überwinden werde, sei ungewiss. Der Zeuge … sehe allerdings gute Chancen, wenn dieser Prozess beendet sei.

Die Angaben des Zeugen waren insgesamt glaubhaft. Hinweise auf eine einseitige Belastungs- oder Begünstigungstendenz haben sich nicht ergeben. Bei dem Zeugen … handelt es sich um einen seit Jahren praktizierenden Nervenarzt, der seine fachkundigen Wahrnehmungen wertungsfrei wiedergegeben hat. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen haben sich ebenfalls nicht ergeben.

d) Das Maß an Verschulden bzw. Vorwerfbarkeit des Beklagten zu 1 sieht das Gericht als hoch an (mit Einschränkung).

Das Gericht geht zwar - ohne Zweifel - davon aus, dass der Beklagte zu 1 die Behauptungen über den Kläger in der Absicht öffentlich aufgestellt hat, um diesem zu schaden. Auch geht das Gericht davon aus, dass der Beklagte zu 1 seinen Fehler (Behauptungen sind tatsächlich unwahr) bei objektiver Betrachtung hätte erkennen müssen und können, wenn er sich mit der Aktenlage intensiver beschäftigt hätte. Der Fehler wäre also vermeidbar gewesen. Dies, wie auch die Qualität der Behauptung, muss sich der Beklagte zu 1 vorwerfen lassen.

Indes hat das Gericht im Laufe des Prozesses auch den Eindruck gewonnen, dass der Beklagte zu 1 aufgrund seiner eigenen Vergangenheit (als Opfer der Stasi) womöglich psychisch und emotional derart geprägt worden ist, dass ihm die Unterscheidung zwischen Realität (objektiv beweisbarem) und Vorstellung nicht mehr ohne Einschränkung gelingt. Mit Verweis auf die zahlreichen aus Sicht des Gerichts nicht nachvollziehbaren - teils persönlichen - Einlassungen des Beklagten zu 1 (vgl. dazu auch Grund- und Teilurteil, S. 13 ff.) sowie seine mangelnde Einsicht (trotz zweier Instanzen) schließt das Gericht nicht aus, dass der Beklagten zu 1 womöglich die Tragweite seiner Handlungen gar nicht erkennt. Jedenfalls scheint er unter einem erheblichen psychischen Trauma zu leiden, welches er durch Benennung der „Täter“ aufzuarbeiten versucht. Dass er hierbei einen Falschen als „Täter“ benannt hat, ist für ihn emotional womöglich nicht nachvollziehbar. Dies mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass Verschleierung, Verdunkelung und Täuschung in der ehemaligen DDR, insbesondere bei der Stasi, an der Tagesordnung waren. Irgendwann mag bei jedem Menschen, der von einer solchen Welt geprägt worden ist, der Punkt erreicht sein, ab dem er nichts mehr glaubt, sondern sich seine eigene Wahrheit schafft.

e) Bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe hat das erkennende Gericht insbesondere die folgenden, in der Schmerzensgeldtabelle exemplarisch aufgeführten Entscheidungen anderer Gerichte berücksichtigt und sich hieran orientiert:

• Ehrverletzung durch unzutreffende Berichterstattung ohne Namensnennung. Dennoch erfuhren mindestens 217 Bekannte, Verwandte oder Kollegen von der Behauptung, der Kläger habe als „Stasi-Scherge" einen Mord begangen: OLG Hamm, Urteil vom 1.6.1992, Az. 3 U 25/92, BeckRS 9998, 11842.

• Ehrverletzung durch Ausstrahlung von Fernsehaufnahmen („Brandenburg aktuell"), in denen der Kläger als "Neonazi" mit einschlägiger Vergangenheit dargestellt wurde: LG Berlin, Urteil vom 9.10.1997, Az. 27 O 349/97, BeckRS 9998, 16109.

• Bezeichnung des im Kommunalwahlkampf stehenden Klägers als „kulturloser Bonze" und „Wendehals". Zudem wurde der Kläger einer tatsächlich nicht bestehenden SED Vergangenheit beschuldigt: LG Frankfurt, Urteil vom 29.7.2004, Az. 17 O 540/03, BeckRS 2004, 17904.

• Ehrverletzung wegen eines „herabwürdigenden Artikels" mit der Folge psychischer Beeinträchtigungen: LG München, Urteil vom 11.6.2008, Az. 9 O 15086/06, BeckOK zum Schmerzensgeld Nr. 3782.

• Unzutreffende Bezeichnung als „Perspektiv-Agent des KGB". Es stelle eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, in einer Buchveröffentlichung eine andere Person mit dem kommunistischen Geheimdienst KGB in Verbindung zu bringen, weil so zu Lasten des Betroffenen ein zwielichtiger Eindruck erweckt werde: OLG Bremen, Urteil vom 1.11.1995, Az. 1 U 51/95, BeckRS 9998, 2560.

III.

Eine Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 331a S. 1 ZPO war vorliegend möglich.

Eine Entscheidung nach Lage der Akten ist grundsätzlich dann denkbar, wenn der Sachverhalt für eine derartige Entscheidung hinreichend geklärt erscheint. Erforderlich ist mithin, dass der Prozessstoff, der bei der beantragten Aktenlageentscheidung zu berücksichtigen wäre, eine abschließende, auf der rechtlichen und tatsächlichen Würdigung dieses Prozessstoffes beruhende gerichtliche Entscheidung gestattet.

Grundlage der Prüfung der Entscheidungsreife und der zu treffenden Entscheidung nach Aktenlage ist der bisherige Akteninhalt einschließlich aller durchgeführten Beweisaufnahmen (BGH NJW 2002, 301, 302 mwN). Zu berücksichtigen sind alle zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien, auch soweit über ihren Inhalt – infolge der Versäumnis einer der Parteien – noch nicht verhandelt wurde. Auch eine in dem von der einen Partei versäumten Termin durchgeführte Beweisaufnahme ist zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 2002, 301, 302).

Das Gericht hat hier bereits in zwei Verhandlungstermine mit den Parteien durchgeführt (siehe Protokoll vom 22.7.2021 und vom 17.2.2022). Zur dritten Verhandlung am 25.5.2023 hat das Gericht beide Parteien ordnungsgemäß geladen (vgl. Bl. 423, 429 d.A.). Dass der Beklagte zu 1 die Mandatsbeziehung zu seiner bisherigen Prozessbevollmächtigten aufgekündigt hat, führt im Verhältnis zum Kläger und zum Gericht nicht bereits zum Erlöschen der Prozessvollmacht (vgl. Piekenbrock, in: BeckOK zur ZPO, 48. Ed. 2023, § 87 Rn. 11-13). Diese bleibt vielmehr bestehen. Insoweit war die Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1 auch nicht abzuladen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Unter den Beklagten waren die Kosten je nach Unterliegen anteilig aufzuteilen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 711 ZPO.

Den Streitwert hat das Gericht nach freiem Ermessen festgelegt, wobei es sich hierbei an den Vorgaben des Oberlandesgerichts (siehe Beschluss vom 20.9.2022, S. 11) orientiert hat:

• Klageantrag zu 1: € 10.000,00
• Klageanträge zu 2, 3, 6 und 7: jeweils € 3.000,00
• Klageantrag zu 5 (da hier über das Zahlungsbegehren entschieden wurde): € 10.000,00
• Sonstige Klageanträge: kein eigenständiger Wert
• Summe: € 32.000,00


Einsender:

Anmerkung:


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