Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bremen, Urteil vom 23.02.2023 - 1 Ss 48/22
Leitsatz des Gerichts:
1. Auch bei religiös motivierten Äußerungen muss der Schutz aus den Grundrechten der Religionsfreiheit und der Meinungsäußerungsfreiheit zwingend zurücktreten, wenn durch diese Äußerungen die Menschenwürde anderer angegriffen wird, da die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist (Anschluss an BVerfGE 93, 266).
2. Die aktiven Teilnehmer der Christopher Street Day-Umzüge können als abgrenzbarer Teil der Bevölkerung im Sinne des § 130 Abs. 1 StGB Angriffsobjekt einer Volksverhetzung sein.
3. Bei Meinungsäußerungsdelikten müssen die Urteilsgründe, um dem Revisionsgericht eine Nachprüfung der Entscheidung des Tatgerichts zu ermöglichen, den festgestellten konkreten Wortlaut der vorgeworfenen Äußerung wiedergeben, da dieser den Ausgangspunkt für deren Auslegung darstellt. Dieses Erfordernis der Wiedergabe des konkreten Wortlauts gilt auch für Äußerungen im Kontext der vorgeworfenen Äußerung, wenn das Tatgericht diese Kontextpassagen für die Auslegung der vorgeworfenen Äußerung heranzieht oder wenn es nach dem vom Tatgericht wiedergegebenen Gehalt dieser Passagen nahegelegen hätte, auch diese Passagen hierzu heranzuziehen.
In pp.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Bremen wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 20.05.2022 mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Kammer des Landgerichts Bremen zurückverwiesen.
Gründe
I.
1. Die Staatsanwaltschaft Bremen hat dem Angeklagten in der Anklageschrift vom 24.06.2020 vorgeworfen, sich einer Volksverhetzung strafbar gemacht zu haben, indem er am 19.10.2019 als Pastor der ...-Gemeinde in ... in der ... ein sogenanntes Eheseminar vor etwa 30 Ehepaaren in seiner Gemeinde gehalten und die Audio-Datei des Eheseminars auf die Internetplattform A. online eingestellt habe, wobei er sich wie folgt über Gender und Homosexuelle geäußert habe:
"Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist zutiefst teuflisch und satanisch."
"Ich komme nochmal später drauf, Homosexualität, dass das alles Degenerationsformen von Gesellschaft sind, die ihre Ursache darin haben, in der Gottlosigkeit."
"Diese Homo-Lobby, dieses teuflische, kommt immer stärker, immer massiver, drängt immer mehr hinein. Das ist so sukzessive, die fressen immer ein Ding, immer mehr weg."
"Echt, überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher-Street-Day."
2. Mit Urteil vom 25.11.2020 ist der Angeklagte durch das Amtsgericht Bremen wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 90,- EUR verurteilt worden. Auf die Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer 51 des Landgerichts Bremen mit Urteil vom 20.05.2022 das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 25.11.2020 aufgehoben und den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen.
a) Dabei hat das Landgericht neben den Feststellungen zum Werdegang und zur beruflichen Stellung des Angeklagten folgende weiteren Feststellungen zur Person des Angeklagten und zur Tat getroffen:
"Der Angeklagte versteht sich als bibeltreuer Christ. Er sieht sich in seinem theologischen Handeln streng an die Bibel gebunden, die er als "Anleitung für ein gelungenes Leben" bezeichnet. Seine Haltung und die der ...-Gemeinde kann als sehr konservativ bezeichnet werden.
In der Vergangenheit hatten verschiedene inhaltliche Äußerungen des Angeklagten zu theologischen bzw. gesellschaftlichen Fragen in der Öffentlichkeit Empörung und Protest hervorgerufen.
Die ...-Gemeinde sah sich bereits vor dem im Herbst 2019 stattfindenden Eheseminar mehrfach Störungen und Anfeindungen ausgesetzt. So kam es im Jahr 2008 zu einem sog. Kiss-In, bei dem gleichgeschlechtliche Paare in den Gottesdienst kamen und dort u.a. "CSD statt ..." riefen. Ein Polizeieinsatz war notwendig, um die Störung des Gottesdienstes zu beenden. Auch kam es in der Folgezeit wiederholt zu Sachbeschädigungen auf dem Gelände der Kirchengemeinde oder an Fahrzeugen der Gemeindemitglieder. Mehrmals wurden Aufkleber mit einer Regenbogenfahne verwendet, um einen Schaukasten auf dem Gelände der Gemeinde zu bekleben und es kam zu Farbschmierereien u.a. mit dem Slogan "god is gay". Bei Demonstrationen vor der Kirche wurde Gemeindemitgliedern der Weg versperrt oder diese beispielsweise mit aufgeblasenen Kondomen beworfen.
Auf Bitten der Gemeindemitglieder eine Veranstaltung zur Ehe bzw. Auffrischung der Ehe durchzuführen, kam es am 19.10.2019 zu einem Eheseminar in der ...-Gemeinde, ..., unter Leitung des Angeklagten. Unter dem Titel "Biblische Fahrschule zur Ehe, Teil 1: Theorie, Teil 2: Praxis" hielt der Angeklagte etwa 1 Stunde und 45 Minuten einen Vortrag vor ca. 30 Ehepaaren, die Mitglieder der Gemeinde sind. Eine Anmeldung zu der Veranstaltung konnte zuvor über das Gemeindebüro erfolgen.
Zu Beginn der Seminarveranstaltung bekräftigte der Angeklagte, nachdem der Zeuge ..., der bei der Organisation der Veranstaltung half und selbst teilnahm, erwähnte, dass es keine Übertragung über das Internet gebe, dass kein Mitschnitt des Seminars ins Internet gestellt werde. Das würde man prinzipiell, so der Angeklagte, immer gerne machen, bei dieser Veranstaltung habe man aber sofort gesagt, dass lasse man hier in dem Rahmen, weil man einen geschützten Raum für die Veranstaltung schaffen wolle. Der Angeklagte äußerte sinngemäß weiter, dass es sein könne, dass es während des Seminars etwas persönlicher werde und von daher werde "das alles hier bleiben. Das wird nicht rausgehauen über den Äther, übertragen".
Im ersten Teil des Seminars stellte der Angeklagte theoretische Grundlagen zur Ehe unter Benennung verschiedener Bibelstellen dar. Er referierte zu Beginn über die von Gott geschaffenen Ordnungen, die Schöpfungsordnungen, Gesetzesordnungen und Erlösungsordnungen. Auch für das zwischenmenschliche Zusammenleben würden feste Ordnungen bestehen, die Gott gesetzt habe, wie z.B. Staaten. Gott habe auch die Familie und die Ehe eingesetzt. Das sei eine Schöpfungsordnung und der Stand, in dem Mann und Frau nach dem Willen Gottes in der Schöpfung zusammenleben sollen.
An diesen Punkten, so der Angeklagte, werde derzeit massiv dran gedreht.
In diesem Zusammenhang kam er auch auf das soziale Geschlecht zu sprechen, was seiner Auffassung nach im Widerspruch zur Bibel stehe, wonach Gott Mann und Frau erschaffen habe. Da, so der Angeklagte, gebe es nicht mehr. Jetzt würden irgendwelche verworrenen Politiker, Theologen, Soziologen, Anthropologen erzählen, es gäbe noch das dritte Geschlecht, ein viertes, fünftes, "weiß der Kuckuck was, Divers, Transgender oder sonst irgendwas". Dies seien Erfindungen von Menschen, so der Angeklagte, die mit der Schöpfung nichts zu tun hätten. Man würde heute in diesem Staat angegriffen, verklagt, wenn sie beispielsweise eine Pastorenstelle ausschreiben, wo sie nur reinschreiben würden, Pastorenstelle nur männlich oder männlich oder nur weiblich. Da müsse man heute dabei schreiben, divers, das sei ein totaler Wahnsinn. Im unmittelbaren Anschluss daran äußerte der Angeklagte bei Minute 08:17 "Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung. Das ist zutiefst teuflisch und satanisch". Ferner sei es so, der Angeklagte weiter, dass die Kinder und Enkelkinder heutzutage in den Schulen und überall indoktriniert würden und dies habe auch viele Auswirkungen auf das, was Ehe ausmache, wenn man sagen würde, das Geschlecht habe nicht der Schöpfer entschieden, sondern sei etwas soziologisch Bedingtes. Wenn man sagen würde, Mann sei man nur deshalb, weil man im Kindergarten mit Indianern und Pistolen gespielt habe und Frau sei man deshalb, weil man immer pinke Klamotten angezogen und mit Puppen gespielt habe, dann sei das ein Wahnsinn, aber das verunsichere Leute und zerstöre die gesamte Zivilisation und Kultur.
Dann sagte er bei Minute 09:15: "Ich komme nochmal später drauf, Homosexualität, dass das alles Degenerationsformen von Gesellschaft sind, die ihre Ursache darin haben, in der Gottlosigkeit." Man müsse, so der Angeklagte, festhalten, Ehe sei der von Gott gewollte Stand im dem Mann und Frau zusammenleben, von der Schöpfung her.
Insgesamt sprach er in dem theoretischen Teil des Seminars zeitweise über die Bedrohungen für das Institut der Ehe. Bei seinen Ausführungen zum Ehebruch stellte er u.a. dar, wie dieser in der Bibel pönalisiert werde.
Schließlich erwähnte er auch die Homosexualität unter Heranziehung entsprechender Bibelstellen als Bedrohung für die Ehe.
Diese von Gott gegebenen Schöpfungsordnungen wie die Ehe, bedauerte der Angeklagte, würden aber heutzutage auch nicht mehr in der Kirche selbst so konsequent gelebt werden, was beispielsweise der Umgang mit Ehescheidungen zeige.
Wenn man sich als Gemeinde gegen Homosexualität ausspreche, so müsse man sich genauso gegen Ehebruch aussprechen, so der Angeklagte. Beim Thema Sexualität führte er aus, dass diese nur zwischen Mann und Frau erlaubt sei. Man müsse aber in eigenem Umfeld erleben, dass homosexuelle Beziehungen auf dieselbe Ebene gestellt würden wie eine Beziehung zwischen Mann und Frau.
Er erläuterte weiter, dass dies auch innerhalb von vielen Landeskirchen mittlerweile so geschehen würde, indem beispielsweise homosexuelle Ehen gesegnet und sogar Trauungen vorgenommen werden. Das nehme immer weitere Räume ein. Jetzt sei man schon so weit, dass überlegt werde, ob die Pfarrer eine homosexuelle Trauung eines Tages ablehnen dürfe. Der Angeklagte äußerte dann: "Diese Homolobby, dieses Teuflische kommt immer stärker, immer massiver, drängt sich immer mehr hinein. Und das ist so sukzessive, die fressen immer ein Ding, immer mehr weg" (Minute 48:12). Es könne, so der Angeklagte weiter, irgendwann so weit kommen, dass die Forderung an ihre Kirchengemeinde gestellt werde, eine homosexuelle Trauung vorzunehmen und wenn man dies verweigern würde, man Probleme als Gemeinde kriege, beispielsweise den Körperschaftsstatus entzogen bekomme. Die Bibel, so der Angeklagte, sei da aber eindeutig und er erwähnte eine Denkschrift der ... in der ganz klar herausgearbeitet worden sei, dass es biblisch nicht möglich sei, Homosexualität zu segnen. In diesem Zusammenhang zitierte der Angeklagte Leviticus 18, 22, wo es heiße: "Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel." Es gebe da acht, neun Bibelstellen, die an dieser Stelle ganz eindeutig seien. Obwohl dies in der Bibel klar herausgearbeitet werde, gehe die Kirche in dieser Denkschrift hin und sage, dass sie es trotzdem anders machen würde. Dies, so der Angeklagte, sei ein ganz klarer Verrat an Wort Gottes, dass man Dinge anders lebe.
Gegenüber den anwesenden Seminarteilnehmern erklärte er, dass es ein Problem sei, wenn die Kinder in den Schulen und überall damit durchlöchert würden und dies beigebracht bekämen, beispielsweise dazu animiert würden, andere sexuelle Rollen auszuprobieren. Es kämen Leute von Kultusministerium in die Schulen und würden propagieren, Homosexualität sei normal und die Mädchen müssten sich Schnurrbärte anmalen und die Jungen Röcke anziehen. Das sei eine unwahrscheinliche Gefährdung von dem, was Ehe angehe. Bei den Kindern werde sich noch mehr von den biblischen Grundlagen entfernt, konstatierte der Angeklagte in seinem Vortrag.
Dann äußerte er bei Minute 50:53: "Überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher-Street-Day, feiern ihre Partys, bringen Dinger raus. Auf unserem Rathaus wird die Regenbogenflagge gehisst." Dies seien bewusst antichristliche und antibiblische Dinge, die da gesetzt und mit denen die Ehe torpediert würde.
Er, so fuhr der Angeklagte fort, wolle den Seminarteilnehmern Mut machen, egal wo es sei, ob am Arbeitsplatz oder wo auch immer, zu protestieren, die Dinge nicht durchgehen zu lassen, da nicht mitzumachen (Minute 51:30). In diesem Zusammenhang schilderte er, dass er zuletzt um Rat gefragt worden sei, wie man sich verhalten solle, wenn am Arbeitsplatz Geld für ein Geschenk für eine Hochzeit von zwei homosexuellen Personen gesammelt werde. Er, der Angeklagte, habe dem Ratsuchenden gesagt: "Du kannst doch da nicht mitmachen, du kannst doch diesen Menschen nicht ein Geschenk geben, du kannst doch nicht bezahlen halt. Das funktioniert nicht. Das heißt ja nicht, dass du gegen den Menschen als solches was hast, aber du kannst diese Dinge nicht mitmachen."
Während des Vortrags gab es keine Nachfragen oder Redebeiträge der Seminarteilnehmer. Die Äußerungen des Angeklagten zur Homosexualität und zum sozialen Geschlecht erregten im Kreis der Seminarteilnehmer keinen Widerspruch oder Empörung. Der Angeklagte referierte frei ohne ein vorformuliertes Manuskript und hatte ein stichpunktartiges Hand-Out zu seinem Vortrag vorher an die Teilnehmer ausgegeben. Den gesamten Vortrag hielt der Angeklagte in einer ruhigen Stimmlage. Insbesondere an den oben dargestellten Vortragspassagen wurde seine Stimme weder lauter noch im Tonfall schärfer.
Mitte März 2020 kam es zu einer Anfrage eines Mitarbeiters der Gemeinde, des Zeugen ..., an den Angeklagten, ob er die Audiodatei von der Veranstaltung auf die Internetplattform A. in das Profil der ...-Gemeinde online stellen solle. Der Angeklagte bejahte dies. Die Kammer konnte indes nicht feststellen, dass ihm der Inhalt des damaligen Vortrages, seine dortige Zusage, dass das Seminar nicht im Internet zur Verfügung gestellt werden würde, noch bewusst war und er insbesondere noch Kenntnis von seiner Äußerung über "Verbrecher vom Christopher-Street-Day" hatte oder er diese Umstände für möglich hielt und billigend in Kauf nahm.
Nachdem das Video online am 14.03.2020 abrufbar war – der Account hatte zum damaligen Zeitpunkt 14.800 Abonnenten – wurde der Angeklagte angesprochen, möglicherweise durch einen Pressevertreter, ob er wisse, dass es Anzeigen wegen seiner Äußerungen in der Audiodatei gegen ihn geben würde. Nunmehr bemerkte der Angeklagte, dass es sich bei der Audiodatei um das Eheseminar handelte und er prüfte, was er damals in diesem Teilnehmerkreis gesagt hatte. Der Angeklagte veranlasste daraufhin eine umgehende Herausnahme des Videos vom A. Account. Ferner entschuldigte er sich in einer Erklärung am 26.04.2020 öffentlich, u.a. über A. und die Homepage ...-Gemeinde, für seine Äußerungen und stellte klar, dass für einige Außenstehende der Eindruck entstanden sein könne, dass er generell alle Homosexuellen für Verbrecher hielte, wofür er sich entschuldigen und klarstellen wolle, dass dies selbstverständlich nicht seine Meinung sei. Mit dieser Bezeichnung habe er die militanten Aggressoren gemeint, welche die Gemeinde in den letzten Jahren immer wieder angegriffen und gotteslästerlich diffamiert hätten. Die Audiodatei war ab dem 23.04.2020 nicht mehr auf dem A. Kanal abrufbar."
b) Das Landgericht hat seine Entscheidung, dass der Angeklagte aus rechtlichen Gründen freizusprechen war, auf den Grundsatz der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gestützt, dass in Bezug auf Äußerungsdelikte eine Strafbarkeit bei mehrdeutigen Äußerungen nur angenommen werden kann, wenn andere straflose Deutungsmöglichkeiten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen auszuschließen sind. Unter Berücksichtigung des Schutzes des Grundrechts der Religionsfreiheit aus Art. 4 GG hat das Landgericht hinsichtlich sämtlicher der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerungen angenommen, dass bei einer umfassenden Gesamtwürdigung ihres Inhalts und des inhaltlichen und situativen Kontextes der Tatbestand einer Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB nicht erfüllt sei, da solche naheliegenden straflosen Auslegungsvarianten bestünden und jedenfalls nicht mit einer tragfähigen Begründung auszuschließen seien. Bezüglich der Äußerung "Verbrecher von diesem Christopher Street Day" hat das Landgericht zudem bereits verneint, dass damit ein abgrenzbarer Bevölkerungsteil im Sinne des § 130 Abs. 1 StGB bezeichnet würde.
3. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Bremen am 24.05.2022 Revision ein. Die schriftlichen Urteilsgründe sind am 04.07.2022 bei der Staatsanwaltschaft Bremen eingegangen. Die Revision der Staatsanwaltschaft wurde mit Verfügung vom 01.08.2022 begründet. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts und meint, dass sich der Angeklagte der Volksverhetzung strafbar gemacht habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 02.09.2022 Stellung genommen und beantragt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil des Landgerichts Bremen vom 20.05.2022 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Bremen zurückzuverweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Auffassung, das Urteil sei bereits wegen eines Begründungsverstoßes aufzuheben, da die Feststellungen des Landgerichts keine hinreichend vollständige Wiedergabe des Vortrags des Angeklagten in dem Eheseminar enthielten, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Bewertung der Äußerungen des Angeklagten durch das Landgericht ermöglichen würden.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist statthaft (§ 333 StPO), form- und fristgerecht eingelegt (§ 341 StPO) und begründet worden (§§ 344, 345 StPO) und damit zulässig. Die Revision hat auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils nebst den ihm zugrunde liegenden Feststellungen wegen eines Begründungsmangels und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Bremen.
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt einen Begründungsmangel des landgerichtlichen Urteils auf, der auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Sachrüge hin festzustellen war und – entgegen der Auffassung der Verteidigung – nicht im Wege einer Aufklärungsrüge geltend zu machen gewesen wäre. Ein Mangel, dass die Urteilsgründe nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 5 S. 1 StPO entsprechend ergeben, aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist, ist auf die gegen das Urteil erhobene Sachrüge hin festzustellen (siehe BGH, Urteil vom 27.02.2020 – 4 StR 568/19, juris Rn. 6, NStZ 2021, 121). Der auf die Sachrüge hin festzustellende Begründungsmangel ist damit abzugrenzen von einer im Wege einer Verfahrensrüge geltend zu machenden Aufklärungsrüge, die darauf gerichtet wäre, dass das Tatgericht durch ein konkretes Beweismittel bestimmte Beweisergebnisse hätte aufklären müssen (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2010 – 3 StR 317/10, juris Rn. 10, NStZ-RR 2011, 88), und einer im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässigen Rekonstruktion der Hauptverhandlung mit der Rüge, dass auf der Grundlage der vom Tatgericht eingeholten Beweismittel andere oder weitergehende Feststellungen als im Urteil festgestellt zu treffen gewesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 09.10.2002 – 5 StR 42/02, juris Rn. 25, BGHSt 48, 34).
2. Das landgerichtliche Urteil weist einen Begründungsmangel deswegen auf, weil die Urteilsfeststellungen es dem Revisionsgericht nicht erlauben, die Entscheidung des Landgerichts umfassend nachzuprüfen im Hinblick auf die erforderliche Auslegung und Würdigung der vom Landgericht festgestellten Äußerungen des Angeklagten. Das Landgericht hat eine Beurteilung der dem Angeklagten in der Anklageschrift vorgeworfenen Äußerungen über Gender und Homosexuelle vorgenommen im Lichte eines Gesamtkontextes mit weiteren Äußerungen des Angeklagten im Rahmen des Eheseminars. Diese weiteren Äußerungen, auf die das Landgericht für seine Entscheidung maßgeblich abgestellt hat, sind aber ihrerseits im landgerichtlichen Urteil nicht in einer für das Revisionsgericht umfassend nachprüfbaren Weise mitgeteilt worden.
a) Allgemein gilt zu den Anforderungen des § 267 Abs. 5 S. 1 StPO, dass die Urteilsgründe dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung auch einer freisprechenden Entscheidung ermöglichen müssen (siehe BGH, Urteil vom 20.10.1983 – 4 StR 517/83, juris Rn. 7, EzSt StPO § 267 Nr 7; Urteil vom 26.04.1990 – 4 StR 24/90, juris Rn. 4, BGHSt 37, 21). Erforderlich ist daher, dass die Urteilsgründe bei einem Freispruch aus rechtlichen Gründen den festgestellten Sachverhalt wiedergeben und sodann darlegen, aus welchen Gründen die festgestellte Tat nicht strafbar ist (siehe BGH, Urteil vom 26.04.1990 – 4 StR 24/90, juris Rn. 4, BGHSt 37, 21; KG Berlin, Urteil vom 09.01.2013 – (4) 121 Ss 247/12 (304/12), juris Rn. 3, NStZ-RR 2013, 172). Es bedarf derart geschlossener Feststellungen zur Sache, dass erkennbar ist, welches tatsächliche Geschehen Bezugspunkt der rechtlichen Würdigung ist (siehe BGH, Urteil vom 10.07.1980 – 4 StR 303/80, juris Rn. 4, NJW 1980, 2423; Urteil vom 05.08.1997 – 5 StR 210/97, juris Rn. 4, NStZ-RR 1997, 374; OLG Celle, Urteil vom 31.05.2022 – 1 Ss 6/22, juris Rn. 13, NJW 2022, 2054).
Ein besonderes Begründungserfordernis ist sodann zu beachten im Hinblick auf Meinungsäußerungsdelikte wie den vorliegend vom Landgericht verneinten Tatbestand der Volksverhetzung nach den § 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB. Hierzu gilt nach der Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof, dass bei der Subsumtion unter diese Strafvorschrift Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung ist, dass der Sinn der Meinungsäußerung zutreffend erfasst wird. Maßgeblich ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums objektiv hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, juris Rn. 125, BVerfGE 93, 266; Beschluss vom 25.03.2008 – 1 BvR 1753/03, juris Rn. 32, NJW 2008, 2907; BGH, Urteil vom 18.02.1964 – 1 StR 572/63, juris Rn. 5, BGHSt 19, 235; Urteil vom 15.12.2005 – 4 StR 283/05, juris Rn. 11, NStZ-RR 2006, 305; Urteil vom 20.09.2011 – 4 StR 129/11, juris Rn. 23, NStZ-RR 2012, 277 (Ls.)). Ausgangspunkt der Auslegung ist dabei stets der konkrete Wortlaut der Äußerung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, juris Rn. 125, BVerfGE 93, 266; Beschluss vom 25.03.2008 – 1 BvR 1753/03, juris Rn. 32, NJW 2008, 2907; BGH, Urteil vom 15.12.2005 – 4 StR 283/05, juris Rn. 12, NStZ-RR 2006, 305; Urteil vom 20.09.2011 – 4 StR 129/11, juris Rn. 23, NStZ-RR 2012, 277 (Ls.)).
Der Wortlaut legt den Sinn der Äußerung aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und ihren Begleitumständen bestimmt, soweit diese für den Rezipienten erkennbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.09.1993 – 1 BvR 584/93, juris Rn. 18, NZV 1994, 486; Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, juris Rn. 125, BVerfGE 93, 266; Beschluss vom 06.09.2000 – 1 BvR 1056/95, juris Rn. 36, NJW 2001, 61; Beschluss vom 25.03.2008 – 1 BvR 1753/03, juris Rn. 32, NJW 2008, 2907; Beschluss vom 24.07.2013 – 1 BvR 444/13, juris Rn. 18, EuGRZ 2013, 637; BGH, Urteil vom 27.01.1984 – 5 StR 866/83, juris Rn. 8, EzSt StGB § 189 Nr. 1; Urteil vom 15.12.2005 – 4 StR 283/05, juris Rn. 12, NStZ-RR 2006, 305; Urteil vom 20.09.2011 – 4 StR 129/11, juris Rn. 23, NStZ-RR 2012, 277 (Ls.)). Ist eine Äußerung mehrdeutig, so haben die Gerichte, wollen sie die zur Anwendung sanktionierender Normen führende Deutung ihrer rechtlichen Würdigung zu Grunde legen, andere Auslegungsvarianten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen auszuschließen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88, juris Rn. 42, BVerfGE 85, 1; Beschluss vom 23.09.1993 – 1 BvR 584/93, juris Rn. 17, NZV 1994, 486; Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, juris Rn. 126, BVerfGE 93, 266; Beschluss vom 06.09.2000 – 1 BvR 1056/95, juris Rn. 36, NJW 2001, 61; Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 33, BVerfGE 114, 339; Beschluss vom 25.03.2008 – 1 BvR 1753/03, juris Rn. 33, NJW 2008, 2907; BGH, Urteil vom 03.05.2008 – 3 StR 394/07, juris Rn. 8, BGHR StGB § 130 Menschenwürde 5; Urteil vom 20.09.2011 – 4 StR 129/11, juris Rn. 24, NStZ-RR 2012, 277 (Ls.); Beschluss vom 03.05.2016 – 3 StR 449/15, juris Rn. 5, NStZ 2017, 146).
Grundsätzlich ist die Auslegung von schriftlichen und mündlichen Äußerungen auf ihren tatsächlichen Gehalt Sache des Tatrichters, wobei dieser im vorgenannten Sinne die gesamten Begleitumstände zu berücksichtigen hat (siehe BGH, Urteil vom 14.01.1981 – 3 StR 440/80 (S), juris Rn. 9, NStZ 1981, 258; Urteil vom 27.01.1984 – 5 StR 866/83, juris Rn. 8, EzSt StGB § 189 Nr. 1; Urteil vom 15.03.1994 – 1 StR 179/93, juris Rn. 19, BGHSt 40, 97; Beschluss vom 03.05.2016 – 3 StR 449/15, juris Rn. 5, NStZ 2017, 146). Das Urteil des Tatrichters muss aber die erforderlichen Feststellungen enthalten, um dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung der tatgerichtlichen Entscheidung in dieser Hinsicht zu ermöglichen. Die Aufgabe des Revisionsgerichts ist es dabei, die Schlussfolgerungen, auf denen die Auslegung beruht, darauf zu überprüfen, ob sie einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungs-, Denk- oder Sprachgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lassen (siehe BGH, Urteil vom 15.11.1967 – 3 StR 4/67, juris Rn. 7, BGHSt 21, 373; Beschluss vom 03.05.2016 – 3 StR 449/15, juris Rn. 5, NStZ 2017, 146; KG Berlin, Beschluss vom 30.07.2020 – (5) 161 Ss 74/20 (31/20), juris Rn. 46; OLG Frankfurt, Urteil vom 08.02.2022 – 2 Ss 164/21, juris Rn. 14, NStZ-RR 2022, 181; Urteil vom 30.11.2022 – 3 Ss 131/22, juris Rn. 14; Hanseatisches OLG Hamburg, Entscheidung vom 28.04.1970 – 2 Sz 41/70, juris Ls., NJW 1970, 1649; OLG Jena, Urteil vom 27.09.2016 – 1 OLG 171 Ss 45/16, juris Rn. 20, OLGSt StGB § 130 Nr 14). Als durch das Revisionsgericht zu überprüfender Verstoß gegen ein Denkgesetz gilt auch, wenn der Tatrichter verkannt hat, dass nach den festgestellten Umständen mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, und es unterlassen hat, diese gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.1981 – 3 StR 440/80 (S), juris Rn. 10, NStZ 1981, 258; Beschluss vom 03.05.2016 – 3 StR 449/15, juris Rn. 5, NStZ 2017, 146; KG Berlin, Beschluss vom 30.07.2020 – (5) 161 Ss 74/20 (31/20), juris Rn. 46; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.11.2022 – 3 Ss 131/22, juris Rn. 14; Hanseatisches OLG Hamburg, Entscheidung vom 28.04.1970 – 2 Sz 41/70, juris Ls., NJW 1970, 1649; OLG Hamm, Beschluss vom 11.02.2010 – 2 Ws 323/09, juris Rn. 43).
b) Die sich aus diesen Grundsätzen ergebenden Anforderungen sind vorliegend nicht vollständig beachtet worden, was zu einem Begründungsmangel des landgerichtlichen Urteils führt. Das Landgericht hat die von ihm für die Auslegung der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerungen für relevant angesehenen Kontextpassagen ihrerseits teils nicht vollständig mit ihrem konkreten Wortlaut wiedergegeben. An anderer Stelle fehlt es an der Wiedergabe des konkreten Wortlauts solcher nur in zusammengefasster Form mitgeteilter weiterer Passagen, die nach der landgerichtlichen Darstellung im unmittelbaren zeitlichen Kontext zu den vorgeworfenen Äußerungen standen, vom Landgericht aber, obwohl dies jedenfalls nach dem referierten Gehalt dieser Passagen nahegelegen hätte, nicht zur Auslegung der vorgeworfenen Äußerungen herangezogen wurden. Damit ist dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung der Ermittlung des Sinngehalts dieser Kontextpassagen durch das Landgericht nicht ermöglicht worden. Im Einzelnen fehlt es wie folgt an der Angabe des konkreten Wortlauts relevanter Kontextpassagen:
Das Landgericht ist in seinen Erwägungen zunächst vom Wortlaut der dem Angeklagten vorgeworfenen und durch die Beweisaufnahme bestätigten Äußerungen zum "Genderdreck", zur Homosexualität als einer der "Degenerationsformen von Gesellschaft", zur "Homolobby, dieses Teuflische" sowie zum Begriff "Verbrecher von diesem Christopher Street Day" ausgegangen. Während das Amtsgericht in seinem Urteil vom 25.11.2020 in diesen Äußerungen jeweils noch sowohl ein Aufstacheln zum Hass i.S.d. § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB wie auch einen Angriff auf die Menschenwürde durch ein Beschimpfen i.S.d. § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB begründet sah, hat das Landgericht angenommen, dass maßgeblich unter Berücksichtigung des Kontextes dieser Äußerungen zu den weiteren Passagen der Ausführungen des Angeklagten in dem Eheseminar eine nicht strafbare Deutungsmöglichkeit dieser Äußerungen bestehe, die nicht durch nachvollziehbare und tragfähige Gründe als Auslegungsmöglichkeit auszuschließen sei.
Diese Herangehensweise des Landgerichts ist vom Grundsatz her nicht zu beanstanden. Von ihrem Wortlaut her legen die Äußerungen des Angeklagten die Erfüllung der Tatbestände des § 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB nahe, wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat. Wenn demgegenüber unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes eine straflose Deutungsmöglichkeit angenommen wird, so ist diese in den Urteilsgründen mitzuteilen. Diesen Kontext hat das Landgericht in seinem Urteil aber nur ungenügend genau wiedergegeben, so dass dem Senat eine revisionsrechtliche Überprüfung der vom Wortlaut dieser Kontextpassagen ausgehenden Beurteilung nicht möglich ist.
Namentlich gilt dies in Bezug auf die Einordnung der vorgeworfenen Äußerungen des Angeklagten zum Begriff "Genderdreck": Die Kammer hat ausgeführt, dass die Auslegung, dass mit diesem Begriff nicht sich als divers oder transgender verstehende Personen gemeint seien, sondern das ideologische bzw. soziologische Konzept, dadurch gestützt werde, dass der Angeklagte zuvor über dieses Konzept gesprochen habe, namentlich darüber, dass verschiedene gesellschaftliche Gruppen über weitere Geschlechter als Mann und Frau sprechen würden und dass bei Stellenausschreibungen auch die Geschlechtsangabe "divers" zu berücksichtigen sei. Die Kammer hat die hier von ihr zur Auslegung herangezogenen weiteren Äußerungen aber nur ungenügend konkret wiedergegeben, namentlich fehlt es an Angaben dazu, welchen konkreten Wortlaut die Bemerkungen des Angeklagten zu Beginn dieses Abschnitts hatten, die das Landgericht in seinen Urteilsfeststellungen lediglich wie folgt zusammengefasst hat: "In diesem Zusammenhang kam er auch auf das soziale Geschlecht zu sprechen, was seiner Auffassung nach im Widerspruch zur Bibel stehe, wonach Gott Mann und Frau erschaffen habe."
Ungenügend ist im Hinblick auf die fehlende Wiedergabe des konkreten Wortlauts der vom Landgericht herangezogenen Kontextpassagen auch die Begründung des landgerichtlichen Urteils in Bezug auf die Annahme der Straflosigkeit der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerungen zur Homosexualität als einer der "Degenerationsformen von Gesellschaft". Die in den Gründen mitgeteilten Äußerungen des Angeklagten tragen das Textverständnis des Landgerichts nicht, sondern legen das Gegenteil nahe.
Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf den Kontext der weiteren Ausführungen im Eheseminar ausgeführt, dass der Angeklagte mit dieser Äußerung seine Ablehnung von Homosexualität mit einem drastischen Wortlaut zum Ausdruck gebracht habe, wobei er aber nicht auf homosexuelle Personen bezogen gesprochen habe, sondern allgemein über die Homosexualität und ohne sich zu Rechten und gesellschaftlicher Teilhabe homosexueller Personen zu äußern. Er habe mehrere Entwicklungen benannt, die die Ehe als biblische Schöpfungsordnung gefährden sollen, ohne damit aber zum Ausdruck gebracht zu haben, dass er Homosexuelle als Feinde betrachte, die verachtenswert seien. Diese abweichende tatrichterliche Beurteilung kann vom Senat wiederum schon deswegen nicht umfassend nachgeprüft werden, weil die Kammer von ihr als wesentlichen Kontext angesehene Passagen der Äußerungen des Angeklagten in dem Eheseminar nur knapp zusammengefasst hat, ohne deren für die Auslegung maßgeblichen Wortlaut mitzuteilen, wenn es in den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen hierzu wie folgt heißt: "Schließlich erwähnte er auch die Homosexualität unter Heranziehung entsprechender Bibelstellen als Bedrohung für die Ehe." Hier wäre für die Auslegung von Bedeutung, mit welcher Wortwahl der Angeklagte auf diese Bibelstellen eingegangen sein soll, wenn das Landgericht auf der Grundlage dieses Kontexts annimmt, dass der Angeklagte lediglich seine Ablehnung von Homosexualität ausdrücken wollte, ohne sich gegen Homosexuelle als Personen wenden zu wollen.
Auch in Bezug auf die dem Angeklagten vorgeworfene Äußerung zur "Homolobby, dieses Teuflische" vermochte das Landgericht nur unter Bezugnahme auf den Kontext dieser Äußerung zu dem Ergebnis zu kommen, dass jedenfalls naheliegend lediglich Vorgänge gemeint seien wie die innerkirchliche Bewegung zur Stärkung der Rechte Homosexueller. Bei dieser Auslegung, die sich auf Äußerungen des Angeklagten zu Entwicklungen in den Landeskirchen zu Trauungen von homosexuellen Ehepaaren stützt, die nach den Urteilsfeststellungen unmittelbar vor der genannten Äußerung zur "Homolobby" erfolgten, erörtert das landgerichtliche Urteil allerdings nicht ersichtlich, ob stattdessen auch ein Kontext zu den weiteren auf Fragen der Homosexualität bezogenen Äußerungen des Angeklagten dazu hätte beachtet werden müssen, dass Sexualität nur zwischen Mann und Frau erlaubt sei und dass man aber im eigenem Umfeld erleben müsse, dass homosexuelle Beziehungen auf dieselbe Ebene gestellt würden wie eine Beziehung zwischen Mann und Frau. Diese Äußerungen sind nach den Urteilsfeststellungen den vom Landgericht berücksichtigten Ausführungen zu Trauungen von homosexuellen Ehepaaren unmittelbar vorangegangen und standen damit nach der landgerichtlichen Darstellung im unmittelbaren zeitlichen Kontext zu den vorgeworfenen Äußerungen. Es hätte nach dem vom Landgericht referierten Gehalt dieser Passagen daher nahegelegen, sie zur Auslegung der vorgeworfenen Äußerungen heranzuziehen. Eine umfassende Überprüfung ist dem Senat aber auch insoweit nicht möglich, da das Landgericht diese von ihm zusammenfassend referierten Ausführungen des Angeklagten nicht im konkreten Wortlaut wiedergegeben hat. Damit ist auch nicht hinreichend erkennbar, ob nach dem maßgeblichen objektiven Sinn der Ausführungen des Angeklagten insoweit inhaltlich eine Kontinuität zu den nachfolgenden Ausführungen bestehen sollte oder nicht.
Dem Senat ist damit eine revisionsrechtliche Überprüfung der Annahme des Landgerichts, dass sich der Angeklagte mit seinen Äußerungen im Eheseminar nicht wegen Volksverhetzung strafbar gemacht habe, nicht möglich. Die Kammer hätte hierzu die von ihr für relevant erachteten Passagen vollständig wörtlich zitieren oder aber deren Gesamtkontext aussagekräftig darstellen müssen, wobei dessen Sinngehalt sich erst durch die vollständige Kenntnis der konkreten im Kontext stehenden weiteren Äußerungen und Passagen erschließen lässt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26.11.2020 – 202 StRR 86/20, juris Rn. 20 ff., StV 2022, 39 (Ls.); siehe auch OLG Köln, Urteil vom 09.06.2020 – 1 RVs 77/20, juris Rn. 74, Streit 2020, 172). Da nach den obigen Ausführungen der Wortlaut der betreffenden Äußerungen – und damit hier auch derjenigen Passagen, die das Landgericht als relevanten Kontext bewertet hat bzw. die angesichts ihres vom Landgericht referierten Gehalts naheliegend als relevant zu bewerten gewesen wären – Ausgangspunkt der Ermittlung ihres Sinngehalts ist, sind Feststellungen zu deren genauen Wortlaut zur Nachprüfbarkeit des landgerichtlichen Urteils erforderlich (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 09.11.2010 – (2) 53 Ss 67/10 (39/10), juris Rn. 16, OLGSt StPO § 267 Nr 24).
Dieser Feststellung des Vorliegens eines Begründungsmangels des landgerichtlichen Urteils wegen der fehlenden wörtlichen Wiedergabe der Kontextpassagen der Ausführungen des Angeklagten steht auch nicht der allgemeine Grundsatz entgegen, dass die Sachverhaltsschilderung in einem Urteil kurz, klar und bestimmt sein soll und alles Unwesentliche fortlassen soll, wobei dem Tatrichter die Aufgabe obliegt, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden (siehe BGH, Beschluss vom 30.05.2018 – 3 StR 486/17, juris, NStZ-RR 2018, 256; Beschluss vom 22.10.2019 – 4 StR 37/19, juris Rn. 4, NStZ 2020, 102). Das Landgericht hat vielmehr teils selbst die betreffenden Kontextpassagen als relevant eingeordnet, indem es die Ermittlung des objektiven Sinns der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerungen hierauf gestützt hat, teils eine Wesentlichkeit dieser Passagen dadurch erkennen lassen, dass es ihren unmittelbaren zeitlichen Kontext zu den vorgeworfenen Äußerungen darstellte und einen inhaltlichen Gehalt referierte, der eine Relevanz zur Auslegung der vorgeworfenen Äußerungen nahegelegt hätte. Die vorstehenden Ausführungen erfordern daher – jedenfalls unter dem hier allein zu prüfenden Gesichtspunkt der Sachrüge – keine vollständige wörtliche Wiedergabe des gesamten Inhalts der Äußerungen des Angeklagten im Eheseminar, sofern das Tatgericht begründet und in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise dartut, dass es auf die betreffenden Passagen zur Ermittlung des objektiven Sinns der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerungen nicht kommt. Umgekehrt würde vielmehr der Tatrichter der ihm obliegenden Aufgabe der Ermittlung des Sinngehalts einer Äußerung nicht gerecht, wenn die Urteilsfeststellungen sich in einer Wiedergabe der Gesamtheit dieser Ausführungen erschöpfen würden, ohne darzutun, aufgrund welcher konkreter Äußerungen und unter Berücksichtigung welcher relevanten Kontextpassagen das Tatgericht den vorgeworfenen Straftatbestand als erfüllt ansieht oder nicht (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 09.06.2000 – (5) 1 Ss 73/00 (24/00), juris Rn. 9).
c) Das angefochtene Urteil war wegen dieses Begründungsmangels nach § 353 Abs. 1 StPO aufzuheben und die Sache war gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Bremen zurückzuverweisen.
3. Der Senat weist für das weitere Verfahren auf folgendes hin:
a) Das Landgericht wird bei der erneuten Entscheidung – wie bereits in dem angefochtenen Urteil – in materieller Hinsicht die Grundsätze der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zu den Grundrechten der Religionsfreiheit und der Meinungsfreiheit und der Rechtfertigung von Beschränkungen dieser Grundrechte aufgrund des § 130 Abs. 1 StGB zu beachten haben.
Die Leitung des Eheseminars durch den Angeklagten als Pastor für die Mitglieder seiner Gemeinde steht unter dem Schutz des Grundrechts der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Dies gilt auch dann, sofern der Angeklagte eine von der Position seiner Landeskirche oder auch der überwiegenden Lehrmeinung abweichende religiöse Überzeugung vertreten sollte, da es für die Eröffnung des Schutzbereichs des Grundrechts maßgeblich ist, ob nach der plausiblen Darlegung des Betroffenen sein Handeln durch religiös motivierte Gründe getragen ist (siehe BVerfG, Urteil vom 24.09.2003 – 2 BvR 1436/02, juris Rn. 53, BVerfGE 108, 282). Dieser Schutzbereich der Religionsfreiheit ist grundsätzlich auch dann eröffnet, wenn durch das betreffende Handeln anderweitige geschützte Rechtsgüter beeinträchtigt werden, und es handelt sich bei der hier erforderlichen Abgrenzung vielmehr um eine Frage der Schrankenziehung, d.h. der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs (vgl. Dürig/Herzog/Scholz-Di Fabio, 99. EL Sept. 2022, Art. 4 GG Rn. 68). Daneben ist auch der Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eröffnet, bei dem ebenfalls selbst eine polemische oder verletzende Formulierung eine Äußerung nicht aus diesem Grund dem Schutzbereich der Grundrechtsnorm entzieht (siehe BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, juris Rn. 108, BVerfGE 93, 266; Beschluss vom 24.05.2006 – 1 BvR 49/00, juris Rn. 32, BVerfGK 8, 89).
Beide Grundrechte sind indes nicht schrankenlos gewährt: Für das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit ergibt sich dies bereits aus der Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG zur Anwendung der Vorschriften der allgemeinen Gesetze, wobei bei deren Anwendung wiederum die Bedeutung des dadurch eingeschränkten Grundrechts aus Art. 5 GG zu beachten ist (siehe BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995, a.a.O., juris Rn. 111; Beschluss vom 24.05.2006, a.a.O., juris Rn. 33 f.). Das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält keinen solchen Gesetzesvorbehalt, Einschränkungen dieses Grundrechts können sich aber aus der Verfassung selbst ergeben, hier in Form verfassungsimmanenter Schranken, zu denen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang zählen (siehe BVerfG, Beschluss vom 09.05.2016 – 1 BvR 2202/13, juris Rn. 53, NVwZ 2016, 1804; Beschluss vom 14.01.2020 – 2 BvR 1333/17, juris Rn. 82, BVerfGE 153, 1), wobei die jeweilige Einschränkung überdies einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage bedarf (siehe BVerfG, a.a.O.).
Die Strafvorschrift des § 130 Abs. 1 StGB, die ihrerseits grundsätzlich im Lichte der betroffenen Grundrechte auszulegen ist, konkretisiert damit die Auflösung des Konflikts zwischen den betroffenen Schutzgütern nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz. Zu beachten ist dabei, dass ein nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorausgesetzter Angriff auf die Menschenwürde nicht schon immer dann vorliegt, wenn durch eine Äußerung die Ehre oder das allgemeine Persönlichkeit eines anderen tangiert ist, sondern es wird hierfür vorausgesetzt, dass der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als minderwertiges Wesen behandelt wird (siehe BVerfG, Beschluss vom 25.03.2008 – 1 BvR 1753/03, juris Rn. 38, NJW 2008, 2907; BGH, Urteil vom 14.01.1981 – 3 StR 440/80 (S), juris Rn. 9, NStZ 1981, 258; Urteil vom 15.03.1994 – 1 StR 179/93, juris Rn. 15, BGHSt 40, 97). Soweit vom Tatgericht nach diesen Kriterien ein Angriff auf die Menschenwürde bejaht werden sollte, muss ein vom Angeklagten für seine Äußerungen in Anspruch genommener Schutz aus den Grundrechten der Religionsfreiheit und der Meinungsäußerungsfreiheit zwingend zurücktreten, da die die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist (siehe BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, juris Rn. 121, BVerfGE 93, 266; Beschluss vom 25.03.2008 – 1 BvR 1753/03, juris Rn. 38, NJW 2008, 2907; Beschluss vom 04.02.2010 – 1 BvR 369/04, juris Rn. 29, NJW 2010, 2193).
b) Zur Würdigung der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerungen wird das Landgericht zu beachten haben, dass es in formeller Hinsicht – wie oben ausgeführt – einer Wiedergabe des Wortlauts auch der für die Auslegung relevanten Kontextpassagen aus den Ausführungen des Angeklagten in dem Eheseminar bedarf, um dem Senat eine revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen.
Dem Ergebnis der dem Tatgericht obliegenden Auslegung ist an dieser Stelle durch den Senat nicht vorzugreifen, dies namentlich in Bezug auf die Äußerungen zum "Genderdreck", zur Homosexualität als einer der "Degenerationsformen von Gesellschaft" und zur "Homolobby, dieses Teuflische", bei denen es für den Senat an der erforderlichen Wiedergabe des Wortlauts der Kontextpassagen mangelt. Im Hinblick auf die vom Landgericht im angefochtenen Urteil vorgenommene Würdigung ist allerdings noch zu bemerken, dass es nicht frei von Auslegungsmängeln erscheint, wenn das Landgericht hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerung zur Homosexualität als einer der "Degenerationsformen von Gesellschaft" meint, dass darin deswegen keine massive Abwertung des homosexuellen Menschen zu erkennen sei, weil nach dem biblischen Verständnis des Angeklagten alle Menschen, auch er selbst, Sünder seien, ohne dass sie damit aber als minderwertig zu bezeichnen und ihnen das Lebensrecht in der Gemeinschaft abzusprechen sei. Die Annahme dieser Auslegungsmöglichkeit ist schwerlich mit dem Begriff der Degenerationsform zu vereinbaren, denn während die Sünde nach dem vorstehend zugrunde gelegten Verständnis als ein in der Gesellschaft von Anfang an vorhandener Befund erscheinen müsste, legt der Begriff der Degenerationsform eher eine nachträgliche Veränderung zur negativen Abweichung von der Norm nahe.
Bezüglich der Äußerung "Verbrecher von diesem Christopher Street Day" dürfte entgegen der Annahme des Landgerichts die Auslegung, dass hiermit ein abgrenzbarer Bevölkerungsteil bezeichnet würde, nicht bereits mit der Begründung zu verneinen sein, dass der Christopher Street Day als jährlicher Fest- und Demonstrationszug einen weiten Teilnehmerkreis habe, wobei für viele Menschen der Unterhaltungswert und Eventcharakter im Vordergrund stehe, so dass es an einer gewissen Dauerhaftigkeit der Zugehörigkeit fehle und kein äußeres oder inneres Merkmal bestehe, welches die Abgrenzung von der übrigen Bevölkerung ermögliche. Denn auch wenn bei lediglich passiven Teilnehmern eine hinreichend klare Abgrenzung der Zugehörigkeit zu verneinen sein mag, ist jedenfalls in Bezug auf aktive Umzugsteilnehmer eine solche Abgrenzbarkeit gegeben, die auch über den Abschluss der konkreten Veranstaltung zugehörigkeitsbegründend fortwirkt (in Abgrenzung zu einer ihrer Natur nach vorübergehenden und nicht auf einem dauerhaften Abgrenzungsmerkmal beruhenden Gruppierung, siehe OLG Braunschweig, Beschluss vom 06.03.2007 – Ss 2/07, juris Rn. 6, StraFo 2007, 212). Eine solche in Randbereichen unklare Bezeichnung ist auch in der bisherigen Rechtsprechung als hinreichend angenommen worden, wenn jedenfalls hinsichtlich des Kerns eine sichere Bestimmung möglich ist, ob nach dem objektiven Sinn der Äußerung die betreffenden Personen dem gemeinten Teil der Bevölkerung zugehörig sein sollen (vgl. zu ähnlich in Rand- und Kernbereiche unterfallenden Gruppen wie Kommunisten oder Punkern BGH, Urteil vom 03.04.2008 – 3 StR 394/07, juris Rn. 25 und 44, BGHR StGB § 130 Menschenwürde 5; OLG Köln, Urteil vom 09.06.2020 – 1 RVs 77/20, juris Rn. 24).
Auch überzeugt es nicht, wenn das Landgericht annimmt, dass bezüglich dieser Äußerung nicht mit tragfähigen und nachvollziehbaren Gründen die Auslegungsmöglichkeit ausgeschlossen werden könne, dass der Angeklagte hiermit die Personengruppe gemeint habe, die in der Vergangenheit militante Aktionen gegen die ...-Gemeinde und ihn persönlich durchgeführt hätte. Ein Bezug auf diese Gruppe ist vielmehr nicht ersichtlich und allein der Umstand, dass eine – zum Tatzeitpunkt bereits elf Jahre zurückliegende – Störung eines Gottesdienstes von Parolen wie "CSD statt ..." begleitet worden sei, ist aus der maßgeblichen Perspektive eines verständigen objektiven Empfängers der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerungen im Jahr 2019 nicht als Anhaltspunkt dafür zu verstehen, dass mit dem Begriff der "Verbrecher von diesem Christopher Street Day" gerade diese damaligen Störer bezeichnet werden sollten, zumal nach den Urteilsfeststellungen diese Störungen auch mit der Verwendung von anderen Parolen und Schlagworten einhergingen ("Kiss in", "god is gay"). Das Landgericht verkennt hier, dass die Äußerung "Verbrecher von diesem Christopher Street Day" nicht nur entweder auf alle Homosexuelle oder aber die genannten Störer bezogen zu verstehen sein könnte. Es lässt die naheliegendere Auslegungsvariante außer Betracht, dass der Begriff die aktiven Teilnehmer des Christopher Street Day meinte, die durch ihre Unterstützung des Anliegens der Gleichberechtigung von Homosexuellen und des selbstverständlichen Platzes der Homosexualität in der Öffentlichkeit der Gesellschaft gerade als diejenigen Personenkreise erscheinen müssen, die ein Bild der Normalität und Gleichstellung von Homosexualität vermitteln, gegen das sich der Angeklagte in diesen Passagen seiner Ausführungen in dem Eheseminar gewandt hat, in welche auch der vorgeworfene Begriff der "Verbrecher von diesem Christopher Street Day" einzuordnen ist. Auch den vom Landgericht wiedergegebenen Inhalten der Angaben des Zeugen ..., der angab, diese Äußerung als auf die Angriffe auf die ...-Gemeinde in der Vergangenheit bezogen verstanden zu haben, ist kein konkreter Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, aufgrund dessen tatsächlich nach dem maßgeblichen objektiven Sinn dieser Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums ein solcher Bezug anzunehmen gewesen wäre.
Das Landgericht hat zudem bei der Bewertung der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerungen dessen herausgehobene und mit besonderer Autorität in seiner Gemeinde versehene Stellung als Pastor unberücksichtigt gelassen. Zwar unterfallen die Äußerungen des Angeklagten dem Schutzbereich der Religionsfreiheit, gleichzeitig kann aber wegen der hervorgehobenen Rolle des Angeklagten in seiner Gemeinde einer durch ihn kundgetanen Ablehnung grundsätzlich eher eine Aufstachelungswirkung im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB zukommen, als dies etwa bei einem einfachen Gemeindemitglied oder einem anderen bloßen Teilnehmer an einem Gespräch über religiöse Angelegenheiten der Fall wäre. Dasselbe gilt hinsichtlich des beiden Tatbestandsalternativen des § 130 Abs. 1 StGB gemeinsamen Erfordernisses der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens. Diese Erwägungen wären zudem wiederum insbesondere auch im Hinblick auf die Auslegung der dem Angeklagten vorgeworfenen Verwendung des Begriffs der "Verbrecher von diesem Christopher Street Day" heranzuzuziehen gewesen, hinsichtlich dessen das Landgericht als allgemeinen Grundsatz angenommen hat, dass die Bezeichnung von anderen Personen als Verbrecher noch nicht zur Schaffung eines feindseligen Klimas geeignet sei, wenn nicht noch etwas Zusätzliches hinzukomme wie z.B. die Erwähnung eines besonders verachtenswerten Verbrechens. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass sich in der Rechtsprechung ein solcher allgemeiner Satz, dass die Bezeichnung von anderen Personen als Verbrecher noch nicht für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB genüge, nicht nachweisen lässt. Auch in den vom Landgericht hierzu zitierten Entscheidungen (AG Duisburg, Urteil vom 10.06.2016 – 81 Ds 78/16, juris Rn. 5; AG Düsseldorf, Urteil vom 28.04.2016 – 412 Ds - 80 Js 810/15 - 6/16, juris Rn. 25) ist zwar jeweils die Erfüllung des Tatbestandes der Volksverhetzung im Hinblick auf die einem Teil der Bevölkerung vorgeworfene Begehung von gemeinhin in der Gesamtbevölkerung als besonders schlimm empfundenen Verbrechen wie dem sexuellen Missbrauch von Kindern bejaht worden, ohne dass aber ausgeführt worden wäre, dass bei anderen vorgeworfenen Verbrechen die Tatbestandsmäßigkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu verneinen gewesen wäre. Es kommt vielmehr insoweit – wie generell – auf eine Auslegung der jeweils vorgeworfenen Äußerungen im Lichte ihres Gesamtkontextes an. Für den vorliegenden Fall wäre hier zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, welche der Angeklagte im Rahmen seines Vortrags seiner Ablehnung von Homosexualität und von deren Gleichstellung zugemessen hat ("dieses Teuflische", "ganz klarer Verrat an Wort Gottes", "bewusst antichristliche und antibiblische Dinge", "unwahrscheinliche Gefährdung von dem, was Ehe angehe"), nach dem maßgeblichen objektiven Sinn der vom Angeklagten in seiner Rolle als Pastor und Leiter des Eheseminars getätigten Äußerungen diese nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums durchaus über die Mitteilung einer Ablehnung hinausgehend auch auf die Schaffung eines feindseligen Klimas gerichtet anzusehen gewesen könnten.
Der Senat merkt schließlich im Hinblick auf die erneute Tatsachenfeststellung durch das Landgericht an, dass die Einlassung des Angeklagten, dass er die vorgeworfenen Äußerungen bei seiner Einwilligung in die Veröffentlichung der Aufzeichnung des Seminars nicht mehr im Einzelnen vor Augen gehabt und insbesondere derartige Äußerungen nicht konkret für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe, nicht ohne weiteres überzeugt im Hinblick auf die weiteren Feststellungen des Landgerichts, dass bereits in der Vergangenheit verschiedene inhaltliche Äußerungen des Angeklagten zu theologischen bzw. gesellschaftlichen Fragen in der Öffentlichkeit Empörung und Protest hergerufen haben. Zudem wäre es hier naheliegend, zu klären, zu welchem Zweck eine Aufzeichnung des Eheseminars überhaupt erfolgt sein sollte, wenn eine Veröffentlichung des Seminars nicht beabsichtigt gewesen sein soll und die Veranstaltung in einem geschützten Raum stattfinden sollte.
4. Eine Kostenentscheidung konnte der Senat nicht treffen, weil der Erfolg des Rechtsmittels aufgrund der Zurückverweisung noch ungewiss ist. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens war deshalb dem Landgericht zu übertragen (so die st. Rspr. des Senats, siehe Hanseatisches OLG in Bremen, Urteil vom 27.11.2019 – 1 Ss 44/19, juris Rn. 12, OLGSt StGB § 224 Nr 6).
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