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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Rechtsmittel, Ablehnung Bestellung, Schwere der Tat, sonstige Nachteile,

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Koblenz, Beschl. v. 24.05.2023 - 12 Qs 26/23

Eigener Leitsatz:

1. Gegen die Versagung der Bestellung eines Pflichtverteidigers steht dem Beschuldigten ein Beschwerderecht zu, nicht aber dem nicht beigeordneten Rechtsanwalt. Im Zweifel ist zwar davon auszugehen, dass eine Einlegung eines Rechtsmittels nicht im eigenen Namen des Verteidigers erfolgt. Dies gilt allerdings nicht, wenn sich aus den Umständen die Beschwerdeeinlegung im eigenen Namen des Verteidigers ergibt.
2. Die Schwere der dem Beschuldigten drohenden Rechtsfolgen, die die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheinen lässt, bestimmt sich nicht lediglich nach der im konkreten Verfahren zu erwartenden Rechtsfolge, sondern es haben auch sonstige schwerwiegende Nachteile, wie beispielsweise ein drohender Bewährungswiderruf in die Entscheidung mit einzufließen.
3. Zur Frage, wann weitere laufende Verfahren die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfordern.


12 Qs 26/23

Landgericht Koblenz

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:
wegen Anordnens oder Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis

hat die 12. große Strafkammer des Landgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin am 24.05.2023 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde von Rechtsanwalt pp. gegen den Beschluss des Amts-gerichts Koblenz vom 8. Mai 2023 (Az.: 33 Cs 2010 Js 2905/23) wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 21. April 2023 (Az.: 2010 Js 2905/23) wird dem Angeklagten zur Last gelegt sich am 12. Dezember 2022 des fahrlässigen Duldens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gemacht zu haben. Im Strafbefehl ist zur Ahnung der vorbezeichneten Tat eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 50,00 Euro ausgegeben (Bl. 29 ff. d.A.).

Gegen den am 26. April 2023 zugestellten Strafbefehl hat der Verteidiger des Angeklagten, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Einspruch eingelegt (Bl. 39 ff. d.A.). Zugleich hat er beantragt, dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Die Verteidigung sei notwendig, weil der Angeklagte unter laufender Bewährung stehe und die Staatsanwaltschaft Koblenz noch weitere Verfahren gegen ihn führe.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2022 hat das Amtsgericht Koblenz den Antrag des Angeklagten, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen, abgelehnt (Bl. 44 f. d.A.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 1, 2 StPO nicht vorliege. Zwar stehe der Angeklagte unter laufender Bewährung, jedoch sei die hiesige Tat nicht als schwer einzustufen, dass die zu erwartende Strafe eine Bestellung bedinge. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen könne.

Der Beschluss wurde an den Verteidiger am 9. Mai 2023 zugestellt (Bl. 51 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Verteidiger gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 53 d.A.). Zur Begründung wurde aus-geführt, dass der Angeklagte nicht nur unter laufender Bewährung in dem Verfahren 2050 Js 51149/20 stehe, sondern es laufe unter dem Az.: 2050 Js 32206/21 noch ein weiteres Verfahren gegen ihn wegen Subventionsbetrug. Die Notwendigkeit einer Verteidigung im vorliegenden Fall müsse auch diese weiteren offenen Verfahren einbeziehen, da diese gesamtstrafenfähig seien.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat mit Verfügung vom 17. Mai 2023 beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen (Bl. 57 d.A.).

II.

Die mit Schriftsatz vom 11. Mai 2023 eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 8. Mai 2023 ist bereits unzulässig, da es an einem eigenen Beschwerderecht des Beschwerdeführers fehlt.

Gegen die Versagung der Bestellung eines Pflichtverteidigers steht dem Beschuldigten ein Beschwerderecht zu, nicht aber dem nicht beigeordneten Rechtsanwalt (vgl. OLG Koblenz, Entscheidung vom 22.01.1986 – 1 Ws 42/86 = LSK 1986, 340144, beck-online; vgl. Mey-r-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 142 Rn. 63 m.w.N.). Im Zweifel ist zwar davon auszugehen, dass eine Einlegung eines Rechtsmittels nicht im eigenen Namen des Verteidigers erfolgt. Dies allerdings nicht, sofern sich aus den Umständen die Beschwerdeeinlegung im eigenen Namen ergibt (vgl. OLG Hamm NJW 2006, 2712).

Letzteres ist hier der Fall. Der Beschwerdeführer hat schon dem Wortlaut nach die Beschwerde im eigenen Namen eingelegt. So heißt es in seinem Schriftsatz vom 11. Mai 2023 ausdrücklich: „lege ich gegen die Ablehnung der Beiordnung sofortige Beschwerde ein“.

Darüber hinaus hat die sofortige Beschwerde auch in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 140 Abs. 2 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung unter anderem dann vor, wenn wegen der Schwere der drohenden Rechtsfolgen die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Dies bestimmt sich nicht lediglich nach der im konkreten Verfahren zu erwartenden Rechtsfolge, sondern es haben auch sonstige schwerwiegende Nachteile wie beispielsweise ein drohender Bewährungswiderruf in die Entscheidung mit einzufließen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 140 Rn. 23c m.w.N.).

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 21. April 2023 (AZ.: 2010 Js 2905/23) wird dem Angeklagten zur Last gelegt, sich des fahrlässigen Duldens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß §§ 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StVG strafbar gemacht zu haben. Zur Tatzeit am 12. Dezember 2022 stand er ausweislich des Auszuges aus dem Bundeszentralregister vom 20. März 2023 unter laufender Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 3. Juni 2022 (Az.: 2050 Js 51149/20). Mit diesem wurde der Beschuldigte wegen Subventionsbetruges in 15 Fällen und Beihilfe zum Subventionsbetrug in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 11. Juni 2022 rechtskräftig. Jedoch wurde im genannten Bewährungsverfahren die Bewährungszeit - noch - nicht verlängert und im Strafbefehlsverfahren liegt ein einschlägiger Verstoß nicht vor, aus diesen Gründen erscheint im Falle einer Verurteilung ein Bewährungswiderruf zumindest nicht naheliegend.

Hinzu kommt, dass gegen den Angeklagten zwar, wie durch die Verteidigung unter Nennung des Aktenzeichens 2050 Js 32206/21 mitgeteilt, ein weiteres Strafverfahren wegen Subventionsbetrug geführt wird, dieses befindet sich jedoch noch im Ermittlungsverfahren, sodass das einzubeziehende Verfahren mangels Anklageerhebung den vorausgesetzten Konkretisierungsgrad nicht erreicht hat (BeckOK StPO/Krawczyk, 47. Ed. 1.4.2023, StPO § 140 Rn. 25 m.w.N.).

Dem Beschuldigten droht daher auch in der Gesamtschau kein schwerwiegender Rechtsnachteil, sodass die Mitwirkung eines Verteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO nicht geboten erscheint.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA T. Scheffler, Windesheim

Anmerkung:


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