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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Einziehungsbeteiligter, Beiordnungsgrund, Beurteilungsmaßstab

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Jena, Beschl. v. 11.04.2023 - 1 Ws 24/23

Eigener Leitsatz:

1. Aus § 428 Abs. 2 StPO ergibt sich keine ausdrückliche Einschränkung dahingehend, dass der Beiordnungsantrag nicht von einem Rechtsanwalt für die Einziehungsbeteiligte gestellt werden darf.
2. Die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage (vgl. § 140 Abs. 2 Alt. 3 StPO) beurteilt sich für eine Beiordnung nach § 428 Abs. 2 StPO nicht nach der gesamten Strafsache, sondern nur nach dem Verfahrensteil, den die Einziehungsbeteiligung betrifft.


Thüringer Oberlandesgericht
1 Ws 24/23

In dem Strafverfahren
gegen pp.

hat der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, Richter am Oberlandesgericht und Richterin am Amtsgericht am 11.04.2023 beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen.

Gründe:

Die grundsätzlich gemäß § 304 Abs. 2 StPO statthafte Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts Mühlhausen vom 17.11.2022 bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Dabei geht der Senat entgegen der Auffassung des Landgerichts Mühlhausen davon aus, dass die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 428 Abs. 2 StPO nicht bereits daran scheitert, dass die Einziehungsbeteiligte die Vertretung durch Rechtsanwalt Dr. Bleicher angezeigt und durch diesen den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtvertreters gestellt hat.

Dem Wortlaut des § 428 Abs. 2 StPO, bei dem jede Auslegung grundsätzlich anzufangen hat (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt StPO, Einl, Rn 196 mwN), lässt sich eine solch einschränkende Lesart nicht entnehmen. Darin heißt es lediglich: „Der Vorsitzende bestellt dem Einziehungsbeteiligten auf Antrag oder von Amts wegen einen Rechtsanwalt, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage, soweit sie die Einziehung betrifft, die Mitwirkung eines Rechtsanwalts geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass der Einziehungsbeteiligte seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann. Dem Antrag eines seh-, hör- oder sprachbehinderten Einziehungsbeteiligten ist zu entsprechen."

Danach ergibt sich keine ausdrückliche Einschränkung dahingehend, dass der Antrag nicht von einem Rechtsanwalt für die Einziehungsbeteiligte gestellt werden darf. Eine solche ist auch weder der Rechtsprechung noch der Kommentierung oder Gesetzesbegründung zu entnehmen.

Insoweit moniert die Einziehungsbeteiligte zurecht, dass der vom Landgericht — wenngleich nur exemplarisch - zur Begründung der von ihm vorgenommenen Einschränkung herangezogene § 68b StGB unpassend ist. Denn in § 68b Abs. 2 StGB wird bereits nach den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen vorausgesetzt, dass der Zeuge bei seiner Vernehmung keinen anwaltlichen Beistand hat. Eine solche Einschränkung enthält § 428 Abs. 2 StPO gerade nicht. Der Umstand, dass der Gesetzgeber die Subsidiarität der Beiordnung kennt und an anderer Stelle davon auch Gebrauch macht, lässt den Rückschluss darauf zu, dass er in § 428 Abs. 2 StPO eine solche Einschränkung bewusst nicht vornehmen wollte.

Der Senat geht deshalb davon aus, dass § 428 Abs. 2 StPO (nur) für die Beiordnungsgründe eine abschließende Regelung mit zwei alternativen Voraussetzungen trifft: Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage (vgl. § 140 Abs. 2 Alt. 3) einerseits, wobei sich diese nicht nach der gesamten Strafsache bemisst, sondern nur nach dem Verfahrensteil, den die Einziehungsbeteiligung betrifft, sowie die Unfähigkeit, seine Rechte selbst wahrzunehmen (vgl. § 140 Abs. 2 Alt. 4) andererseits, welche immer aus den Gründen des Abs. 2 S. 2 erfolgt (vgl. HK-GS/Christiane Koch/Boris Bröckers/Bo Meyer, 5. Aufl. 2022, StPO § 428 Rn. 2).

Weitere Einschränkungen, insbesondere dass der Antrag nicht durch einen zuvor bevollmächtigten Rechtsanwalt zu stellen ist, lassen sich der Norm auch bei systematischer Auslegung nicht entnehmen.

Insoweit ist die Argumentation des Landgerichts nicht widerspruchsfrei, wenn es sich zum einen unter Verweis auf die Kommentierung in KK-StPO/Schmidt/Scheuß [9. Aufl. 2023], StPO § 428 Rn. 8, darauf beruft, dass durch den Vorsitzenden die Beiordnung (entsprechend §§ 143, 143a StPO) zurückgenommen werden kann, wenn der Einziehungsbetroffene selbst einen anderen Vertreter gewählt hat, zum anderen aber in Abrede stellt, dass der Gedanke des § 142 StPO, wonach bei Niederlegung der Wahlverteidigung die Pflichtverteidigerbestellung vorgenommen werden kann, Anwendung findet, weil sich mangels Verweises des § 428 Abs. 2 StPO auf die §§ 140 ff StPO ein Rückgriff auf § 142 StPO verbiete. Konsequenterweise dürfte dann auch ein Rückgriff auf die §§ 143, 143a StPO nicht möglich sein. Zutreffend dürfte es daher sein, trotz des mangelnden Verweises eine Orientierung an den Regelungen zu verfolgen (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, § 428 Vertretung des Einziehungsbeteiligten, Rn. 10). Dementsprechend hat sich der Vorsitzende insbesondere an § 142 Abs. 5 StPO auszurichten, der zugunsten eines notwendigen Vertrauens-verhältnisses die vorherige Gelegenheit des Beschuldigten (hier: Einziehungsbeteiligten) zur Bezeichnung einer geeigneten Person sowie die prinzipielle Achtung seines Vorschlags gebietet (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, § 428 Vertretung des Einziehungsbeteiligten, Rn. 10). Es erschließt sich daher nicht, weshalb die Einziehungsbeteiligte sich nicht bereits vorab einen Rechtsanwalt suchen darf, wenn es ihr doch jedenfalls nach Antragstellung grundsätzlich zu ermöglichen ist.

Wollte man der Auffassung des Landgerichts folgen, würde bei Vorliegen einer schwierigen Sach- und Rechtslage die Bewilligung der Beiordnung allein davon abhängen, ob der Einziehungsbeteiligte den Antrag persönlich gestellt hat oder dies durch einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt vornehmen lässt. Dies überzeugt weder mit Blick auf die zugrunde liegenden Inter-essen noch im Ergebnis.

2. Davon ausgehend war für die Beiordnungsbewilligung allein (noch) maßgeblich, ob wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts geboten ist. Dies hat das Landgericht Mühlhausen mit zutreffenden Erwägungen verneint.

Das Landgericht ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage (vgl. § 140 Abs. 2 Alt. 3) sich nicht nach der gesamten Strafsache, sondern nur nach dem Verfahrensteil, den die Einziehungsbeteiligung betrifft, beurteilt (vgl. HK-GS/Christiane Koch/Boris Bröckers/Bo Meyer, 5. Aufl. 2022, StPO § 428 Rn. 2). Demnach spielt es vorliegend keine Rolle, dass insgesamt gegen drei Angeklagte verhandelt wird und insgesamt 16 Nebenbeteiligte involviert sind. Außer diesem pauschalen Einwand hat die Einziehungsbeteiligte hierzu nichts vorgebracht. Dass vorliegend widerstreitende Meinungen von Oberlandesgerichten zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage bestehen würden, ist ebenfalls weder ersichtlich noch vorgetragen.

Der Senat teilt daher die Einschätzung des (zudem sachnäheren) Landgerichts, dass es für die Beiordnung der Einziehungsbeteiligten an der dafür erforderlichen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage fehlt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.


Einsender: RA R. Bleicher. Dortmund

Anmerkung:


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