Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

Haftfragen

Haftbeschwerde, Zuständigkeitswechsel, Entscheidungszuständigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2023 – 3 Ws 127/23

Leitsatz des Gerichts:

1. Eine Haftbeschwerde, die nach Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht an einen anderen Spruchkörper eingelegt worden ist, ist grundsätzlich in einen Haftprüfungsantrag umzudeuten.
2. Eine Ausnahme kann dann gelten, wenn eine Umdeutung lediglich zu einer sachlich nicht gebotenen kurzfristig erneuten Haftentscheidung desselben Spruchkörpers führen und die Anrufung des Beschwerdegerichts ohne sachlich zwingende Gründe verzögern würde, weil derselbe Spruchkörper erst kurz zuvor eine ausreichend begründete Haftentscheidung (gegebenenfalls als Beschwerdegericht) getroffen hat. Hat der neue Spruchkörper zur Zeit der Beschwerdeeinlegung jedoch noch keine begründete Haftentscheidung getroffen, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, diesem lediglich die bloße Abhilfeentscheidung (§ 306 Abs. 2 StPO) zu überlassen.


In pp.

Auf die "(Haft-)Beschwerde" des Angeklagten vom 31. März 2023 gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 15. September 2021 - 9 Gs 4556/21 - in Gestalt des Haftfortdauerbeschlusses der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 19. Mai 2022 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. April 2023 durch
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Die als Haftbeschwerde bezeichnete Eingabe vom 31. März 2023 ist gegenstandslos.

Gründe

I.

Auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 15. September 2021 - Az. 9 Gs 4556/21 - wurde der Angeklagte am 16. September 2021 festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Die 4. große Strafkammer des Landgerichts Bielefeld hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, sexuellen Missbrauchs eines Kindes sowie Besitzes kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom selben Tag hat die Kammer den Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld aus den Gründen seiner Anordnung aufrecht und in Vollzug erhalten.

Auf die Revision des Angeklagten hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil mit Beschluss vom 23. November 2022 mit den Feststellungen aufgehoben, die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Mit Schreiben seines Verteidigers vom 31. März 2023 hat der Angeklagte "Beschwerde" gegen den Haftbefehl eingelegt und beantragt, diesen unter Auflagen außer Vollzug zu setzen.

Die nunmehr zuständige 3. große Strafkammer des Landgerichts Bielefeld hat mit Beschluss vom 04. April 2023 dieser "Haftbeschwerde" nicht abgeholfen, die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt und den Haftbefehl neu gefasst.

Dieser Haftbefehl wurde am 12. April 2023 verkündet. Im Termin hat der Verteidiger erklärt, er halte den Antrag, den Haftbefehl unter Vollzug zu setzen, aufrecht. Die Kammer hat daraufhin mit Beschluss vom 12. April 2023 diesen Antrag abgelehnt und den neu gefassten Haftbefehl vom 04. April 2023 aufrecht und in Vollzug erhalten.

II.

Die als Haftbeschwerde bezeichnete Eingabe vom 31. März 2023 ist gegenstandslos. Sie ist gemäß §§ 118b, 300 StPO als Antrag auf Haftprüfung im Sinne des § 117 Abs. 1 StPO auszulegen, über den bereits entschieden worden ist.

Nach Zurückverweisung des Verfahrens ist nunmehr die 4. große Strafkammer des Landgerichts Bielefeld für die Haftentscheidungen zuständig geworden, vgl. § 125 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn nach Erlass einer die angefochtene Entscheidung aufhebenden Revisionsentscheidung ist für sämtliche Entscheidungen hinsichtlich der Untersuchungshaft nur noch das Gericht zuständig, an das die Sache zurückverwiesen worden ist (BGH, Beschluss vom 21. Mai 1996 - 1 StR 51/96 -, Rn. 4, juris).

Nach allgemeiner Meinung ist bei einem Wechsel der Zuständigkeit die nicht erledigte Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag umzudeuten, so bei einer Zuständigkeitsänderung durch Anklageerhebung oder durch Eingang der Akten beim Berufungsgericht (vgl. nur Krauß in: BeckOK, StPO, 46. Ed. 01.01.2023, § 117 Rn. 11 m.w.N.; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage 2022, § 117 m.w.N.). Denn grundsätzlich ist die sachgerechteste Entscheidung von dem jeweils mit der Haftsache befassten Gericht zu erwarten, das daher zunächst über das die Haftfrage betreffende Begehren des Angeklagten entscheiden soll (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 1 Ws 8/19 -, BeckRS 2019, 17385 Rn. 15 m.w.N.). Dies ist auch bei der vorliegenden Konstellation der Fall, in welchem die Beschwerde erst nach dem Zuständigkeitswechsel (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 19. März 2013 - III-2 Ws 93/13 -, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. August 1994 - 2 Ws 172/94 -, juris) und im Fall einer Zurückverweisung durch das Revisionsgericht eingelegt worden ist (vgl. hierzu auch KG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 1 AR 1614/99 - 4 Ws 2/2000 -, juris).

Eine Ausnahme wird für den Fall angesehen, dass eine Umdeutung lediglich zu einer sachlich nicht gebotenen kurzfristig erneuten Haftentscheidung desselben Spruchkörpers führen und die Anrufung des Beschwerdegerichts ohne sachlich zwingende Gründe verzögern würde, weil derselbe Spruchkörper erst kurz zuvor eine ausreichend begründete Haftentscheidung (gegebenenfalls als Beschwerdegericht) getroffen hat (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 1 AR 1614/99 - 4 Ws 2/2000 -, juris Rn. 3; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2019 - 1 Ws 8/19 -, BeckRS 2019, 17385; OLG Hamm, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 2 Ws 149/10 -, BeckRS 2010, 19469). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil nun ein neuer Spruchkörper für die Haftfragen zuständig war und dieser zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung noch keine begründete Haftentscheidung getroffen hatte. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, diesem lediglich die bloße Abhilfeentscheidung (§ 306 Abs. 2 StPO) zu überlassen, weil im Falle der Nichtabhilfe die Entscheidung verfahrensintern bleiben kann und den Verfahrensbeteiligten nicht mitgeteilt zu werden braucht (vgl. insoweit auch: KG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 1 AR 1614/99 - 4 Ws 2/2000 -, juris Rn. 3). Auch hier waren dem Angeklagten, als er am 31. März 2023 seine Entlassung begehrte, die Gründe der nunmehr zuständigen 4. großen Strafkammer, die Untersuchungshaft aufrecht zu erhalten, nicht bekannt.

Zwingende Gründe erforderten daher eine Umdeutung der Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag (vgl. auch KG a.a.O.). Über diesen hat die nunmehr zuständige 4. große Strafkammer des Landgerichts Bielefeld durch Neufassung des Haftbefehls auch entschieden. Darüber hinaus hat diese Strafkammer erneut unter dem 12. April 2023 über den entsprechenden Haftprüfungsantrag entschieden, sodass auch eine prozessuale Überholung eingetreten ist.

Gegen diese zuletzt getroffene Haftfortdauerentscheidung ist nunmehr auch unter dem 13. April 2023 eine Beschwerde eingelegt worden.


Einsender:

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".