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Entscheidungen

StPO

Zustellungsvollmacht des Verteidigers, Nachweis, Protokollurteil, Ergänzung der Urteilsgründe

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.03.2023 - 1 ORbs 136/23

Eigener Leitsatz:

Die Form des Nachweises der Bevollmächtigung durch Überreichung eines Dokumentes zu den Akten ist nicht die einzig zulässige Form. Es muss allerdings klar in den Akten dokumentiert werden oder aus ihnen ersichtlich sein, dass die Bevollmächtigung erfolgt ist.


Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren

gegen pp.

Verteidiger: Rechtsanwalt

wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften

hat das Brandenburgische Oberlandesgericht -1. Senat für Bußgeldsachen - durch die Richterin am Oberlandesgericht am 20. März 2023 beschlossen:
Der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 31. Januar 2023 wird aufgehoben.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 10. November 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Neuruppin zurückverwiesen.

1 ORbs 136/23 - Seite 2 -

Gründe:

I. Das Amtsgericht Neuruppin hat die Betroffene mit Urteil vom 10. November 2022 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschafteen um 44 km/h zu einer Geldbuße von 160,00 € verurteilt.

Das - nicht mit Gründen versehene - Protokollurteil vom 10. November 2022 hat die Abteilungsrichterin des Amtsgerichts Neuruppin mit Verfügung vom selben Tag der Staatsanwaltschaft Neuruppin, die nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte, „gemäß § 41 StPO übersandt", woraufhin die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 17. November 2022 auf Rechtsmittel verzichtete.

Nach Eingang der Rechtsbeschwerde der Betroffenen am 14. November 2022 gelangten die schriftlichen Urteilsgründe am 25. November 2022 zur Akte. Diese wurden der Betroffenen aufgrund gerichtlicher Verfügung vom 24. November 2022 am 26. November 2022 und dem Verteidiger am 07. Dezember 2022 zugestellt.

Mit Schriftsatz des Verteidigers vom 09. Januar 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründete dieser die Rechtsbeschwerde mit der Verletzung rechtlichen Gehörs durch Nichtbeachtung des Vorbringens aus einem Antrag auf Vernehmung des Messbeamten und mit der Sachrüge.

Das Amtsgericht Neuruppin hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 31. Januar 2023 die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gemäß § 79 Abs. 3 OWiG, § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da die Begründung der Rechtsbeschwerde erst am 09. Januar 2023 und somit verspätet eingegangen sei. Maßgeblich für die Berechnung der Monatsfrist nach § 79 Abs. 3 OWiG, § 345 StPO sei allein das Datum der Zustellung des Urteils an die Betroffene am 26. November 2022, nicht das Datum der am 07. Dezember 2022 erfolgten Zustellung an den Verteidiger, der keine schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht habe.

Dieser Beschluss ist der Betroffenen am 04. Februar 2023 und dem Verteidiger am 03. Februar 2023 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 07. Februar 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag beantragt die Betroffene die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit Verfügung vom 01. März 2023 beantragt, wie entschieden.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) angebracht, und begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 31. Januar 2023 unterliegt der Aufhebung.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und entsprechend den § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden. Der Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung am 09. Januar 2023 wahrt die Monatsfrist ab Zustellung des Urteils (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 345 Abs. 1 Satz 3 StPO).

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat wie folgt ausgeführt:

„Die hier gerichtlich verfügte und bewirkte doppelte Zustellung an die Betroffene und ihren Verteidiger ist gesetzlich nicht vorgesehen (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 145a Abs. 3 StPO). Eine dennoch angeordnete und erfolgte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte ist jedoch zulässig. Die Berechnung der Frist richtet sich dann nach der zuletzt bewirkten - wirksamen ¬Zustellung (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 37 Abs. 2 StPO).

Die Zustellung der Urteilsgründe an den Verteidiger der Betroffenen war wirksam.

Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, gilt als ermächtigt, Zustellungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen (§ 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Zwar befand sich zum Zeitpunkt der Zustellung keine schriftliche Vollmacht des Verteidigers bei den Akten. Das Vorbringen des Verteidigers, der im Hauptverhandlungstermin anwesende unterbevollmächtigte Verteidiger habe die schriftliche Vollmacht vorgelegt (S. 5 der Antragsschrift vom 07.02.2023, BI. 85 d. A.), findet in den Akten keine Stütze. Im Protokoll ist derartiges nicht vermerkt und- die Richterin hat dies ausdrücklich in Abrede gestellt (BI. 85, 100R d. A.).

Jedoch ist seine Bevollmächtigung hier nachgewiesen.

Auf welche Weise der Nachweis erfolgen kann, bestimmt das Gesetz nicht.

Mit der Änderung des § 51 Abs. 3 OWiG soll zwar ergänzend zur früheren Regelung, nach welcher eine schriftliche Vollmacht eingereicht werden musste, nunmehr grundsätzlich die Übermittlung einer Kopie ausreichen (§ 51 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit eingefügt, um die elektronische Einreichung der Verteidigervollmacht zu erfassen und nicht nur - wie zuvor - die Original-Vollmacht gelten zu lassen (BT Drs. 19/27654, S. 40). Dabei ist davon auszugehen, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers die Kopie bzw. das elektronische Dokument wie vormals die schriftliche Vollmacht tatsächlich zu den Akten gelangt. Ob eine Verteidigervollmacht besteht, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, allerdings muss der Nachweis an formale Kriterien geknüpft sein, da sich daraus die entsprechenden Rechtsfolgen für den Betroffenen ergeben, über die aus Rechtssicherheitsgründen Klarheit bestehen muss (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.09.2009 - 2 Ss (OWi) 129B/09, BeckRS 2009, 26373).

Die Form des Nachweises der Bevollmächtigung durch Überreichung eines Dokumentes zu den Akten ist jedoch nicht die einzig zulässige. Es muss allerdings klar in den Akten dokumentiert werden oder aus ihnen ersichtlich sein, dass die Bevollmächtigung erfolgt ist. Denn anders als bei der Wirksamkeit der Vertretung durch den Verteidiger im Verfahren allgemein (vgl. dazu Meyer-Go ßner/Schmitt, StPO, vor § 137 Rdnr. 9), genügt eine ausschließlich mündlich erteilte Vollmacht grundsätzlich nicht. Anhand einer Gesamtschau der im Einzelfall vorliegenden Tatsachen, insbesondere durch wiederholtes Tätigwerden als Verteidiger in der fraglichen Rechtssache kann auf seine unbeschränkte Bevollmächtigung als Verteidiger geschlossen werden (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12.06.2019 - (1B) 53 Ss-OWi 206/19 (124/19); Beschluss vom 28.11.2022 -1 OLG - 53 Ss-OWi 456/22; jeweils bei juris).

So liegt es hier. Der Verteidiger ist hier bereits gegenüber der Verwaltungsbehörde aufgetreten, hat für die Betroffene Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, Akteneinsicht genommen und gegenüber dem Gericht Anträge für sie gestellt und den im Termin auftretenden Rechtsanwalt unterbevollmächtigt.

Die Zustellung eines schriftlichen Urteils kann zudem auch dann wirksam erfolgen, wenn dem Verteidiger vor Ausführung der Zustellung bereits eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Entgegennahme von Zustellungen erteilt worden war (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23.05.2016 (1B) 53 Ss-OWi 200/16 (110/16) bei juris m. w. N.). Eine entsprechende bereits bei Urteilszustellung erteilte rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht des Verteidigers ist hier - durch inzwischen erfolgte Nachreichung der Vollmacht zu den Akten (BI. 86 d. A.) - belegt.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache - vorläufigen - Erfolg.

Das hier allein maßgebliche Protokollurteil des Amtsgerichts Neuruppin enthält keine schriftlichen Urteilsgründe und unterliegt mangels Überprüfbarkeit durch das Rechtsbeschwerdegericht allein deshalb der Aufhebung.

Die nachträglich erfolgte Ergänzung der Urteilsgründe (BI. 55 ff. d. A.) gemäß § 275 Abs. 1 StPO i. V. m. §46 Abs. 1, § 71 Abs. 1 OWiG war unzulässig und damit für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr relevant.

Eine Ergänzung der Urteilsgründe gemäß § 77b Abs. 2 OWiG war hier nicht mehr möglich. Ein Urteil, welches bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben ist, kann nicht mehr ergänzt werden (std. Rspr. des Senats, vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.05.2021 - 1 OLG 53 Ss-OWi 573/20 - bei juris). Mit der Anordnung, das Protokollurteil an die Staatsanwaltschaft zuzustellen, entscheidet sich der Tatrichter endgültig für die Hinausgabe einer nicht mit Gründen versehenen Urteilsfassung (Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.O.).

Hier hat die erkennende Richterin mit Verfügung vom 10.11.2022 zur Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft „gemäß § 41 StPO" eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass das Protokollurteil die maßgebliche Urteilsfassung darstellen sollte. Dieses Urteil ist der Staatsanwaltschaft am 14.11.2022 zugestellt worden (BI. 50 d. A.) und hat den inneren Bereich des Gerichts damit verlassen."

Diese Ausführungen entsprechen der Sach- und Rechtslage. Der Senat macht sie sich zu eigen.


Einsender: RA M . Rakow, Rostock

Anmerkung:


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