Gericht / Entscheidungsdatum: LG Arnsberg, Beschl. v. 26.04.2023 - II-2 KLs-412 Js 717/22-4/23
Eigener Leitsatz:
Nicht jeder Fehler bei der Heranziehung von Hilfsschöffen kann mit der Besetzungsrüge erfolgreich geltend gemacht werden. Fehlt jedoch eine Entscheidung des Vorsitzenden über die Heranziehung oder Verhinderung eines Schöffen vollständig, handelt es um einen erheblichen Fehler, da das dem Vorsitzenden insoweit zustehende Ermessen nicht ausgeübt wurde.
Landgericht Arnsberg
Beschluss
Verteidiger:
hat die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Arnsberg
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht pp., den Richter am Landgericht pp. und den Richter am Landgericht pp. am 26.04.2023 beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die Kammer in der laufenden Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß besetzt ist.
Die Hauptverhandlung wird ausgesetzt.
Gründe
I.
Gegen den Angeklagten findet derzeit die Hauptverhandlung vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Arnsberg als Jugendkammer statt. In der Hauptverhandlung vom 25.04.2023 erhob die Verteidigung Einwände gegen die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts hinsichtlich der beisitzenden Schöffin A.
Der Heranziehung dieser Schöffin lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Gem. Verfügung des Vorsitzenden vom 20.03.2023 handelte es sich bei der Hauptverhandlung um die vorgezogene Sitzung vom 19.04.2023. Tatsächlicher Beginn der Hauptverhandlung war der 18.04.2023.
Die für diesen Hauptverhandlungstermin ausgeloste Hauptschöffin B teilte am 23.03.2023 mit, dass sie infolge einer bereits gebuchten Reise an einem Teil der Hauptverhandlungstermine verhindert sei. Mit Verfügung vom 24.03.2023 veranlasste der Vorsitzende daraufhin, dass die Hauptschöffin abgeladen und die nächste Hilfsschöffin geladen wird. Dabei handelte es sich um die Hilfsschöffin C. Diese teilte wiederum am 11.04.2023 mit, dass sie ebenfalls wegen eines Urlaubs im Ausland an der Terminswahrnehmung gehindert sei.
Erneut verfügte der Vorsitzende, dass die Schöffin abzuladen und die nächste Hilfsschöffin zu laden sei. Durch die Geschäftsstelle wurde sodann die Hilfsschöffin A geladen.
II.
Die Besetzungsrüge ist zulässig, insbesondere fristgerecht nach Mitteilung der Kammerbesetzung erhoben worden.
Sie ist auch begründet. Die Kammer ist hinsichtlich der Schöffin A nicht ordnungsgemäß besetzt.
Keine Bedenken bestehen hinsichtlich der Annahme der Verhinderung der Schöffinnen B und C. Zum Zeitpunkt der Mitteilung der Schöffin P bzgl. ihrer Verhinderung wäre allerdings nicht die Schöffin A als nächste auf der Liste zu laden gewesen, sondern die Schöffin D. Dies ist offensichtlich deshalb nicht geschehen, weil die Schöffin D. bereits zu einem früheren Zeitpunkt ohne Bezug auf eine konkrete Terminsladung mitgeteilt hatte, zu bestimmten Zeitpunkten verhindert zu sein. Die Geschäftsstelle ist somit von ihrer Verhinderung ausgegangen und hat die nächste auf der Hilfsschöffinnenliste aufgeführte Schöffin geladen, A.
Es fehlt jedoch an einer richterlichen Entscheidung über die Heranziehung oder auch die Verhinderung der Schöffin D. Diese steht auch nicht ohne weiteres aufgrund der früheren, ohne Bezug auf ein konkretes Verfahren erfolgten Mitteilung fest, die dem Vorsitzenden auch nicht bekannt war. Denkbar wäre z. B., dass die früher mitgeteilte Verhinderung zwischenzeitlich entfallen war oder der vorgebrachte Verhinderungsgrund aus Sicht des Vorsitzenden nicht als durchgreifend angesehen worden wäre.
Dementsprechend fehlt es an einer richterlichen Entscheidung über die Frage, ob die Schöffin D heranzuziehen gewesen oder als verhindert anzusehen wäre. Erst nach einer solchen Entscheidung wäre gegebenenfalls die Schöffin A heranzuziehen gewesen.
Nicht jeder Fehler bei der Heranziehung von Hilfsschöffen kann mit der Besetzungsrüge erfolgreich geltend gemacht werden. Zudem steht dem Vorsitzenden bei der Entscheidung über die Heranziehung von Schöffen und angegebene Verhinderungsgründe ein Ermessensspielraum zu. Da eine Entscheidung des Vorsitzenden über die Heranziehung oder Verhinderung der Schöffin D vollständig fehlt, handelt es sich hier jedoch um einen erheblichen Fehler und es wurde gerade gar kein Ermessen ausgeübt.
Einsender: RA M. N. Wandt und RÄin J. Braun, München
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