Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Urt. v. 13.06.2022 - 204 StRR 116/22
Leitsatz des Gerichts:
Zur Strafbarkeit des Einstellens („Postens“) eines Bilds, auf dem im oberen Bereich der Kopf und Teile des Oberkörpers Adolf Hitlers mit dem Kommentar „1933: Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ und im unteren Bereich die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Kommentar: „2020: Bevölkerungsschutzgesetz“ zu sehen ist, auf einem Facebook-Profil.
4. Strafsenat
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
des Bayerischen Obersten Landesgerichts - 4. Strafsenat -
In dem Strafverfahren
gegen pp.
wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
aufgrund der Hauptverhandlung vom 13. Juni 2022 an der teilgenommen haben:
pp-
I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. September 2021 aufgehoben.
II. Die dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. September 2021 zugrundeliegenden Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten.
III. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Nürnberg hat die Angeklagte mit Urteil vom 28.06.2021 wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt.
Hiergegen haben die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft - letztere beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch - form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Urteil vom 08.09.2021 die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen, auf die Berufung der Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 28.06.2021 aufgehoben und die Angeklagte aus rechtlichen Gründen freigesprochen.
Hiergegen richtet sich die von der Generalstaatsanwaltschaft München vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.
II.
Die gemäß §§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat zum Tatsachverhalt folgende Feststellungen getroffen:
II. Dem Schuldspruch des Amtsgerichts liegt der folgende von der Angeklagten in vollem Umfang eingeräumte Sachverhalt zugrunde:
Am um pp. Uhr postete die Angeklagte auf ihrem Facebook-Profil „A.. H.“ ein Bild, auf dem im oberen Bereich der Kopf und Teile des Oberkörpers Adolf Hitlers mit dem Kommentar „1933: Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ und im unteren Bereich die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Kommentar: „2020: Bevölkerungsschutzgesetz“ zu sehen ist. Der Angeklagten war bewusst, dass dieses Bild von einer Vielzahl von Facebook-Nutzern wahrgenommen werden konnte. Ihr Profil ist, wie sie wusste, öffentlich und für jedermann einsehbar. Sie wusste auch, dass es sich bei Adolf Hitler um den Parteivorsitzenden der ehemaligen nationalsozialistischen Arbeiterpartei handelte.
III.
Darüber hinaus hat die Kammer auf der Grundlage der Einlassung der Angeklagten und dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister folgendes festgestellt:
Die nicht vorbestrafte Angeklagte hat die Darstellung übermittelt bekommen und auf ihrem Facebook-Profil geteilt, weil sie der Auffassung war, die Darstellung gebe - wenn auch überzeichnet - die Situation im Frühjahr 2020 treffend wieder. Die Angeklagte hat geäußert, sie wolle nicht behaupten, dass Bundeskanzlerin Dr. Merkel in gleicher Weise wie Adolf Hitler den Staat diktatorisch führe, jedoch habe sie die Einschränkung der Freiheitsrechte sehr schmerzlich empfunden und die Parallele zur Machtergreifung Hitlers als treffend gezogen erachtet. Sie habe nicht gewusst, dass das Verwenden eines Hitlerbildes strafbar sein könne, sich darüber aber auch keine Gedanken gemacht.
Nachdem die Angeklagte mit dem polizeilichen Ermittlungsbeamten auf die mögliche Strafbarkeit hingewiesen wurde, habe sie die Darstellung von ihrer Facebook-Seite gelöscht.
Der Text „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ nimmt Bezug auf die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.02.1933, die sogenannte „Reichstagsbrandverordnung“, eine Notverordnung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, welche auch von Reichskanzler Hitler gegengezeichnet wurde, erhebliche Beschränkungen der persönlichen Freiheit des Rechts der freien Meinungsäußerung, der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts und anderer Rechte enthält und als eine der Grundlagen der Diktatur der NSDAP verstanden wird.
Mit dem „Bevölkerungsschutzgesetz“ wird ersichtlich auf das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 Bezug genommen.
2. Diese Feststellungen zum Tatsachverhalt tragen nicht die vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung, dass die Darstellung nicht dem Schutzzweck des § 86a StGB unterfalle und den Tatbestand nicht erfülle und außerdem die Tatbestandsmäßigkeit wegen des Eingreifens der sogenannten Sozialadäquanzklausel gemäß § 86a Abs. 3 StGB i.V.m. § 86 Abs. 3 StGB a.F. (jetzt § 86 Abs. 4 StGB) entfalle.
a) Nach heute einhelliger Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt und wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, stellt das Kopfbild Adolf Hitlers ein verfassungswidriges Kennzeichen im Sinne des § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar (BGH, MDR 1965, 923, juris Rn. 22). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Hitler als Führer der NSDAP, als Reichskanzler oder als Staatsoberhaupt dargestellt wird (BGHSt 28, 394, 396 = NJW 1979, 1555). Es ist ferner unerheblich, ob auf der Abbildung zusätzlich ein Hakenkreuz, das Hauptkennzeichen der NSDAP (BGHSt 28, 394, 395 = NJW 1979, 1555), oder ein zum „Deutschen Gruß“ erhobener Arm zu sehen sind (OLG München, NStZ 2007, 97, juris Rn. 14 m.w.N.). Die Organisation des damaligen NS-Staates und der diesen mit einer Vielzahl von Unterorganisationen beherrschenden Partei, der NSDAP, sowie die Ausübung aller staatlicher Hoheitsgewalt durch verschiedene Behörden waren zentral auf den „Führer Adolf Hitler“ als den Kulminationspunkt aller staatlichen Gewalt ausgerichtet. Die Person Adolf Hitlers als solche repräsentiert, ohne dass es des Hinzutretens weiterer nationalsozialistischer Symbole, Kennzeichen oder Ergänzungen bedarf, den Nationalsozialismus. Allein sein Abbild stellt damit ein Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen im Sinne des § 86a StGB dar (BGH, MDR 1965, 923, juris Rn. 22; BGHSt 28, 394, 396 = NJW 1979, 1555; OLG Celle, NJW 1991, 1497; OLG München, NStZ 2007, 97, juris Rn. 14 m.w.N.; OLG Rostock, NStZ 2002, 320, juris Rn. 26; OLG Schleswig, MDR 1978, 333).
Ein Ausnahmefall einer völlig verschiedenartige Elemente zusammenfassenden Abbildung liegt nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat einen solchen Ausnahmefall bei einem in schwarzer Farbe gezeichneten Januskopf angenommen, „dessen linkes Antlitz die Gesichtszüge Adolf Hitlers und dessen rechtes Antlitz die Gesichtszüge des Bundestagsabgeordneten Franz-Josef S tragen“ und der auf den Körper eines Adlers aufgesetzt ist. Dies könne nicht als Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation angesehen werden. Die Verwendung der Gesichtszüge Hitlers in einer völlig verschiedenartige Elemente zusammenfassenden Abbildung mache weder den die Gesichtszüge Hitlers darstellenden Teil der Abbildung noch diese insgesamt zu einem solchen Kennzeichen. Zwar erinnere die Wiedergabe der Gesichtszüge Hitlers an den Nationalsozialismus, seine Organisationen, Ideen und Ziele. § 86a StGB wolle aber, soweit er sich auf Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation bezieht, diese Kennzeichen und ihre Wiedergabe, nicht aber die bezeichneten Erinnerungen von bestimmten Arten der Verwendung sowie von einer Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland ausschließen (BGHSt 25, 133, juris Rn. 17). Hiermit ist die verfahrensgegenständliche, nicht durch andere Gestaltungselemente veränderte Abbildung Hitlers nicht vergleichbar.
b) Durch das „Posten“ auf ihrem Facebook-Profil, das nach den vom Berufungsgericht zugrundegelegten Feststellungen öffentlich und für jedermann einsehbar war, hat die Angeklagte dieses Bild wissentlich und willentlich für eine nicht überschaubare Anzahl von Personen wahrnehmbar gemacht und somit verwendet im Sinne des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. MüKoStGB/Anstötz, 4. Aufl., § 86a Rn. 23).
c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts entfällt die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns der Angeklagten nicht wegen des Eingreifens der sogenannten Sozialadäquanzklausel gemäß § 86a Abs. 3 StGB i.V.m. § 86 Abs. 3 StGB a.F. (jetzt § 86 Abs. 4 StGB). Es ist nicht erkennbar, dass die Verwendung des Hitlerbildes den in § 86 Abs. 3 StGB a.F. genannten oder ähnlichen Zwecken dienen sollte. Soweit das Berufungsgericht hierbei auf eine Ähnlichkeit zur staatsbürgerlichen Aufklärung abstellt, ist nicht ersichtlich, inwiefern die von der Angeklagten „gepostete“ Abbildung der Aufklärung über die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes dienen kann oder sollte. Dem Begriff der staatsbürgerlichen Aufklärung unterfallen Handlungen, die der Wissensvermittlung zur Anregung der politischen Willensbildung und Verantwortungsbereitschaft der Staatsbürger und damit der Förderung ihrer politischen Mündigkeit durch Information dienen (vgl. MüKoStGB/Anstötz, a.a.O., § 86 Rn. 37 m.w.N.). Die Gegenüberstellung eines Bildes der (damaligen) Bundeskanzlerin und eines Bildes Adolfs Hitlers unter Hinweis auf völlig inhaltsverschiedene Normen aus der jeweiligen Zeit stellt ersichtlich keine sozialadäquate Vorgehensweise und erst Recht kein Mittel einer solchen Wissensvermittlung dar.
d) Die bisherigen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme, dass die Darstellung nicht dem Schutzzweck des § 86a StGB unterfällt.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Zweck des § 86a StGB die Abwehr einer Wiederbelebung verbotener Organisationen oder der von ihnen verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Die Vorschrift dient auch der Wahrung des politischen Friedens dadurch, dass jeglicher Anschein einer solchen Wiederbelebung sowie der Eindruck bei in- und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in Deutschland vermieden wird, es gebe eine rechtsstaatswidrige innenpolitische Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung geduldet würden (BGHSt 52, 364 = NJW 2009, 928, juris Rn. 24). Ein solcher Eindruck und die sich daran knüpfenden Reaktionen könnten den politischen Frieden empfindlich stören. § 86a StGB will auch verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen - ungeachtet der damit verbundenen Absichten - sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in Deutschland grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können (vgl. BGHSt 25, 30 = NJW 1973, 106, juris Rn. 9; BGHSt 52, 364 = NJW 2009, 928, juris Rn. 28).
Hierbei setzt die Anwendbarkeit des § 86a StGB - eines abstrakten Gefährdungsdelikts (vgl. BGHSt 47, 354, juris Rn. 20; BGHSt 52, 364, juris Rn. 25) - in Bezug auf die Verwendung eines Kennzeichens aber keinen Nachweis der Unterstützung verfassungsfeindlicher Ziele, der Ziele der verbotenen Organisation oder einer mit der Verwendung verbundenen Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates voraus. Die Vorschrift verbannt derartige Kennzeichen grundsätzlich aus dem politischen Leben in Deutschland und errichtet so ein kommunikatives Tabu (vgl. BVerfG, BVerfGK 8, 159 = NJW 2006, 3050, juris Rn. 18).
bb) Im Lichte dieses weiten Anwendungsbereichs wird § 86a StGB jedoch zusätzlich zu den von § 86 Abs. 3 StGB erfassten Tatbeständen beschränkt und es werden Verwendungen ausgenommen, die dem Zweck der Vorschrift nicht zuwiderlaufen oder sogar in seinem Sinne wirken sollen. Danach wird die Verwendung eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation vom Anwendungsbereich des § 86a StGB nicht erfasst, wenn sich die Gegnerschaft zu der verfassungswidrigen Organisation und ihrer Ideologie offenkundig und eindeutig ergibt und ein Beobachter sie auf Anhieb zu erkennen vermag (vgl. BGHSt 51, 244 = NJW 2007, 1602, juris Rn. 12; BGHSt 52, 364 = NJW 2009, 928, juris Rn. 28). Die Ausnahme von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Fällen, in denen die Gegnerschaft zu der von dem verwendeten Kennzeichen verkörperten Ideologie „offenkundig und eindeutig“ ist, stellt eine wichtige Schutzvorkehrung für die Wahrung des Rechts auf freie Meinungsäußerung dar (vgl. EGMR, Entscheidung vom 13.03.2018 - 35285/16 - Nix ./. Deutschland, juris Rn. 48). In solchen Fällen wäre eine Inkriminierung nur schwer mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung von Personen zu vereinbaren, die gegen die Wiederbelebung von nationalsozialistischen Bestrebungen in der Weise protestieren wollen, dass sie gerade die Kennzeichen angreifen, die diese symbolisieren (vgl. BGHSt 51, 244 = NJW 2007, 1602, juris Rn. 13). So liegt es, wenn das Kennzeichen offenkundig gerade zum Zwecke einer Kritik der verbotenen Organisation oder der ihr zugrundeliegenden Ideologie eingesetzt wird (vgl. BGHSt 52, 364 = NJW 2009, 928, juris Rn. 28), die Verwendung des Kennzeichens, soweit damit die Erinnerung an den Nationalsozialismus heraufbeschworen wird, in einem nachdrücklich ablehnenden Sinn geschieht (vgl. BGHSt 25, 133, juris Rn. 22) oder der Kontext der Verwendung ergibt, dass eine Wirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt des Kennzeichens entsprechenden Richtung ausscheidet (vgl. BVerfGK 8, 159 = NJW 2006, 3050, juris Rn. 23; BGHSt 25, 133, juris Rn. 20, 22). Das mag etwa der Fall sein, wenn das Kennzeichen in erkennbar verzerrter, etwa parodistischer oder karikaturhafter Weise verwendet wird (vgl. BGHSt 25, 128, juris Rn. 19, 21; BGHSt 52, 364 = NJW 2009, 928, juris Rn. 28) oder wenn - ähnlich wie in einer Wiedergabe des Kennzeichens in abwertender Verzerrung - Personen mit neonazistischer Zielsetzung in einer Wiedergabe in dem bildlichen und die Abbildung schriftlich kommentierenden Zusammenhang allenfalls eine Verhöhnung des ihnen „heiligen“ Kennzeichens erblicken würden (vgl. BGHSt 25, 133, juris Rn. 22).
Demgegenüber ist der Schutzzweck des § 86a StGB verletzt, wenn der Aussagegehalt einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft zu nationalsozialistischen Ideen nur undeutlich erkennbar ist (vgl. BGHSt 51, 244 = NJW 2007, 1602, juris Rn. 12). Auch reicht es in Anbetracht der Tabuisierungsfunktion der Vorschrift für einen Ausschluss einer konkreten Handlung von ihrem Anwendungsbereich nicht aus, dass sie in kritischer Absicht erfolgt (vgl. EGMR, Entscheidung vom 13.03.2018 - 35285/16 - Nix ./. Deutschland, juris Rn. 32; BVerfGK 8, 159 = NJW 2006, 3050, juris Rn. 23), wobei für eine Beurteilung der Frage, ob eine konkrete Verwendung eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation vom Anwendungsbereich des § 86a StGB auszunehmen ist, die gesamten Umstände der Tat zu berücksichtigen sind (vgl. BGHSt 25, 30 = NJW 1973, 106, juris Rn. 12; BGHSt 52, 364 = NJW 2009, 928, juris Rn. 29).
cc) Dies zugrunde gelegt, handelt es sich nach den bisherigen Feststellungen nicht um einen Ausnahmefall der zulässigen Verwendung eines offensichtlich verbotenen Kennzeichens.
(1) Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts dürfte das Verhalten der Angeklagten - unabhängig von den Beweggründen, die sie dazu führten - von objektiven Beobachtern als ein Protest gegen das Vorgehen der damaligen Bundesregierung und als ein Vorwurf gegen diese, sie sei im Begriff, sich nazistischer Methoden zu bedienen, aufzufassen sein.
Damit kann die Verwendung des Hitlerbildes zwar auch als Ausdruck einer Gegnerschaft zu den Methoden des nationalsozialistischen Regimes angesehen werden, sie dient aber nicht vorrangig der Kritik an diesem System, sondern der Kritik an der damaligen Bundesregierung.
Durch die Gegenüberstellung der Bilder Hitlers und der damaligen Bundeskanzlerin als Mittel der Kritik am Vorgehen der Bundesregierung besteht gerade die Gefahr, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen - ungeachtet der damit verbundenen Absichten - sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in Deutschland grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird.
Auch wenn die Angeklagte mit ihrer Facebook-Seite beabsichtigte, zu einer Debatte von öffentlichem Interesse beizutragen, ist die grundlose Verwendung von Kennzeichen gerade das, was die Vorschrift, die die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt, verhindern sollte, denn sie sollte einer Gewöhnung an bestimmte Kennzeichen zuvorkommen, indem diese aus allen Kommunikationsmitteln verbannt werden (sogenanntes „kommunikatives Tabu“). Die kritische Verwendung von Nazi-Kennzeichen reicht gerade nicht aus, um eine Person von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für eine solche Verwendung auszunehmen. Vielmehr ist eine eindeutige und offenkundige Gegnerschaft zur Nazi-Ideologie erforderlich (EGMR, Entscheidung vom 13.03.2018 - 35285/16 - Nix ./. Deutschland, juris Rn. 54).
Eine solche eindeutige und offenkundige Ablehnung der Nazi-Ideologie enthält der Beitrag der Angeklagten auf ihrer Facebook-Seite aber nicht.
(2) Würde es sich allerdings um eine einmalige Verwendung der Art handeln, dass das Kennzeichen nur kurz in das äußere Erscheinungsbild getreten wäre und damit eine Nachwirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt dieses Kennzeichens entsprechenden Richtung von vornherein ausgeschlossen ist, bedürfte es der Feststellung besonderer Umstände, die das Handeln als einen Verstoß gegen § 86a StGB erscheinen lassen könnten. Eine solche nur kurz in das Erscheinungsbild der Öffentlichkeit tretende Verwendung hat der Bundesgerichtshof etwa beim einmaligen Zeigen des Hitlergrußes während eines Polizeieinsatzes erwogen. Demgegenüber wäre ein solcher Verstoß dann anzunehmen, wenn das Handeln der Angeklagten den Schluss rechtfertigen würde, die Verwendung dieser Kennzeichen in der Öffentlichkeit habe - dem Schutzzweck des § 86a StGB zuwider - gedroht, sich wieder einzubürgern (vgl. BGHSt 25, 30, juris Rn. 13).
Der Umstand, dass die Angeklagte die betreffende Darstellung als kritisches Statement über die Pandemiepolitik der Bundesregierung auf ihrem Facebook-Profil geteilt hat, spricht, auch wenn sie das gepostete Bild wieder von ihrer Facebook-Seite entfernt hat, als sie von der Polizei auf die Strafbarkeit aufmerksam gemacht wurde, eher nicht für eine nur kurz in das Erscheinungsbild der Öffentlichkeit tretende Verwendung. Insoweit bedürfte es jedoch weiterer Feststellungen zur beabsichtigten oder tatsächlichen Dauer der Einstellung der betreffenden Darstellung auf dem Facebook-Profil der Angeklagten.
(3) Bei der Gesamtbetrachtung ist zudem zu berücksichtigen, ob die Verwendung des Kennzeichens unbesonnen und spontan in großer Erregung erfolgte (vgl. BGHSt 25, 30, juris Rn. 14). Auch hierzu fehlen hinreichende Feststellungen.
Die Sache ist somit nicht entscheidungsreif.
III.
Aufgrund der aufgezeigten Mängel ist auf die Revision der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 353 Abs. 1 StPO) und das Verfahren an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth, die auch über die Kosten der Revision zu befinden haben wird, zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Die vom Berufungsurteil getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben, da sich die Angeklagte insoweit geständig eingelassen hat. Sie stehen einer Ergänzung durch weitere Feststellungen, soweit diese nicht hierzu widersprüchlich sind, nicht entgegen.
Die nunmehr erforderlichenfalls zu treffenden Feststellungen zur inneren Tatseite könnten auch Anlass zu einer besonderen Prüfung des Unrechtsbewusstseins der Angeklagten setzen (vgl. BGHSt 25, 30, juris Rn. 14). Da diese gegenüber dem Berufungsgericht geltend gemacht hat, sie habe nicht gewusst, dass das Verwenden eines Hitlerbildes strafbar sein könne, wäre vor allem zu prüfen, ob sie einem Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB unterlegen ist und ob im Falle dessen Vermeidbarkeit die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden kann (§ 17 Satz 2 StGB).
Einsender: 4. Strafsenat des BayObLG
Anmerkung:
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