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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger rückwirkende Bestellung, Zulässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Koblenz, Beschl. v. 20.03.2023 - 30 Gs 2593/23

Eigener Leitsatz:

Eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung ist dann angebracht, wenn der Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde. die Voraussetzungen des § 140 StPO vorliegen und die Entscheidung über die Beiordnung nicht unverzüglich erfolgte, sondern wegen justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der (ehemalige) Beschuldigte keinen Einfluss hatte.




30 Gs 2593/23

Amtsgericht Koblenz

Beschluss

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Missbrauchs von Notrufen

hat das Amtsgericht Koblenz durch den Richter am 20.03.2023 beschlossen:

Dem Beschuldigten wird gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO i. V. m. § 142 StPO Rechtsanwalt pp. nachträglich als Pflichtverteidiger bestellt.

Gründe:

1. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers dient allein der ordnungsgemäßen Verteidigung eines Beschuldigten sowie der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs in schwerwiegenden Fällen (LG Stuttgart Beschl. v. 14.07.2022 —18 Qs 36/22).

II. Eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung dient dagegen dem Kosteninteresse des Be-schuldigten und des Verteidigers. Dem Verteidiger wird durch die rückwirkende Bestellung für einen bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitt ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse verschafft. Eine ordnungsgemäße Verteidigung respektive ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf in schwerwiegenden Fällen kann mit der rückwirkenden Bestellung gerade nicht gewährleistet werden, weshalb sie sich auf etwas Unmögliches richtet (LG Oldenburg Beschl. v. 07.03.2022 — 4 Qs 76/22). Daher ist eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung grundsätzlich nicht zulässig.


III. Allerdings würde eine generelle Versagung der rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung trotz rechtzeitigen Antrags auf Pflichtverteidigerbeiordnung dazu führen. dass ein mittelloser Beschuldigter auf die notwendige Verteidigung, und eben nicht nur auf die Kostenerstattung, verzichten müsste (LG Stuttgart Beschl. V. 14.07.2022 — 18 Qs 36/22). Denn Rechtsanwälte dürften in Kenntnis der Versagung rückwirkender Bestellung in der Endphase eines Verfahrens nicht mehr zur Übernahme der Verteidigung mittelloser Beschuldigter bereit sein (LG Stuttgart Beschl. v. 14.07.2022 — 18 Qs 36/22).

IV. Somit ist eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung dann angebracht, wenn der Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde. die Voraussetzungen des § 140 StPO vorliegen und die Entscheidung über die Beiordnung nicht unverzüglich erfolgte, sondern wegen justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der (ehemalige) Beschuldigte keinen Einfluss hatte (LG Stuttgart Beschl. v. 14.07.2022 — 18 Qs 36/22; LG Gera Beschl. v. 10.11.2021 — 11 Qs 309/21).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

1. Der Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung wurde rechtzeitig — am 30.12.2022 — vor der vorläufigen Einstellung gemäß § 154 StPO am 20.03.2023 gestellt. Zudem lag mit § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ein Fall der notwendigen Verteidigung vor.

2. Ferner erfolgte die Entscheidung über die Beiordnung als Pflichtverteidiger nicht unverzüglich, sondern ist wegen justizinterner Vorgänge unterblieben.

Die Entscheidung über die Beiordnung ist unverzüglich. wenn über den Antrag innerhalb von ein bis zwei Wochen nach dessen Eingang entschieden werden kann (LG Gera Beschl. v. 10.11.2021 — 11 Qs 309/21). Diese Zeitspanne wurde vorliegend überschritten, weil zwischen Antrag und Weiterleitung am 10.03.2023 über zwei Monate lagen.


Einsender: RA D. Walker, Betzdorf

Anmerkung:


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