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Entscheidungen

Haftfragen

Organisationshaft, Verhältnismäßigkeit, zulässige Dauer

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Beschl. v. 15.03.2023 - 3 Ws 119/23

Eigener Leitsatz:

Es gibt keinen Grundsatz, nachdem ein Vollzug von Organisationshaft bis zur Dauer von drei Monaten in der Regel rechtmäßig sei. Vielmehr ist der Vollzug von Organisationshaft nur dann rechtmäßig, wenn diese sich nicht vermeiden lässt, obwohl sich die Vollstreckungsbehörden, sobald ihnen bekannt wird, zu welchem Zeitpunkt ein Platz für den Vollzug einer Maßregel benötigt wird, unverzüglich im Rahmen des Möglichen darum bemühen, diesen Platz zu beschaffen.




Oberlandesgericht München

3 Ws 119/23

In dem Strafvollstreckungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger


wegen Vergehens nach § 29 BtMG

erlässt das Oberlandesgericht München - 3. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 15. März 2023 folgenden

Beschluss
1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten pp. gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg vom 26.01.2023 ist erledigt, so weit darin seine Entlassung aus dem Strafvollzug begehrt wird.
2. Im übrigen wird der vorgenannte Beschluss auf die sofortige Beschwerde hin aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Vollstreckung von Organisationshaft gegen den Verurteilten vom 27.11.2022 bis 19.02.2023 rechtswidrig war.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Verurteilten darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 21.09.2021 in der Fassung des Urteils des Landgerichts Augsburg vom 09.06.2022, rechtskräftig seit 17.06.2022, wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen je in Tateinheit mit versuchtem unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 27.07.2020 (scil. von 4 Monaten auf Bewährung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln) zur Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 4 Monaten, zu einer weiteren Freiheitsstrafe von 2 Monaten und zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt.

Mit Verfügung vom 07.09.2022 änderte die Staatsanwaltschaft Augsburg die Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 44b Abs. 1 StrVollstrO dahin, dass vorab die Strafe von 2 Monaten und im Anschluss daran die Unterbringung zu vollstrecken sei.

Mit Verfügung vom 08.09.2022 leitete die Staatsanwaltschaft Augsburg die Vollstreckung ein, verfügte die nachfolgend genannte Ladung zum Strafantritt und eine Wiedervorlage zum 28.09.2022 mit dem Vermerk „Strafe von 2 Mo angetreten, dann sofort Platz für § 64 organisieren".

Der Verurteilte wurde mit Schreiben vom 09.09.2022 unter Beifügung der Verfügung vom 07.09.2022 zum Strafantritt geladen. Er trat ,die Strafhaft am 27.09.2022 als Selbststeller in der JVA Augsburg-Gablingen an. Die Aufnahmemitteilung der JVA Augsburg-Gablingen ging am 28.09.2022 bei den Justizbehörden in Augsburg ein.
Am 25.10.2022 bat die Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft Augsburg den Leiter des BKH Günzburg per e-Mail um einen Platz für eine Unterbringung gem. § 64 StGB mit Aufnahmetermin möglichst am 27.11.2022, nachdem sie „heute weder Sie noch Ihr Sekretariat telefonisch erreicht" habe. Sie bitte um einen Anruf am 27.10.2022, bei dem sie auch den Namen des Verurteilten mitteilen wolle.

Der Leiter des BKH Günzburg antwortete am 26.10.2022 per e-Mail, dass er einen Aufnahmetermin aus Kapazitätsgründen erst am 20.02.2022 (sic!) anbieten könne. Sollte dieser Termin nicht ausreichend sein, könne er ,,gerne entsprechend der Vereinbarung zwischen dem Bayerischen Justizministerium und dem Amt für Maßregelvollzug beim BKH Kaufbeuren und zwei weiteren Maßregelvollzugseinrichtungen nach einer früheren Ausnahmemöglichkeit fragen", wofür er allerdings den Namen des Verurteilten benötige.

Am 27.10.2022 vermerkte die Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft Augsburg: „2. Tel. mit Herrn Dr. pp. -> Termin am 20.02.22 (sic!) wird angenommen". Am selben Tag verfügte sie ein Schreiben an die JVA Augsburg-Gablingen: „Der oben genannte VU hat am 26.11.22 die Freiheitsstrafe von 2 Monaten verbüßt. Ab 27.11.22 ist eigentlich die Maßregel gern. § 64 StGB zu vollstrecken. Laut Mitteilung des zuständigen BKH Günzburg ist die früheste Aufnahme der 20.02.23. Der VU ist daher vom 27.11.22 bis 19.02.23 in Organisationshaft. Der Transport wird rechtzeitig veranlasst."

Mit Schreiben des Verteidigers vorn 05.12.2022 wurde beantragt, die derzeit vollstreckte Organisationshaft für unzulässig zu erklären und den Verurteilten sofort aus der JVA zu entlassen.

Die Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft Augsburg half mit Verfügung vom 13.12.2022 der Beschwerde nicht ab mit der Begründung, „Die Aufnahme im zuständigen BKH kann aus Platzgründen erst am 20.02.23 erfolgen. Da die Organisationshaft nicht länger als 3 Mo andauert, wurde der Termin angenommen. Bei weiteren BKHs wurde deshalb auch nicht angefragt.".

Die Staatsanwaltschaft Augsburg legte mit Verfügung vom 21.12.2022 die Akten der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg mit dem Antrag vor, den Antrag des Verteidigers vom 05.12.2022 als unbegründet zurückzuweisen. Die derzeitige Organisationshaft bis zum 19.02.2023 sei nicht unzulässig. Ein Unterbringungsplatz sei bereits organisiert. Eine Organisationshaft vom, drei Monaten entspreche auch dem üblichen Rahmen. Das Beschleunigungsgebot sei vorliegend eingehalten worden. Eine Freilassung des Verurteilten komme nicht in Betracht.

Die kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg wies mit Beschluss vom 26.01.2023 die Einwendungen des Verurteilten gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung als unbegründet zurück. Das Bundesverfassungsgericht habe die gängige Praxis der Rechtsprechung, den Vollstreckungsbehörden eine „Organisationsfrist" für die Beschaffung eines Unterbringungsplatzes von bis zu drei Monaten einzuräumen, indirekt bestätigt. Vorliegend sei die nur sehr kurze Zeit des Vorwegvollzugs von zwei Monaten durch die Vollstreckungsbehörde genutzt worden, um einen zeitnah verfügbaren Therapieplatz zu organisieren. Ein Versäumnis der Vollstreckungsbehörden sei im vorliegenden Fall nicht gegeben und die Organisationshaft daher nicht rechtswidrig. Unabhängig davon sei in Abwägung zwischen dem Interesse des Verurteilten an unverzüglicher Umsetzung der Vollstreckungsreihenfolge und dem Schutz der Allgemeinheit die Weitere Vollstreckung der rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe angezeigt. Dabei seien die Gefahren zu berücksichtigen, die für den Verurteilten und für die Allgemeinheit damit verbunden wären, dass der Verurteilte, der seit seiner Jugend verschiedene Betäubungsmittel konsumiere, für kurze Zeit unbehandelt in die Freiheit entlassen werde und deshalb einen Rückfall erleide.

Der Beschluss wurde dem Verteidiger am 07.02.2023 zugestellt. Mit bei Gericht am 08.02.2023 eingegangenem Schreiben wurde sofortige Beschwerde eingelegt und damit begründet, der Verurteilte habe sich zur Strafhaft selbst gestellt und sei auch gewillt, sich zum Maßregelvollzug selbst zu stellen, sobald dieser aus organisatorischen Gründen möglich sei. Die Organisationshaft diene nur der Sicherung seiner Zuführung zum Maßregelvollzug und sei bei ihm als Selbststeller unverhältnismäßig.

Die Akten gingen am 22.02.2023 bei der Generalstaatsanwaltschaft München ein. Auf deren Anfrage unter Hinweis auf die am 20.02.2023 erfolgte Überführung des Verurteilten in den Maßregel-vollzug stellte der Verteidiger mit Schreiben vom 03.03.2023 den Antrag dahin um, nunmehr festzustellen, dass die vollzogene Organisationshaft als rechtswidrig anzusehen sei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft und form- und fristgerecht (§ 306 Abs. 1, § 311 Abs. 2 StPO) eingelegt. Im Hinblick darauf, dass sich der Verurteilte mittlerweile im Maßregelvollzug befindet, die beanstandete Organisationshaft mithin gegenwärtig nicht weiter vollzogen wird, hat sich die sofortige Beschwerde erledigt, soweit sie sich gegen die Ablehnung der sofortigen Entlassung aus der Organisationshaft richtete (Schmitt StPO, 65. Aufl., vor § 296 Rn. 17). Sie bleibt jedoch zulässig, soweit sich der Antrag auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vollzugs der Organisationshaft bis 19.02.2023 richtet, da es sich hierbei um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff handelt, für den auch ein Rechtsschutzinteresse an nachträglicher Feststellung anzuerkennen ist (BeckOK StPO/Cirener, 46. Ed. 1.1.2023, § 296 Rn. 12-14).

Mit diesem Ziel hat die sofortige Beschwerde auch in der Sache Erfolg.

Zunächst ist anzumerken, dass die Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg zur Änderung der Vollstreckungsreihenfolge vom 07.09.2022 nicht auf § 44b StrVollzO gestützt werden konnte, da die beiden ausgesprochenen Freiheitsstrafen und die Maßregel in demselben Verfahren verhängt worden sind. Gemäß § 44a Abs. 1 Satz 1 StrVollstrO war die vorgenommene Umstellung der Vollstreckungsreihenfolge dem Gericht vorbehalten. Sie ist jedoch vorliegend als solche nicht angefochten und erweist sich auch als dem Verurteilten günstig, da die im Maßregelvollzug verbrachte Zeit gemäß § 44a Abs. 1 Satz 2 StrVollstrO zwar auch auf die zweimonatige Freiheitsstrafe bis zum Zweidrittelzeitpunkt anzurechnen gewesen wäre, deren Rest dann jedoch wegen § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können. Das Ziel, den Verurteilten nach erfolgreicher Therapie aus dem Maßregelvollzug in die Freiheit zu entlassen, wäre ohne die Umstellung der Vollstreckungsreihenfolge nicht zu erreichen gewesen.

Nach Verbüßung der zweimonatigen Freiheitsstrafe war gemäß § 67 Abs. 1 StGB zunächst die Maßregel zu vollziehen, da insoweit eine abweichende gerichtliche Anordnung im Sinne von § 67 Abs. 2 und 3 StGB nicht getroffen war.

Der Verurteilte hat aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nur einen Anspruch darauf, dass ihm insgesamt nicht länger die Freiheit entzogen wird als im Urteil des Landgerichts Augsburg vom 09.06.2022 ausgesprochen, sondern auch darauf, dass die gesetzliche bzw. vorliegend die unangefochtenermaßen vorliegend festgesetzte Vollstreckungsreihenfolge eingehalten wird. Dass ein in Untersuchungs- oder Strafhaft befindlicher Verurteilter, für den nach Ende der gegen ihn verhängten Haft nicht sofort ein Unterbringungsplatz im Maßregelvollzug zur Verfügung steht, die Zwischenzeit in sog. Organisationshaft verbringt, ist gesetzlich nicht vorgesehen, sondern kann nur im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der Bemühungen der Strafvollstreckungsbehörde um eine beschleunigte Unterbringung des Verurteilten im Maßregelvollzug gerechtfertigt sein (BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.09.2015, NJW 2006, 427, 4280. Dabei kann zwar nicht erwartet werden, dass für den Fall entstehenden Bedarfs ständig freie Plätze in Maßregelvollzugseinrichtungen vorgehalten werden, sondern es sind Verzögerungen in Kauf zu nehmen, sofern sie (wie z.B. das Erfordernis einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung) in der StPO angelegt, im verwaltungstechnischen Vollzug der Überstellung oder darin begründet sind, dass die Maßregelvollzugseinrichtungen nicht der Justizverwaltung unterstehen. Verfassungsrechtlich geboten ist jedoch, dass die Vollstreckungsbehörden auf den konkreten, durch die Rechtskraft des jeweiligen Urteils entstehenden Bedarf unverzüglich reagieren und in beschleunigter Weise die Überstellung des Verurteilten in eine geeignete Einrichtung - gegebenenfalls sogar in einem anderen Bundesland - herbeiführen. Eine feste zulässige Zeitspanne hierfür gibt es nicht (BVerfG aaO. S. 429).

Demnach existiert kein Grundsatz, nachdem ein Vollzug von Organisationshaft bis zur Dauer von drei Monaten in der Regel rechtmäßig sei. Vielmehr ist der Vollzug von Organisationshaft nur dann rechtmäßig, wenn diese sich nicht vermeiden lässt, obwohl sich die Vollstreckungsbehörden, sobald ihnen bekannt wird, zu welchem Zeitpunkt ein Platz für den Vollzug einer Maßregel benötigt wird, unverzüglich im Rahmen des Möglichen darum bemühen, diesen Platz zu beschaffen. Auch dann ist des weiteren im Hinblick auf den grundrechtlichen Schutz der persönlichen Freiheit zu prüfen, ob es in Abwägung zwischen dem grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Verurteilten und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit angebracht ist, den Verurteilten über die Zeit, die trotz ausreichender Bemühungen der Vollstreckungsbehörde bis zur Verfügbarkeit eines Vollzugsplatzes verbleibt, in Haft zu halten. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn sich der Verurteilte - wie vorliegend nicht - vor Rechtskraft der den Maßregelvollzug anordnenden Entscheidung in Untersuchungshaft befunden hat.

Daran gemessen konnte zwar von der Vollstreckungsbehörde nicht erwartet werden, bereits vor Ladung des Verurteilten zur Verbüßung der zweimonatigen Freiheitsstrafe die zeitgerechte Aufnahme in eine Maßregelvollzugseinrichtung nach Verbüßung der zweimonatigen Strafe sicherzustellen, denn es war zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar, ob und wann der Verurteilte die Strafe tatsächlich antreten werde und wann in der Folge seine Überstellung in den Maßregelvollzug werde erfolgen müssen. Denn einen Maßregelvollzugsplatz für den Verurteilten für eine ungewisse Zeit freizuhalten, ist nicht zu fordern.

Die Vollstreckungsbehörde hat jedoch in Fällen, in denen (scil. Untersuchungshaft vollzogen wird und) kein Vorwegvollzug einer Freiheitsstrafe angeordnet ist, unverzüglich nach Rechtskraft des Urteils ein Aufnahmeersuchen zu stellen; nur dann ist ein wenige Wochen dauerndes Zuwarten auf die Verfügbarwerdung eines Behandlungsplatzes zulässig (OLG Düsseldorf NStZ 2021, 442, 443 Tz. 13,14), wobei dann Bemühungen um Therapieplätze außerhalb des eigenen Landes während der CoVID-19-Pandemie entbehrlich sind, weil sie keinen Erfolg versprechen (OLG Düsseldorf aa0. Tz. 19,20).

Entsprechend wäre das Aufnahmeersuchen im Fall des Verurteilten unmittelbar nach dessen Haftantritt zu stellen gewesen; tatsächlich erfolgte dies aus nicht ersichtlichen Gründen erst vier Wochen später. Von vorneherein unterblieben sind auch Erkundigungen, ob in einer anderen Maßregelvollzugseinrichtung innerhalb Bayerns ein Vollzugsplatz früher verfügbar gewesen wäre.

Selbst wenn sich dadurch der Termin, zu dem ein Vollzugsplatz im BKH Günzburg für den Verurteilten verfügbar wurde, nicht verzögert haben sollte, und auch unter Zugrundelegung dessen, dass, wie sich aus einem weiteren ähnlich gelagerten Beschwerdeverfahren vor dem OLG München (1 Ws 58/23) ergibt, in dem fraglichen Zeitraum sehr wahrscheinlich auch andere bayerische Maßregelvollzugseinrichtungen nicht früher aufnahmefähig gewesen wären, war es nicht gerechtfertigt, den Verurteilten nach Verbüßung der zweimonatigen Freiheitsstrafe bis zum Antritt des Maßregelvollzugs weitere 86 Tage in Strafhaft zu halten. Denn der Verurteilte lebte sozial ein gebunden, hatte sich dem über zwei Instanzen gehenden Strafverfahren durchgehend gestellt und die Strafhaft drei Monate nach Rechtskraft der Verurteilung als Selbststeller angetreten. Ein mögliche Therapieerfolge beeinträchtigender Betäubungsmittelrückfall bzw. sonstige erneute Straffälligkeit konnte nach einer zwischenzeitlichen Freilassung nicht mit höher Wahrscheinlichkeit eintreten als vor dem Strafantritt. Unter diesen Umständen bestand kein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit daran, dass der Verurteilte entgegen seinem grundsätzlichen verfassungsgemäßen Anspruch, nur der Verurteilung entsprechenden Freiheitsentziehungen ausgesetzt zu sein, bis zum Beginn des ausgeurteilten Maßregelvollzugs in Strafhaft blieb. Er hätte am Ende des 26.11.2022 freigelassen und auf den 20.02.2023 zum Antritt des Maßregelvollzugs in das BKH Günzburg geladen werden müssen.

Demnach war der Vollzug der Organisationshaft rechtswidrig, auch wenn deren Dauer auf die Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 4 Monaten anzurechnen ist. Die Rechtswidrigkeit der Organisationshaft hängt auch nicht davon ab, ob sie sich - was vom tatsächlichen weiteren Vollstreckungsverlauf abhängt - im Ergebnis auf die Gesamtdauer der gegen den Verurteilten im vorliegenden Verfahren vollstreckten freiheitsentziehenden Maßnahmen auswirkt. Wohl aber hat dies Auswirkungen auf etwaige Entschädigungsansprüche.

Die Kostenentscheidung ergibt sich entsprechend § 464 Abs. 1 und 2, § 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA Dr. F. Engert, Augsburg

Anmerkung:


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