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Entscheidungen

Gebühren

Begleichung von Dolmetscher-/Übersetzerrechnungen, Pflichtverteidiger, Wahlanwalt, Verfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.02.2023 – 20 KLs 358 Js 11338/21

Eigener Leitsatz:

1. Wird ein Dolmetscher vom Verteidiger beauftragt, hat der Dolmetscher keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Staatskasse, sondern allein gegen seinen Auftraggeber. Dieses kann sich dann im Rahmen des Erforderlichen gegenüber der Staatskasse schadlos halten.
2. Es handelt sich um einen Auslagenerstattungsanspruch sui generis unabhängig von der Art der Verteidigung und der Frage einer Verurteilung.
3. Die wörtliche Übersetzung der gesamten Akte oder einzelner Aktenbestandteile gehört in der Regel gerade nicht zu den insoweit erforderlichen Translationsleistungen.


In pp.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist für die Entscheidung über die von der Dolmetscherin/Übersetzerin gestellten Rechnungen nicht zuständig.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Nürnberg - Ermittlungsrichter - erließ (pp.) gegen den Beschuldigten einen nationalen Haftbefehl (pp.) sowie (pp.) einen Europäischen Haftbefehl (pp.). Der Beschuldigte wurde diesbezüglich (pp.) in (pp.) festgenommen und in der Folge in die Bundesrepublik Deutschland überstellt. Die Vorführung erfolgte am (pp.). Mit Beschluss vom gleichen Tag traf das Amtsgericht Nürnberg - Ermittlungsrichter - folgende Feststellung (pp.): "Es wird festgestellt, dass d. Beschuldigte nach Maßgabe des § 187 Absatz 1 bis 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes für das gesamte Strafverfahren, insbesondere für Gespräche und Schriftverkehr mit der Verteidigung sowie für die Überwachung der Besuche durch die Strafverfolgungsbehörden, die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers auf Kosten der Staatskasse beanspruchen kann (§ 114b Absatz 2 Satz 3 StPO; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 07.10.2003, Aktenzeichen: 2 BvR 2118/01)."

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhob (pp.) Anklage zum Landgericht Nürnberg-Fürth. Die Kammer ließ diese (pp.) zu (pp.) und verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 10.02.2023 wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten.

Im Verlauf des Verfahrens beauftragte der Wahlverteidiger Rechtsanwalt A die Rechnungstellende mehrfach als Dolmetscherin sowie Übersetzerin. Diese hat ihre geltend gemachten Rechnungen zur Begleichung an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth adressiert.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erachtet sich als nicht zuständig. Die Kostenbeamtin beim Ermittlungsrichter hat mit Vermerk (pp.) geltend gemacht, dass eine dortige Zuständigkeit nur insoweit vorliege, als vom Ermittlungsrichter selbst die Beauftragung erfolgt sei, im Übrigen vor Anklageerhebung die Staatsanwaltschaft, nach Anklageerhebung das zuständige Gericht der Hauptsache zur Entscheidung berufen sei.

II. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist für die Entscheidung über die geltend gemachten Anweisungen zur etwaigen Kostenerstattung unmittelbar an die Dolmetscherin/Übersetzerin nicht zuständig.

1. Eine Auftragserteilung oder Beiordnung durch die Strafkammer lag zu keinem Zeitpunkt vor. Bereits das reicht hin, um die seitens der Staatsanwaltschaft an das Landgericht Nürnberg-Fürth herangetragene Entscheidungszuständigkeit zu verneinen.

2. Ergänzend weist die Kammer angesichts der vorhandenen Unklarheiten im Geschäftsgang auf Folgendes hin:

a) Die Anträge der Dolmetscherin/Übersetzerin an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sind unzutreffend adressiert, da von dort aus keine Beauftragung ihrer Person stattgefunden hat.

Die Dolmetscherin/Übersetzerin muss sich an Rechtsanwalt A als ihren Auftraggeber halten. Dieser müsste sodann - strafprozessual erforderliche - Translationsleistungen als zu erstattende Aufwendungen gegen die Staatskasse geltend machen.

Es gibt letztlich mehrere Wege, wie ein Dolmetscher/Übersetzer im Strafverfahren hinzugezogen werden kann. Hiervon hängt wiederum der zu beachtende Zahlungsweg ab.

aa) Einerseits kann die Heranziehung/Beiordnung durch das zuständige Gericht erfolgen, § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG. In diesem Falle ist der Dolmetscher/Übersetzer unmittelbar durch das Gericht beauftragt, sodass sich der Zahlungsanspruch gegen das beauftragende Gericht richtet. Eine solche Beiordnung kann von Amts wegen sowie auf Antrag des Beschuldigten respektive seines Verteidigers erfolgen.

Ein vorgeschaltetes Antragsverfahren ist dabei nicht obligatorisch (BVerfG 27.08.2003 - 2 BvR 2032/01, BVerfGK 1, 331 = NJW 2004, 50 (51); Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 23), jedoch zulässig (BVerfG 27.08.2003 - 2 BvR 2032/01, BVerfGK 1, 331 = NJW 2003, 50 (51); BGH 05.03.2018 - 5 BGs 47/18, WKRS 2018, 11620 Rn. 3). § 187 Abs. 1 GVG gewährt einen expliziten Anspruch des Beschuldigten auf staatsseitige Bestellung eines Dolmetschers/Übersetzers und nicht bloß auf Erstattung von für entsprechende Leistungen aufgewandte eigene Kosten (OLG Celle 09.03.2011 - 1 Ws 102/11, NStZ 2011, 718; LG Freiburg 23.09.2011 - 6 Qs 44/11, NStZ-RR 2012, 292; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 23). Auf diese "Beanspruchung" zielt § 187 Abs. 1 Satz 2 GVG ab (KK-StPO/Diemer, 9. Aufl. 2023, § 187 Rn. 2), nicht hingegen auf eine voraussetzungslose Kostenerstattung für eigene Aufträge. Es handelt sich um einen informierenden Hinweis auf die geltende Rechtslage (Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 11). Soll demgemäß seitens der Verteidigung ein unmittelbarer Anspruch des Dolmetschers/Übersetzers gegen die Staatskasse konstruiert werden, ist ein entsprechender vorheriger Antrag mit anschließender gerichtlicher Heranziehung/Bewilligung/Beiordnung zwingend.

Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Verfahrensstadium. Im Ermittlungsverfahren ist der Ermittlungsrichter zuständig (BGH 05.03.2018 - 5 BGs 47/18, WKRS 2018, 11620 Rn. 5), nach Anklageerhebung das mit der Sache befasste Gericht. Eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft wird sich nur insoweit ergeben, als ihr originär zugeordnete oder im Wege der Haftüberwachung vom Gericht nach § 119 Abs. 2 Satz 2 StPO übertragene Aufgaben betroffen sind.

Auch insofern kann und ist die Beiordnung auf diejenigen Gespräche und denjenigen Schriftverkehr zu beschränken, die zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten erforderlich sind (BGH 05.03.2018 - 5 BGs 47/18, WKRS 2018, 1...1620 T.enor; LG Freiburg 23.09.2011 - 6 Qs 44/11, NStZ-RR 2012, 292; Meyer-Goßner/Schmitt, 65. Aufl. 2022, § 187 GVG Rn. 1). Denn § 187 GVG begründet nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und seiner Entstehungsgeschichte keinen generellen Übersetzungsanspruch (BGH 18.02.2020 - 3 StR 430/19, BGHSt 64, 283 = NJW 2020, 2041 (2042) Rn. 10).

Der pauschal formulierte Beschluss des Ermittlungsrichters [pp.] stellt ersichtlich keine konkrete Beauftragung dar; er ist auch nicht als generelle, anlasslose Beiordnung misszuverstehen. Eine solche Beiordnung wäre überdies möglichst konkret vorzunehmen (BeckOK-GVG/Allgayer, 17. Ed. 2022, § 187 Rn. 5; LR-StPO/Wickern, 26. Aufl. 2010, § 187 GVG Rn. 15) und hätte die soeben bezeichnete, gebotene Beschränkung auf diejenigen Gespräche und denjenigen Schriftverkehr, die zur Ausübung der strafprozessualen Rechte erforderlich sind, zu enthalten (BGH 05.03.2018 - 5 BGs 47/18, WKRS 2018, 1...1620 T.enor).

Der Beschluss des Ermittlungsrichters [pp.] erweist sich vielmehr als standardisierter Hinweis nach § 187 Abs. 1 Satz 2 GVG. Eine Auftragsbeziehung zur Dolmetscherin/Übersetzerin sollte zu keinem Zeitpunkt begründet werden, sonst hätte der Ermittlungsrichter anders formuliert. Der ergänzende Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.10.2003 ist ebenfalls klarstellend im Hinblick auf die Besuchsüberwachung zu verstehen.

bb) Daneben kann der Dolmetscher/Übersetzer auch vom Beschuldigten oder seinem Verteidiger selbst beauftragt werden, mit nachfolgender Auslagenerstattung, wobei dann die Gefahr besteht, dass bestimmte Teile der Translationskosten wegen Sachfremdheit nicht erstattet werden (OLG Oldenburg 24.06.2011 - 1 Ws 241/11, NStZ 2011, 719 (720); Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 22 ff.; Kulhanek, Die Sprach- und Ortsfremdheit von Beschuldigten im Strafverfahren, 2019, S. 54).

Der Dolmetscher/Übersetzer erwirbt in diesen Fällen keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Staatskasse, sondern allein gegen seinen Auftraggeber, welcher sich sodann wiederum gegenüber der Staatskasse schadlos zu halten hat (OLG Düsseldorf 20.12.2010 - 1 Ws 271/10, NStZ 2011, 719; OLG Oldenburg 24.06.2011 - 1 Ws 241/11, NStZ 2011, 719; LG Dortmund 30.11.2017 - 35 Qs 24/17, BeckRS 2017, 148602; MAH Strafverteidigung/Schulte, 3. Aufl. 2022, § 18 Rn. 26; Mayer/Kroiß/Ebert, RVG, 8. Aufl. 2021, § 46 Rn. 134). Es handelt sich um erstattungsfähige Aufwendungen, § 46 Abs. 2 Satz 3 RVG, die für den Fall ihrer Erforderlichkeit (§ 187 Abs. 1 Satz 1: "soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist") unabhängig vom Verfahrensausgang von der Staatskasse zu tragen sind (Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 24; Mayer/Kroiß/Ebert, RVG, 8. Aufl. 2021, § 46 Rn. 140). Gleiches gilt für den Wahlverteidiger (BVerfG 27.08.2003 - 2 BvR 2032/01, BVerfGK 1, 331 = NJW 2003, 50 (51); OLG Brandenburg 27.07.2005 - 1 Ws 83/05, StV 2006, 28 (29); OLG Karlsruhe 09.09.2009 - 2 Ws 305/09, StraFo 2009, 527; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 23 f.), wie sich gebühren- und auslagenrechtlich aus § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO ergibt (KMR-StPO/Bader, 103. EL 2021, § 464a Rn. 25). Es handelt sich um einen Auslagenerstattungsanspruch sui generis unabhängig von der Art der Verteidigung und der Frage einer Verurteilung.

Wann die Beiziehung insbesondere eines Übersetzers zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten erforderlich ist, lässt das Gesetz als unbestimmten Rechtsterminus hingegen im Raum stehen. Das Ergebnis ist einer abstrakt-allgemeinen Kategorisierung nicht zugänglich, sondern abhängig von den Umständen des Einzelfalls, wobei namentlich Art und Schwere des Tatvorwurfs sowie die Komplexität der zu prüfenden Beweisfragen zu berücksichtigen sind (LG Freiburg 23.09.2011 - 6 Qs 44/11, NStZ-RR 2012, 292; LR-StPO/Wickern, 26. Aufl. 2010, § 187 GVG Rn. 7; SSW-StPO/Rosenau, 5. Aufl. 2023, § 187 GVG Rn. 4).

Der Verteidiger kann, um diese Unsicherheit zu beseitigen und eine Bindungswirkung für das Feststellungsverfahren herbeizuführen, einen Antrag nach § 46 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 RVG stellen (MAH Strafverteidigung/Schulte, 3. Aufl. 2022, § 18 Rn. 27; Mayer/Kroiß/Ebert, RVG, 8. Aufl. 2021, § 46 Rn. 136). Es handelt sich mithin um eine Absicherung der späteren Kostenerstattung. Es muss sich dabei um eine bestimmt bezeichnete Aufwendung handeln (OLG Hamm 15.11.2007 - 2 WF 239/07, BeckRS 2008, 1834 Rn. 6; Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, § 46 RVG Rn. 37). Überdies gewährt § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG im Rahmen des Erforderlichen und Angemessenen einen Vorschussanspruch des Verteidigers gegenüber der Staatskasse (LG Neuruppin 15.03.2021 - 11 Ks 22/20, BeckRS 2021, 11895 Rn. 8).

Ein Antrag nach § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG bleibt ohnehin unberührt (Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 187 Rn. 23).

b) Zuständig zur - abschlägigen - Bescheidung der Anträge der Dolmetscherin/Übersetzerin ist daher vorliegend die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth als in Anspruch genommene Rechnungsadressatin (vgl. auch LG Dortmund 30.11.2017 - 35 Qs 24/17, BeckRS 2017, 148602 Rn. 4). Da die Dolmetscherin/Übersetzerin in ihren Rechnungen ausdrücklich darauf hinweist, dass sie um Mitteilung bitte, sollte die Staatsanwaltschaft nicht die richtige Rechnungsadressatin sein, dürfte allerdings auch eine formlose Mitteilung genügen.

aa) Die vorgebrachte Rechtsansicht, wonach auch ohne zugrunde liegende justizielle Beauftragung/Beiordnung bis zur Anklageerhebung stets die Staatsanwaltschaft und nach Anklageerhebung stets das mit der Sache befasste Gericht zuständig wäre, geht fehl. Für den - wie ausgeführt nicht gegebenen - Fall einer Beiordnung durch den Ermittlungsrichter im Ermittlungsverfahren wäre überdies bis zur Anklageerhebung ebenfalls nicht die Staatsanwaltschaft, sondern das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - zuständig. Die Zuständigkeit der Anweisung von Übersetzungskosten folgte insofern der beauftragenden Hinzuziehung.

bb) Die Dolmetscherin/Übersetzerin hat sich sodann an ihren Auftraggeber Rechtsanwalt A zu halten, welcher die Kosten zu verauslagen hat (OLG Düsseldorf 20.12.2010 - 1 Ws 271/10, NStZ 2011, 719). Dieser hat sodann im Wege der Auslagenerstattung die von ihm getragenen Dolmetscher-/Übersetzerkosten anzuführen und gegenüber der Staatskasse geltend zu machen, wobei ausdrücklich zu beachten ist, dass diese nur im Rahmen der Erforderlichkeit Erstattung finden dürfen. Dass die Dolmetscherin/Übersetzerin vom Verteidiger ermächtigt worden wäre, den ihm zustehenden Auslagenerstattungsanspruch selbst gegen die Staatskasse geltend zu machen (vgl. OLG Düsseldorf 20.12.2010 - 1 Ws 271/10, NStZ 2011, 719; MAH Strafverteidigung/Schulte, 3. Aufl. 2022, § 18 Rn. 26), ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kammer weist insofern nur beiläufig darauf hin, dass einige der geltend gemachten Leistungen gar nicht erstattungsfähig, weil nicht erforderlich gewesen, sein dürften.

Hintergrund der Bestimmungen zu den Sprachhilfen ist die Gewährleistung, dass der Beschuldigte die wesentlichen Verfahrensvorgänge nachvollziehen und sich zu seiner Verteidigung verständlich machen kann. § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG spricht demzufolge ausdrücklich davon, dass der Dolmetscher/Übersetzer heranzuziehen sei, "soweit" dies zur Ausübung der strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Dem Beschuldigten wird eine effektive, aber keine bestmögliche Verteidigung garantiert (BGH 18.02.2020 - 3 StR 430/19, BGHSt 64, 283 = NJW 2020, 2041 (2045) Rn. 46). Die wörtliche Übersetzung der gesamten Akte oder einzelner Aktenbestandteile gehört etwa in der Regel gerade nicht zu den insoweit erforderlichen Translationsleistungen (OLG Hamburg 06.12.2013 - 2 Ws 253/13, StV 2014, 534 (535); LG Freiburg 23.09.2011 - 6 Qs 44/11, NStZ-RR 2012, 292; LR-StPO/Wickern, 26. Aufl. 2010, § 187 GVG Rn. 10).

Mithin erscheinen einige der geltend gemachten, vom Verteidiger in Auftrag gegebenen schriftlichen Übersetzungen als nicht erforderlich und damit nicht erstattungsfähig. Bereits nach dem Wortlaut des § 187 Abs. 2 GVG und dessen abgestuftem System ist eine schriftliche Übersetzung zudem regelmäßig nicht erforderlich, wenn der Angeklagte verteidigt ist und ihm ein Dolmetscher zur Verfügung stand (BGH 18.02.2020 - 3 StR 430/19, BGHSt 64, 283 = NJW 2020, 2041 (2042) Rn. 12).

Darin liegt ausdrücklich keine unzulässige Benachteiligung des sprachfremden Beschuldigten und auch kein Verstoß gegen das faire Verfahren (vertiefend BGH 18.02.2020 - 3 StR 430/19, BGHSt 64, 283 = NJW 2020, 2041 (2043 ff.) Rn. 23 ff.). Der Verteidiger ist im Rahmen seines Akteneinsichtsrechts zwar zur Weitergabe der hierdurch erlangten Kenntnisse sowie zur Überlassung von Ablichtungen des Akteninhalts an den Beschuldigten berechtigt; auch die Übergabe einer vollständigen Aktenkopie ist danach zulässig (KK-StPO/Willnow, 9. Aufl. 2023, § 147 Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 147 Rn. 20). Der Dolmetscheranspruch bleibt insofern ebenfalls unbenommen. Man hat dabei jedoch in den Blick zu nehmen, dass es sich bei der Überlassung einer Aktenkopie/von Ablichtungen aus den Akten durch den Verteidiger nicht um einen gesetzlich geregelten Anspruch des Beschuldigten handelt, sondern allein um eine von der Rechtsprechung gewährte Befugnis des Verteidigers, deren Kosten indes der Verteidiger zu tragen hat. Der Gesetzgeber hat gerade kein eigenes Akteneinsichtsrecht des verteidigten Beschuldigten vorgesehen, sondern die diesbezügliche Zuständigkeit des Verteidigers betont. Die Hinzunahme eines Dolmetschers zur Translation an Ort und Stelle genügt, um eine unzulässige Diskriminierung auszuschließen. Soweit darüber hinausgehend durch die fehlende Möglichkeit des Selbststudiums einer übersetzten Aktenkopie des Verteidigers eine gewisse Beschränkung zurückbleibt, wird diese von Art. 18 AEUV gerade nicht erfasst (Kulhanek, Die Sprach- und Ortsfremdheit von Beschuldigten im Strafverfahren, 2019, S. 326).


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