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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Strafaussetzung, Bewährung, Zwei-Drittel-Entscheidung, Verantwortbarkeitsprognose

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.02.2023 – 1 Ws 11/23

Eigener Leitsatz:

Neue Straftaten lassen sich für die Verantwortbarkeitsprognose nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB auch dann verwerten, wenn sie noch nicht rechtskräftig abgeurteilt sind. Die Entscheidung über die bedingte Reststrafenaussetzung im Rahmen des § 57 Abs. 1 StGB hat andere Voraussetzungen als die Nachtragsentscheidung nach § 56f StGB. Deshalb muss der Gefangene wegen neuer Straftaten, die ihm im Rahmen der Prognoseentscheidung entgegengehalten werden, nicht bereits rechtskräftig verurteilt sein. Für einen Bewährungswiderruf nach § 56f StGB ist grundsätzlich die Feststellung einer neuen Straftat erforderlich. Im Gegensatz dazu ist eine bedingte Reststrafenaussetzung an das Vorliegen einer günstigen Verantwortbarkeitsprognose geknüpft. Die Strafvollstreckungskammer hat die Tat und die Persönlichkeit des Verurteilten unter Berücksichtigung aller sonstiger bekannter Umstände und Gesichtspunkte zu würdigen. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung gehen Zweifel über das Prognoseurteil zu Lasten des Verurteilten.


In pp.

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Potsdam wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 30. November 2022 aufgehoben.
Die Aussetzung der noch nicht vollstreckten Reste der durch Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 20. Januar 2020 (21 Ls 23/19) gegen den Verurteilten F. S. verhängten Freiheitsstrafen von 2 Jahren 3 Monaten und von 9 Monaten nach Vollstreckung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafen zur Bewährung wird abgelehnt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 30. November 2022, mit dem die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 20. Januar 2020 (21 Ls 23/19) nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafen zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:

1. Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat gegen den ganz erheblich wegen Vermögens-, Straßenverkehrs- und Betäubungsmitteldelikten vorbestraften Verurteilten am 20. Januar 2020, rechtskräftig seit dem 13. Oktober 2020 (21 Ls 23/19), wegen „vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie Urkundenfälschung sowie vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in 1 Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung“ unter Einbeziehung der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 18. März 2019 (25 Cs 51/19) rechtskräftig verhängten Strafen, auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten sowie auf eine weitere Freiheitsstrafe von 9 Monaten erkannt.

Vor der Anlassverurteilung war der Verurteilte 21 Mal vorbestraft u.a. wegen fahrlässiger Körperverletzung, Betruges, Diebstahls, Hehlerei, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Kennzeichenmissbrauchs, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Gefährdung des Straßenverkehrs, Verstoßes gegen das Waffengesetz, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und wegen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Die Gerichte erkannten elfmal auf Geldstrafen, viermal auf Freiheitsstrafen, deren Vollstreckung zu Bewährung ausgesetzt wurde sowie sechsmal auf unbedingte Freiheitsstrafen von bis zu 3 Jahren 6 Monaten; viermal musste eine Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen werden.

2. Der Verurteilte verbüßt die beiden Freiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 20. Januar 2020 seit dem 11. Januar 2021 in der Justizvollzugsanstalt .... Der gemeinsame so genannte Zwei-Drittel-Termin war am 9. Januar 2023, das Haftende ist auf den 10. Januar 2024 notiert.

Im gegenwärtigen Vollstreckungsverfahren hat sich der Verurteilte mit einer bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug zum so genannten Zwei-Drittel-Termin gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB einverstanden erklärt. Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt ... hat unter dem Datum des 29. September 2022 eine vorzeitige Strafentlassung bei einer „engmaschigen Betreuung durch die Bewährungshilfe“ unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit für vertretbar erachtet, obwohl dem Verurteilten die Eignung für den offenen Strafvollzug am 16. März 2022 wegen Manipulation und Ausnutzung von Mitgefangenen sowie Gefährdung des Vollzugsziels von Mitgefangenen widerrufen werden musste. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat am 14. Oktober 2022 – trotz Bedenken wegen der Vorstrafen – eine Strafaussetzung zur Bewährung zum Zwei-Drittel-Termin ebenfalls befürwortet.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam hat mit Beschluss vom 30. November 2022 die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 20. Januar 2020 (21 Ls 23/19) nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafen zur Bewährung ausgesetzt wurde, die Bewährungszeit auf vier Jahren festgesetzt, den Verurteilten der Aufsicht und Leitung einer namentlich benannten Bewährungshelferin unterstellt sowie Weisungen für den Fall des Wohnungswechsels und der Arbeitslosigkeit erteilt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Verurteilte habe im geschlossenen Vollzug keine Auffälligkeiten gezeigt, sich vielmehr nach Einschätzung der Leiterin der Justizvollzugsanstalt freundlich, zugewandt und gesprächsbereit gezeigt. Ferner wird hervorgehoben, dass der Verurteilte in einen günstigen sozialen Empfangsraum entlassen und seine Firma „Hausmeister Service F. S.“ weiterführen werde (S. 3 f. BA).

Der Beschluss wurde am 6. Dezember 2022 der Staatsanwaltschaft Potsdam gemäß § 41 StPO zugestellt.

Mit dem bei Gericht am 9. Dezember 2022 eingegangenen Schreiben hat die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen den Bewährungsbeschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 30. November 2022 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass nach der Befürwortung einer Strafaussetzung durch die Staatsanwaltschaft Potsdam am 14. Oktober 2022 bekannt geworden sei, dass mehrere neue Ermittlungsverfahren gegen den Verfolgten bei der Staatsanwaltschaft anhängig seien.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist dem Rechtsmittel mit Stellungnahme vom 16. Januar 2023 beigetreten und hat zu den insgesamt vier weiteren Ermittlungsverfahren ergänzende Ausführungen gemacht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 30. November 2022 aufzuheben und die Aussetzung der restlichen Freiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 20. Januar 2020 zur Bewährung abzulehnen.

Dem Verurteilten wurde über seinem Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gegeben sowie Akteneinsicht gewährt.

II.

Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg.

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 30. November 2022 ist nach § 453 Abs. 3 StPO statthaft sowie gemäß §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.

2. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat auch in der Sache Erfolg.

a) Sachliche Voraussetzung für die bedingte Haftentlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftzeit ist gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, dass die Strafaussetzung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Eine solche Entscheidung verlangt die positive Prognose dahin, dass der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begeht. Nach ständiger Spruchpraxis des Senats bedeutet dies, dass eine realistische Chance für ein straffreies Verhalten des Verurteilten außerhalb des Strafvollzuges gegeben sein muss, wobei Zweifel an der Verantwortbarkeit der Aussetzung zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 23. Juni 2010, 1 Ws 76/10 und vom 31. Januar 2011, 1 Ws 14/11).

b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist für eine Aussetzung der Restfreiheitsstrafen gegenwärtig kein Raum.

Der Verurteilte ist erheblich vorbestraft, er hat über viele Jahre hinweg zahlreiche Straftaten begangen und hat sich durch bisherige Verurteilungen nicht davon abhalten lassen, weitere, erhebliche Straftaten zu begehen. Er hat bereits in der Vergangenheit mehrfach Strafhaft verbüßt, die ihn offenbar nicht beeindruckt, jedenfalls von der Begehung erneuter Straftaten nicht abgehalten hat. Zudem ist er Bewährungsversager, mehrmals musste in der Vergangenheit eine Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen werden.

c) Maßgeblich kommt – was der Strafvollstreckungskammer bei Beschlussfassung nicht bekannt war – hinzu, dass gegenwärtig gleich vier Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten geführt werden.

aa) Gegen den Verurteilten wird unter dem Aktenzeichen 466 Js 23686/19 bei Staatsanwaltschaft Potsdam ein Ermittlungsverfahren wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt gemäß § 266 StGB für den Zeitraum von 2018 bis 2020 im Zusammenhang mit seiner Firma „Hausmeister Service“ geführt. Aus einem Parallelverfahren sei bekannt geworden, dass der Verurteilte in seiner Firma Personen beschäftigt habe, die nicht bei der Deutschen Rentenversicherung angemeldet gewesen seien. In diesem Ermittlungsverfahren erfolgten aufgrund der Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 25. Februar 2022 und vom 29. März 2022 am 10. Mai 2022 sowohl in der ehemaligen Wohnung des Verurteilten als auch in der Justizvollzugsanstalt ... Durchsuchungen, bei denen Beweismittel sichergestellt wurden, die Rückschlüsse auf weitere Straftaten des Verurteilten zulassen und zu weiteren Ermittlungsverfahren geführt haben.

Im Rahmen der Auswertung von Telekommunikationsdaten wurde bekannt, dass der Verurteilte in der Zeit vom 5. September 2020 bis zum 06. Januar 2021 Chat-Verkehr mit dem gesondert verfolgten D. P. hatte, wobei der Verurteilte und der gesondert verfolgte D. P.mit Amphetamin gehandelt haben sollen. Gegenstand des Gesprächs war der Erwerb und anschließende Weiterverkauf einer Menge von bis zu 5 kg Amphetamin (vgl. BI. 2 f. 428 Js 45123/22; Bl. 132, 133 SB I zu 428 Js 45123/22). Insoweit ist der Verurteilte verdächtig, gemeinschaftlich mit einer nicht geringen Menge Amphetamin i. S. des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG unerlaubt Handel getrieben zu haben, was mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr geahndet wird. Es liegt somit der Verdacht einer Straftat mit hoher Straferwartung vor.

Berücksichtigt man, dass die Anlassverurteilung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel im vorliegenden Verfahren vom 20. Januar 2020 datiert, wird aus dem vorgenannten Chat-Verlauf deutlich, dass sich der Verurteilte durch die vorgenannte – noch nicht rechtskräftige – Verurteilung nicht von der Begehung weiterer Straftaten hat abhalten lassen. Dies ist Ausdruck einer gefestigten kriminellen Energie, die der Annahme einer günstigen Sozialprognose entgegensteht.

Darüber hinaus sind gegen den Verurteilten zwei weitere Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung und Besitzes kinderpornographischer Inhalte (476 Js 48201/22, Staatsanwaltschaft Potsdam) und Verstoßes gegen das Waffengesetz bzw. Kriegswaffenkontrollgesetz (488 Js 47956/22, Staatsanwaltschaft Potsdam) anhängig. Der Gegenstand dieser Verfahren ergibt sich aus dem Bericht des HZA in Potsdam vom 29. September 2022 (BI. 5 f. 428 Js 45123/22).

bb) Die Berücksichtigung von Ermittlungsverfahren bei der Prognoseentscheidung nach § 57 StGB stellt keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 MRK) dar. Denn Erprobungsrisiken können sich auch aus einer dem Verurteilten bislang lediglich vorgeworfenen, noch nicht rechtskräftig abgeurteilten neuen Straftat oder aus seiner Persönlichkeit ergeben, wobei – im Unterschied zur sog. Nachtragsentscheidung nach § 56f StGB – verbleibende Zweifel hinsichtlich einer günstigen Prognose einer positiven Aussetzungsentscheidung entgegen stehen (ausf. OLG Bamberg, Beschluss vom 16. März 2016, 1 Ws 107/16, zit. n. juris; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Februar 1998, 2 Ws 84/98, in: NStZ 1998, 376; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Dezember 2004, 3 Ws 314/04, in: NStZ-RR 2005, 154; Senatsbeschluss vom 21. November 2011, 1 Ws 191/11, zit. n. juris).

Neue Straftaten lassen sich für die Verantwortbarkeitsprognose nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB mithin auch dann verwerten, wenn sie noch nicht rechtskräftig abgeurteilt sind. Die Entscheidung über die bedingte Reststrafenaussetzung im Rahmen des § 57 Abs. 1 StGB hat andere Voraussetzungen als die Nachtragsentscheidung nach § 56f StGB. Deshalb muss der Gefangene wegen neuer Straftaten, die ihm im Rahmen der Prognoseentscheidung entgegengehalten werden, nicht bereits rechtskräftig verurteilt sein. Für einen Bewährungswiderruf nach § 56f StGB ist grundsätzlich die Feststellung einer neuen Straftat erforderlich. Im Gegensatz dazu ist eine bedingte Reststrafenaussetzung an das Vorliegen einer günstigen Verantwortbarkeitsprognose geknüpft. Die Strafvollstreckungskammer hat die Tat und die Persönlichkeit des Verurteilten unter Berücksichtigung aller sonstiger bekannter Umstände und Gesichtspunkte zu würdigen. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung gehen Zweifel über das Prognoseurteil – wie oben dargelegt – zu Lasten des Verurteilten. Dies bedeutet, dass bei verbleibenden Unsicherheiten hinsichtlich der Beantwortung der Frage, ob eine begründete und reale Chance auf Resozialisierung und eine gewisse Wahrscheinlichkeit straffreien Verhaltens besteht, eine bedingte Entlassung abzulehnen ist. Insofern besteht ein gravierender Unterschied zu § 56f StGB, da im Rahmen der nach dieser Vorschrift zu treffenden Entscheidung verbleibende Zweifel an der Begehung neuer Straftaten einen Widerruf zwingend verbieten (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 16. März 2016, 1 Ws 107/16, zit. n. juris; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Februar 1998 - 2 Ws 84/98, NStZ 1998, 376; siehe auch Schönke/Schröder-Kinzig/Stree StGB 30. Aufl. § 57 Rn. 16a m.w.N). Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK ist hierbei schon deshalb nicht berührt, weil es im Verfahren nach § 57 Abs. 1 StGB nicht um die Rechtsfolgen aus den neuerlichen Straftaten geht, sondern allein um die Frage der Fortsetzung der Vollstreckung einer bereits rechtskräftig erkannten Strafe wegen ungünstiger Prognosebeurteilung. Die - zugleich verfassungsrechtliche - Wertung, dass im Fall der Entscheidung über die Reststrafenaussetzung die Unschuldsvermutung nicht die Berücksichtigung einer neuen, aber noch nicht rechtskräftig abgeurteilten Tat verbietet, ergibt sich aber auch aus dem Wesen der zur Strafaussetzung führenden Prognoseentscheidung (OLG Bamberg a.a.O). Die Bestimmung des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass verantwortet werden kann, zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Die anzustellende Prognose kann entsprechend ihrer relativen Unbestimmtheit bereits ungünstig erscheinen, wenn die „hohe Wahrscheinlichkeit einer zwischenzeitlich begangenen weiteren Tat des Verurteilten“ besteht (OLG Hamm, Beschluss vom 13. Dezember 2004, 3 Ws 314/04, in: NStZ-RR 2005, 154; OLG Bamberg a.a.O.). Sie erfordert nicht, wie schon der anders geartete Wortlaut des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nahelegt, dass sichere Feststellungen über das Vorliegen einer neuerlich begangenen Straftat im Sinne einer Schuldspruchreife getroffen werden (vgl. Auch BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 21. April 1993, 2 BvR 1706/92, in: NJW 1994, 377; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Mai 2005, 3 Ws 343/05; KG, Beschluss vom 6. Oktober 2009, 2 Ws 417/09; KG Beschluss vom 20. Oktober 2008, 2 Ws 499-500/08; Senatsbeschluss vom 7. Juli 2011, 1 Ws 95/11, jeweils m.w.N., jeweils zit. n. juris). Dies widerspricht auch nicht der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 3. Oktober 2002 (NJW 2004, 43), die sich auf § 56 f. Abs. 1 Nr. 1 StGB bezieht.

Vor dem Hintergrund der zahlreichen Vorstrafen kommt den neuen Ermittlungsverfahren mit Blick auf das in § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB normierte „Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit“ besondere Bedeutung zu und führt zu erheblichen Zweifel an eine positiven Legalprognose, die zu Lasten des Verurteilten gehen muss.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; es verbleibt bei der gesetzlichen Regelung, dass der Verurteilte seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat.


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