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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, OWi-rechtliches Verwertungsverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: BayVGH, Urt. v. 18.01.2023 – 11 B 22.1153

Eigener Leitsatz:

1. Der nach § 11 Abs 8 FeV erlaubte Schluss auf die Nichteignung, der zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hat, bedeutet zugleich, dass in einem Neuerteilungsverfahren ein medizinisch-psychologisches Gutachten angefordert werden darf.
2. Der Rückgriff auf eine bestandskräftige Entziehungsentscheidung stellt auch dann keinen mittelbaren Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 29 Abs 7 Satz 1 StVG a.F. dar, wenn der im Fahreignungsregister gespeicherten Entziehung teilweise derselbe Sachverhalt zu Grunde lag, wie einer nicht mehr gespeicherten Ordnungswidrigkeit wegen der Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis.


In pp.

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. Februar 2021 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringung eines Fahreignungsgutachtens.

Der Kläger war nach Aktenlage zuletzt Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, L, M und S.

Am 22. Oktober 2009 verhängte das Amtsgericht München ein Bußgeld gegen den Kläger wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG, nachdem er am 3. Dezember 2008 unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte. Nach dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München vom 20. Februar 2009, das in jenem Verfahren eingeholt wurde, waren in der zeitnah nach der Tat entnommenen Blutprobe 22 ng/ml THC und 170 ng/ml THC-Carbonsäure festgestellt worden. Diese Entscheidung des Amtsgerichts wurde zunächst in das Verkehrszentralregister eingetragen, ist aber mittlerweile gelöscht und aus dem Fahreignungsregister nicht ersichtlich.

Im Januar 2010 leitete die Beklagte ein Verfahren zur Überprüfung der Fahreignung ein. Dabei ging sie mit Blick auf die festgestellte THC-Carbonsäure davon aus, dass der Kläger regelmäßiger Cannabiskonsument sei. Da dieser geltend machte, keine Drogen (mehr) zu konsumieren, gab die Beklagte ihm zunächst auf, im Rahmen eines Drogenkontrollprogramms einen Abstinenzzeitraum von einem Jahr nachzuweisen. Nachdem der Kläger entsprechende Bescheinigungen eingereicht hatte, forderte die Beklagte ihn unter Bezugnahme auf den Vorfall am 3. Dezember 2008 mit Schreiben vom 4. März 2011 auf, ein Gutachten über seine Fahreignung vorzulegen.

Nachdem der Kläger kein Gutachten vorlegte, entzog die Beklagte ihm mit Bescheid vom 1. August 2011, der mit Ablauf des 5. September 2011 bestandskräftig wurde, die Fahrerlaubnis. Die in der Blutprobe vom 3. Dezember 2008 festgestellte Konzentration an THC-Carbonsäure von 170 ng/ml belege, dass der Kläger zu jenem Zeitpunkt regelmäßig Cannabis eingenommen habe. Die Fahreignung könne daher nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn der Kläger eine einjährige Abstinenz nachweise, die auf einem tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandel beruhe. Eine einjährige Abstinenz habe der Kläger belegt, die psychologische Untersuchung zum Nachweis eines tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandels jedoch verweigert. Daher sei nach § 11 Abs. 8 FeV auf mangelnde Fahreignung zu schließen. Diese Entscheidung ist nach wie vor im Fahreignungsregister gespeichert.

Am 19. August 2019 beantragte der Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A1 und A (jeweils versehen mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04), B, BE, C1 und C1E. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2019 forderte die Beklagte ihn gestützt auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV und unter Verweis auf die Entziehung vom 1. August 2011 sowie den regelmäßigen Cannabiskonsum auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, das ein Drogenkontrollprogramm über ein Jahr Abstinenz beinhalte. Nachdem der Kläger keine Bestätigung über die Anmeldung zu dem Drogenkontrollprogramm vorlegte und erklären ließ, er werde sich keiner Begutachtung unterziehen, lehnte die Beklagte den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 17. Januar 2020 ab. Aufgrund der mangelnden Mitwirkung sei von Nichteignung auszugehen.

Mit Urteil vom 24. Februar 2021 hat das Verwaltungsgericht München den Bescheid vom 17. Januar 2020 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig. Die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 1. August 2011 sei zwar noch im Fahreignungsregister eingetragen und könne dem Kläger als solche auch noch vorgehalten werden, etwa zur Feststellung eines Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Die Beklagte meine jedoch offensichtlich, sie könne dem Kläger auch die Tat vom 3. Dezember 2008 und die dabei festgestellten Blutwerte, die auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum schließen ließen, vorhalten und zum Anlass für eine Begutachtungsanordnung nehmen. Dies stelle eine Umgehung des Verwertungsverbots aus § 29 Abs. 7 StVG dar. Die Eintragung über die Ordnungswidrigkeit sei nach den seinerzeit geltenden Vorschriften nach fünf Jahren zu tilgen gewesen, was hier auch geschehen sei. Eine Regelung des Inhalts, dass der gesamte Sachverhalt einschließlich der geahndeten Tat, wie er Grundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis gewesen sei, dem Betroffenen so lange vorgehalten werden dürfe, wie die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst verwertbar sei, kenne das Gesetz nicht. Deswegen sei der Schluss aus der Nichtvorlage des angeordneten Gutachtens auf mangelnde Fahreignung unzulässig. Die Beklagte zur Erteilung der Fahrerlaubnis zu verpflichten sei dem Gericht gleichwohl nicht möglich, da sich den Akten nicht entnehmen lasse, ob der Behörde hinreichend aktuelle Unterlagen wie etwa eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs vorlägen.

Dagegen richtet sich die vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassene Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt diese aus, § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV – und damit auch ihre darauf gestützte Beibringungsanordnung – knüpfe an die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Betäubungsmittelkonsums an, nicht an die der Entziehung zu Grunde liegenden Taten. Die Fahrerlaubnisentziehung sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung auch verwertbar gewesen. Wann die vom Kläger begangene Ordnungswidrigkeit zu tilgen gewesen sei, spiele für die Rechtmäßigkeit der Begutachtungsanordnung hingegen keine Rolle. Die lange Tilgungsfrist der Eintragung über die Fahrerlaubnisentziehung sowie der nach § 29 Abs. 5 StVG herausgeschobene Tilgungsbeginn ergäben zudem nur Sinn, wenn die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt sei, unmittelbar aus der eingetragenen Entziehung – unabhängig von der Verwertbarkeit zu Grunde liegender Taten – Eignungszweifel herzuleiten und insoweit eine Begutachtung anzuordnen. Hinzu komme, dass die Fahrerlaubnisentziehung dem Kläger unzweifelhaft weiter vorgehalten werden könnte, wenn sie durch das Strafgericht erfolgt wäre, da eine strafgerichtliche Entziehung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 StVG insgesamt 15 Jahre ab Rechtskraft verwertbar wäre. Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde im Gegensatz dazu nur so lange verwertbar sein solle, bis die Anlasstat getilgt sei, die Grundlage der Begutachtungsanordnung gewesen sei, deren Verweigerung dann zur Fahrerlaubnisentziehung geführt habe. Eine derart unterschiedliche Relevanz der strafgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entziehung im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV sei nicht zu rechtfertigen. Schließlich hätte die Auffassung des Verwaltungsgerichts in der Praxis aufgrund der üblichen Laufzeiten von Ausgangs- und Widerspruchsverfahren zur Folge, dass Betroffene regelmäßig unmittelbar oder zeitnah nach der Entziehung der Fahrerlaubnis die Neuerteilung beantragen könnten, ohne sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung unterziehen zu müssen. Bestätigt werde diese Rechtsauffassung durch die seit dem 28. Juli 2021 geltende gesetzliche Klarstellung in § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG.

Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 24. Februar 2021 abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und meint, die 2011 erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis sei rechtswidrig. Das Strafgericht habe erkannt, dass die dem Kläger vorgeworfenen THC-Werte nicht zutreffen könnten, und deshalb die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO wieder aufgehoben. An diese strafgerichtliche Beurteilung sei die Beklagte nach § 3 Abs. 4 StVG gebunden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

2. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist aufzuheben und die Klage abzuweisen, da der Versagungsbescheid vom 17. Januar 2020 rechtmäßig ist und dem Kläger kein Anspruch auf erneute Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zusteht. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gestützte Beibringungsanordnung sei rechtswidrig, trifft nicht zu. Die Beklagte musste mit Blick auf die Fahrerlaubnisentziehung vom 1. August 2011 bereits nach dem zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung vom 23. Oktober 2019 geltenden Recht die Neuerteilung der Fahrerlaubnis an den Kläger von der Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen, ohne dass dem ein Verwertungsverbot entgegen stand. Daran hat sich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nichts geändert, so dass der Schluss aus der Verweigerung einer Begutachtung sowie der Teilnahme an dem vorgeschalteten Abstinenzprogramm auf fehlende Eignung nicht zu beanstanden ist. Damit kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass der Gesetzgeber § 29 Abs. 7 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) zum 28. Juli 2021 geändert hat und somit zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats auch nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes eine medizinisch-psychologische Begutachtung anzuordnen wäre, ohne dass dem ein Verwertungsverbot nach § 29 Abs. 7 StVG entgegenstünde.

a) Maßgeblich für die Beurteilung des vom Kläger verfolgten Begehrens hinsichtlich der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.2021 – 3 C 3.20BVerwGE 172, 18 Rn. 12).

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. März 2022 (BGBl I S. 498), gelten im Verfahren auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften über die Ersterteilung. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2022 (BGBl I S. 2752), müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Dies ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 FeV der Fall, wenn sie die körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die Anforderungen insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung im Sinne von Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegt. Die Fahrerlaubnisbehörde hat zu ermitteln, ob Bedenken gegen die Eignung des Bewerbers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die solche Bedenken begründen, verfährt die Fahrerlaubnisbehörde nach den §§ 11 bis 14 FeV (§ 22 Abs. 2 Satz 5 FeV).

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens u.a. zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung einer Fahrerlaubnis anzuordnen, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der in § 14 Abs. 1 FeV genannten Gründe durch die Fahrerlaubnisbehörde oder ein Gericht entzogen worden war. Dazu gehört u.a. die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV), worunter auch die regelmäßige Einnahme von Cannabis zu fassen ist (vgl. Nr. 9.2.1 der Anl. 4 zur FeV; s. auch BayVGH, B.v. 2.11.2022 – 11 C 22.1748 – juris Rn. 13 f. m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 14 FeV Rn. 14).

Das Vorliegen der Fahreignung wird vom Gesetz positiv als Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gefordert. Die materielle Beweislast für die Fahreignung nach Verlust liegt somit im (Wieder-)Erteilungsverfahren bei dem Bewerber (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG; Dauer, a.a.O. § 2 StVG Rn. 41). Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht nicht, solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 3.6.2022 – 11 CE 22.262 – juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 7.7.2015 – 10 S 116/15DAR 2015, 592 = juris Rn. 19).

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15BVerwGE 156, 293 Rn. 19). Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung bzw. die Versagung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme. Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens.

b) Nach diesen Maßstäben ist die Ablehnung des Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 17. Januar 2020 nicht zu beanstanden. Die auf § 14 Abs. 2 Satz 1 FeV gestützte Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 23. Oktober 2019 erweist sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt ihres Ergehens (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20BVerwGE 171, 1 Rn. 25) in formeller und materieller Hinsicht als rechtmäßig, so dass die Beklagte aus der verweigerten Mitwirkung auf fehlende Eignung schließen durfte.

aa) Dem Kläger ist die Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 1. August 2011 wegen eines die Fahreignung ausschließenden regelmäßigen Cannabiskonsums, mithin aus einem in § 14 Abs. 1 FeV genannten Grund entzogen worden.

(1) Die danach erforderliche Verknüpfung zwischen der Entziehung und dem Betäubungsmittelkonsum ist hier nicht deshalb zu verneinen, weil der Entziehungsbescheid auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt worden war.

Eine Entziehung wegen mangelnder Mitwirkung an der Aufklärung berechtigter Eignungszweifel beruht zwar auf einer schmaleren Tatsachengrundlage als eine solche, die sich auf ein negatives Gutachten stützen kann. Gleichwohl schafft § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV keinen gesonderten Tatbestand fehlender Fahreignung, sondern beinhaltet der Sache nach eine § 427 und § 446 ZPO vergleichbare Beweisregel, der zufolge bei Weigerung eines Beteiligten, seinen notwendigen Teil zur Sachaufklärung beizutragen, die behauptete bzw. als möglicher Fahreignungsmangel im Raum stehende und daher aufzuklärende Tatsache als erwiesen angesehen werden kann (vgl. NdsOVG, B.v. 6.4.2017 – 12 PA 199/16DAR 2017, 339 = juris Rn. 12; B.v. 23.12.2016 – 12 ME 186/16 – juris Rn. 16 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 18.3.1982 – 7 C 70.79 – Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 63 = juris Rn. 26; VG Berlin, U.v. 4.3.2021 – 4 K 125/20 – Blutalkohol 58, 180 = juris Rn. 27).

Daher macht es im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV keinen Unterschied, ob die vorangegangene Entziehungsentscheidung nach einer Beweiswürdigung getroffen wurde, die sich auf alle Beweismittel – wie insbesondere ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten – erstreckt, deren Beibringung die Fahrerlaubnisbehörde angeordnet hatte, oder ob diese nach § 11 Abs. 8 FeV auf mangelnde Eignung geschlossen hat (vgl. NdsOVG, B.v. 6.4.2017 – 12 PA 199/16DAR 2017, 339 = juris Rn. 12; VG Augsburg, U.v. 18.7.2016 – Au 7 K 15.1883 – juris Rn. 31 f.; VG Düsseldorf, B.v. 8.4.2022 – 6 L 226/22 – juris Rn. 34; Dauer, a.a.O. § 14 FeV Rn. 22; ebenso VG Berlin, U.v. 4.3.2021 – 4 K 125/20 – Blutalkohol 58, 180 = juris Rn. 27 zu der parallelen Regelung in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV). In diese Richtung hat sich mit Blick auf die insoweit vergleichbare Regelung in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV im Übrigen auch das Bundesverwaltungsgericht geäußert und in einem obiter dictum ausgeführt, es neige der Auffassung zu, dass der durch § 11 Abs. 8 FeV erlaubte Schluss auf die Nichteignung, der zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt habe, zugleich bedeute, dass im Neuerteilungsverfahren ein medizinisch-psychologisches Gutachten angefordert werden dürfe, sei es nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d oder Buchst. e FeV (BVerwG, U.v. 21.3.2013 – 3 C 6.12NVwZ 2013, 1550 Rn. 22).

Soweit der Senat in seiner älteren Rechtsprechung zu § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV einen anderen Standpunkt eingenommen hat (vgl. BayVGH, U.v. 2.12.2011 – 11 B 11.246SVR 2012, 236 = juris Rn. 18; ebenso zu § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2021, § 14 FeV Rn. 20), kann der Kläger daraus somit aus den genannten Gründen und mit Blick auf die neuere Judikatur nichts herleiten.

Folglich galt hier als erwiesen, dass es bei dem Kläger an einem tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandel, der neben der Abstinenz Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahreignung nach regelmäßigem Cannabiskonsum in der Vergangenheit ist, fehlte, nachdem er die dahingehende Begutachtung verweigert hat. Dies ist in dem Bescheid vom 1. August 2011 auch als Grund für die Entziehung der Fahrerlaubnis genannt, so dass der notwendige Zusammenhang zwischen Betäubungsmittelkonsum und Entziehung zu bejahen ist.

(2) Wenn der Kläger meint, der Bescheid vom 1. August 2011 sei rechtswidrig gewesen, dringt er damit nicht durch. Eine bestandskräftige Entscheidung und den dort zu Grunde gelegten Sachverhalt muss der Betroffene ohne Weiteres gegen sich gelten lassen, ohne eine (erneute) Überprüfung verlangen zu können (vgl. NdsOVG, B.v. 6.4.2017 – 12 PA 199/16DAR 2017, 339 = juris Rn. 11).

Ob etwas anderes gelten könnte, wenn die Entziehungsentscheidung offensichtlich rechtswidrig wäre (in diese Richtung NdsOVG, a.a.O. Rn. 13; Dauer, a.a.O. § 14 FeV Rn. 22; offen gelassen in BayVGH, B.v. 17.10.2019 – 11 CE 19.1480NJW 2020, 256 Rn. 25), bedarf hier keiner näheren Erörterung. Für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Entziehungsentscheidung vom 1. August 2011 gibt es keinen Anhaltspunkt. Insbesondere hat die Beklagte angesichts der THC-Carbonsäure-Konzentration von 170 ng/ml, die laut dem rechtsmedizinischen Gutachten vom 20. Februar 2009 in der am 3. Dezember 2008 zeitnah nach der Fahrt entnommenen Blutprobe festgestellt wurde, zu Recht angenommen, dass der Kläger zu jenem Zeitpunkt als regelmäßiger Cannabiskonsument anzusehen war (vgl. dazu BayVGH, B.v. 24.4.2019 – 11 CS 18.2605 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 11.2.2015 – 16 B 50/15 – juris Rn. 8). Es ist weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen des Klägers ersichtlich, dass die Annahme dieses THC-Carbonsäure-Werts durch die Beklagte gegen das Verbot des § 3 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 StVG, zu Lasten des Fahrerlaubnisinhabers vom Inhalt einer Bußgeldentscheidung abzuweichen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts bezieht, verstoßen hätte, wie der Kläger sinngemäß geltend macht. Im Übrigen liegt es auch nahe, dass das Amtsgericht nicht den durch das rechtsmedizinische Gutachten unterlegten Wert als unzutreffend angesehen, sondern vielmehr im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft relative Fahrunsicherheit verneint und deshalb nur auf eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG, nicht hingegen auf eine Straftat nach § 316 StGB erkannt hat (vgl. dazu König in Hentschel/König/Dauer, § 24a StVG Rn 19, § 316 StGB Rn. 63 ff.).

bb) Dem Rückgriff auf die Entziehungsentscheidung vom 1. August 2011 stand auch kein Verwertungsverbot nach § 29 Abs. 7 StVG entgegen.

(1) Anwendbar war insoweit zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Beibringungsanordnung vom 23. Oktober 2019 § 29 StVG in der Fassung des Gesetzes vom 28. November 2014 (BGBl I S. 1802, im Folgenden § 29 StVG a.F.). Ebenfalls von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang § 28 StVG, der in der Fassung vom 28. November 2016 (BGBl I S 2722; im Folgenden § 28 StVG a.F.) anwendbar war. Nach § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG a.F. durften die Tat und die Entscheidung dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG a.F., also u.a. die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 StVG a.F.), nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung im Fahreignungsregister gelöscht war.

(2) Unmittelbar knüpft § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV allein daran an, dass die Fahrerlaubnis aus einem der in § 14 Abs. 1 FeV genannten Gründe entzogen worden war.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 1. August 2011 war aber, wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, ohne Weiteres noch verwertbar. Sie unterlag nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b StVG a.F. i.V.m. § 28 Abs. 3 Nr. 6 Buchst. a StVG a.F. einer Tilgungsfrist von zehn Jahren, die nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG a.F. in Ermangelung einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis fünf Jahre nach der Rechts- bzw. Bestandskraft der Entziehung, also am 6. September 2016 begann, und somit erst am 5. September 2026 abläuft.

(3) Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts lag in dem Rückgriff auf den Entziehungsbescheid sowie auf den seinerzeit festgestellten regelmäßigen Cannabiskonsum als Element zu dessen Begründung auch keine unzulässige mittelbare Verwertung der Tat vom 3. Dezember 2008. Dass die Eintragung der gerichtlichen Entscheidung über diese Ordnungswidrigkeit zum Zeitpunkt der Beibringungsanordnung vom 23. Oktober 2019 nicht mehr verwertbar war, steht zwar außer Frage. Für die Eintragung galt zunächst gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2008 (BGBl I S. 2965) eine Tilgungsfrist von zwei Jahren, deren Ablauf jedoch durch die (weitere) Eintragung der Fahrerlaubnisentziehung gehemmt wurde (vgl. § 29 Abs. 6 StVG in der Fassung vom 22.12.2008), bis nach Ablauf des 22. Oktober 2014 eine Tilgung im Zuge der Umstellung auf das Fahreignungsregister erfolgte (§ 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 StVG in der Fassung des Gesetzes vom 28.8.2013 [BGBl I S. 3313], in Kraft getreten zum 1.5.2014). Ferner gehören die Erkenntnisse zu dem regelmäßigen Cannabiskonsum des Klägers aus dem rechtsmedizinischen Gutachten vom 20. Februar 2009 rein tatsächlich nicht nur zu den Grundlagen des Entziehungsbescheids vom 1. August 2011. Vielmehr beruhen sie auf den Ermittlungen zur geahndeten Ordnungswidrigkeit vom 3. Dezember 2008. Daraus folgte hier aber gleichwohl kein Verbot zur Verwertung dieser Informationen.

(a) Dabei kann dahinstehen, ob die Erkenntnisse zum regelmäßigen Cannabiskonsum, die anders als die Fahrt unter der Wirkung von Cannabis als solche nicht in das Verkehrszentralregister einzutragen waren (vgl. § 28 StVG in der Fassung des Gesetzes vom 17.7.2009 [BGBl I S. 2021]), überhaupt im Ansatz von dem Verbot zur Verwertung der Eintragung über die Ordnungswidrigkeit erfasst wären. Es erschließt sich jedenfalls nicht unmittelbar, weshalb die Verwertbarkeit von Informationen über einen Drogenkonsum oder beispielsweise auch über Krankheiten davon abhängen soll, ob diese anlässlich oder außerhalb eines in das Verkehrszentral- bzw. Fahreignungsregister einzutragenden Vorgangs gewonnen wurden.

(b) Doch auch wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass das Verbot der Verwertung der Eintragung über die Ordnungswidrigkeit vom 3. Dezember 2008 den zu Grunde liegenden Sachverhalt im Ansatz mit umfasst (in diese Richtung BVerwG, U.v. 17.12.1976 – VII C 28.74BVerwGE 51, 359, Leitsatz Nr. 4 sowie Rn. 49 bei juris; Dauer, a.a.O. § 29 StVG Rn. 20; Koehl in MüKo StVR, 1. Aufl. 2016, § 29 StVG Rn. 4; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. 2017, Rn. 343 f.; ebenso zu § 51 BZRG Eisenberg, a.a.O. sowie Bücherl, BeckOK StPO, Stand 1.10.2022, § 51 BZRG Rn. 16; vgl. zu der Problematik auch BayVGH, B.v. 6.5.2008 – 11 CS 08.551 – juris Rn. 39, 41 f. sowie OVG NW, B.v. 11.4.2017 – 16 E 132/16 – juris Rn. 8, 10, 12), und bei einer großzügigen Sichtweise das Gutachten vom 20. Februar 2009 dazu rechnet, kann sich der Kläger darauf hier nicht mit Erfolg berufen. Denn bei dieser Lesart liegen die Erkenntnisse zum regelmäßigen Cannabiskonsum ebenfalls der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 1. August 2011 zu Grunde, die, wie ausgeführt, zum Zeitpunkt des Erlasses der Beibringungsanordnung noch verwertbar war. Dies hat zur Folge, dass dieser Bescheid sowie der gesamte ihm zu Grunde liegende Lebenssachverhalt dem Kläger zur Beurteilung seiner Fahreignung noch vorgehalten werden durfte. Mit anderen Worten können die der Entziehung der Fahrerlaubnis zu Grunde liegenden Tatsachen dem Kläger solange vorgehalten werden, wie die Entziehungsentscheidung selbst noch keinem Verwertungsverbot unterliegt (vgl. dazu auch NdsOVG, B.v. 6.4.2017 – 12 PA 199/16DAR 2017, 339 = juris Rn. 10; im Ergebnis ebenso HessVGH, B.v. 19.8.2009 – 2 B 2136/09NZV 2010, 375 = juris Rn. 5 f.; Koehl, a.a.O. § 14 FeV Rn. 20 sowie § 13 Rn. 22 zu der parallel gelagerten Norm des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV).

Dafür spricht bereits die rechtliche Eigenständigkeit der inmitten stehenden Eintragungen. § 28 StVG a.F. unterschied, soweit hier von Interesse, zwischen der Speicherung der Daten über eine rechtskräftige Entscheidung wegen einer Ordnungswidrigkeit (§ 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG a.F.) und der Speicherung der Daten über eine Entziehung der Fahrerlaubnis selbst (§ 28 Abs. 3 Nr. 6 Buchst. a StVG a.F.). Die behördliche Entziehung der Fahrerlaubnis stellte damit nicht nur eine eigenständige Verwaltungsentscheidung dar, sondern fand auch einen eigenen Niederschlag im Fahreignungsregister.

Zudem sah § 29 StVG a.F. für Eintragungen einer Entscheidung über eine Ordnungswidrigkeit Tilgungsfristen von zwei Jahren und sechs Monaten bzw. fünf Jahren vor (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. b StVG a.F.), für Eintragungen einer behördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis hingegen eine solche von zehn Jahren (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b StVG a.F.), die zudem erst mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens fünf Jahre nach der Rechtskraft der Entziehung zu laufen begann (§ 29 Abs. 4, Abs. 5 StVG a.F.). Dies lässt erkennen, dass der behördlichen Entziehung nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht nur eigenständige Bedeutung, sondern auch ein höheres Gewicht in Bezug auf die Beurteilung der Fahreignung zukam als etwaigen vorangegangenen Taten und Ahndungen, die teilweise auf demselben Sachverhalt beruhen. Diese lange Tilgungsfrist für die behördliche Entziehung der Fahrerlaubnis (einschließlich des ihm zu Grunde liegenden Sachverhalts) wäre jedoch praktisch leergelaufen, wenn deren Verwertbarkeit dadurch begrenzt wäre, dass derselbe Sachverhalt auch einer vorangegangenen, binnen kürzerer Frist zu tilgenden Entscheidung zu Grunde lag.

Ein solches Ergebnis wäre zudem vor dem Hintergrund nicht verständlich, dass strafgerichtliche Entscheidungen, in denen die Fahrerlaubnis entzogen wurde, ohne Weiteres länger verwertbar waren (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 5 StVG a.F.). Für ein derart unterschiedliches Gewicht der strafgerichtlichen und der behördlichen Eignungsbeurteilung, die der Gesetzgeber in § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a und b StVG a.F. unmittelbar nebeneinandergestellt hat, ist weder ein sachlicher Grund noch ein normativer Anknüpfungspunkt ersichtlich.

Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber darauf hinweist, dass die Entziehung als solche auch seiner Rechtsauffassung nach durchaus noch verwertbar sei, nämlich zur Prüfung der Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen, stellt dies nur einen der vom Gesetz genannten Zwecke der Speicherung im Fahreignungsregister dar (vgl. § 28 Abs. 2 StVG a.F.). In der Praxis kommt diesem Gesichtspunkt zudem keine entscheidende Bedeutung zu. Denn die Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen war und ist ohne Weiteres unabhängig von der Verwertbarkeit der Speicherung der Entziehung der Fahrerlaubnis (auch) anhand des Fahrerlaubnisregisters (§§ 48 ff. StVG, §§ 49 ff. FeV) überprüfbar.

(c) Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2005 (3 C 21.04NJW 2005, 3440).

Der Leitsatz des Urteils könnte zwar für die Auffassung des Verwaltungsgerichts streiten (vgl. dazu BayVGH, B.v. 17.10.2019 – 11 CE 19.1480NJW 2020, 256 Rn. 25; B.v. 17.1.2020 – 11 B 19.1274DAR 2020, 159 = juris Rn. 30). Dort heißt es, dass dann, wenn die Fahrerlaubnis wegen eines Drogendelikts im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr entzogen worden ist, bei Neuerteilung der Fahrerlaubnis die Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 FeV (gemeint wohl § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV, vgl. Rn. 24 der Entscheidung bei juris sowie die Problemstellung bei Liebler, juris-PR-BVerwG 7/2006 Anm. 2) nicht mehr zulässig ist, wenn „die Tat“ wegen Zeitablaufs einem Verwertungsverbot unterliegt. Bei näherer Betrachtung lag der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch eine andere Fallgestaltung zu Grunde, so dass der Kläger daraus nichts für sich herleiten kann.

In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hatte das Strafgericht die Betroffene wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt und die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen. Damit stand dort eine Entscheidung des Strafgerichts wegen einer Straftat inmitten, bei der die Tat und die gerichtliche Entscheidung eine untrennbare Einheit bildeten und gemeinsam gespeichert wurden. Die Frage eines Verwertungsverbots in der Konstellation, dass eine (behördliche) Entziehung der Fahrerlaubnis als solche noch verwertbar ist, nicht aber eine vorangegangene Ordnungswidrigkeit, die teilweise auf dem gleichen Sachverhalt beruht, stellte sich in jener Entscheidung nicht, so dass sich das Bundesverwaltungsgericht dazu auch nicht verhalten konnte.

(d) Bestätigt wird dieses Ergebnis schließlich durch die zum 28. Juli 2021 in Kraft getretene Neufassung des § 29 Abs. 7 StVG mit Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091).

Danach dürfen, ist eine Eintragung im Fahreignungsregister gelöscht, die Tat und die Entscheidung der betroffenen Person für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG, also u.a. zur Beurteilung der Fahreignung (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 StVG), nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden (Satz 1). Abweichend davon darf eine Tat und die hierauf bezogene Entscheidung trotz ihrer Löschung aus dem Fahreignungsregister für die Durchführung anderer als der in § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 4 StVG genannten Verfahren zur Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis – also insbesondere für die Durchführung eines Neuerteilungsverfahrens – verwendet werden, solange die Tat als Grundlage in einer noch gespeicherten Maßnahme nach § 28 Abs. 3 Nr. 5, 6 oder 8 StVG genannt ist (Satz 2).

Mit dieser Änderung hat der Gesetzgeber allein eine Klarstellung und keine Neuregelung beabsichtigt. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, nach einem Entzug der Fahrerlaubnis wegen Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften sei es notwendig, im Rahmen eines Neuerteilungs- oder erneuten Entziehungsverfahrens die Gründe, die zum Entzug der Fahrerlaubnis geführt hätten, zu berücksichtigen. Nur so könne die Überprüfung der Fahreignung im Hinblick auf das vorausgegangene verkehrsgefährdende Verhalten, das den einzelnen Verstößen zugrunde liege, wirksam vorgenommen werden. In der Praxis seien Zweifel aufgetreten, ob die Verwertungsverbote des § 29 Abs. 6 und Abs. 7 StVG auch die Verwendung von Taten im Zusammenhang mit einem Entziehungsbescheid umfassen, dessen Grundlage die Taten bilden und in dessen Begründung sie genannt und der Behörde damit weiter zugänglich seien. Die nun vorgenommene „gesetzliche Klarstellung“ diene der Vermeidung fachlich unerwünschter Ergebnisse. Die einer Entziehungs- oder Versagungsentscheidung zugrunde liegenden Verstöße sollten Basis einer folgenden (Wieder-)Erteilungsentscheidung sein können, solange die Entziehungs- oder Versagungsentscheidung selbst im Register gespeichert sei. Die Einfügung von § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG solle die Verwendung trotz Löschung (d.h. nach Ablauf der Überliegefrist) für die Fahreignungsbeurteilung in einem Verfahren zur (Wieder-)Erteilung einer Fahrerlaubnis sicherstellen. Es sei allerdings vorausgesetzt, dass die Tat in der Entziehungs- oder Versagungsentscheidung genannt und diese Entscheidung noch gespeichert sei und daher ihrerseits (mit ihren Gründen) noch verwertet werden dürfe. Es gehe dabei um die Verwertung von Kenntnissen über Verstöße, die im Entziehungsbescheid oder in den Urteilsgründen vorgehalten würden, da die Verstöße als eigener Eintrag aus dem Register insbesondere nach Löschung nicht mehr hervorgingen (BT-Drs. 19/28684 S. 52 f.). Diese Einschätzung des Gesetzgebers spricht dafür, dass schon die seinerzeit anwendbare Fassung des § 29 Abs. 7 StVG a.F. in dem von der Beklagten vertretenen Sinn zu verstehen war.

(4) Damit war es jedenfalls hinreichend, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst keinem Verwertungsverbot unterlag, und durfte die Beklagte auch die dafür in dem Bescheid selbst angeführten Gründe, namentlich einen regelmäßigen Cannabiskonsum in der Vergangenheit sowie die Annahme fortbestehender Nichteignung aufgrund verweigerter Mitwirkung an der Aufklärung der Frage, ob die seinerzeit nachgewiesene Abstinenz von einem tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandel getragen ist, berücksichtigen.

c) Die Eintragung über die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 1. August 2011 unterlag, da die Tilgungsfrist dafür erst am 5. September 2026 abläuft (s.o.), auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats keinem Verwertungsverbot, welches nunmehr dem Schluss von der Nichtbefolgung der Beibringungsanordnung vom 23. Oktober 2019 auf fehlende Fahreignung entgegen stünde (vgl. dazu BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20BVerwGE 171, 1 Rn. 9, 20, 25 ff.). Folglich kommt es nicht mehr darauf an, dass die dem Bescheidungsurteil zu Grunde liegende Rechtsauffassung nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 12. Juli 2021 auch nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes keinen Bestand haben kann, und erübrigen sich Ausführungen dazu, wie sich eine nicht nur klarstellende Neuregelung im Berufungsverfahren auswirken würde.

3. Die Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Verfahrenskosten für beide Rechtszüge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere steht der Annahme grundsätzlicher Bedeutung von Fragen der Auslegung des § 29 Abs. 7 StVG a.F. entgegen, dass diese sich auf ausgelaufenes Recht beziehen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass Rechtsfragen, die ausgelaufenes Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im Wesentlichen auf die für die Zukunft richtungweisende Klärung von Rechtsfragen des geltenden Rechts gerichtet ist. Ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn das ausgelaufene Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung sein wird (vgl. BVerwG, B.v. 8.3.2000 – 2 B 64.99 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 21 = juris Rn. 6 f.; Kraft in Eyermann, VwGO, § 132 Rn. 21). Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich.
Beschluss

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 24. Februar 2021 wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren und für das Berufungsverfahren auf jeweils 5.000,- Euro festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63, § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.4, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Bei interessegerechter Auslegung richtet sich der Klageantrag des Klägers, der von dem „beantragten Führerschein der Klassen A, B, C1, C1E“ spricht, zwar auch auf die Klassen A1 und A, allerdings mit der Einschränkung, dass diese jeweils mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 versehen sein sollen. Denn nur in diesem Umfang hat der Kläger deren Neuerteilung bei der Beklagten beantragt, so dass im gerichtlichen Verfahren vernünftigerweise auch nur diese Klassen in Rede stehen können. Maßgeblich für die Bemessung des Streitwerts sind somit die Klassen B, BE einerseits sowie C1, C1E andererseits, die nach Nr. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 jeweils mit 5.000,- Euro zu bewerten sind. Die begehrte Fahrerlaubnis der Klassen A1 und A wirkt sich hingegen nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2342BayVBl 2014, 373 = juris Rn. 22) nicht streitwerterhöhend aus, da sie nur zum Führen dreirädriger Fahrzeuge bzw. von Fahrzeugkombinationen aus dreirädrigen Fahrzeugen und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von höchstens 750 kg berechtigt (vgl. B. I. Lfd.Nr. 126, 127 der Anl. 9 zur FeV). Zudem war zu berücksichtigen, dass der Kläger nach der – unwidersprochenen – Auslegung seines Antrags durch das Verwaltungsgericht lediglich eine erneute Bescheidung beantragt hat. Nach Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs kann der Streitwert in diesem Fall einen Bruchteil, mindestens jedoch die Hälfte des Wertes der entsprechenden Verpflichtungsklage betragen. Anhaltspunkte dafür, dass das Bescheidungsbegehren hier höher zu bewerten war als mit diesem Mindestwert, sind nicht ersichtlich. Der Senat hält es daher für angemessen, den sich nach dem Vorstehenden ergebenden Streitwert von 10.000,- Euro zu halbieren.

Somit war der Streitwert für das Berufungsverfahren gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG auf 5.000,- Euro festzusetzen. Die Befugnis zur Änderung des erstinstanzlichen Streitwerts in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.


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