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Entscheidungen

OWi

Einspruch, E-Mail, Abweichungen von der Bedienungsanleitung, standardisiertes Messverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.02.2023 – 2 ORbs 35 Ss 4/23

Leitsatz des Gerichts:

1. Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid kann nicht mittels einfacher E-Mail eingelegt werden.
2. Nicht jede Abweichung von der Bedienungsanleitung nimmt einer Messung den Charakter als standardisiertes Messverfahren. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn einer vorgeschriebenen Dokumentation keine eigenständige Bedeutung für die Integrität des Messvorgangs zukommt (hier: Datum der durch die Konformitätserklärung gesondert nachgewiesenen Konformitätsbewertung).


In pp.

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 30.9.2022 aufgehoben.
2. Der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.2.2022 wird als unzulässig verworfen.
3. Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe setzte mit Bußgeldbescheid vom 15.2.2022 gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 67 km/h eine Geldbuße in Höhe von 650 ? und ein Fahrverbot von zwei Monaten fest. Mit dem angefochtenen Urteil vom 30.9.2022 sprach das Amtsgericht Freiburg den Betroffenen frei. Dazu führte, dass bei dem Geschwindigkeitsmessgerät vom Typ LTI 20/20 TruSpeed, mit dem die Messung erfolgte, in der Bedienungsanleitung vorgegeben ist, das Datum der Konformitätsbewertung in das Messprotokoll aufzunehmen. Da das Messprotokoll vorliegend nur das Datum der Konformitätserklärung enthielt, kam der Tatrichter zu dem Ergebnis, dass mangels Einhaltung der Vorgaben der Bedienungsanleitung das Messergebnis nicht aufgrund eines standardisierten Messverfahrens ermittelt worden sei. Mangels Speicherung der Rohmessdaten sei auch keine weitere Überprüfung des Messergebnisses möglich.

Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft Freiburg mit der frist- und formgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht und des sachlichen Rechts gerügt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat mit Antragsschrift vom 19.1.2023 beantragt, das Urteil aufzuheben und den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig zu verwerfen. Der Betroffene hat dazu am 8.2.2023 eine Gegenerklärung abgegeben.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend ist auf die Rechtsbeschwerde das Urteil aufzuheben und der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 15.2.2022 als unzulässig zu verwerfen, weil dem Erlass eines Sachurteils durch das Amtsgericht ein Verfahrenshindernis entgegenstand.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

"Das Amtsgericht hat - wie zuvor die Verwaltungsbehörde - übersehen, dass gegen den Bußgeldbescheid vom 15.02.2022 ein wirksamer Einspruch nicht eingelegt ist. Die eingetretene Rechtskraft des Bescheids stellt ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis dar, das neben der Aufhebung des Urteils gemäß § 79 Abs. 6 S. 1 OWiG die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig durch das Rechtsbeschwerdegericht erfordert (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 15.02.2017 - 3 Ss OWi 1294/16 -, BeckRS 2017, 102375 m.w.N.).

Der Bußgeldbescheid vom 15.02.2022 (As. 16) wurde dem Betroffenen am 18.02.2022 gemäß §§ 51 Abs. 1 OWiG, 3 Abs. 2 S. 1 LVwZG, 180 ZPO durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt (vgl. As. 20). Die zweiwöchige Einspruchsfrist nach § 67 Abs. 1 S. 1 OWiG endete gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 43 Abs. 1 StPO folglich an einem Freitag, dem 04.03.2022.

Der Betroffene übermittelte sein unterschriebenes und eingescanntes Einspruchsschreiben vom 03.03.2022 am selben Tag von seinem E-Mail-Konto mw@bb-walder.de als Anhang einer E-Mail um 13:03:57 (As. 21) und nochmals um 13:05:18 (As. 23) "vorab" zur Kenntnis an die Zentrale Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Karlsruhe.

Der mittels Anhang einer einfachen E-Mail übersandte Einspruch ist jedoch formunwirksam, da er - mangels Verkörperung - weder schriftlich noch zur Niederschrift der Bußgeldbehörde eingelegt worden ist (vgl. § 67 Abs. 1 S. 1 OWiG), aber auch der elektronischen Form gemäß §§ 110c S. 1 OWiG, 32a StPO nicht genügt (vgl. AG Stuttgart, Beschluss vom 23.09.2021 - 18 OWi 73 Js 75232/21 -, BeckRS 2021, 32419, Rn. 7 ff. m.w.N.; vgl. Gertler in: BeckOK OWiG, Graf, 36. Edition, Stand: 01.10.2022, § 67 Rn. 68; Krenberger/Krumm, OWiG, 7. Auf. 2022, § 67 Rn. 33; vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.11.2020 - 2 Rv 21 Ss 483/20 -, juris, Rn. 7 sowie Beschluss vom 07.04.2021 - 2 Ws 73/21, 2 Rv 31 Ss 155/21 -, juris, Rn. 13 ff. [jeweils zur Vertretungsvollmacht in der Berufungshauptverhandlung]).

Gemäß § 32a Abs. 3 StPO muss ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 32a Abs. 4 StPO eingereicht werden. Die elektronischen Eingaben des Betroffenen weisen jedoch weder eine qualifizierte elektronische Signatur auf noch wurden sie auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht.

Zwar reichte der Betroffene seine Einspruchsschrift per Einschreiben auch noch schriftlich ein. Dieses Schreiben ging jedoch erst am 05.03.2022 - und damit einen Tag zu spät - bei der Bußgeldbehörde ein (vgl. As. 25).

Zwar kann auch ein Ausdruck des Anhangs einer einfachen E-Mail dem so eingelegten Einspruch noch zur Wirksamkeit verhelfen (vgl. AG Stuttgart a.a.O., Rn. 11 ff. m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.04.2021 - 2 Ws 73/21, 2 Rv 31 Ss 155/21 -, juris, Rn. 13 ff. [zur Vertretungsvollmacht in der Berufungshauptverhandlung]). Das als E-Mail-Anhang übersandte Einspruchsschreiben wurde behördlicherseits jedoch erst am 28.04.2022 zum Zwecke der Gewährung von Akteneinsicht ausgedruckt (vgl. As. 2 und 3). Zu diesem Zeitpunkt war die Einspruchsfrist bereits abgelaufen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass von einer stillschweigenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die Verwaltungsbehörde vorliegend nicht ausgegangen werden kann, da diese die Verspätung des Einspruchs nach Aktenlage schlicht übersehen hat (vgl. Seitz/Bauer in: Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 18. Aufl. 2021, § 52 Rn. 29 m.w.N.). Für eine Wiedereinsetzung bestand und besteht auch kein Anlass, da der Betroffene im Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle umfassend und zutreffend belehrt wurde (vgl. As. 17). Indem er seine Einspruchsschrift auch noch schriftlich einreichte, gab der Betroffene zu erkennen, dass er diese Belehrung auch verstanden hat und selbst noch nicht von einem wirksamen Einspruch ausging.

Soweit zum Teil erwogen wird, der Einspruch sei zulässig oder es sei jedenfalls dann Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn die Behörde auf ihrem Bescheid eine E-Mail-Adresse angibt, ohne diesen Kommunikationsweg auszuschließen (vgl. Krenberger/Krumm a.a.O., § 67 Rn. 33 m.w.N.), kann dies jedenfalls im vorliegenden Fall nicht gelten. Im Briefkopf der Zentralen Bußgeldstelle sind zwei E-Mail-Adressen genannt, eine gewöhnliche sowie eine De-Mail-Adresse (vgl. As. 16). Zudem enthält der Bußgeldbescheid unter der Rubrik "Telefonische Sprechzeiten" den Hinweis: "Rechtsmittel per poststelle@.rpk@im.bwl.de-mail.de sind zulässig." [Hervorhebung vom Unterzeichner]. Hieraus ergibt sich im Zusammenspiel mit der Rechtsbehelfsbelehrung eindeutig, dass Rechtsmittel, die mit gewöhnlicher E-Mail erhoben werden, nicht zulässig sind."

Dem schließt sich der Senat an. Durch die in der Gegenerklärung des Betroffenen gemachten Ausführungen sieht sich der Senat zu der ergänzenden Bemerkung veranlasst, dass die Nichtbeachtung der gesetzlichen Formvorschriften, die bei der Einreichung eines Rechtsmittels als elektronisches Dokument zu beachten sind, die Unwirksamkeit der Erklärung in dieser Form zur Folge hat (BGH NStZ-RR 2022, 253 - zu § 32d Satz 2 StPO). Soweit durch den Ausdruck eines nicht formgerecht übermittelten elektronischen Dokuments die Schriftform gewahrt sein kann (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.11.2021 - 3 OWi 32 SsBs 119/21, juris; vgl. auch OLG Karlsruhe - Senat - NStZ-RR 2021, 184), wird die Frist aber nur gewahrt, wenn das Dokument innerhalb der Rechtsmittelfrist ausgedruckt und zur Akte genommen wird. Letzteres war - wie die Bußgeldbehörde auf Nachfrage des Senats ausdrücklich bestätigt hat - vorliegend nicht der Fall.

III.

Auch wenn es darauf für die vom Senat zu treffende Entscheidung nicht mehr ankommt, sieht sich der Senat zu der Bemerkung veranlasst, dass das Amtsgericht bei seiner in der Sache getroffenen Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis davon zugrunde gelegt hat, wann eine (Geschwindigkeits-) Messung als standardisiertes Messverfahren (grundlegend dazu BGHSt 39, 291; 43, 277) einzustufen ist, bei dem ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung im Einzelfall regelmäßig von einem richtig ermittelten Messergebnis auszugehen ist.

Ein standardisiertes Messverfahren setzt ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren voraus, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 43, 277). Notwendige Bedingung dafür ist deshalb die Einhaltung der (technischen) Vorgaben, die beim Betrieb zu beachten sind und sich regelmäßig aus der Bedienungsanleitung ergeben. Werden diese Vorgaben bei der Vorbereitung und Durchführung der Messung nicht beachtet, ist deshalb regelmäßig in Frage gestellt, ob die Voraussetzungen für eine fehlerfreie Messung vorliegen (OLG Naumburg DAR 2016, 403; KG NStZ 2018, 722). Dies enthebt den Tatrichter aber nicht von der Verpflichtung zur Prüfung im Einzelfall, ob dadurch tatsächlich Zweifel an der Gültigkeit des Messergebnisses begründet sind, was in der vorliegenden Konstellation gerade nicht der Fall ist.

Durch die Vorgabe in der Bedienungsanleitung, das Datum der Konformitätsbewertung im Messprotokoll zu dokumentieren, soll ersichtlich sichergestellt werden, dass zur Messung nur ein Gerät verwendet wird, das sich bei einer Prüfung entsprechend der gesetzlichen Vorgaben im Mess- und Eichgesetz (MessEG) als technisch zuverlässig erwiesen hat. Dieser Nachweis wird gemäß § 37 Abs. 1 MessEG durch die Eichung oder beim (erstmaligen) Inverkehrbringen - bis zum Ablauf der mit dem Inverkehrbringen beginnenden Eichfrist - durch die Konformitätserklärung gemäß § 6 Abs. 3 MessEG erbracht, mit der die Durchführung einer der Eichung entsprechenden Konformitätsbewertung dokumentiert wird. Die Konformitätserklärung setzt also zwingend voraus, dass eine Konformitätsbewertung, also der eigentliche technische Prüfvorgang, erfolgreich durchlaufen wurde. Die Vorgabe in der Bedienungsanleitung ist deshalb insoweit irreführend, weil auch durch die Konformitätserklärung die technische Zuverlässigkeit des verwendeten Geräts gewährleistet ist.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO (Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 473 Rn. 12 m.w.N.).


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