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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Aussetzung der Hauptverhandlung, Fernbleiben, Auferlegung der Kosten

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Beschluss v. 31.08.2022 – 4 Ws 13/21

Eigener Leitsatz:

Zur (verneinten) Auferlegung der Kosten auf den Pflichtverteidiger bei Aussetzung der Hauptverhandlung.


In pp.

1. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. B. wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 18.11.2020 dahin abgeändert, dass der Tenor lautet:
„Dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt R. werden die durch die Aussetzung mit Beschluss vom 19.10.2020 verursachten Kosten des Verfahrens auferlegt.“
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

1. Der Beschwerdeführer ist einer der Wahlverteidiger des Angeklagten A. K. Gegen diesen führte die Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen u.a. Mit Beschluss vom 14.01.2019 bestellte das Amtsgericht München Rechtsanwalt O. als Pflichtverteidiger. Am 19.07.2019 erhob die Staatsanwaltschaft München I Anklage zum Landgericht München I und beantragte den Erlass eines Haftbefehls, den das Landgericht München I am 12.08.2019 erließ. Seit seiner Verhaftung am 26.08.2019 befand sich der Angeklagte ununterbrochen in Untersuchungshaft. Mit Schreiben vom 10.09.2019 zeigte der Beschwerdeführer unter Vorlage einer auf den 09.09.2019 datierten und auf ihn und Rechtsanwalt M. lautenden Vollmacht die Vertretung des Angeklagten an. Mit Verfügung vom 25.02.2020 fragte die Vorsitzende bei den Verteidigern und einer Sachverständigen Verhinderungen ab und terminierte sodann mit Verfügung vom 09.03.2020 auf 07.05., 22.05., 09.06., 15.06., 24.06., 30.06., 01.07., 08.07., 15.07. und 16.07.2020. Zu diesen Terminen wurden die Rechtsanwälte O., Dr. B. und M. geladen.

2. Zum ersten Hauptverhandlungstag, dem 07.05.2020, erschienen neben den Rechtsanwälten O. und Dr. B. auch Rechtsanwalt R. und Rechtsanwältin B. und zeigten unter Vorlage entsprechender Vollmachten die Verteidigung des Angeklagten an. Rechtsanwalt R. beantragte ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die Entbindung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt O. Der Angeklagte habe einen sechsstelligen Geldbetrag geerbt. Dies sei von der mit der Abwicklung der Erbschaftsangelegenheit betrauten Rechtsanwältin versichert worden. Alle Wahlverteidiger hätten Kenntnis von den bereits bestimmten Hauptverhandlungsterminen und seien auch verfügbar. Die Vorsitzende verfügte sodann die Rücknahme der Beiordnung von Rechtsanwalt O. Nachdem die Vorsitzende drei Widersprüche des Rechtsanwalts R. gegen die Beweiserhebung zurückgewiesen und dies mündlich begründet hatte, verlangte Rechtsanwalt R. unter Androhung eines Befangenheitsantrages, ihm das Wort zu erteilen und kündigte an, eine solche Verhandlungsführung konsequent zu unterbinden. Das Verfahren werde sehr lange dauern, 50 Sitzungstage, bis zur Pensionierung der Vorsitzenden. Die Vorsitzende könne „das Wort nicht unterbinden“, so gehe man in totalitären Regimen vor. Die Vorsitzende verstehe es entweder nicht oder sei emotional so befangen, dass sie es nicht hinbekomme. Sie sei eine Problemrichterin, bei der die juristische Terminologie nicht sitze. Im weiteren Verlauf äußerte Rechtsanwalt R. sodann:

„Ich glaube, dass Sie desolat sind. Das ist eine Katastrophe, wenn Sie grundlegende juristische Zusammenhänge nicht formulieren können. […] Sie sollten sich überlegen, ob Sie eine andere Tätigkeit ausführen sollten. Das Problem ist, dass Sie Vorsitzende einer großen Kammer sind.“
3
Den anschließend gestellten Befangenheitsantrag begründete Rechtsanwalt R. u.a. damit, dass er die Vorsitzende aufgrund einer Äußerung in einem anderen Verfahren angezeigt habe und diese nicht damit klar komme, dass die Staatsanwaltschaft gegen sie wegen eines Verbrechens ermittle. Er warf der Vorsitzenden ferner vor, sie benehme sich „total daneben“.

3. Am fünften Verhandlungstag, dem 30.06.2020, sagte Rechtsanwalt R. zur Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft: „Was Sie reden ist Schwafelei. Sie haben in intellektueller Sicht nichts geleistet. Sie verhalten sich schandhaft. Sie haben ein Charakterproblem“ und „Sie haben substanziell und intellektuell nichts zu sagen. Sie sind fachlich und intellektuell überfordert. Sie sind schmierig und nicht tragbar“.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung rügte Rechtsanwalt R.einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK. Zur Begründung trug er vor, dass die Mindeststandards der Rechtspflege nicht mehr gewahrt seien. Das Verfahren werde aus persönlicher Arroganz durchgeprügelt. Das Verfahren sollte besser sein als in der DDR. Solche Schlampereien habe es dort nicht gegeben. Die Vernehmung [Anm.: gemeint war die Vernehmung des geschädigten Kindes] sei nicht besser als bei den Nazis. Er glaube, die Nazis hätten Kinder gar nicht gequält, vergast ja, aber nicht gequält bei Vernehmungen. Da sei keiner bei Vernehmungen gequält worden, jedenfalls nicht bei der Gestapo.

4. Am sechsten Verhandlungstag, dem 01.07.2020, rügte Rechtsanwalt R. aufgrund der „Käfighaltung der Anwälte“ im Sitzungssaal erneut einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK. Es gäbe keinen sachlichen Grund dafür, dass die aufgrund der Pandemielage angebrachten Plastiktrennwände an den Sitzplätzen der Verteidiger fest angebracht, an den Sitzplätzen der Staatsanwaltschaft und der Sachverständigen aber verschiebbar seien. Sodann bezeichnete er die Vorsitzende als anwaltsbekannte Lügnerin. Sie lüge über dienstliche Tatsachen. Sie sei nicht in der Lage, den Vorsitz zu führen. Vielleicht sollte sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Am Ende des sechsten Hauptverhandlungstages wurden weitere Verhandlungstermine bestimmt auf den 27.07., 11.08., 18.08., 15.09., 28.09. und 07.10.2020. Der Beschwerdeführer teilte mit, dass er möglicherweise aufgrund der anstehenden Geburt seines Kindes am 11.08.2020 verhindert sein werde. Die Verteidiger Dr. B., R. und B. wurden am 01.07.2020 zu den vorgenannten Terminen geladen. Ein Empfangsbekenntnis erfolgte nach Aktenlage nur durch Rechtsanwalt R.

5. Mit Fax vom 02.07.2020 teilte Rechtsanwalt R. mit, er sei am 11.08.2020 verhindert aufgrund eines Verhandlungstermins vor dem Landgericht Darmstadt und beantragte Terminsverlegung.

6. Am siebten Hauptverhandlungstag, dem 08.07.2020, beantragte Rechtsanwalt R. erneut den Abbau der „Anwaltskäfige“. Als Rechtsanwalt R. der Vorsitzenden ins Wort fiel und ermahnt wurde, sagte er zur Vorsitzenden: „Sie haben ein starkes intellektuelles Problem. Sie haben eine Schwierigkeit, Sätzen zu folgen, Sie haben starke kognitive Probleme. Sie leiden unter einer starken psychischen Störung. Frau Vorsitzende, Ihnen geht es gar nicht gut. Da müssen wir was machen.“ Im Anschluss an einen von ihm gestellten Aussetzungsantrag sagte er zur Vorsitzenden: „Sie sind schwer psychisch angeschlagen. Das ist ein psychisch krankes Verhalten. Das ist eine starke kognitive Fehlfunktion. Sie gehören nicht auf diese Richterbank. Sie können einfache Sachverhalte nicht nachvollziehen oder Sie lügen. Das zieht sich durch das ganze Verfahren. Sie können die Realität nicht mehr erfassen. Wie sollen Sie ein Urteil schreiben, wenn Sie so angeschlagen sind? Ich nehme an, dass Sie hier ein hirnorganischen Problem haben. Das muss ein Facharzt kontrollieren. Ich glaube, Sie sind richtig, richtig krank. Ich glaube, Sie hören Stimmen, haben Eingebungen. Vielleicht haben Sie einen Hirntumor.“

7. Auch am achten Hauptverhandlungstag, dem 15.07.2020, bezeichnete Rechtsanwalt R. die Vorsitzende wiederholt u.a. als „Lügnerin“, „kackdreiste Lügnerin“ und „psychisch krank“ und sagte, sie solle den Mund halten. Er lieferte sich eine verbale Auseinandersetzung mit dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, der sich von Rechtsanwalt R. nicht den Mund verbieten lassen wollte. Als Rechtsanwalt R. auf den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zugehen wollte, wurde er von den herbeigerufenen Gerichtswachtmeistern davon abgehalten. Da Rechtsanwalt Dr. B. in der Folge den Sitzungssaal verließ und schriftlich mittelte, er sehe sich unter diesen Umständen nicht in der Lage, zu verteidigen, regte die Staatsanwaltschaft die Beiordnung eines Pflichtverteidigers zur Sicherung des Verfahrens an. Der Angeklagte erhielt Gelegenheit einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen und benannte Rechtsanwalt M.

8. Mit Schreiben vom 15.07.2020 teilte Rechtsanwältin B. die Beendigung ihres Mandats mit.

9. Am neunten Verhandlungstag, dem 16.07.2020, unterbrach Rechtsanwalt R. wiederholt die Ausführungen der Vorsitzenden, bezeichnete den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft als „Krawallstaatsanwalt“ und „psychisch desolat“. Er erhob mehrfach eine „Lümmelrüge“, weil der Staatsanwalt in seine Rede „reinlümmle“ und setzte sich anstatt auf seinen Stuhl auf seinen Tisch, um zum Ausdruck zu bringen, dass der Staatsanwalt seinen Respekt nicht verdiene. Das Benehmen der Vorsitzenden bezeichnete er als „schon fast eklig“. Er wiederholte seine Anwürfe, die Vorsitzende sei eine Lügnerin, psychisch krank, inkompetent u.a.

10. Mit Fax vom 17.07.2020 teilte Rechtsanwalt Dr. B. erneut seine Verhinderung am 11.08. und 18.08.2020 mit.

11. Zum Termin vom 27.07.2020, dem zehnten Verhandlungstag, erschienen die Rechtsanwälte R. und Dr. B. Rechtsanwalt R. bezeichnete wiederholt die Vorsitzende als Lügnerin, scheinheilig, inkompetent, ungeeignet u.a.. Sie habe ihm überhaupt nichts zu sagen, sei die „Komplettverbockerin des Verfahrens“. Außerdem führte er zum Antrag der Staatsanwaltschaft auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers aus, die Staatsanwaltschaft habe mit Hilfe der Vorsitzenden den Gerichtssaal zu einem Hort der Asozialität verwandelt. Was Staatsanwaltschaft und Gericht machten, gehe weit über das hinaus, was man aus Diktaturen kenne. Beide sollten sich schämen.

12. Zum Termin am 11.08.2020 erschien - wie angekündigt - kein Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft beantragte erneut die Beiordnung eines Pflichtverteidigers.

13. Mit Fax vom 13.08.2020 wurde den Verteidigern mitgeteilt, dass am 18.08.2020 die Vernehmung der Zeugin A. K. stattfinden werde. Außerdem wurde mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragt habe, weil am 11.08.2020 eine Verhandlung aufgrund des Nichterscheinens beider Wahlverteidiger nicht möglich gewesen sei. Der Angeklagte habe für diesen Fall bereits mitgeteilt, dass er die Beiordnung von Rechtsanwalt M. wünsche. Dieser sei jedoch am 18.08.2020 verhindert. Der Angeklagte solle bis zu diesem Tag einen anderen Rechtsanwalt benennen. Außerdem wurde um Mitteilung gebeten, welcher Wahlverteidiger an welchem Verhandlungstermin erscheinen werde. Rechtsanwalt M. habe seine Verfügbarkeit am 15.09., 28.09. und 07.10.2020 mitgeteilt. Am 18.08.2020 könne seine kammerbestellte Vertreterin Rechtsanwältin B. ihn vertreten.

14. Am 13.08.2020 teilte Rechtsanwalt M. auf telefonische Nachfrage der Vorsitzenden mit, dass Rechtsanwältin B. im Falle seiner Beiordnung als seine kammerbestellte Vertreterin die Verteidigung des Angeklagten sicherstellen könne. Er beantragte für den Fall seiner Beiordnung Einsicht in die Akten und in die Videovernehmung der Zeugin M. K., regte hierfür den 21.08.2020 an und besprach mit der Vorsitzenden die für den Nachmittag geplante Beweisaufnahme. Die nochmalige Ladung der Zeugin A. K. für den Fall weiterer Fragen der Verteidigung wurde zugesagt.

15. Am zwölften Hauptverhandlungstag, dem 18.08.2020, erschien nach Aufruf der Sache Rechtsanwalt R., Rechtsanwalt Dr. B. erschien zunächst nicht. Rechtsanwalt R. erhob eine „Lümmelrüge“ wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 EMRK, stellte einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende und teilte mit, er werde die Begründung nachreichen, weil der „Krawallstaatsanwalt“ dauernd „reinlümmle“. Dann verließ er unter lautem Türenschlagen um 10.45 Uhr den Sitzungssaal mit der Begründung, dass er so nicht verteidigen könne.

Rechtsanwältin B. hatte um 11.48 Uhr per Fax mitteilen lassen, sie könne erst um 13.30 Uhr erscheinen und bitte darum, die Verhandlung zu unterbrechen und sie über den Verlauf der Hauptverhandlung seit der Niederlegung des Wahlmandats zu informieren. Nach der Mittagspause, um 13.38 Uhr, waren sodann Rechtsanwalt R., der Beschwerdeführer und Rechtsanwältin B. als kammerbestellte Vertreterin für Rechtsanwalt M. anwesend. Die Vorsitzende wies Rechtsanwalt R. mehrfach darauf hin, er sei bereits mehrfach durch Husten aufgefallen und möge es aufgrund der pandemiebedingten Ansteckungsgefahr unterlassen, ungebeten an den Richtertisch vorzutreten, was Rechtsanwalt R. mit „ein Musterbeispiel von fürchterlicher Asozialität“ kommentierte.

Sodann wurde die Sitzung um 13.48 Uhr von der Vorsitzenden unterbrochen, weil Rechtsanwalt R. mit erhobener Hand auf den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zuging und den Sicherheitsabstand nicht einhielt.

Der Beschwerdeführer erschien nach der Mittagspause um 13.38 Uhr und entfernte sich vor 14.10 Uhr wieder.

Rechtsanwalt R. nahm ab 14.05 Uhr wieder an der Hauptverhandlung teil und gab eine Erklärung ab, dass er die Verletzung von Art. 6 EMRK rüge. Es herrsche in diesem Gericht ein unerträgliches Maß an Asozialität, es sei schlimmer als am Volksgerichtshof. Aufgrund des Gebrülle des Staatsanwaltes müsse er an das Richterpult vortreten, um sich Gehör zu verschaffen. Er sei ohne Grund von den Justizwachtmeistern angegriffen worden, ein Vorkommnis, wie es selbst aus NS-Zeiten nicht überliefert sei. Ferner bezeichnete er den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft als „Asozialen“ und sagte der Vorsitzenden, sie solle den Mund halten und sich ihre Heuchelei sparen.

Die Kammer beschloss sodann die Beiordnung von Rechtsanwalt M. als Pflichtverteidiger und verkündigte diese kurz vor 14.20 Uhr. Anschließend wurde die Sitzung bis 15.30 Uhr unterbrochen. Bei Fortsetzung der Sitzung um 15.30 Uhr war nur noch Rechtsanwältin B. anwesend. Sie bestätigte durch Nicken, die bestellte Vertreterin von Rechtsanwalt M. zu sein. Der Beiordnungsbeschluss wurde nochmals verkündet, diverse Urkunden kamen zur Verlesung. Besondere weitere Vorkommnisse, insbesondere die zwangsweise Entfernung des Rechtsanwalts R. aus dem Sitzungssaal, sind im Protokoll nicht festgehalten.

16. Noch am 18.08.2020 lehnte der Beschwerdeführer die Vorsitzende schriftsätzlich wegen Befangenheit ab. Auf seine Ausführungen im Einzelnen wird Bezug genommen.

17. Rechtsanwalt M. beantragte am 19.08.2020 Akteneinsicht, welche am selben Tag gewährt und am 25.08.2020 genommen wurde. Die Einsicht in die Videovernehmung der Zeugin M. K. wurde am 19.08.2020 für 21.08.2020 angeboten.

18. Am 25.08.2020 fragte die Vorsitzende die Verfügbarkeit der Verteidiger ab der 42. KW an. Rechtsanwalt M. teilte am 27.08.2020 mit, dass er an folgenden Tagen Zeit habe: 19.10., 21.10., 23.10., 30.10., 04.12., 07.12. 08.12., 09.12., 16.12., 18.12. und 22.12.2020 (Bl. 1283). Der Beschwerdeführer teilte ebenfalls am 27.08.2020 mit, dass er am 19.10., 21.10., 23.10. ab Mittag, 30.10., 09.11., 16.11., 30.11., 14.12., 15.12., 17.12. und 18.12. ab Mittag verfügbar sei (Bl. 1284). Rechtsanwalt R. teilte keine Verfügbarkeiten mit.

19. Am 14.09.2020 teilte Rechtsanwalt M. mit, das er eine eindeutige Klarstellung der Pflichtverteidigerbestellung beantrage, da ihm ein entsprechender Beschluss bislang nicht vorliege und Rechtsanwältin B. aufgrund der Vorkommnisse im Termin vom 18.08.2020 hierzu keine gesicherten Angaben machen könne. Der Beschwerdeführer teilte am 14.09.2020 mit, dass er sich bis zur Klärung der Vorfälle vom 18.08.2020 nicht in der Lage sehe zu verteidigen.

20. Der Termin 15.09.2020 wurde am 14.09.20202 wegen Verhinderung der Vorsitzenden abgesetzt. Es erging feststellender Beschluss, dass die Unterbrechungsfrist gemäß § 10 Abs. 1 EGStPO gehemmt ist.

Mit Beschluss vom 16.09.2020 stellte die Kammer fest, dass die am 14.09.2020 festgestellte Hemmung der Unterbrechungsfrist gemäß § 10 Abs. 1 EGStPO am 16.09.2020 endete. Rechtsanwalt M. bat mit Schreiben vom 16.09.2020 erneut um Klarstellung seiner Bestellung als Pflichtverteidiger. Ebenfalls am 16.09.2020 beantragte die Staatsanwaltschaft München I die Beiordnung eines (weiteren) Pflichtverteidigers, da aufgrund der Ausführungen von Rechtsanwalt M. vom 14.09.2020 die Verteidigung durch diesen nicht gesichert sei.

Die Verteidiger erhielten mit Fax vom 21.09.2020, 06.22 Uhr bzw. 6.25 Uhr Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Antrag bis 22.09.2020, 12.00 Uhr. Der Beschwerdeführer teilte mit Fax vom selben Tag mit, er verstehe den Antrag nicht. Er habe seine Verhinderungen für 11.08. und 18.08.2020 rechtzeitig vorab mitgeteilt und seine Pflichten als Verteidiger stets erfüllt. Der Angeklagte wolle keinen weiteren Pflichtverteidiger, benenne aber für den Fall einer Beiordnung Rechtsanwalt E.

21. Am 22.09.2020 wurde der Angeklagte telefonisch zum Antrag auf Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers angehört. Mit Fax vom 22.09.20202 erhielt Rechtsanwalt M. einen Auszug aus dem Protokoll vom 18.08.2020, in dem der Beiordnungsbeschluss protokolliert ist. Rechtsanwältin B. teilte mit, dass sie aufgrund des Geschreis und der turbulenten Abläufe im Sitzungssaal sowie des Sichzuspitzens und schließlich völligen Eskalierens der Situation, als Rechtsanwalt R. zu Boden gebracht worden sei, keine genaue Erinnerung an die Einzelheiten des 18.08.2020 habe. Sie meine, der verkündete Beschluss habe sich auf Rechtsanwalt Dr. B. bezogen, nicht auf Rechtsanwalt M. Sie habe im übrigen Rechtsanwalt M. ihre Aufzeichnungen aus den vorhergehenden Hauptverhandlungstagen am 14.09.2020 ausgehändigt. Auf ihre Ausführungen wird Bezug genommen. Rechtsanwalt R. teilte am 22.09.2020 mit, nach seiner Erinnerung sei nicht Rechtsanwalt M., sondern Rechtsanwalt Dr. B. als Pflichtverteidiger bestellt worden.

Rechtsanwalt M. bat mit Schreiben vom 21.09.2020, 22.09.2020 und 23.09.2020 erneut um Klarstellung seiner Bestellung als Pflichtverteidiger.

22. Am 23.09.2020 teilte die Kammer allen Verteidigern das für den 28.09.2020 geplante Beweisprogramm mit.

23. Der Beschwerdeführer beantragte am 24.09.2020 die Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt M. Der Beschluss vom 18.08.2020 sei rechtswidrig, weil er keine Begründung enthalte. Rechtsanwalt R. beantragte am 24.09.2020 die Aufhebung des Termins vom 28.09.2020 und Bestimmung eines neuen Termins in der Zeit nach seiner Genesung.

24. Zum nächsten Hauptverhandlungstermin am 28.09.2020 erschien Rechtsanwalt M. als Pflichtverteidiger und verhandelte zur Sache. Als weiterer Fortsetzungstermin wurde in der Hauptverhandlung der 19.10.2020 bestimmt.

25. Am 01.10.2020 vereinbarte die Vorsitzende mit Rechtsanwalt M., der mitteilte, vom 08.11. - 30.11.2020 in Urlaub zu sein, telefonisch weitere Fortsetzungstermine für den 30.11., 14.12., 15.12., 18.12.2020, 07.01., 08.01., 20.01., 22.01., 26.01., 27.01., 28.01. und 29.01.2021. Ebenfalls am 01.10.2020 lehnte Rechtsanwalt M. die Vorsitzende wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Auf die Ausführungen wird Bezug genommen.

26. Am 05.10.2020 wurden alle Verteidiger zum Termin vom 19.10.2020 geladen und es wurde allen Verteidigern mitgeteilt, dass für den Sitzungstag 07.10.2020 die Vernehmung der Zeugin A. K. und die Augenscheinnahme der Videovernehmung des Zeugen K. K. geplant ist. Der Beschwerdeführer teilte mit, dass er verhandlungsunfähig erkrankt sei und beantragte Terminsverlegung.

27. Am 06.10.2020 bat der Beschwerdeführer erneut um Entscheidung über seinen Terminsverlegungsantrag, da er ansonsten eine Vertretung organisieren müsse.

28. Am 07.10.2020 wurden außerhalb der Hauptverhandlung weitere Fortsetzungstermine bestimmt auf 09.11., 16.11., 30.11., 14.12., 15.12., 18.12. und allen Verteidigern mitgeteilt. Eine Ladungsverfügung bzgl. dieser Termine findet sich nicht in der Akte, auch keine entsprechenden Empfangsbekenntnisse der Verteidiger. Zum Hauptverhandlungstermin am 07.10.2020 erschien nur Rechtsanwalt M. und verhandelte zur Sache. Eine Kenntnisnahme an Ladung statt von den weiteren Verhandlungsterminen findet sich im Protokoll nicht.

29. Rechtsanwalt M. bat am 08.10.2020 um Abschriften sämtlicher im Termin vom 07.10.2020 verkündeter Beschlüsse, um das ebenfalls im Termin gestellte Ablehnungsgesuch begründen zu können.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 12.10.2020 Klarstellung, ob über seinen krankheitsbedingten Verlegungsantrag absichtlich oder versehentlich nicht entschieden worden sei und bat um Mitteilung, ob sein Aussetzungsantrag vom 14.09.2020, wiederholt am 24.09. und 25.09.2020, bei Gericht eingegangen sei, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei, sowie warum die weiteren Termine ab 09.11.2020, von denen er Kenntnis habe, und der weitere Verlauf der Beweisaufnahme mit den Wahlverteidigern nicht abgesprochen worden seien. Außerdem bat er erneut um einen mit Gründen versehenen Beschluss über die Beiordnung von Rechtsanwalt M. sowie um 4 Ws 13/21 - Seite 9 - Mitteilung, wie das Gericht mit der am 24.09.2020 erhobenen Rüge der Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter vom 24.09.2020 umzugehen gedenke, und wie mit dem am selben Tag gestellten Ablehnungsgesuch verfahren worden sei.

30. Am 14.10.2020 lehnte der Beschwerdeführer die Vorsitzenden erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

31. Am 15.10.2020 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass seine Unterbrechungsanträge in der Sitzung vom 07.10.2020 zurückgewiesen und die weiteren Termine im Hinblick auf die von ihm am 27.08.2020 mitgeteilten Verfügbarkeiten bestimmt worden waren. Das Ablehnungsgesuch sei an die zuständigen Richter weitergeleitet worden. Eine Abschrift des Beiordnungsbeschlusses habe der Beschwerdeführer bereits erhalten. Bzgl. der weiteren geplanten Beweisaufnahme wurde auf einen im Termin vom 07.10.2020 verkündeten Beschluss verwiesen, mit dem ein Antrag des Pflichtverteidigers auf Aussetzung des Verfahrens abgelehnt worden war.

32. Am 16.10.2020 beantragte der Beschwerdeführer Abschriften aller in der Hauptverhandlung am 07.10.2020 verkündeter Beschlüsse. Eine Entscheidung über diesen Antrag erfolgte nach Aktenlage nicht.

33. Am 19.10.2020 wurde der für diesen Tag geladene Sachverständige R. um 8.30 Uhr abgeladen. Zu Beginn der Hauptverhandlung um 9.30 Uhr war nur Rechtsanwalt M. erschienen, der Beschwerdeführer und Rechtsanwalt R. nicht. Rechtsanwalt M. verhandelte zur Sache. Die Vernehmung der Zeugin A. K. wurde vom Aufruf der Sache um 10.00 Uhr bis zur Entlassung der Zeugin um 12.10 Uhr fortgesetzt. Ausweislich des Protokolls machte der Pflichtverteidiger M. auch von seinem Fragerecht Gebrauch. Die Kammer erließ sodann folgenden Beschluss: „I. Die Hauptverhandlungstermine 9.11.2020 und 16.11.2020 werden auf Antrag des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt M. abgesetzt. Der Pflichtverteidiger ist an den beiden Sitzungstagen urlaubsbedingt verhindert.

II. Die Hauptverhandlung wird ausgesetzt.

Die Aussetzung der Hauptverhandlung ist notwendig, da diese nicht innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO fortgesetzt werden kann. Eine Fortführung des Verfahrens ohne den Pflichtverteidiger würde das Recht des Angeklagten auf wirkungsvolle Verteidigung verletzen. Der Wahlverteidiger Rechtsanwalt R. ist ausweislich des Attests des Dr. med. T. Sch, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie für voraussichtlich zwei Monate verhandlungsunfähig erkrankt. Der weitere Wahlverteidiger Dr. B. hat an den letzten beiden und dem heutigen Verhandlungstag nicht, am Verhandlungstag 18.8.2020 nur in Teilen teilgenommen. Er hat schriftsätzlich erklärt, an der Hauptverhandlung bis zu einer Aufklärung der Vorkommnisse in der Hauptverhandlung vom 18.08.2020 nicht teilzunehmen. Eine Fortführung des Verfahrens an den anberaumten Sitzungstagen 8.11.2020 und 16.11.2020 mit dem Wahlverteidiger Dr. B. erscheint unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht angezeigt. Hat der Angeklagte mehrere Verteidiger, so genügt bei notwendiger Verteidigung zwar grundsätzlich die Anwesenheit eines von ihnen. Vor dem Hintergrund, dass eine Zusammenarbeit mit dem Pflichtverteidiger durch beide Wahlverteidiger ausdrücklich abgelehnt wurde, hat der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt M. jedoch bereits eine Wiederholung der bisher durchgeführten Beweisaufnahme beantragt. Zudem war bei der Einvernahme der Zeugin A. K., welche in der vorliegenden AussagegegenAussage Konstellation nicht unerhebliche Bedeutung hat, alleine der Pflichtverteidiger zugegen. Nach alledem steht zudem fest, dass das Verfahren bis zum Ausscheiden der Vorsitzenden aus der Kammer wegen ihres Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht durch Urteil abgeschlossen werden kann, so dass die Hauptverhandlung neu zu beginnen hat. Hierbei wird die erneute Hauptverhandlung unter Beibehaltung der bereits festgesetzten Verhandlungstermine bis zum Jahresende am 30.11.2020 begonnen werden. Eine Terminierungsverfügung wird unverzüglich ergehen. Entsprechende Terminsanfragen für weitere Termine sind bereits erfolgt.“

34. Mit Beschluss vom 18.11.2020 erlegte die Kammer dem Beschwerdeführer und Rechtsanwalt R. samtverbindlich die durch die Aussetzung verursachten Kosten auf. Auf die Gründe wird Bezug genommen. Der Beschluss ist unterzeichnet von der Vorsitzenden Richterin B., der Richterin H. und dem Richter E.

35. Ab 19.11.2020 befand sich die Vorsitzende in der Freistellungsphase der Altersteilzeit.

36. Mit Schreiben vom 01.12.2020 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Beschlusses vom 18.11.2020 und Wiedereinsetzung in den Stand vor dessen Erlass. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

37. Die Kammer legte den Antrag als Beschwerde aus, der sie mit Beschluss vom 12.02.2021, den Verteidigern und dem Angeklagten formlos mitgeteilt am 16.02.2021, nicht abhalf. Mit Schreiben vom 21.02.2021 zeigte Rechtsanwalt Dr. G. die Vertretung des Beschwerdeführers an und machte Ausführungen zur Begründetheit der Beschwerde, auf die Bezug genommen wird.

38. Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragte mit Vorlageschreiben vom 08.04.2021 die Verwerfung der Beschwerde als unbegründet.

39. Mit Schreiben vom 10.02.2022 wurde den betroffenen Verfahrensbeteiligten Rechtsanwalt R. und dem Angeklagten rechtliches Gehör zum Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers und dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gewährt. Der Angeklagte äußerte sich nicht. Rechtsanwältin G. nahm als Vertreterin von Rechtsanwalt R. mit Schriftsatz vom 02.05.2022 Stellung. Auf die Ausführungen wird Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde von Rechtsanwalt Dr. B. ist zulässig und begründet.

1. Gegen die Auferlegung der Kosten des Verfahrens gemäß § 145 Abs. 4 StPO ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO die Beschwerde statthaft. Das als Antrag auf Aufhebung bezeichnete Schreiben des Beschwerdeführers vom 01.12.2020 zielt auf die Beseitigung des als rechtsfehlerhaft angesehenen Beschlusses ab und war daher als Beschwerde auszulegen.

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert (§ 304 Abs. 3 StPO) überschritten und die Schriftform (§ 306 Abs. 1 StPO) gewahrt.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers iSv § 145 Abs. 1 StPO nicht festgestellt werden konnte.

a) Der Beschwerdeführer ist im Termin vom 19.10.2020 zwar ausgeblieben, weil er trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschien, jedoch war der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt M. anwesend. Dieser war entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Ansicht auch zur Verteidigung bereit und in der Lage. Er machte von seinem Fragerecht im Rahmen der fortgesetzten Vernehmung der Zeugin A. K. Gebrauch und verhandelte über mehrere Stunden zur Sache. Da er an den vorhergehenden Verhandlungstagen, insbesondere zB. am 07.10.2020, ebenfalls zur Sache verhandelt und die Kammer den Angeklagten als ausreichend verteidigt angesehen hatte, musste der Beschwerdeführer auch nicht davon ausgehen, dass der Pflichtverteidiger die Verteidigung am 19.10.2020 nicht mehr sachgerecht würde wahrnehmen können. Ein Fall von § 145 Abs. 1 StPO lag daher am 19.10.2020 nicht vor (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage 2022, § 145 Rn 5).

Zum Termin 09.11.2020 war der Beschwerdeführer nach Aktenlage nicht ordnungsgemäß geladen, was bereits einem schuldhaften Ausbleiben entgegensteht. Ein solches war aber auch deshalb nicht möglich, weil der Termin bereits am 19.10.2020 auf Antrag des Pflichtverteidigers abgesetzt worden war. Dieser hatte für den 09.11. und 16.11. Verhinderung angezeigt und die Kammer eine Verhandlung mit dem Beschwerdeführer ausweislich des Aussetzungsbeschlusses nicht für angezeigt gehalten. Ein Ausbleiben in einem abgesetzten Termin ist schon begrifflich nicht möglich.

Die Kammer durfte auch nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer den Hauptverhandlungsterminen im Falle deren Nichtabsetzung vom 09.11. und 16.11. fernbleiben würde, denn er hatte bereits am 27.08.2020 angezeigt, an diesen Tagen verfügbar zu sein und auch später keine Verhinderung mitgeteilt. Seine Mitteilung vom 14.09.2020, vor einer Klärung der angeblichen Vorkommnisse vom 18.08.2020, namentlich der verhaltensbedingten zwangsweisen Entfernung des Rechtsanwalts R. aus dem Sitzungssaal, nicht weiter an der Hauptverhandlung teilnehmen zu können oder zu wollen, war dadurch überholt, dass er am 06.10.2020 aufgrund einer krankheitsbedingten Verhinderung Verlegung des Hauptverhandlungstermins vom 07.10.2020 beantragte, woraus zu schließen ist, dass er an diesem Termin teilnehmen wollte, obwohl eine Klärung der fraglichen Ereignisse noch nicht erfolgt war. Die Kammer konnte daher jedenfalls nicht ohne entsprechende Nachfrage, ob der Beschwerdeführer bereit ist, am 09.11.2020 an der Hauptverhandlung teilzunehmen, davon ausgehen, dass dies nicht der Fall sein würde.

b) Der Beschwerdeführer hat sich auch nicht zur Unzeit aus der Hauptverhandlung entfernt. Unter einem unzeitigen Entfernen ist das vorzeitige Verlassen der Hauptverhandlung zu verstehen, obwohl wesentliche Teil noch bevorstehen. Ein solches fand nach Aktenlage nicht statt.

c) Schließlich hat der Beschwerdeführer auch nicht die Verteidigung verweigert. Eine solche Verweigerung wäre darin zu sehen, dass der Verteidiger untätig bleibt, obwohl er zu einer sachgerechten Verteidigung tätig werden müsste (vgl. Beulke in Satzger, Schluckebier, Widmaier, StPO, 3. Auflage, § 145 Rn. 8). Es kann vorliegend dahinstehen, ob die vom Beschwerdeführer entfalteten Tätigkeiten als sachgerechte Verteidigung angesehen werden können, denn er ist jedenfalls nicht untätig geblieben, wo er zu handeln verpflichtet gewesen wäre.

d) Der Senat konnte ferner offenlassen, ob § 145 Abs. 4 StPO - wie vom Landgericht angenommen - auf andere als die in § 145 Abs. 1 StPO genannten Fälle, insbesondere solche der Konflikt- und Krawallverteidigung, analog anwendbar ist (a.A. die wohl h.M., vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, § 145 Rn 17; KKStPO/Willnow, 8. Aufl. 2019, StPO § 145 Rn. 12). Zwar kann das Verhalten des Rechtsanwalts R. angesichts der Vielzahl der persönlichen Angriffe auf die Richter und die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, der unzähligen Beleidigungen dieser Personen, der demonstrativen Respektlosigkeit gegenüber der Justiz im Allgemeinen und der Kammer im Besonderen sowie seines in der Gesamtschau einem Organ der Rechtspflege unwürdigen Benehmens zwanglos als Krawallverteidigung qualifiziert werden. Auch hatte Rechtsanwalt R. bereits am ersten Verhandlungstag ausdrücklich mitgeteilt, dass das Verfahren lange und zwar mindestens bis zur Pensionierung der Vorsitzenden dauern werde und war jedenfalls sein Verteidigungsverhalten erkennbar darauf gerichtet, den Verfahrensfortgang zu behindern und eine Beendigung des Verfahrens vor dem Eintritt der Vorsitzenden in die Freistellung der Altersteilzeit zu verhindern. Dieses Verhalten von Rechtsanwalt R. kann dem Beschwerdeführer jedoch nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, die der Senat vorliegend nicht feststellen konnte, zugerechnet werden.

3. Die vorstehende Entscheidung erstreckt sich nicht auf Rechtsanwalt R. Dieser hat den Beschluss vom 18.11.2020 nicht angefochten. Die dort getroffene Kostenentscheidung ist grundsätzlich trennbar, sodass auch die Beschwerdeentscheidung keiner Erstreckung bedarf (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26.01.1973 - 4 Ws 304/72, MDR 1973, 1042).

Eine analoge Anwendung des § 357 StPO scheidet aus (vgl. Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 357).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.


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