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Entscheidungen

StPO

Terminsverlegung, Rechtsmittel, Zulässigkeit, abgestimmter Termin

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.12.2022 - 4 Ws 379/22

Eigener Leitsatz:

Auf die Beschwerde überprüft das Beschwerdegericht die Terminierung des Vorsitzenden nur darauf, ob die Verteidigung im Vorfeld ausreichend beteiligt wurde und ob der Vorsitzende sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Die Zweckmäßigkeit der Terminsbestimmung einschließlich der Möglichkeit einer anderen Terminsplanung und Terminierung ist der Nachprüfung des Beschwerdegerichts entzogen.


4 Ws 379/22

SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT

BESCHLUSS

In der Strafsache

gegen pp.

wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (hier: Ablehnung der Aufhebung eines Hauptverhandlungstermins)

Verteidiger: Dr. Lars Nozar, Saarbrücken

hat der 4. Strafsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 14. Dezember 2022 durch die Richterin am Oberlandesgericht pp, den Richter am Oberlandesgericht pp.. den Richter am Landgericht pp. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde des Angeklagten vom 02. Dezember 2022 gegen die Verfügung des Vorsitzenden der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 01. Dezember 2022 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Gegen den Angeklagten und drei weitere Mitangeklagte hat die Staatsanwaltschaft Saarbrücken am 21. Oktober 2022 Anklage wegen verschiedener Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz erhoben. Der Angeklagte selbst ist wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angeklagt. Zwei seiner Mit-angeklagten befinden sich seit dem 01. Juli 2022 in Untersuchungshaft, der Haftbefehl gegen die dritte Mitangeklagte wurde durch Beschluss des Amtsgerichts St. Ingbert vom 22. September 2022 außer Vollzug gesetzt. Die Angeklagten werden durch insgesamt sechs Verteidiger verteidigt. Für den Angeklagten hat sich am 27. Oktober 2022 Rechtsanwalt pp. als Wahlverteidiger bestellt. Durch Beschluss vom 31. Oktober 2022 ist dessen Beiordnung als Pflichtverteidiger erfolgt.

Mit Verfügung vom 31. Oktober 2022 hat der Vorsitzende der 4. Großen Strafkammer sämtliche Verteidiger über das elektronische Anwaltspostfach über die in Betracht kommenden Hauptverhandlungstermine informiert und um Mitteilung etwaiger Terminsverhinderungen binnen zwei Tagen gebeten. Der Verteidiger des Angeklagten hat die ihm möglichen Hauptverhandlungstermine – darunter den 20. Januar 2023 – mit Schreiben vom 08. November 2022 mitgeteilt. Mit Verfügung vom selben Tag hat der Vorsitzende der 4. Großen Strafkammer Hauptverhandlungstermine für den 04. Januar 2023, 05. Januar 2023, 20. Januar 2023, 01. Februar 2023 und 07. Februar 2023 festgelegt und die Verteidiger hierüber noch am selben Tag in Kenntnis gesetzt.

Nach der am 30. November 2022 erfolgten Eröffnung des Hauptverfahrens und Ladung der Verfahrensbeteiligten zu den Hauptverhandlungsterminen hat der Verteidiger des Angeklagten die Aufhebung des für den 20. Januar 2023 bestimmten Hauptverhandlungstermins beantragt. Zur Begründung hat er mitgeteilt, zwischenzeitlich sei in anderer Sache mit dem zuständigen Richter des Amtsgerichts Saarbrücken ein Hauptverhandlungstermin für diesen Tag abgesprochen worden. Die Ladung zu diesem Termin habe er am 21. November 2022 erhalten.

Mit Schreiben vom 01. Dezember 2022 hat der Kammervorsitzende eine Aufhebung des Verhandlungstermins unter Hinweis darauf abgelehnt, dass in dem umfangreichen Verfahren mit insgesamt sechs Verteidigern die Hauptverhandlungstermine im Vorfeld abgesprochen worden seien.

Gegen die Ablehnung der Verlegung des Termins hat der Verteidiger des Angeklagten am 02. Dezember 2022 ein unbenanntes Rechtsmittel eingelegt. Das Landgericht hat das Rechtsmittel als Beschwerde ausgelegt, der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Gründe der Nichtabhilfe hat der Kammervorsitzende in einem Vermerk aktenkundig gemacht. Der Vermerk wurde dem Verteidiger durch den Senat zur Kenntnisnahme und mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt. Eine Stellungnahme ist durch Schriftsätze vom 12. Dezember 2022 erfolgt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde des Angeklagten als unzulässig zu verwerfen.

II.

Nachdem Verfügungen des Vorsitzenden grundsätzlich im Wege der (einfachen) Beschwerde anfechtbar sind (§ 304 Abs. 1 StPO), legt auch der Senat das unbenannte Rechtsmittel des Verteidigers als solche aus (§ 300 StPO). Die Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Zwar unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, nach § 305 Satz 1 StPO nicht der Beschwerde, wobei § 305 Satz 1 StPO auch eine Anfechtung von Entscheidungen des Vorsitzenden ausschließt (Beschlüsse des 1. Strafsenats vom 21. Mai 2015 – 1 Ws 80/15 – und vom 21. Januar 2021 – 1 Ws 12/21 –; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 305 Rdnr. 4 m.w.N.). Nach Sinn und Zweck des § 305 Satz 1 StPO gilt dies jedoch nur für Entscheidungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (Beschlüsse des 1. Strafsenats vom 20. März 2015 – 1 Ws 46/15 bis 1 Ws 50/15 – und vom 21. Mai 2015 – 1 Ws 80/15 –; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. m.w.N.). Demgemäß ist auch die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung zwar grundsätzlich gemäß § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen (Beschlüsse des 1. Strafsenats vom 21. Mai 2015 – 1 Ws 80/15 – und vom 21. Januar 2021 – 1 Ws 12/21; Senatsbeschluss vom 08. Dezember 2021 – 4 Ws 22/21 –). Statthaft ist sie jedoch ausnahmsweise dann, wenn diese Entscheidung eine über die bloße Ablehnung hinausgehende selbständige prozessuale Bedeutung entfaltet (Beschluss des 1. Strafsenats vom 21. Mai 2015 – 1 Ws 80/15 –), was insbesondere dann der Fall ist, wenn sie für den Angeklagten eine besondere selbständige Beschwer beinhaltet, etwa weil hierdurch sein Recht, sich von einem Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen, berührt wird (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. Juli 2021 – 3 Ws 416/21 –, juris; Beschluss des 1. Strafsenats a.a.O. m.w.N.).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Beschwerde vorliegend als zulässig, da der – ursprünglich als Wahlverteidiger bestellte – Pflichtverteidiger geltend macht, am 20. Januar 2023 an der Wahrnehmung des Termins vor der 4. Großen Strafkammer aufgrund eines kollidierenden Termins vor dem Amtsgericht Saarbrücken gehindert zu sein (vgl. auch Beschluss des 1. Strafsenats a.a.O.).

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

a) Nach § 213 Abs. 1 StPO wird der Termin zur Hauptverhandlung von dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichts anberaumt. Für wann Termin bestimmt wird, entscheidet er nach pflichtgemäßem Ermessen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; § 213 Rdnr. 6; KK-StPO/Schneider/Gmel, StPO, 8. Aufl., § 213 Rdnr. 1; Löwe-Rosenberg/Jäger, StPO, § 213 Rdnr. 10). Im Falle der Verhinderung des Verteidigers kann die Terminbestimmung ermessensfehlerhaft sein, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass der Verteidiger das Mandat wegen terminlicher Verhinderung nicht wahrnehmen kann, weil er keinen Einfluss auf die Terminwahl nehmen konnte (Löwe-Rosenberg/Jäger a.a.O.). Umgekehrt kann und darf die Terminlage von Verteidigern in Haftsachen nur insoweit Berücksichtigung finden, wie dies nicht zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führt (BGH StV 2006, 680; KG Berlin, Beschluss vom 25. November 2016 – (4) 161 HEs 31/16 (30 - 34/16) –, juris; Löwe-Rosenberg/Jäger, a.a.O., § 213 Rdnr. 18 m.w.N.). Die Terminbestimmung erfolgt im Regelfall alsbald nach Eröffnung des Hauptverfahrens; Terminabsprachen können jedoch auch bereits vorher vorbehaltlich der Anklagezulassung erfolgen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 213 Rdnr. 6). Über Terminverlegungsanträge entscheidet der Vorsitzende unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung, welchem in Haftsachen besonderes Gewicht zukommt, und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten, zu denen auch das Interesse eines Angeklagten gehört, als Ausfluss des Rechts auf ein faires Verfahren und auf eine wirksame Verteidigung durch einen Verteidiger seiner Wahl vertreten zu werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 StR 415/17 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 02. Februar 2015 – III-5 Ws 36/15 –, juris; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 213 Rdnr. 7 m.w.N.; Löwe-Rosenberg/Jäger, a.a.O., § 213 Rdnr. 17 m.w.N.).

b) Die Terminierung überprüft das Beschwerdegericht nur darauf, ob die Verteidigung im Vorfeld ausreichend beteiligt wurde und ob der Vorsitzende sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (OLG Frankfurt a.a.O.; Löwe-Rosenberg/Jäger, a.a.O., § 213 Rdnr. 18). Die Zweckmäßigkeit der Terminsbestimmung einschließlich der Möglichkeit einer anderen Terminsplanung und Terminierung ist der Nachprüfung des Beschwerdegerichts entzogen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 213 Rdnr. 8 m.w.N.; Löwe-Rosen-berg/StPO, a.a.O., § 213 Rdnr. 8 m.w.N.).

c) Unter Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

(1) Der Kammervorsitzende hat den Hauptverhandlungstermin vom 20. Januar 2023 erst anberaumt, nachdem der Verteidiger des Angeklagten ausdrücklich erklärt hatte, an diesem Tag zur Verfügung zu stehen. Die verbindliche Festlegung der Hauptverhandlungstermine erfolgte in zulässiger Weise bereits vor der Eröffnung des Hauptverfahrens durch Schreiben des Vorsitzenden vom 08. November 2022, und nicht – wie der Verteidiger meint – erst mit der Zustellung der Terminladungen.

(2) Die Entscheidung über die Ablehnung des Antrags des Verteidigers, den Termin vom 20. Januar 2023 zu verlegen, weist keine Ermessensfehler auf. Gegenstand der Prüfung des Beschwerdegerichts ist diesbezüglich die Verfügung des Vorsitzenden vom 01. Dezember 2022 in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung der Kammer vom 02. Dezember 2022, da diese mit der Ausgangsentscheidung verfahrensrechtlich eine Einheit bildet und sie ergänzend begründen kann (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2016, 383; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – III-5 Ws 578/17 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 306 Rdnr. 8). Die Strafkammer hat im Rahmen ihrer Entscheidung insbesondere nicht verkannt, dass ihr hinsichtlich der Frage einer etwaigen Verlegung des Termins vom 20. Januar 2023 ein Ermessensspielraum zustand, sondern ausdrücklich noch im Nichtabhilfeverfahren ein mögliches Abrücken von der Entscheidung des Vorsitzenden erwogen. Das Interesse des Angeklagten, auch im Termin vom 20. Januar 2023 von einem Verteidiger seiner Wahl vertreten zu werden, hat der Vorsitzende bereits in der Abstimmung des Termins mit dem Verteidiger in der gebotenen Weise berücksichtigt, also erkennbar nicht aus dem Blick verloren, jedoch in der gebotenen Weise zugleich die – hier angesichts der sich bereits über einen Zeitraum von nahezu sechs Monaten erstreckenden Inhaftierung gewichtigen (vgl. BVerfG NJW 2006, 672, 676; BGH NStZ 2007, 163; OLG Hamm, Beschluss vom 6. November 2012 – III-5 Ws 333/12 –, juris) – Interessen zweier Mitangeklagter an einer beschleunigten Verfahrensgestaltung in seine Erwägungen eingestellt. Soweit der Verteidiger meint, im Rahmen der getroffenen Entscheidung sei nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt worden, dass eine Ladung zu dem kollidierenden amtsgerichtlichen Termin bereits vor der in vorliegendem Verfahren erfolgt sei, vermag der Senat dem bereits deshalb nicht zu folgen, weil die Bestimmung der Hauptverhandlungstermine durch den Vorsitzenden der 4. Strafkammer bereits durch Schreiben vom 08. November 2022 erfolgt war, also bevor den Verteidiger am 21. November 2022 die amtsgerichtliche Ladung erreicht hat. Soweit der Verteidiger geltend macht, ihm sei nicht zuzumuten, Termine vorsorglich zu blockieren, liegt ein solcher Fall angesichts der verbindlichen Terminabsprache nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RA Dr. L. Nozar, Saarbrücken

Anmerkung:


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