Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Oldenburg, Beschl. v. 06.12.2022 - 3 Qs 409/22

Eigener Leitsatz:

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Abschluss des Verfahrens ist nicht zulässig.


Landgericht Oldenburg

Beschluss

3 Qs 409/22

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger:
Rechtsanwalt

wegen Bedrohung

hat das Landgericht - 3. Große Strafkammer - Oldenburg durch die unterzeichnenden Richter am 06.12.2022 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des ehemaligen Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 04.11.2022 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der frühere Beschuldigte wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung der Bestellung seines Verteidigers als Pflichtverteidiger. Gegen den Beschuldigten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Bedrohung geführt, weil er am 16.09.2022 in der Mc Donald´s Filiale in der Friesenstraße 1 in Vechta Mitarbeitern gedroht haben soll, sie zu töten. Mit Verfügung vom 01.11.2022 wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO von der Staatsanwaltschaft eingestellt und die Akten dem Amtsgericht zur Entscheidung über den bereits mit Schriftsatz vom 05.10.2022 gestellten Antrag des Beschuldigten auf Beiordnung seines Verteidigers als Pflichtverteidiger vorgelegt.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Beiordnung des Verteidigers des Angeschuldigten als Pflichtverteidiger im Hinblick auf die erfolgte Einstellung des Verfahrens abgelehnt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde, auf deren Begründung verwiesen wird. Die Staatsanwaltschaft ist gehört worden.

II.

Die gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels ist unter anderem das Vorliegen einer Beschwer des Beschwerdeführers (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., Vor § 296, Rn. 8 m.w.N.). Eine Beschwer liegt nur vor, wenn die ergangene (oder abgelehnte) Entscheidung einen unmittelbaren Nachteil für den Betroffenen enthält, seine Rechte und geschützten Interessen eine unmittelbare Beeinträchtigung erfahren haben und wenn die Beseitigung einer fehlsamen Erwägung dem Beschwerdeführer die Aussicht auf eine andere, ihm günstigere Entscheidung eröffnet (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 09.03.2006 - 5 Ws 563/05 -, BeckRS 2006 3283, m.w.N.). Daran fehlt es hier, da das Verfahren vor Einlegung der sofortigen Beschwerde durch die Einstellung gemäß § 153 Abs. 1 StPO beendet worden ist, weil der Verteidiger nach dieser Einstellung nicht weiter tätig werden muss.

Eine rückwirkende Beiordnung ist nicht zulässig. Dabei hat die Kammer in den Blick genommen, dass der ehemalige Beschuldigte den Antrag bereits vor der Verfahrenseinstellung gestellt hatte. Denn die Beiordnung nach den §§ 140, 141 StPO erfolgt nicht im Kosteninteresse des Betroffenen, sondern dient allein dem im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, in schwerwiegenden Fällen eine ordnungsgemäße Verteidigung des nicht genügend rechtskundigen Beschuldigten/Angeklagten in einem noch ausstehenden oder noch anhängigen Verfahren zu sichern und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten. Dies kann durch eine nachträgliche Bestellung nicht mehr erreicht werden. Diese würde ausschließlich dem verfahrensfremden Zweck dienen, dem Verteidiger für einen bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Nur wenn das Verfahren, für das der Rechtsanwalt beigeordnet werden soll, noch nicht beendet ist, ist eine für den Beschuldigten wirkende Tätigkeit eines Verteidigers denkbar. Wenn das Verfahren abgeschlossen ist, scheidet eine dem Zweck der Pflichtverteidigung entsprechende Tätigkeit denknotwendig aus (vgl. BGH, Beschluss vom 20.07.2009 - 1 StR 344/08 -, NStZ-RR 2009, 348; OLG Bamberg NJW 2007, 3796, m.w.N; OLG Hamm, Beschluss vom 24.10.2012 - III -3 Ws 215/12 -, juris, m.w.N).).

Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch in den Fällen, in denen nicht vor dem Abschluss des Verfahrens über einen bereits gestellten Beiordnungsantrag oder eine bereits eingelegte Beschwerde gegen die erfolgte Ablehnung entschieden wurde (a.A.: LG Bremen, Beschluss vom 12.01.2004 - 27 Qs 197/03 - StV 2004, 126; LG Hamburg, Beschluss vom 19.01.2005 - 624 Qs 4/05 -, StV 2005, 207; LG Stuttgart, Beschluss vom 18.07.2008 - 7 Qs 64/08 -, StRR 2009, 226). Der Verteidiger hat seine Leistung als Wahlverteidiger erbracht. Die mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger einsetzende öffentlich-rechtliche Pflicht zum Tätigwerden kann er nach Abschluss des Verfahrens nicht mehr erfüllen. Auch dient die Beiordnung eines Verteidigers - anders als im Zivilrecht, wo eine rückwirkende Beiordnung und auch Bewilligung von Prozesskostenhilfe möglich ist - nicht dem Ausgleich der Mittellosigkeit des Angeklagten (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; KG, a.a.O.). Schließlich greift auch das Argument, der Beschuldigte dürfe nicht für die Verteidigerkosten aufkommen müssen, nicht durch. Denn zu den Verfahrenskosten zählen gemäß § 464a Abs. 1 S. 1 StPO auch die Auslagen der Staatskasse für die Pflichtverteidigergebühren, die bei Verpflichtung zur Kostentragung festgesetzt werden (vgl. KG, a.a.O., m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464a Rn. 1).

Eine nachträgliche rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers kommt nach Dafürhalten der Kammer auch nicht unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 vom 26.10.2016 in Betracht (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 16.09.2020 - 2 Ws 112/20 -, a.A. OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.11.2020 - Ws 962/20 und andeutend Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 142 Rn. 20). Zwar sieht Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie vor, dass Mitgliedsstaaten beschuldigten Personen, die nicht über ausreichende Mittel zur Bezahlung eines Rechtsbeistands verfügen, Anspruch auf Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist, nicht aber, den Beschuldigten nachträglich von Kosten freizustellen oder ihm nach Beendigung eines Verfahrens einen Pflichtverteidiger beizuordnen.

Außerdem steht es nach Art. 4 Abs. 2 der PKH-Richtlinie den Mitgliedsstaaten frei, ob sie eine Bedürftigkeitsprüfung oder eine Prüfung der materiellen Kriterien - nach Art. 4 Abs. 4 sind dies die Schwere der Straftat, die Komplexität des Falles und die Schwere der zu erwartenden Strafe - oder beides vornehmen, um festzustellen, ob Prozesskostenhilfe nach Absatz 1 zu bewilligen ist. Der Gesetzgeber ist bei der Umsetzung der Richtlinie auch davon ausgegangen, dass sie die Beibehaltung des deutschen Systems ermöglicht, nämlich die Prüfung allein anhand des Rechtspflegeinteresses und hat bei der Neuregelung auch keine Bedürftigkeitsprüfung vorgesehen (BT-Drucksache 19/13829 S. 22, 3.a)).

Demzufolge fehlt es dem Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Beiordnung an der erforderlichen Beschwer, weshalb es als unzulässig zu verwerfen war (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 06.12.2018 - 1 Ws 567/18, 1 Ws 571/18 - n.v.; KG, a.a.O.)

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RA S. Böhrnsen, Wildeshausen

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".