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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Braunschweig, Beschl. v. 23.11.2022 - 9 Qs 346/22

Eigener Leitsatz:

Art. 4 Abs.1 der PKH-Richtlinie sieht nicht vor. den Betroffenen in jedem Fall von den Kosten der Verteidigung freizuhalten.


Landgericht Braunschweig

Beschluss

9 Qs 346/22

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:
Rechtsanwalt Werner Siebers, Wolfenbütteler Str. 79, 38102 Braunschweig
wegen Versuchs der Brandstiftung

hier: Sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Beiordnung einer Pflichtverteidigung

hat die 9. große Strafkammer des Landgerichts Braunschweig am 23.11.2022 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 04.11.2022 (7 Gs 2822/22) ist erledigt.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig führte gegen den Beschwerdeführer unter dem Aktenzeichen 202 Js 54388/22 ein Verfahren wegen des Versuchs der Brandstiftung. Zu diesem Verfahren verband sie weitere Verfahren hinzu.

Am 01.10.2022 beantragte die Verteidigung des Beschwerdeführers mittels Schreibens an die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Beiordnung als Pflichtverteidiger.

Mit Verfügung vom 22.10.2022 stellte die Staatsanwaltschaft Braunschweig das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

Mit angefochtenem Beschluss vom 04.11.2022 (7 Gs 2822/22) wies das Amtsgericht Braunschweig den Antrag des Beschwerdeführers zurück. Ein Empfangsbekenntnis der Verteidigung für den Zugang des Beschlusses vom 04.11.2022 liegt nicht vor, die Übersendung des Beschlusses erfolgte am 08.11.2022.

Gegen den vorgenannten Beschluss legte der Beschwerdeführer per Fax seines Verteidigers vom 15.11.2022 — am selben Tage beim Amtsgericht Braunschweig eingegangen — sofortige Beschwerde ein.

Die sofortige Beschwerde ist zwar rechtzeitig eingelegt, aber trotzdem unzulässig.

Die sofortige Beschwerde ist wegen prozessualer Überholung nach ihrer Einlegung gegenstandslos geworden und damit nunmehr mangels Beschwer unzulässig (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 02. März 2021 — 1 Ws 12/21 —, Rn. 8, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 16. September 2020 — 2 Ws 112/20 —. juris; Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 23. September 2020 — 1 Ws 120/20 —. juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. März 2022 — 1 Ws 28/22 (S) juris; a. A. OLG Bamberg, Beschluss vom 29. April 2021 — 1 Ws 260/21 —, juris; bei wesentlicher Verzögerung OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. November 2020 — Ws 962/20 —. juris).

An dieser Rechtslage hat sich auch nach der Reform durch das Gesetz zur Neureglung der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 nichts geändert. Denn mit der Neuregelung, die die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (PKH-Richtlinie) bezweckte, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. dazu 5.20 ff. des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Drucksache 19/13829) gerade kein Systemwechsel verbunden sein. Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzesmaterialen (S. 44 der Drucksache 19/13829) ausdrücklich, dass die sofortige Beschwerde eine fortbestehende Beschwer voraussetzt (OLG Braunschweig a. a. 0. Rn. 10).

Es folgt auch kein anderes Ergebnis aus Art. 4 Abs.1 der PKH-Richtlinie. Die Richtlinie sieht nicht vor. den Betroffenen in jedem Fall von den Kosten der Verteidigung freizuhalten. Nach Art. 4 Abs. 1 haben die Mitgliedstaaten zwar sicherzustellen, dass die von der Richtlinie erfassten Personen über ausreichende Mittel zur Bezahlung eines Rechtsbeistands verfügen. Die Beiordnung bezweckt jedoch den „Zugang zu einem Rechtsanwalt" (Art. 3 der PKH Richtlinie) und setzt deshalb gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie voraus, dass die Bereitstellung finanzieller Mittel "im Interesse der Rechtspflege erforderlich" ist (OLG Braunschweig a. a. 0. Rn. 11).

Ein solches Erfordernis besteht hier gerade nicht mehr, weil das Ermittlungsverfahren durch Einstellung (derzeit) erledigt ist (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 23. September 2020 — 1 Ws 120/20 Rn. 6, juris für den Fall einer vorläufigen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (OLG Braunschweig a. a. 0. Rn. 12).


Einsender: RA W. Siebers, Braunschweig

Anmerkung:


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