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Entscheidungen

StPO

Nebenklage, Nebenklagebeistand, rückwirkende Bestellung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Münster, Beschl. v. 04.11.2022 - 22 Qs-540 Js 2808/20-41/22

Eigener Leitsatz:

Die rückwirkende Bestellung mit der Folge der Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung kommt bei der Nebenklage in Betracht, wenn der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bestellung des Beistandes Erforderliche getan hat, der Antrag aber nicht rechtzeitig beschieden worden ist.


In pp.

hat die 22. Strafkammer des Landgerichts Münster — els13eschwerdekamMer —
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht den Richter am AmtsgerichteMund den Richter am Landgericht am 04.11.2022
beschlossen:

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 15.09.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 07.09.2022 (23 Gs 4398/22) aufgehoben.
Der Beschwerdeführerin wird Frau Rechtsanwältin pp. für das Vorverfahren als 'Beistand bestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Das vorliegende Ermittlungsverfahren ist auf die Strafanzeige der Beschwerdeführerin vom 18.08.2020 eingeleitet worden. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin getätigten Angaben ist gegen die Beschuldigten u. a. wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung ermittelt worden. Die Beschwerdeführerin hatte diesen vorgeworfen, sie nach einer gemeinsamen Feier im November 2019 in einem Kellerraum der Musikhochschule festgehalten und dort - nachdem sich die Beschuldigten selbst ausgezogen hatten - gegen ihren Willen ausgezogen, angefasst, geküsst und schließlich auch mit den Fingern penetriert zu haben.

Mit Schriftsatz vom 03.09.2020 hat Frau Rechtsanwältin pp. die Vertretung der Beschwerdeführerin im Ermittlungsverfahren angezeigt und u. a. beantragt, sie der Beschwerdeführerin bereits im Verfahren vor Erhebung der öffentlichen Klage als Beistand beizuordnen.

Nachdem die Beschwerdeführerin umfangreiche Angaben zur Sache gemacht hatte und die Beschuldigten sowie diverse Zeugen vernommen worden waren, ist das Ermittlungsverfahren mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 08.07.2022 hinsichtlich sämtlicher, Beschuldigter mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden.

In der Folge hat die Vertreterin der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28.07,2022 um Bescheidung ihres Beiordnungsantrags vom 03.09.2020 gebeten, woraufhin das Amtsgericht diesen mit dem angefochtenen Beschluss vom 07.09.2022 mit der Begründung zurückgewiesen hat, eine rückwirkende Beiordnung als Beistand komme nach dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens nicht (mehr). in Betracht.

Hiergegen richtet sich das als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel der Beschwerdeführerin, das der Kammer zur Entscheidung vorgelegt worden ist, nachdem das Amtsgericht diesem mit Beschluss vom 19.09,2022 nicht abgeholfen hat.

II.

Das von der Beschwerdeführerin ausgebrachte und als Beschwerde auszulegende Rechtsmittel ist gemäß :§ 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Nach § 406h Abs. 1 und 3 StPO kann sich, wer nach § 395 StPO zum Anschluss als Nebenkläger befugt ist, auch schon vor Erhebung der öffentlichen Klage des Beistands eines Rechtsanwaltes bedienen, dessen Bestellung sich, nach § 397a StPO richtet.

Zwar ist die Beiordnung eines anwaltlichen Beistands nach dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens grundsätzlich nicht möglich. Zudem entfaltet die Beiordnung in aller Regel keine rückwirkende Kraft. Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt. Eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirkende Beiordnung ist nämlich auch nach dem Verfahrensabschluss noch zulässig, wenn ein ordnungsgemäß angebrachter und zunächst auch begründeter Antrag nicht rechtzeitig beschieden worden ist (vgl. KG, Beschluss vom 07.03.2005 —1 AR 217/05; Meyer-Goßner, StPO, 65. Auflage 2022, § 397a Rdn. 15 m.w.N.).

So liegt der Fall hier.

Denn über den Beiordnungsantrag der Beschwerdeführerin vom 03.09.2020 hätte unverzüglich und damit weit vor dem— erst im Juli 2022 erreichten — Abschluss der Ermittlungen und der daraufhin erfolgten Einstellung des Verfahrens entschieden werden müssen (BeckOK StPO/Weiner, 44. Ed. 1.7.2022, StPO § 406h Rn. 12). Die damit unvereinbare Untätigkeit der mit der Sache befassten Justizbehörden kann nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen, so dass der inzwischen erfolgte Verfahrensabschluss der rückwirkenden Beiordnung nicht entgegensteht.

Da der Anfangsverdacht einer rechtswidrigen Tat nach § 395 Abs. 1 Nr. 1 StPO zum Nachteil der Beschwerdeführerin bestand, der sich — was nicht zwingend erforderlich ist - gegen bestimmte Personen richtete, lagen zudem die Voraussetzungen der Beiordnung zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung vor und dem Antrag hätte seinerzeit entsprochen, werden müssen. Erst die nachfolgenden umfangreichen Ermittlungen führten zur Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts.

Nach alledem kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben und es ist wie erkannt zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO analog.


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Anmerkung:


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