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Entscheidungen

StPO

Durchsuchung, Behörde, Durchsuchungsvoraussetzungen, Behördenprivileg, Herausgabeverlangen

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Osnabrück, Beschl. v. 10.11.2022 – 1 Qs 24/22 u. 1 Qs 48/22

Eigener Leitsatz:

Daher ist die Beschlagnahme von Akten oder anderer in amtlicher Verwahrung befindlicher Schriftstücke - und somit auch die dieser vorgelagerte Durchsuchung behördlicher Räume - grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die betreffende Behörde zuvor vergeblich durch ein mit Gründen versehenes Herausgabeverlangen unter Bezeichnung des verlangten Schriftguts zur Herausgabe aufgefordert wurde. Dies ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Ablehnung sicher zu erwarten oder eine Vernichtung von Beweismitteln zu befürchten ist, was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn Angehörige der betreffenden Behörde selbst als Teilnehmer einer mit den Ermittlungen in Zusammenhang stehenden Straftat verdächtig sind


In pp.

1. Auf die Beschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts Osnabrück vom 10.08.2021 (248 Gs 1639/21) betreffend die Diensträume sowie die Papierarchive und elektronischen Archive, die beim Bundesministerium der Finanzen in B. der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) zugeordnet sind, rechtswidrig gewesen ist.
2. Im Hinblick auf die Beschwerde der Betroffenen gegen die Anordnung des Amtsgerichts Osnabrück vom 09.09.2021 (249 Gs 1125/21, vormals 1 AR 1226/21) zur Beschlagnahme dienstlicher E-Mail-Accounts der Mitarbeiter des Bundesministeriums der Finanzen …, …, …, … und … ist eine Entscheidung der Kammer nicht veranlasst. Insoweit wird die Sache an das Amtsgericht Osnabrück - Ermittlungsrichter - zur Entscheidung zurückgegeben.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der Durchsuchungsanordnung einschließlich der der Beschwerdeführerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse. Im Übrigen ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Os. führt seit dem 23.02.2020 das vorliegende Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt.

Sie wirft Mitarbeitern der seinerzeit in einer eigenen Abteilung des Zollkriminalamts angesiedelten und seit dem 01.05.2021 als Direktion pp. in die Generalzolldirektion integrierten, in ihren Kernaufgaben lediglich der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen unterstellten Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit) vor, entgegen § 32 Abs. 2 Satz 1 GwG Informationen zurückgehalten zu haben, die erkennbar im Zusammenhang mit Straftaten gestanden hätten, wobei noch keine konkreten Mitarbeiter als Beschuldigte eingestuft wurden. Es habe sich im Rahmen eines anderen, gesondert geführten Verfahrens wegen des Verdachts der Geldwäsche herausgestellt, dass der Zentralstelle (im Folgenden: FIU) im Zeitraum von Juni 2018 bis Januar 2020 mehrere Geldwäscheverdachtsmeldungen verschiedener Bankinstitute übermittelt worden seien, deren Inhalte den Strafverfolgungsbehörden nicht bzw. nicht hinreichend bekannt gemacht worden seien. Inhaltlich hätten sich aus den Verdachtsmeldungen Hinweise auf „Eb.Betrug, systematische Geldwäsche und organisierte Kriminalität“ ergeben. Eines der angezeigten Konten sei das einer gesondert verfolgten Beschuldigten aus Osnabrück gewesen, wobei Hinweise auf eine Finanzagententätigkeit dieser Beschuldigten vorgelegen hätten. Die Meldungen seien bei der FIU offenbar intern schlicht abgelegt und nicht bzw. nicht unverzüglich oder nur unvollständig an deutsche Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet worden. Dadurch hätten Ermittlungen gegen Täter und Hinterleute, Finanzagenten und sonstige Beteiligte nicht eingeleitet, Tatbeteiligte nicht identifiziert und Gelder aus Straftaten nicht eingezogen werden können. § 32 Abs. 2 Satz 1 GwG begründe indes eine Pflicht zur Übermittlung der wesentlichen Inhalte sämtlicher Meldungen mit zureichenden Anhaltspunkten für jegliche Straftaten. Einfache Ablagen - etwa in ein Monitoring bzw. einen Informationspool (zur Beobachtung und ohne Weitergabe) - seien auch bei Verfolgung eines sogenannten risikobasierten Ansatzes unzulässig.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht Osnabrück am 07.07.2020 zur „Identifizierung der beteiligten Mitarbeiter der FIU sowie der Aufklärung der Motivationslage für das Absehen von der vorgeschriebenen Übermittlung von Verdachtsmeldungen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden“ gemäß §§ 103, 105 StPO einen Durchsuchungsbeschluss für die Diensträume sowie die Papierarchive und elektronischen Archive der FIU und des - wie seinerzeit angenommen - als IT-Dienstleister der FIU tätigen Informationstechnikzentrums Bund (ITZ Bund). Die Durchsuchungen sollten dem Auffinden und der Beschlagnahme von Beweismitteln dienen, nämlich u. a. „sämtlicher Unterlagen, Korrespondenzen und elektronischer Dateien, die im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen der …, … und … in der Zeit vom 20.06.2018 bis 21.01.2020 stehen; Handlungsanweisungen, Verfügungen, Erlasse und Weisungen, welche Einfluss auf die Vorgangsbearbeitung hatten bzw. haben; Gesprächsprotokolle und Notizen über Dienstbesprechungen, Tagungen und Sitzungen, welche Einfluss auf die Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen hatten bzw. haben“, nebst entsprechenden E-Mail-Postfächern und Datenspeichern.

Der Beschluss wurde am 14.07.2020 in Köln unter Beteiligung mehrerer Staatsanwälte und Polizeibeamter der im vorliegenden Verfahren ermittelnden Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück (im Folgenden: ZKI) umgesetzt. Die Verantwortlichen der FIU kooperierten von Beginn an umfassend mit den Ermittlern, erläuterten diesen insbesondere die Bearbeitungsweise von Verdachtsmeldungen und sagten auch weitere, umfassende Kooperation nach Beendigung des Einsatzes zu. Zahlreiche Stehordner und Hefter wurden ausweislich der dazu angefertigten Niederschrift (Bl. 526-531 Bd. III) sichergestellt und zur Auswertung mitgenommen. Mit Schreiben vom 07.08.2020 (Bl. 537 Bd. III) wurden der ZKI von der FIU absprachegemäß weitere 24 Aktenordner (sogenannte vorgangsbezogene Unterlagen) zur Auswertung übermittelt. Schließlich waren am 14.07.2020 vor Ort in Absprache mit den Verantwortlichen der FIU E-Mail-Postfächer von vier namentlich benannten, leitenden Mitarbeitern nebst allgemeiner und persönlicher Dateiablage gesichert und dort unveränderlich „eingefroren“ worden. Zwischen den Ermittlern und den Verantwortlichen der FIU war abgesprochen, dass diese Daten zu einem späteren Zeitpunkt von der ZKI angefordert werden sollten, weil zunächst die Auswertung der schriftlichen Unterlagen priorisiert wurde.

Mit Schreiben vom 18.09.2020 ersuchte der vormals ermittlungsführende Staatsanwalt den Bundesrechnungshof gemäß § 95 StPO um Herausgabe einer Kopie eines Untersuchungsberichts zur FIU. Der Bundesrechnungshof wies mit Schreiben vom 07.10.2020 darauf hin, das Bundesministerium der Finanzen als geprüfte Stelle unterrichtet und um Stellungnahme gebeten zu haben, ob aus dessen Sicht Bedenken gegen eine Herausgabe im Sinne des § 96 StPO bestünden. Der Bericht des Bundesrechnungshofs vom 11.09.2020 wurde der ZKI schließlich zeitnah übermittelt und ist seither auch Bestandteil der Akten (Scan des SB Recherchen FIU allgemein, CD Bl. 559 Bd. III, dort Bl. 188 ff.).

Die Erkenntnisse aus der Auswertung der unter dem 07.08.2020 übersandten, vorgangsbezogenen Unterlagen fasste die ZKI mit Vermerk vom 03.02.2021 zusammen (Bl. 554 ff. Bd. III), während diejenigen aus der Auswertung der vor Ort sichergestellten schriftlichen Unterlagen (u. a. auch inter- und intraministerieller Korrespondenz zur Praxis des Umgangs mit Verdachtsmeldungen bei der FIU) Eingang in einen gesonderten Vermerk der ZKI vom 18.02.2021 fanden (Bl. 545 ff. Bd. III). Die von der ZKI für wesentlich erachteten Unterlagen wurden in einem „SB Beweismittel (BMO)“ abgelegt, der ebenfalls als Scan zur Hauptakte genommen wurde (CD Bl. 559 Bd. III). Hingewiesen wurde in dem Vermerk vom 18.02.2021 bereits ausdrücklich auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (jetzt: Bundesministerium der Justiz) vom 15.05.2020 an das Bundesministerium der Finanzen, in dem unter Bezugnahme auf die Zusammenarbeit der FIU mit den Strafverfolgungsbehörden der Länder und mit Blick auf den risikobasierten Ansatz der FIU angemahnt wird, eine Meldung an die Strafverfolgungsbehörden gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 GwG müsse auch dann erfolgen, wenn die FIU bei ihrer operativen Analyse zu dem Ergebnis komme, dass ein Vermögensgegenstand zwar nicht mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, wohl aber mit einer sonstigen Straftat im Zusammenhang stehe. Das Schreiben war seither auch Bestandteil der Akten (Scan SB Beweismittel (BMO), CD Bl. 559 Bd. III, dort Bl. 218 ff.).

In dem der Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Würdigung und weitere Veranlassung nebst Akten und Sonderbänden übermittelten Sachstandsbericht der ZKI vom 12.03.2021 (Bl. 560 ff. Bd. III) ist als bisheriges Ermittlungsergebnis festgehalten, dass zur Konkretisierung des Tatvorwurfs noch weitere Ermittlungen erforderlich seien. Die Verantwortlichkeiten der Sachbearbeitungs- und Leitungsebene der FIU seien zu klären. Hinsichtlich der vorgangsbezogenen Unterlagen müssten Arbeitsabläufe (auch) im Zusammenhang mit dem verwendeten Analysetool goAML - eine von der „United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC)“ speziell für FIUs entwickelte Software - noch weiter (gegebenenfalls vor Ort) aufgeklärt werden. Anhand der bisherigen Ermittlungen sei allerdings bereits deutlich geworden, dass in sieben der acht insgesamt betrachteten Einzelfälle Geldwäscheverdachtsmeldungen sehr wahrscheinlich nicht gesetzeskonform bearbeitet worden seien. Bei zwei Vorgängen sei möglicherweise entscheidend mittels einer E-Mail-Verfügung eines leitenden Mitarbeiters der FIU vom 23.03.2018 in die Sachbearbeitung eingegriffen worden (Bl. 554 ff. Bd. III). Beide Vorgänge seien in das sogenannte Monitoring verschoben worden. In einem der Vorgänge sei seitens der Sachbearbeitung eine weitere Verfügung erwähnt, die ihrerseits eine Mail vom 11.02.2019 zum Gegenstand habe. Möglicherweise seien die Verfügungen in den vier bereits vor Ort gesicherten E-Mail-Postfächern der leitenden Mitarbeiter nebst Datenablagen enthalten. Die bislang bei der FIU unveränderlich belassenen elektronischen Daten seien von der ZKI aber noch nicht angefordert und ausgewertet worden. Schließlich ist in dem Sachstandsbericht festgehalten, dass zu klären sei, welche Straftatbestände bei den möglichen Verstößen gegen § 32 Abs. 2 GwG eigentlich in Betracht zu ziehen seien.

Die ersichtlich erbetene nähere, staatsanwaltschaftliche Würdigung zur rechtlichen Einordnung sowie ein Ersuchen an die ZKI, mit der Anforderung und Auswertung der absprachegemäß „eingefrorenen“ Datenbestände bei der FIU - etwa zur Weiterverfolgung der von der ZKI selbst erwogenen Ermittlungsansätze aus diesen Datenbeständen - fortzufahren, erfolgten daraufhin nicht.

Trotz eines per E-Mail vom 27.04.2021 im Blick auf eine personelle Änderung der staatsanwaltschaftlichen Verfahrensführung gegebenen Hinweises des Leiters der FIU, dass die Zusage voller Kooperation fortbestehe, und trotz der absprachegemäß bei der FIU noch zur Anforderung vorgehaltenen „eingefrorenen“ E-Mail-Postfächer und Dateiablagen, ordnete das Amtsgericht Osnabrück auf Antrag der nunmehr ermittelnden Staatsanwältin vom 05.05.2021 mit Beschluss vom 14.05.2021 gemäß §§ 103, 105 StPO die Durchsuchung der Diensträume des ITZ Bund sowie der dortigen Papierarchive und elektronischen Archive, die der FIU zugeordnet sind, an. Es sei zu vermuten - so die Begründung -, dass die Durchsuchung zur „Auffindung der im Zuge der Durchsuchung vom 14.07.2020 gesicherten Email-Accounts der vier Führungskräfte und der ihnen zuzuordnenden Dateien aus dem FIU Netzwerk“ führe. Diese Dateien seien unveränderbar gesichert worden und nunmehr beim ITZ Bund sicherzustellen und zu beschlagnahmen.

Ferner ordnete das Amtsgericht Osnabrück auf entsprechenden Antrag vom 07.05.2021 - der unter Bezugnahme auf den Sachstandsbericht der ZKI vom 12.03.2021 darauf hinweist, die weitere Durchsuchung diene der Sicherstellung und Beschlagnahme „weiterer beweiserheblicher Unterlagen“ - mit Beschluss vom 14.05.2021 gemäß §§ 103, 105 StPO erneut die Durchsuchung der Diensträume der FIU sowie dieser zugeordneter Papierarchive und elektronischer Archive an. Es sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde, und zwar u. a. der „vollständigen Personalien“ der vier namentlich im Beschluss benannten E-Mail-Account-Inhabern (es handelte sich um die Inhaber der bereits „eingefrorenen“ Postfächer nebst Dateiablagen) sowie der „vollständigen Personalien von 27 in den verfahrensrelevanten Vorgängen tätigen“, dann im Beschluss namentlich benannter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FIU sowie eines „Handbuchs für die Software goAML im elektronischen Format“ und „sämtlicher Handlungsanweisungen für die Sachbearbeiter“. Die Durchsuchung diene der „Identifizierung der beteiligten Mitarbeiter der FIU“ sowie der „Aufklärung der Motivationslage für das Absehen von der Übermittlung von Verdachtsmeldungen“. Der Tatverdacht ergebe sich aus den „bisherigen polizeilichen Ermittlungen“.

Ohne dass eine Durchsuchung stattfand, bat die Staatsanwaltschaft dann mit jeweils gleichlautenden Schreiben vom 26.05.2021 und unter Beifügung der Beschlüsse vom 14.05.2021 die FIU und das ITZ Bund um „Umsetzung der Beschlüsse binnen drei Wochen“ (Bl. 21 Bd. IV). Für Rückfragen stehe der ermittlungsführende Beamte der ZKI zur Verfügung.

Nach einem fernmündlichen Hinweis des ITZ Bund, dass das Zollkriminalamt die entsprechenden IT-Infrastrukturen aktuell in eigener Zuständigkeit betreibe, ordnete das Amtsgericht Osnabrück schließlich auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 07.06.2021 gemäß §§ 103, 105 StPO die Durchsuchung der Generalzolldirektion in Bonn an, wobei der Beschluss mit Ausnahme des Adressaten vollständig wortgleich ist mit dem gegen das ITZ Bund angeordneten Beschluss vom 14.05.2021. In der Beschlussbegründung ist etwa erneut vermerkt, „diese [Beweismittel] sollen nunmehr beim ITZ Bund sichergestellt und beschlagnahmt werden“. Auch dieser Beschluss wurde offenbar mit einfachem Schreiben versandt.

Bezogen auf die Übersendung der Durchsuchungsbeschlüsse vom 14.05.2021 bzw. 07.06.2021 an die genannten Behörden wurde unter dem 29.06.2021 von der Staatsanwaltschaft in der Hauptakte mit einer Wiedervorlagefrist von zwei Monaten vermerkt, die „Umsetzung der Beschlüsse“ sei erfolgt und die „Auswertung“ werde „nunmehr fortgesetzt“ (Bl. 20R Bd. IV).
Nähere inhaltliche Ergebnisse aus der „Umsetzung der Beschlüsse“ sind der Ermittlungsakte in der Folge (zunächst) nicht zu entnehmen. Stattdessen findet sich ein Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2021, in dem es wörtlich heißt:

„Am 30.07.2021 wurde mit … des Bundesjustizministeriums fernmündlich Rücksprache gehalten [im Original: gebeten]. Ihm wurde mitgeteilt, dass im Rahmen einer Auswertung der Beweismittel Hinweise auf eine Korrespondenz zwischen dem BMJV und dem BMF festgestellt wurden. Es wurde angefragt, ob ein Schreiben des BMJV an das BMF vom 15.06.2020 zur Verfügung gestellt werden könnte. Dies wurde verneint. Es wurde zum einen darauf hingewiesen, dass das angefragte Schreiben vertrauliche Informationen enthalte und zum anderen darauf, dass der Dienstweg einzuhalten sei.“

Das betreffende Telefonat fand - wie sich den Akten inzwischen entnehmen lässt - am 29.07.2021 statt. Das in Bezug genommene Schreiben datiert nicht vom 15.06.2020, sondern vom 15.05.2020 und war - wie oben ausgeführt - nicht nur bereits als pdf.-Scan in den Hauptakten (CD Bl. 559 Bd. III) enthalten, sondern fand auch Erwähnung in dem oben genannten Vermerk der ZKI vom 18.02.2021 sowie dem Sachstandsbericht der ZKI vom 12.03.2021, die konkret auch auf inter- und intraministerielle Korrespondenz verwiesen.

Eine Kontaktaufnahme mit dem Bundesministerium der Finanzen zwecks etwaiger Herausgabe dort vorhandener und verwahrter Vorgänge zu einer rechtlichen Einschätzung der Weitergabepraxis der FIU bei dort eingegangenen Verdachtsmeldungen - vor allem zur bereits vorhandenen bzw. angelegten Korrespondenz bezüglich des anmahnenden Schreibens des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 15.05.2020 oder zu der bereits erfolgten Durchsuchungsmaßnahme bei der FIU - erfolgte seitens der Staatsanwaltschaft nicht.

Mit einer weiteren Verfügung - ebenfalls vom 06.08.2021 - beantragte die Staatsanwaltschaft stattdessen beim Amtsgericht Osnabrück, die Durchsuchung sowohl für die der FIU zuzuordnenden Diensträume nebst Papierarchiven und elektronischen Archiven des Bundesministeriums der Finanzen als auch des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz nach §§ 103, 105 StPO wegen des sich bereits aus einem Bericht der ZKI vom 07.07.2020 ergebenden Verdachts gegen Unbekannt bezüglich durch Mitarbeiter der FIU verübter Strafvereitelung im Amt anzuordnen. Der das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz betreffende Antrag wurde dem Amtsgericht versehentlich erst mit Verfügung vom 23.08.2021 übermittelt. Die Durchsuchungen sollten nach der Begründung der Anträge jeweils der „Identifizierung der beteiligten Mitarbeiter der FIU“ sowie der „Aufklärung der Motivationslage für das Absehen von der vorgeschriebenen Übermittlung von Verdachtsmeldungen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden (subjektiver Tatbestand)“ dienen. Ferner wurde darauf hingewiesen, die am 14.05.2021 und 07.06.2021 durch das Amtsgericht Osnabrück erlassenen Durchsuchungsbeschlüsse seien „umgesetzt worden“ und im Rahmen einer „ersten Auswertung der E-Mail Accounts der Führungskräfte“ habe festgestellt werden können, dass eine „Korrespondenz zwischen dem Bundesfinanzministerium, dem Bundesjustizministerium und der Financial Intelligence Unit im Hinblick auf die Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen und der Einführung des risikobasierten Ansatzes stattgefunden habe“. Die Durchsuchung diene der „Feststellung, inwieweit die Einführung des risikobasierten Ansatzes rechtlich erörtert und abgesichert“ worden sei.

Näheres - insbesondere zum Inhalt, zum Umfang oder den Teilnehmern dieser (bis dahin nicht bekannten?) „Korrespondenz“ - ist der Akte zur Zeit der Antragstellung nicht zu entnehmen. Offenbar wurde hierzu - wie sich dem späteren Akteninhalt, insbesondere einem Vermerk vom 09.03.2022 (Bl. 184 Bd. V), entnehmen lässt - nach (freiwilliger und gemäß ursprünglicher Absprache am 14.07.2021 erfolgter) Übermittlung des Inhalts der seit Juli 2020 unveränderbar gesicherten E-Mail-Postfächer und Dateiablagen seitens der FIU an die ermittelnde ZKI (später) ein eigener Sonderband „BMO E-Mail Auswertung FIU“ (320 Seiten) angelegt. Es ist aber nicht ersichtlich, dass nähere inhaltliche Erkenntnisse zu diesen Dokumenten dem Ermittlungsrichter (etwa auch nur vorab) im Zuge der Antragstellung übermittelt wurden. Ein Scannen dieses Ordners für die elektronische Zweitakte wurde ersichtlich erst am 16.02.2022 seitens der Staatsanwaltschaft angeordnet (vgl. Bl. 149 Bd. V).

Am 10.08.2021 hat das Amtsgericht Osnabrück den vorliegend angegriffenen Durchsuchungsbeschluss gemäß §§ 103, 105 StPO für die Diensträume sowie die Papierarchive und elektronischen Archive, die beim Bundesministerium der Finanzen in Berlin der FIU zugeordnet sind, erlassen. Es sei - so die Begründung - zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung folgender Beweismittel führen werde: „sämtlicher Unterlagen, Korrespondenzen und elektronischer Dateien, die im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen und Einführung des risikobasierten Ansatzes stehen, Handlungsanweisungen, Verfügungen, Erlasse und Weisungen, welche Einfluss auf die Vorgangsbearbeitung hatten bzw. haben; Gesprächsprotokolle und Notizen über Dienstbesprechungen, Tagungen und Sitzungen mit dem Bundesjustizministerium und der Financial Intelligence Unit, insbesondere im Hinblick auf die Einführung des risikobasierten Ansatzes; Gesprächsprotokolle und Notizen über Dienstbesprechungen, Tagungen und Sitzungen, welche Einfluss auf die Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen hatten bzw. haben, insbesondere im Hinblick auf die Einführung des risikobasierten Ansatzes; E-Mail-Accounts, dienstliche Mobiltelefone und dienstliche Datenspeichermedien, über die Daten übermittelt bzw. auf denen Daten gespeichert worden sind; zur Entschlüsselung kryptierter Postfächer, elektronischer Nachrichten und Dateien benötigte IDs (individuelle Kennungen) und dazugehörige Passwörter; zur Auswertung von elektronischen Postfächern, Nachrichten und Kommunikationsdaten benötigte Programmversionen und Lizenzen“. Des Weiteren werde die Beschlagnahme der bei der Durchsuchung gefundenen Gegenstände angeordnet, da sie als Beweismittel für die Untersuchung (§§ 94, 98 StPO) von Bedeutung sein könnten. Es bestehe aufgrund der im Bericht der ZKI vom 06.07.2020 [richtig: 07.07.2020] niedergelegten Erkenntnisse der Verdacht der Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StGB. Die Durchsuchung diene der „Identifizierung der beteiligten Mitarbeiter der FIU sowie der Aufklärung der Motivationslage für das Absehen von der vorgeschriebenen Übermittlung von Verdachtsmeldungen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden (subjektiver Tatbestand)“ und - angesichts einer ersten Auswertung der bei der Umsetzung der Beschlüsse vom 14.05.2021 und 07.06.2021 gesicherten E-Mail-Accounts der Führungskräfte habe festgestellt werden können, dass eine Korrespondenz zwischen dem Bundesfinanzministerium, dem Bundesjustizministerium und der Financial Intelligence Unit im Hinblick auf die Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen und der Einführung des risikobasierten Ansatzes stattgefunden habe - der „Feststellung, inwieweit die Einführung des risikobasierten Ansatzes rechtlich erörtert und abgesichert worden sei“. Die angeordnete Maßnahme sei zur Auffindung der gesuchten Beweismittel geeignet und, da weniger belastende, ebenso geeignete Maßnahmen zur Gewinnung der genannten Sachbeweise nicht ersichtlich seien, zudem erforderlich. Sie sei auch angesichts der Stärke des Tatverdachts nicht unverhältnismäßig.

Am 25.08.2021 hat das Amtsgericht Osnabrück antragsgemäß einen weiteren, im Wesentlichen gleichlautenden und inzwischen von der 12. Großen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück (Beschluss vom 09.02.2022 - 12 Qs 32/21 -, juris) aufgehobenen Durchsuchungsbeschluss betreffend das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Berlin erlassen.

An der am 09.09.2021 von 9:30 Uhr bis 13:45 Uhr andauernden Maßnahme zur Umsetzung des Durchsuchungsbeschlusses vom 10.08.2021 beim Bundesministerium der Finanzen in Berlin waren zwei Staatsanwälte und drei ermittelnde Polizeibeamte der ZKI beteiligt. Zu Beginn wurde der Durchsuchungsbeschluss einem Staatssekretär des Ministeriums ausgehändigt und die Hintergründe des Durchsuchungsbeschlusses sowie die Ziele des Einsatzes erläutert. Der Staatssekretär signalisierte hierauf für das Haus umfassende Kooperationsbereitschaft und sodann wurde von den Ermittlern nach entsprechender Erläuterung von Organisation und Zuständigkeiten elektronischer Aktenbestand der mit der FIU befassten Referate III A 6 und VII A 5 grob gesichtet und mithilfe der Mitarbeiter des Ministeriums „eingefroren“, damit dieser Datenbestand im Nachgang der Staatsanwaltschaft zur Auswertung zur Verfügung gestellt werden konnte. Zur späteren Nachvollziehbarkeit der Integrität der Daten wurden anhand einer Stichwortsuche insgesamt vier Dokumente und E-Mails ausgewählt und ausgedruckt. Lediglich jene Ausdrucke wurden gegenständlich mitgenommen und dies im Sicherstellungsprotokoll der Polizei vom 09.09.2021 entsprechend dokumentiert, in dem im Übrigen vermerkt ist, eine Durchsuchung habe nicht stattgefunden.

Im Verlauf der Maßnahme im Bundesministerium der Finanzen am 09.09.2021 erwirkte die vor Ort anwesende Staatsanwältin telefonisch noch einen weiteren Beschluss beim Amtsgericht Osnabrück (249 Gs 1125/21, vormals 1 AR 1226/21), weil die im Durchsuchungsbeschluss getroffene Beschlagnahmeordnung zu E-Mail-Accounts den Beteiligten übereinstimmend zu unbestimmt erschien. Wie dem dazu am 09.09.2021 angefertigten - allerdings nicht unterschriebenen - Vermerk des Ermittlungsrichters im Bereitschaftsdienst zu entnehmen ist (vgl. Bl. 205 Bd. V), hat er mündlich eine „Beschlagnahmeanordnung bezüglich der dienstlichen E-Mails-Accounts“ fünf namentlich benannter Mitarbeiter des Bundesministeriums der Finanzen gemäß §§ 94, 98 StPO angeordnet, weil diese „nunmehr ganz konkret bekannt geworden sind“ und dies „für die Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist“. Auch der Datenbestand zu diesen E-Mail-Postfächern wurde seitens des Bundesministeriums der Finanzen absprachegemäß „eingefroren“.

Unter weiterer Vorhaltung entsprechender Sicherheitskopien wurden die verschiedenen Datenbestände im Anschluss an die Maßnahme vor Ort absprachegemäß der ZKI zur Auswertung übermittelt. Auszüge hieraus fanden inzwischen Eingang in weitere Sonderbände („BMO - EMail-Auswertung BMF“ (435 Seiten) und „BMO - Dateiablage BMF“ (346 Seiten)).

Mit Schreiben vom 25.02.2022 hat die Betroffene Beschwerde sowohl gegen die Durchsuchungsanordnung vom 10.08.2021 als auch gegen die bereitschaftsrichterliche Anordnung vom 09.09.2021 eingelegt. Die Rechtsmittel hat sie im Wesentlichen damit begründet, dass die Anordnungen als solche unverhältnismäßig gewesen seien, sowie gleichzeitig betont, weiterhin an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken und Beweismittel auf Basis eines begründeten Herausgabeersuchens im Sinne der §§ 94 ff. StPO herauszugeben.

Das Amtsgericht Osnabrück hat den Beschwerden mit Beschlüssen vom 18.05.2022 nicht abgeholfen und die Akte der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft und das Bundesministerium der Finanzen haben am 21.06.2022 bzw. 11.07.2022 ergänzend Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Nichtabhilfebeschlüsse und die jeweiligen Stellungnahmen verwiesen.

Die Auswertung der der ZKI übermittelten Datenbestände ist nach staatsanwaltschaftlicher Auskunft vorläufig abgeschlossen. Ob noch weitere, ergänzende Auswertungen erfolgen, sei Gegenstand von Gesprächen zwischen der Staatsanwaltschaft und der ZKI.

II.

Das Rechtsmittel gegen die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts Osnabrück vom 10.08.2021 hat Erfolg. Soweit auch die richterliche Anordnung vom 09.09.2021 angegriffen wird, ist dieses Rechtsmittel als Antrag auf eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO auszulegen, weil mit jenem Beschluss noch keine wirksame Beschlagnahmeanordnung vorliegt. Insoweit ist die Sache dem hierfür zuständigen Amtsgericht Osnabrück - Ermittlungsrichter - zur Entscheidung zurückzugeben.

1. Die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung vom 10.08.2021 ist zulässig (§ 304 StPO). Insbesondere ist die Beschwerdeführerin als betroffene (Mit-)Gewahrsamsinhaberin der in dem Beschluss benannten Durchsuchungs- bzw. Beschlagnahmeobjekte nicht nur beschwerdebefugt, sondern verfügt auch über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Dabei kommt es nicht darauf an, dass letztlich - wie auch die ermittelnden Beamten im Sicherstellungsprotokoll vermerkt haben - eine Durchsuchung mit den sie grundsätzlich kennzeichnenden Merkmalen (vgl. hierzu BVerfG NJW 1979, 1539; NJW 1987, 2499), nämlich einem ziel- und zweckgerichteten Suchen staatlicher Amtsträger in Räumen, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber dieser Räume nicht von sich aus offenlegen oder herausgeben will, gar nicht stattfand. Ausreichend für das Rechtsschutzbedürfnis ist im vorliegenden Fall, dass die Beamten der ZKI und die Staatsanwälte die Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin betraten, dem Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen den Durchsuchungsbeschluss vorlegten, diesen näher erläuterten und damit ersichtlich - weil es sich nicht um ein bloßes Herausgabeverlangen nach § 95 StPO handelte - den Vollzug des Beschlusses in Aussicht stellten. Unter dem Eindruck des Beschlusses und der drohenden Durchsuchung wurden seine Kooperation und die der weiteren Mitarbeiter des Hauses und im Ergebnis die Herausgabe der verlangten Datenbestände veranlasst. Die Beschwerdeführerin konnte damit ein „wahlloses“ Suchen in Räumlichkeiten und Unterlagen nebst Datenspeichern und Daten durch die Herausgabe bestimmter Datenbestände abwenden. Auch wenn es aber nicht zu einer Durchsuchung im Sinne eines solchen Suchens kommt, bedeutet das Eindringen staatlicher Organe regelmäßig einen durchaus schwerwiegenden Eingriff in die Sphäre der davon Betroffenen (vgl. BVerfGE 75, 318, 327 f.). Von einer mit einem Verzicht auf Rechtsschutz durch die Beschwerdeführerin verbundenen Herausgabe der gesuchten Unterlagen bzw. Dateien kann letztlich nicht die Rede sein. Hier war den Ministeriumsmitarbeitern durch den Auftritt von zwei Staatsanwälten und drei Polizeibeamten kaum die Wahl gegeben, den Durchsuchungsbeamten die Durchsuchung zu verwehren. Hätte sich der Staatssekretär nicht zur Herausgabe entschieden, hätten die Durchsuchungsbeamten die Durchsuchung zur Auffindung der gesuchten Unterlagen durchgeführt. Eine andere Zielrichtung konnte das unangekündigte Erscheinen von fünf Personen aus Osnabrück in Berlin nicht haben, auch wenn die Kammer nicht verkennt, dass eine umfängliche Durchsuchung in einer Behörde von der Größe des Bundesministeriums der Finanzen letztlich wohl einen höheren Personalaufwand erfordert hätte, selbst wenn es nur um Räume der mit der FIU befassten Mitarbeiter ging.

Damit hatte sich die in dem Durchsuchungsbeschluss angelegte Bedrohung der Unverletzlichkeit der Arbeitsräume aber bereits realisiert, die ebenfalls unter den weiten Wohnungsbegriff des Art. 13 Abs. 1 GG fallen können. Maßgeblich ist, ob diese Räume der räumlichen Privatsphäre der den jeweiligen Raum nutzenden Person zuzurechnen sind (vgl. BVerfG NJW 2001, 1121). Dies war bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses angesichts der recht weiten Formulierung ohne explizite Beschränkung auf ganz bestimmte Arbeitsräume nicht auszuschließen; es kam zumindest in Betracht, dass Räume durchsucht werden würden, die diese Voraussetzungen erfüllen, weil sie - nebst etwaiger Verwahrung privater Gegenstände - allein genutzt wurden und zumindest auch als individueller Rückzugsbereich fungierten.

Soweit im Übrigen „andere Räume“ im Sinne des § 102 StPO nicht dem Schutz des Art. 13 GG unterfielen, ist auch deren Durchsuchung an den Voraussetzungen der §§ 102 ff. StPO zu messen (vgl. Tsambikakis in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2018, § 102 Rn. 33 ff.) und die Betroffene hinreichend beschwert. Die Behörde bzw. die hinter ihr stehende Körperschaft ist dann „andere Person“ im Sinne des § 103 StPO und des § 304 Abs. 2 StPO (vgl. auch Tsambikakis, aaO, § 103 Rn. 4; BeckOK StPO/Cirener, 44. Ed. 01.07.2022, § 304 Rn. 12.1).

Darüber hinaus nimmt die Kammer - unabhängig von der in der Öffentlichkeit diskutierten Frage, ob und inwiefern die Strafverfolgungsbehörden hier durch ihr Handeln tatsächlich bewusst oder unbewusst justizielle Mittel parteipolitisch instrumentalisiert haben sollten - angesichts der inzwischen als rechtswidrig eingestuften Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom 09.09.2021 zu der hier angegriffenen Durchsuchungsanordnung (vgl. VG Osnabrück, Urt. v. 08.06.2022 - 1 A 199/21 -, juris) und der dann einsetzenden „medialen Begleitung“ ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis wegen des geltend gemachten Rehabilitierungsinteresses des Bundesministeriums der Finanzen und seiner Mitarbeiter an, selbst wenn die hier zur Prüfung gestellte Durchsuchungsanordnung nach § 103 StPO ausdrücklich klarstellt, dass gerade kein Tatverdacht gegen Bedienstete des Bundesministeriums der Finanzen besteht. Dabei gewinnt auch Bedeutung, dass die Beschwerdeführerin eine Fürsorgepflicht als Dienstherrin nach § 78 BBG trifft, nach der sie die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung zu schützen hat (vgl. allgemein Battis BBG/Grigoleit, 6. Aufl. 2022, BBG § 78 Rn. 14 mwN).

Angesichts der nicht durchgeführten Durchsuchung war die Beschwerde bezüglich der Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts vom 10.08.2021 allerdings in einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Anordnung umzudeuten.

2. Als ein solcher Antrag hat die Beschwerde in der Sache Erfolg. Denn der Durchsuchungsbeschluss vom 10.08.2021 erfüllt nicht die an ihn zu stellenden Anforderungen gemäß § 103 StPO und erweist sich als rechtswidrig.

a) Heranzuziehender Prüfungsmaßstab ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung. Das Beschwerdegericht darf seine Entscheidung nicht auf Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren, etwa weil sie erst durch die Durchsuchungsmaßnahmen gewonnen wurden (vgl. BVerfG NJW 2011, 291 Rn. 28).

Deshalb sind die nunmehr von der Staatsanwaltschaft angestellten Überlegungen zu späteren Ermittlungsergebnissen unbeachtlich, etwa zu erlangten Dokumenten aus Juli 2020 zu einer Besprechung im Nachgang des Schreibens vom 15.05.2020 zwischen dem Bundesjustizministerium, dem Bundesfinanzministerium und der FIU, die zu einer „Nachbewertung“ geführt habe. Dasselbe gilt bezüglich einer vom Bundesministerium der Finanzen initiierten und von der Generalzolldirektion in Auftrag gegebenen, externen Beratung durch die O. W2. GmbH zur „Untersuchung der FIU in Bezug auf die Bearbeitung und Weiterleitung von Verdachtsmeldungen unter Berücksichtigung der Vorgaben der FATF [Financial Action Task Force], der EU-Geldwäscherichtlinien und der nationalen Vorgaben des GwG sowie Erarbeitung möglicher Verbesserungsvorschläge“ (vgl. dazu auch BT-Drucksache 19/32551 v. 22.09.2021) und etwaigen Erkenntnissen aus dem inzwischen vorliegenden Gutachten der Beratungsgesellschaft.

Ferner sind von der Kammer trotz der Bestimmung in § 309 Abs. 2 StPO keine alternativen Überlegungen zu den - geringeren - Voraussetzungen einer Durchsuchungsanordnung nach § 102 StPO anzustellen, die anders als bei § 103 StPO bereits durch die allgemeine Aussicht gestützt werden kann, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden (vgl. BGH NStZ 2002, 215, 216). Nicht nur, dass in Verfahren gegen „Unbekannt“ - wie hier - nach herrschender Auffassung Durchsuchungen nur nach § 103 StPO zulässig sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 65. Aufl. 2022, § 102 Rn. 4), ließ sich zur Zeit des Beschlusserlasses hinsichtlich des Bundesministeriums der Finanzen bzw. seiner Mitarbeiter ein Anfangsverdacht nach den damaligen polizeilichen Ermittlungen gerade nicht begründen. Vielmehr ging es zunächst darum, einen etwaigen Vorsatz der Mitarbeiter der FIU zu erhellen und um die Frage, ob und inwieweit überhaupt nähere Korrespondenz zur rechtlichen Einschätzung seitens des Finanzministeriums zur - vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - angemahnten Weitergabepraxis der als Behörde allerdings funktional eigenständig operierenden und insoweit nur der Rechtsaufsicht unterstellten FIU existierte. Einen Verdächtigen im Sinne des § 102 StPO gab es beim Bundesministerium der Finanzen nach den Ermittlungen mithin nicht. Das Gewicht eines Eingriffs nach § 102 StPO verlangt aber auf konkreten Tatsachen beruhende Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (vgl. BVerfGE 44, 353, 371 f.; BVerfGE 115, 166, 197 f.; BVerfGK 2, 290, 295; BVerfGK 5, 84, 88). Eine Durchsuchung darf nicht erst der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts - hier gegen Mitarbeiter des Bundesministeriums der Finanzen wegen einer etwaigen bewussten und ausdrücklichen rechtlichen Billigung eines gerade nicht mehr gesetzeskonformen Umgangs mit Verdachtsmeldungen - erst erforderlich sind (vgl. BVerfGK 8, 332, 336; BVerfGK 11, 88, 92). Demnach gelten die - zutreffend auch von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht - herangezogenen, an eine Durchsuchung beim Nichtbeschuldigten gemäß § 103 StPO zu stellenden Anforderungen.

b) Der Beschluss nach § 103 StPO erweist sich allerdings nicht schon deshalb als rechtswidrig, weil die Durchsuchung von behördlichen Räumen grundsätzlich unzulässig wäre. Immer dann, wenn eine Beschlagnahme von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken in Betracht kommt, ist nach herrschender, von der Kammer geteilter Auffassung - falls die Behörde auf Verlangen die Herausgabe ohne Abgabe einer Sperrerklärung oder offensichtlich willkürlich oder rechtsmissbräuchlich verweigert - auch die Durchsuchung behördlicher Räume zulässig. Sie kann in jenen Fällen notwendige Voraussetzung sein, um beschlagnahmefähige Gegenstände überhaupt erst aufzuspüren (vgl. BGHSt 38, 237; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.11.2000 - 1 Ws 313/00 -, juris Rn. 12; LG Potsdam wistra 2007, 193; LG Fulda, Beschluss vom 06.05.2004 - 2 Qs 34/04 -, juris Rn. 30; LG Wuppertal NJW 1992, 770 f.; LG Oldenburg wistra 1990, 76 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, aaO, § 96 Rn 2 mwN; Kramer, NJW 1984, 1502, 1503; aA Menges in: LöweRosenberg, aaO, § 96 Rn 4 ff.).

c) Auch war nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Durchsuchung aufgrund der bisherigen Ermittlungen zu den untersuchten acht Geldwäscheverdachtsmeldungen - jedenfalls im Sinne eines Anfangsverdachts - anzunehmen, dass der von Mitarbeitern der FIU gepflegte Umgang mit Geldwäscheverdachtsmeldungen strafrechtlich relevant ist, wobei als Anknüpfungspunkt für eine Tatbestandsverwirklichung im Wesentlichen zwei unterschiedliche Verhaltensweisen in Betracht kommen (vgl. näher Lenk, ZWH 2021, 353 ff.; ferner Herzog/Barreto da Rosa, 4. Aufl. 2020, GwG § 32 Rn. 3a ff.; ders., Der Kriminalist 5/2022, 23 ff.; Wissenschaftliche Dienste - Deutscher Bundestag, WD 7 - 3000 - 083/20; mit Blick auf den risikobasierten Ansatz eher ablehnend zu einer Strafbarkeit der Mitarbeiter der FIU demgegenüber Bülte, NVwZ-Extra 4b/2022, 1, 18 mwN):

So ist einerseits als Tathandlung die Implementierung eines risikobasierten Ansatzes durch die FIU in Betracht zu ziehen, der zwar erst seit dem 01.08.2021 ausdrücklich in § 3a GwG geregelt ist, aber auch schon zuvor von der FIU praktiziert wurde. Nach den bisherigen Ermittlungen könnte dabei - gleichsam sehenden Auges - jedenfalls in der konkreten Ausgestaltung (vor allem im Zusammenhang mit einem inzwischen durch das KI Modul „FIU-analytics“ unterstützten, der eigentlichen Priorisierung und Schwerpunktzuordnung vorgeschalteten Abgleich der eingegangenen Daten mit verfügbaren Datenbanken bei einer „Grundrecherche“) ein Mechanismus geschaffen worden sein, der die operative Analyse pflichtwidrig verkürzte, gerade weil der Fokus ausschließlich auf Taten der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung gerichtet war, mit der Folge, dass „sonstige“ Straftaten von vornherein gar nicht oder nur unzureichend erkannt und entsprechende Verdachtsmeldungen zur tiefgreifenderen manuellen Recherche und Analyse nicht weitergeleitet wurden. Ob der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit dann eher in einem Unterlassen (Nichtweiterleitung des Inhalts der Verdachtsmeldungen an die Strafverfolgungsbehörden) oder in einem aktiven Tun liegt, namentlich durch Mitarbeiter der Leitungsebene der FIU, kann im jetzigen Verfahrensstadium dahinstehen.

Andererseits liegt nach den polizeilichen Ermittlungen der Verdacht einer Tatbestandsverwirklichung auch darin begründet, dass eingegangene Verdachtsmeldungen durch einzelne Mitarbeiter (eher der Sachbearbeitungsebene) schlicht unbearbeitet blieben oder ohne genauere automatische wie manuelle Prüfung in ein behördeninternes Monitoring abgelegt und deshalb nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet wurden, auch wenn in beiden Szenarien noch Umstände zu weiteren objektiven und - vor allem im Blick auf die bei der FIU seinerzeit augenscheinlich hohe Arbeitsbelastung bei stetig zunehmender Anzahl von Verdachtsmeldungen - subjektiven Tatbestandsmerkmalen näher zu ermitteln wären (vgl. Lenk, ZWH 2021, 353, 355; krit. zu einer „Umfunktionierung des Strafrechts“ in diesem Zusammenhang als „Steuerungsmittel zur Bestimmung der Maßstäbe des risikobasierten Ansatzes“: Richter in: Zentes/Glaab, Frankfurter Kommentar zum Geldwäschegesetz, 3. Aufl. 2022, § 32 Rn. 31).

Zweifelhaft ist wegen des in Deutschland gewählten administrativen Ansatzes für die Organisation der FIU (vgl. dazu eingehend Meyer/Hachmann, ZStW 2022, 391 ff.) nur, ob mit der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht ein Tatverdacht wegen (versuchter) Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) und nicht vielmehr wegen (versuchter) Strafvereitelung gemäß § 258 Abs. 1 StGB anzunehmen ist. Eine Strafbarkeit gemäß § 258a StGB kommt zwar bereits dann in Betracht, wenn die gebotene Einleitung des Ermittlungsverfahrens vereitelt wird. Jedoch hat nach herrschender Auffassung eine weitere Differenzierung zwischen der Begehung durch aktives Tun einerseits und Unterlassen andererseits zu erfolgen: Während es bei einem aktiven Tun nicht unbedingt erforderlich ist, dass der Amtsträger gerade zur Bearbeitung der von ihm beeinträchtigten Strafsache zuständig ist, muss bei einem Unterlassen einer Verfolgungshandlung eine Rechtspflicht zum Einschreiten (§ 13 StGB) bestehen. Daher kommt es beim Unterlassen entscheidend auf die konkrete sachliche, örtliche und funktionale Zuständigkeit des untätig bleibenden Amtsträgers an. Nach diesen Maßstäben sind die FIU-Bediensteten nicht zur Mitwirkung im Strafverfahren berufen und daher in der Regel keine tauglichen Täter des Qualifikationstatbestands (vgl. auch Richter, aaO, § 32 Rn. 27 mwN; Lenk, ZWH 2021, 353, 362; Bülte, NVwZ-Extra 4b/2022, 1, 18 mwN; ferner LG Stuttgart NStZ 2021, 262 ff. für einen Außenprüfer der Finanzbehörde), weil sich der relevante Aufgabenbereich der FIU auf eine dem Strafverfahren, das mit dem Ermittlungsverfahren beginnt, vorgelagerte Phase beschränkt, sodass die Mitwirkungspflichten nicht „bei“, sondern „vor“ dem Strafverfahren liegen und die bloße Übermittlung der Verdachtsmeldung keineswegs automatisch zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens führt. Ausnahmen sind allenfalls im Fall einer aktiven Tatbegehung bzw. Vereitelungshandlung denkbar. Dies wäre aber gegebenenfalls sowohl noch weiter aufzuklären, als auch die Überlegung einzubeziehen, ob neben einer Strafbarkeit wegen Strafvereitelung eine Strafbarkeit von bestimmten Mitarbeitern wegen Geldwäsche durch Unterlassen oder Beihilfe hierzu in Betracht kommt, wobei im subjektiven Tatbestand bedingter Vorsatz und hinsichtlich der inkriminierten Herkunft gegebenenfalls Leichtfertigkeit ausreichte und sich eine entsprechende Garantenstellung aus §§ 30, 32 Abs. 2 Geldwäschegesetz ergeben könnte (vgl. auch Herzog/Barreto da Rosa, aaO, § 32 Rn. 3c).

Jedenfalls im Hinblick auf den Grundtatbestand der (versuchten) Strafvereitelung gemäß § 258 Abs. 1 StGB bestand ein auf konkreten Tatsachen beruhender Anfangsverdacht gegen Unbekannt, nachdem sich beispielhaft aus einer Notiz zu einer FIUinternen Besprechung vom 10.12.2019 ergab, dass „Betrugsfälle nicht mehr angesehen“ würden (Scan SB Beweismittel (BMO), CD Bl. 559 Bd. III, dort Bl. 10) und aus einem Schreiben der FIU vom 21.12.2020 u. a. an alle Landeskriminalämter, dass Sachverhalte, die „sonstige Straftaten“ betreffen könnten, in der Vergangenheit nur dann an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt worden seien, wenn sie im Rahmen der Analyse von Verdachtsmeldungen/Informationen mit möglichem Bezug zur Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung aufgefunden worden seien (Bl. 543 Bd. II).

d) Der angefochtene Dursuchungsbeschluss umschreibt diesen Tatvorwurf gegen - noch nicht als Beschuldigte ermittelte - Mitarbeiter der FIU noch hinreichend, lässt aber ebenso wie der Gang des Verfahrens schon nicht ausreichend erkennen, dass eine erforderliche eigenständige Prüfung durch den Ermittlungsrichter in Bezug auf die angestrengte Durchsuchung beim Bundesministerium der Finanzen stattgefunden hat und somit der Richtervorbehalt hinreichend gewahrt worden ist.

Der Ermittlungsrichter ist bereits von Verfassungs wegen verpflichtet, die Zulässigkeit der beabsichtigten Maßnahme eigenständig zu prüfen (st. Rspr. des BVerfG; vgl. etwa NJW 2001, 1121, 1122 für den Fall der Anordnung einer Durchsuchung). An einer solchen eigenständigen Prüfung fehlt es zwar nicht bereits dann, wenn der Ermittlungsrichter - wie hier - die Antragsschrift der Staatsanwaltschaft nahezu wörtlich in seinen Beschluss übernimmt. Denn stimmt der Ermittlungsrichter in seiner Einschätzung, die Voraussetzungen für die Anordnung der von der Staatsanwaltschaft beantragten Ermittlungsmaßnahmen lägen vor, erkennbar mit derjenigen der Antragstellerin überein, so ist er - auch vor dem Hintergrund hoher Arbeitsbelastung und Zeitdrucks - nicht verpflichtet, dies durch eigene sprachliche „Stilübungen“ im Anordnungsbeschluss selbstständig zu formulieren; vielmehr darf er insoweit durchaus wörtlich auf die Ausführungen in der Antragsschrift zurückgreifen. Dabei sollen die Akten jedoch die lückenlose Information über die im Verfahren angefallenen schriftlichen Unterlagen gewährleisten, zumal die Erfüllung der Funktion des Ermittlungsrichters als Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden nicht unerheblich erschwert und verzögert würde, wenn er nicht annehmen kann, dass die Sach- und Beweislage, soweit sie für die Entscheidung relevant ist, in den Akten ohne Lücken dargetan ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16.12.2020 - 2 BGs 408/20 -, juris Rn. 15 ff., 29 ff. mwN). Hier erweisen sich allerdings die von der Staatsanwaltschaft dem Ermittlungsrichter unter dem 06.08.2021 übersandten Hauptakten als in wesentlichen Teilen erkennbar unzureichend und zudem irreführend, so dass die gesetzlich gebotene eigenverantwortliche gerichtliche Überprüfung der gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen für die beantragte Durchsuchungsmaßnahme nicht gewährleistet gewesen ist.

Zunächst ist ausweislich der zeitlichen Zusammenhänge ersichtlich, dass das kurz zuvor geführte Telefonat (der Staatsanwaltschaft mit „… des Bundesjustizministeriums“) zum Schreiben vom 15.05.2020 Anlass gab, nunmehr Durchsuchungsbeschlüsse zu beantragen. Der Ermittlungsrichter hat im Nichtabhilfebeschluss vom 18.05.2022 selbst ausdrücklich darauf abgehoben, dass die in dem Vermerk der Staatsanwaltschaft über das Telefonat wiedergegebene Äußerung des Mitarbeiters des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz maßgeblicher Grund für den Erlass des hier in Rede stehenden Beschlusses gewesen sei. Das von diesem telefonisch angeforderte Schreiben war jedoch nicht nur bereits in den Akten, sondern fand darüber hinaus Erwähnung in den polizeilichen Ermittlungsberichten. Da dies offenbar von der Staatsanwaltschaft übersehen wurde, wird schon nicht klar, ob (auch) danach nunmehr im Bundesministerium der Finanzen gesucht werden sollte. Dem Ermittlungsrichter ist dieser Umstand angesichts des zum Zweck der Durchsuchung vage gehaltenen Antrags ebenfalls nicht aufgefallen und er ist demgemäß - wie ebenso ausdrücklich im Nichtabhilfebeschluss vom 18.05.2022 bestätigt - auch nicht zur Grundlage einer näheren (eigenen) Prüfung geworden.

Entscheidend ist jedoch, dass es ausweislich des Antrags der Staatsanwaltschaft nunmehr darum gehen sollte, im Bundesministerium der Finanzen vermutete Korrespondenz zur rechtlichen Einschätzung des bei der FIU gewählten Verfahrens zum Umgang mit Verdachtsmeldungen aufzufinden, insoweit aber nur ganz pauschal auf eine „erste Auswertung“ der bei der Umsetzung der Beschlüsse vom 14.05.2021 und 07.06.2021 gesicherten E-Mail-Accounts der Führungskräfte verwiesen wurde, die „ergeben habe“, dass eine „Korrespondenz zwischen dem Bundesfinanzministerium, dem Bundesjustizministerium und der Financial Intelligence Unit im Hinblick auf die Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen und der Einführung des risikobasierten Ansatzes“ stattgefunden habe. Damit blieb nicht nur unklar, ob und inwieweit dies im Blick auf die bisherigen Erkenntnisse der Polizei zur längst vorliegenden intra- und interministeriellen Korrespondenz überhaupt neue Umstände waren, vor allem fehlten jegliche nähere Informationen zum Umfang, zu den einzelnen Teilnehmern dieser Korrespondenz (nebst entsprechenden Daten) und zum Inhalt der der Auswertung zugrundeliegenden E-Mails. Der Akte ist nicht zu entnehmen, dass dem Ermittlungsrichter zur Zeit der Antragstellung solche Informationen zu diesen E-Mails übermittelt worden wären. Vielmehr wurde lediglich ein (offenbar nur fernmündlich erteilter) pauschal gehaltener Hinweis der ZKI ohne nähere Substantiierung von der Staatsanwaltschaft an den Ermittlungsrichter weitergegeben. Die Staatsanwaltschaft als Herrin des Vorverfahrens hat indes dafür Sorge zu tragen, dass der Ermittlungsrichter seine Entscheidungen auf der vollständigen Grundlage aller maßgeblichen, bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt angefallenen Ermittlungsergebnisse treffen kann. Der pauschale Hinweis auf eine „erste Auswertung“ genügt dem erkennbar nicht.

Auch aus der Fassung des Beschlusses wird deutlich, dass eine eigene Prüfung nicht in zureichender Weise stattgefunden hat. Zwar wurden begriffliche Inkonsistenzen des Antrags, etwa die zu suchenden Gegenstände können als „Gegenstände der Einziehung (§§ 111b, 111c StPO) von Bedeutung sein“ oder von der vorherigen Anhörung des „Beschuldigten“ soll abgesehen werden, vom Ermittlungsrichter zutreffend nicht in seinen Beschluss übernommen, jedoch gibt er in letztlich unkommentierter Weise u. a. gerade jenen Passus aus dem Antrag wieder, wonach sich aus der „ersten Auswertung“ eine „Korrespondenz ergeben habe“, wobei selbst ein Zusatz, dass und weshalb sich das Gericht dem nach näherer Prüfung anschließt, fehlt, und sich der Beschluss auch nicht konkreter zur Qualität dieser (neuen?) Korrespondenz äußert bzw. die Unterlagen, zu denen sich aus der Auswertung des bereits bei der Durchsuchungsmaßnahme bei der FIU gesicherten Materials Bezüge ergaben, genauer beschreibt.

In der Zusammenschau dieser Umstände ist deshalb zu besorgen, dass dem Richtervorbehalt nicht Genüge getan worden ist. Da zur Wahrung des Richtervorbehaltes die Prüfungskompetenz der Kammer im Beschwerdeverfahren eingeschränkt ist, kann sie ihre Entscheidung nicht auf Umstände stützen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren. Auch können Mängel der Begründung des Durchsuchungsbeschlusses dann nicht mehr geheilt werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, aaO, § 105 Rn. 15a mwN).

e) Die Durchsuchung bei einer nichtverdächtigen Person setzt nach § 103 StPO überdies voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden. Diese Gegenstände müssen im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können. Ausreichend dafür ist zwar, dass die Beweismittel der Gattung nach näher bestimmt sind, ohne sie in allen Einzelheiten bezeichnen zu müssen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 20.07.2022 - StB 29/22 -, juris Rn. 14 f. mwN). Auch diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss jedoch letztlich nicht gerecht.

Die angeordnete Durchsuchung diente ausweislich des Beschlusses dem Auffinden „sämtlicher“ Unterlagen, Korrespondenzen und elektronischer Dateien, die „im Zusammenhang“ mit der Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen und der Einführung des risikobasierten Ansatzes stehen, von Handlungsanweisungen, Verfügungen, Erlassen und Weisungen, welche „Einfluss auf die Vorgangsbearbeitung“ hatten bzw. haben, von Gesprächsprotokollen und Notizen über Dienstbesprechungen, Tagungen und Sitzungen mit dem Bundesjustizministerium und der FIU, „insbesondere im Hinblick auf die Einführung des risikobasierten Ansatzes“, von Gesprächsprotokollen und Notizen über Dienstbesprechungen, Tagungen und Sitzungen, welche „Einfluss auf die Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen hatten bzw. haben, insbesondere im Hinblick auf die Einführung des risikobasierten Ansatzes“, von EMail-Accounts, dienstlichen Mobiltelefonen und dienstlichen Datenspeichermedien, über die Daten übermittelt bzw. auf denen Daten gespeichert worden sind, ferner dem Auffinden der zur Entschlüsselung kryptierter Postfächer, elektronischer Nachrichten und Dateien benötigten IDs (individuellen Kennungen) und dazugehörigen Passwörtern und schließlich der zur Auswertung von elektronischen Postfächern, Nachrichten und Kommunikationsdaten benötigten Programmversionen und Lizenzen. Zwar lässt die Anordnung eine detaillierte Aufzählung verschiedenster Beweismittel der Gattung nach erkennen, ermöglicht jedoch zugleich faktisch die Suche nach jeglichem Gegenstand, der überhaupt im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen bei der FIU steht bzw. noch darüber hinausgehend generell allen E-Mail-Accounts, dienstlichen Mobiltelefonen und Datenspeichermedien. Eine der Vorschrift des § 103 StPO gerecht werdende Eingrenzung des Durchsuchungsziels im Blick auf individualisierte Beweismittel fehlt. Das Tatbestandsmerkmal „zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände” läuft damit letztlich leer und die Kriterien für die Durchsuchung werden dem Ermessen der mit der Durchsuchung betrauten Ermittlungsbeamten überlassen. Die Anordnung ermöglicht dabei einen Zugriff auf eine unüberschaubare Zahl von Unterlagen und Datenbeständen, die zu dem Ermittlungsverfahren keinen unmittelbaren Bezug aufweisen müssen.

f) Schließlich ist die Kammer - wie dargelegt - zwar der Auffassung, dass immer dann, wenn eine Beschlagnahme von Akten oder anderer in amtlicher Verwahrung befindlicher Schriftstücke bzw. entsprechender Dateien in Betracht kommen kann, auch die Durchsuchung behördlicher Räume zulässig ist. Hierbei sind jedoch aus § 96 StPO abzuleitende Grundsätze zu beachten, die vorliegend nicht bedacht wurden, was ebenfalls zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung führt.

Dabei kann dahinstehen, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dogmatisch zur Begründung eines von § 96 StPO faktisch anerkannten Behördenprivilegs heranzuziehen ist. Liegt - wie hier - keine Sperrerklärung vor, besteht jedenfalls eine Amtshilfepflicht für Behörden in Gestalt einer Herausgabepflicht. Dies folgt bereits unmittelbar aus dem Regelungsgefüge der §§ 94 Abs. 2, 95 Abs. 1 und 96 StPO. Die Behörde ist auch ohne Durchsuchungsbeschluss und Beschlagnahmeanordnung ohne jedes Auswahlermessen verpflichtet, Akten und sonstige in amtlicher Verwahrung befindliche Schriftstücke oder Dateien auf Verlangen herauszugeben, sofern nicht die Voraussetzungen einer Sperrerklärung vorliegen. Allerdings muss der Behörde dabei vorab Gelegenheit gegeben werden, zu prüfen, ob sie eine Sperrerklärung initiiert. Dies führt wiederum grundsätzlich zu dem Erfordernis eines schriftlichen und begründeten Herausgabeverlangens seitens der Staatsanwaltschaft, was im Übrigen nicht nur gegenüber Bundesministerien, sondern gegenüber allen Behörden gilt (vgl. nur Gazeas, StV 2022, 507 f. mwN). Daher ist an eine Behörde immer zunächst ein Herausgabeverlangen zu richten, wenn dort verwahrtes Schriftgut im Sinne des § 96 StPO zu Beweiszwecken benötigt wird, wobei die Norm auf Gegenstände anderer Art, wie Ton- und Bildträger, Abbildungen, Videofilme, elektronische Daten und einzelne Datensätze, entsprechende Anwendung findet (vgl. BeckOK StPO/Gerhold, aaO, § 96 Rn. 3). Und unabhängig von der Frage, ob in der Durchsuchungsanordnung selbst eine Abwendungsbefugnis nötig gewesen wäre, ist es auch nach allgemeinen Grundsätzen und nach Maßgabe der sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen ergebenden tatsächlichen Umstände, insbesondere der Kooperationsbereitschaft bzw. -pflicht des Adressaten der Maßnahme geboten, anstelle einer Durchsuchungsanordnung ein Herausgabeverlangen nach § 95 StPO als strafprozessuale Maßnahme vordringlich in Betracht zu ziehen (vgl. BGH NStZ 2022, 306, 307 mwN).

Daher ist die Beschlagnahme von Akten oder anderer in amtlicher Verwahrung befindlicher Schriftstücke - und somit auch die dieser vorgelagerte Durchsuchung behördlicher Räume - grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die betreffende Behörde zuvor vergeblich durch ein mit Gründen versehenes Herausgabeverlangen unter Bezeichnung des verlangten Schriftguts zur Herausgabe aufgefordert wurde. Dies ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Ablehnung sicher zu erwarten oder eine Vernichtung von Beweismitteln zu befürchten ist, was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn Angehörige der betreffenden Behörde selbst als Teilnehmer einer mit den Ermittlungen in Zusammenhang stehenden Straftat verdächtig sind (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, aaO).

5aa) Im vorliegenden Fall wurde ein solches konkretes Herausgabeverlangen durch die Ermittlungsbehörden weder zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung noch später vor Ort bei der Umsetzung in Berlin erfolglos an das Bundesministerium der Finanzen gerichtet. Die insoweit interessierenden Beweismittel wurden erst mit dem Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses - wie oben im Einzelnen ausgeführt - der Gattung nach umrissen. Eine Kontaktaufnahme mit Mitarbeitern des Bundesministeriums der Finanzen hatte es zuvor nicht gegeben. Die telefonische Anfrage vom 29.07.2021 richtete sich an einen Mitarbeiter des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Zuständig ist allerdings (dann auch zur Abgabe der Sperrerklärung) der jeweils zuständige Fachminister. Der Mitarbeiter des Justizministeriums sprach ersichtlich nicht für das Bundesministerium der Finanzen oder gar für die gesamte Bundesregierung. Im Übrigen hätte es auch einer näheren schriftlichen Begründung des Herausgabeverlangens bedurft, schon allein zur näheren Prüfung und Vorbereitung einer Entscheidung über die mögliche Abgabe einer Sperrerklärung nach § 96 StPO. Bei der Umsetzung der Maßnahme später vor Ort in Berlin erfolgte offenbar ebenfalls keine Präzisierung.

bb) Ein solches Herausgabeverlangen war im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil eine Ablehnung sicher zu erwarten gewesen wäre.

Angesichts des offenkundig fehlenden formellen „Dienstwegs“, der im Rahmen der Auskunftspflicht nach §§ 95 Abs. 1, 161 Abs. 1 Satz 1 StPO ohnehin nicht eingehalten werden muss, konnte der von dem Referatsleiter beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in dem Telefonat am 29.07.2021 gegebene Hinweis - gleich, ob dieser Mitarbeiter sich nun selbst für zuständig hielt oder nicht - nur dahin verstanden werden, dass eben ein schriftliches Herausgabeverlangen an die schon von Rechts wegen zuständige Behördenleitung, also den jeweiligen Bundesminister bzw. den dafür zuständigen Staatssekretär adressiert werden müsse, weil Unterlagen nicht einfach auf telefonischen „Zuruf“ herausgegeben werden. Zudem betraf das Telefonat - anders als dann der Antrag auf Anordnung der Durchsuchung - ohnehin nur ein einzelnes Schreiben. Der im Telefonat gegebene Hinweis auf „vertrauliche Informationen“ wurde dabei ersichtlich nicht verallgemeinernd ablehnend der dem Legalitätsprinzip verpflichteten Staatsanwaltschaft entgegengehalten, sondern gab ebenfalls nur Anlass für ein förmliches Herausgabeverlangen nach § 95 StPO, an das sich nämlich gerade die Möglichkeit anschließt, etwaige Hinderungsgründe vor einer Herausgabe behördlicher Schriftstücke und Akten gemäß den Vorgaben des § 96 StPO genauer zu prüfen, ein Prozedere, welches von der Staatsanwaltschaft zudem im Rahmen einer Anforderung gegenüber dem Bundesrechnungshof im vorliegenden Verfahren schon beschritten worden war.

Ferner erschließt sich der Kammer nicht, weshalb eine „ablehnende“ Äußerung eines Mitarbeiters des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Annahme berechtigen durfte, (auch) das Bundesministerium der Finanzen werde einem Herausgabeverlangen nicht nachkommen (wollen). Den insofern im Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 18.05.2022 vor dem Hintergrund allgemein geübter Kritik am Zustand der Geldwäschebekämpfung erwogenen Erstrecht-Schluss vermag die Kammer nicht zu ziehen.

Mangels entgegenstehender konkreter Hinweise war zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses davon auszugehen, dass sich das Bundesministerium der Finanzen an die in Art. 20 Abs. 3 GG statuierte verfassungsrechtliche Bindung einer Staatsgewalt an Recht und Gesetz halten werde. Für diese Annahme bestand vor dem Hintergrund des durch das Bundesministerium der Finanzen auf ein Herausgabeverlangen an den Bundesrechnungshof hin freigegebenen Berichts sogar konkreter Anlass. Mögen Einzelfälle zeigen, dass auch staatliche Akteure gegen Recht und Gesetz verstoßen, so ist doch deshalb kein pauschales Misstrauen angezeigt, sondern es müssen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die das Vertrauen erschüttern. Solche gab es hier nach Einschätzung der Kammer nicht und solche sind auch im Antrag der Staatsanwaltschaft auf Durchsuchung der Räumlichkeiten im Bundesministerium der Finanzen an keiner Stelle benannt. Vielmehr konnte mit derselben Berechtigung angenommen werden, dass gerade das rechtsaufsichtsführende Finanzministerium im Blick auf die schon länger geübte Kritik an der Geldwäschebekämpfung durch die FIU durchaus ein eigenes Interesse an Einhaltung rechtlicher Vorgaben bei der FIU hatte und hat. Der Umstand als solcher, dass nunmehr Durchsuchungswie Beschlagnahmeanordnung seitens der Beschwerdeführerin angegriffen worden sind, ist nach den Ausführungen in der Beschwerde in erster Linie ihrem Rehabilitierungsinteresse geschuldet. Er unterstreicht nicht die Annahme, dass von vornherein ein Herausgabeersuchen unter den vorliegenden Umständen entbehrlich gewesen wäre.

cc) Vor diesem Hintergrund bestanden auch keine Anhaltspunkte für die Gefahr der Unterdrückung von Beweismitteln oder ihrer Vernichtung durch Angehörige des Bundesministeriums der Finanzen. Eine solche Verdunkelungsgefahr kann nur angenommen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen ein Verhalten den Verdacht begründet, Mitarbeiter würden auf Beweisvereitelung abzielende Handlungen vornehmen, wodurch die Wahrheitsermittlung erschwert wird.

Die Staatsanwaltschaft mag in der Sache ein gewisses Misstrauen gehegt haben, hat aber weder tatsächlich einen bereits vorliegenden Tatverdacht gegen bestimmte Mitarbeiter gesehen noch es nach dem Stand der Ermittlungen konkret für möglich erachtet, dass Leitungspersonal der im Übrigen lediglich rechtsaufsichtsführenden Ministerialverwaltung an Straftaten (zum Beispiel als Teilnehmer) beteiligt sein könnte. Vielmehr war den Akten schon zur Zeit der Antragstellung zu entnehmen, dass das Bundesministerium der Finanzen gerade auf das von der Staatsanwaltschaft benannte Schreiben vom 15.05.2020 hin eine Konferenz zu der Thematik zwecks Erörterung anberaumen wollte (Scan SB Beweismittel (BMO), CD Bl. 559 Bd. III, dort Bl. 194). Zudem hätte es gegebenenfalls auf der Hand gelegen, ein berechtigtes Misstrauen bei Beantragung des Beschlusses näher zu untermauern und aktenkundig zu machen. Daran fehlt es indes, insbesondere an einer Darlegung, dass sich aus der gesuchten Korrespondenz eine (wenn auch nicht notwendig strafrechtlich, so doch immerhin disziplinarrechtlich relevante) Mitverantwortung der Aufsichtsbehörde für ein unzulängliches Vorgehen - etwa im Sinne eines Organisationsverschuldens durch eine missverständliche Weisungslage - ergeben könnte. Im Zentrum stand nach Lage der Ermittlungen im Hinblick auf das Finanzministerium allein, ob es zur Praxis der von der FIU als eigenständige Behörde verfolgten - und maßgeblich an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierten -, risikobasierten Weitergabe von Verdachtsmeldungen bezogen auf den hier für relevant gehaltenen Tatzeitraum überhaupt nähere Einschätzungen der Rechtsaufsichtsbehörde gab und wie sie gegebenenfalls eingeschätzt wurde. Hierdurch sollten für den subjektiven Tatbestand bei den FIUMitarbeitern relevante Fragen erhellt werden. Selbst die Mitarbeiter der FIU kooperierten jedoch von Beginn an vollumfänglich mit den Ermittlern, ohne dass Verdunkelungsmaßnahmen erkennbar geworden wären. Warum dies beim Bundesministerium der Finanzen nun anders hätte sein sollen, ist nicht zu erkennen. Selbst die Staatsanwaltschaft bewertete dies offenbar so, sonst wäre sie am Einsatztag mit noch deutlich größerem Polizeiaufgebot erschienen und hätte sich nicht darauf beschränkt, mit einigen Mitarbeitern (präsentierte) Dateien durchzusehen und weitere Datenbestände sichern zu lassen.

Aus dem bis zum Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung vorliegenden Akteninhalt ergeben sich auch sonst keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass Mitarbeiter des Finanzministeriums die Mitarbeiter der FIU in der vorgeworfenen Vorgehensweise, bestimmte Deliktsgruppen nicht entsprechend den Anforderungen des § 32 GwG bearbeitet zu haben, unterstützten oder diese billigten. Vielmehr zeigen die vorliegenden Unterlagen, dass die FIU das Bundesministerium der Finanzen im Zusammenhang mit der Beantwortung von Fragen der Mitglieder des Finanzausschusses mit Schreiben vom 21.11.2019 über die Bildung von zehn Risikoschwerpunkten zur Vorgangspriorisierung im Bereich der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Kenntnis setzte (Scan SB Beweismittel (BMO), CD Bl. 559 Bd. III, dort Bl. 161 ff.). Diese Vorgehensweise sehen sowohl die 4. EU-Geldwäscherichtlinie (2015/849) als auch der zwischenzeitlich eingeführte § 3a GwG vor. In einem Schreiben der FIU an das Bundesministerium der Finanzen vom 30.10.2019 (drei Monate vor Ende des Tatzeitraums) wurde dargelegt, dass Verdachtsmeldungen, die nicht mit Geldwäsche bzw. Terrorismusfinanzierung im Zusammenhang stehen, mit einem vereinfachten Abgabeschreiben an Strafverfolgungsbehörden übermittelt würden (Scan SB Beweismittel (BMO), CD Bl. 559 Bd. III, dort Bl. 171 ff.). Aus einem Schreiben der FIU an das Bundesministerium der Finanzen vom 05.05.2020 ergibt sich, dass beabsichtigt sei, relevante einfache Betrugssachverhalte künftig im Rahmen einer stark vereinfachten Analyse zu behandeln und bei Vorliegen der Voraussetzungen auf der Grundlage des § 32 Abs. 2 GwG an die zuständige Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln (Scan SB Beweismittel (BMO), CD Bl. 559 Bd. III, dort Bl. 223 f.). Aus einer seitens des Bundesministeriums der Finanzen angeforderten Stellungnahme der FIU vom 12.06.2020 zum Modellwechsel heißt es, dass das Analyseergebnis sowie sachdienliche Informationen auch dann weitergeleitet würden, wenn der Vermögensgegenstand mit einer „sonstigen Straftat“ im Zusammenhang stehe (Scan SB Beweismittel (BMO), CD Bl. 559 Bd. III, dort Bl. 367 ff.). Einen strafrechtlichen Anfangsverdacht gegen Angehörige des Bundesministeriums der Finanzen haben Staatsanwaltschaft und Gericht mithin zutreffend nicht angenommen. Ein Ausnahmefall von der Erforderlichkeit eines vorherigen Herausgabeverlangens lag damit auch insofern nicht vor. Würde ein solcher auch für den Fall angenommen, dass nach Lage der Sache die Entstehung eines Anfangsverdachts noch im Zuge der Ermittlungen nicht von vornherein ganz auszuschließen wäre, liefe das Erfordernis des vorherigen Herausgabeverlangens praktisch leer, da ein derartiger endgültiger Ausschluss kaum vorzunehmen sein dürfte.

Im Zusammenhang mit einer an die Beschwerdeführerin gerichteten Aktenanforderung hätte im Übrigen keine Aufklärungs- oder Belehrungspflicht seitens der Staatsanwaltschaft über den etwaigen Status eines Beschuldigten bestanden. Die Ministeriumsleitung wäre in ihrer Funktion als Amtsleiter auf Amtshilfe in Anspruch genommen worden und demgemäß - unabhängig von einem darüber hinaus (später gegebenenfalls) bestehenden Beschuldigtenstatus von einzelnen Mitarbeitern - zur Aktenherausgabe verpflichtet gewesen (§ 161 Abs. 1, § 96 StPO). Auf den Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen, hätte sich das Ministerium als solches im Zusammenhang mit einer Aktenanforderung dann nicht berufen können (vgl. Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 28.06.2006 - Vf. 5-IV-06 -, juris Rn. 17).

dd) Die Kammer erkennt auch keine Eilbedürftigkeit, die seinerzeit ein schriftliches Herausgabeverlangen als ungeeignet hätte erscheinen lassen. Schon der oben dargelegte zeitliche Ablauf der sukzessiv angestrengten Maßnahmen widerstreitet der Annahme einer Eilbedürftigkeit. Sie ist zuvor im Übrigen an keiner Stelle in der Akte kenntlich gemacht, insbesondere nicht in dem Antrag auf Durchsuchung, und hat keine Erwähnung im Durchsuchungsbeschluss selbst gefunden.

Davon abgesehen musste eine Durchsuchung auch nicht etwa dringend vor der Bundestagswahl am 26.09.2021 erfolgen, weil - in diese Richtung offenbar die staatsanwaltschaftliche Stellungnahme - danach das Personal wechsle und dann möglicherweise Akten vernichtet würden. Insofern ist lediglich darauf hinzuweisen, dass ein Personalwechsel in deutschen Ministerien nicht schon am Wahlabend, sondern (wenn überhaupt) erst deutlich später erfolgt und auch nicht auf Referatsleiterebene, sondern gewöhnlich ab Abteilungsleiterebene. Darüber hinaus ist mit Blick auf die in bundesdeutschen Behörden bestehende Pflicht zur Aktenwahrheit und Aktenvollständigkeit - mag den Betroffenen zum Zeitpunkt eines Personalwechsels die mögliche Bedeutung von Informationen für etwaige Ermittlungen auch nicht bewusst sein - schon grundsätzlich nicht anzunehmen, etwaige Schriftstücke würden infolge bevorstehender oder nach erfolgter Wahl systematisch der Vernichtung zugeführt oder Dateien in E-Mail-Konten einzelner Mitarbeiter gelöscht. Dass bei einem - immer möglichen - Ausscheiden von Mitarbeitern nach 90 Tagen standardmäßig Backups von E-Mai-Accounts gelöscht werden, kann für sich gesehen ein Herausgabeverlangen ersichtlich nicht entbehrlich machen.

Schließlich lag das als Anlass für die Beantragung einer Durchsuchung anzusehende Telefonat der ermittlungsführenden Staatsanwältin vom 29.07.2021 derart weit vor der anstehenden Bundestagswahl, dass sich auch daraus keine besondere Dringlichkeit erschließt. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, dem Bundesministerium der Finanzen ein mit einer angemessenen, aber relativ kurzen Frist verbundenes Herausgabeverlangen direkt Anfang August 2021 zu übermitteln, und es wäre im digitalen Zeitalter auch durchaus mit einer zeitnahen Beantwortung eines Herausgabeverlangens zu rechnen gewesen. Sollte tatsächlich - wofür aber ebenfalls weder in dem Antrag noch in dem Beschluss des Amtsgerichts irgendwelche Anhaltspunkte genannt werden - angenommen worden sein, dass ein bloßes Herausgabeverlangen angesichts der Bundestagswahl schleppend behandelt werden würde, hätte immer noch hinreichend Zeit für die Beantragung und Umsetzung eines gerichtlichen Beschlusses zur Verfügung gestanden.

ee) Die Formulierung eines Herausgabeverlangens wäre bei der erforderlichen hinreichenden Konkretisierung der zu suchenden Beweismittel möglich und auch praktisch umsetzbar gewesen, zumal sich vorliegend offenbar nicht nur Anhaltspunkte ergeben hatten, dass sich irgendwelche Spuren bzw. sachdienlichen Gegenstände im Gewahrsam des Bundesministeriums der Finanzen befinden könnten, die für die umfassende Aufklärung eines strafrechtsrelevanten Sachverhaltes tatsächlich bedeutungsvoll und beweistauglich sein könnten. Das Verlangen muss den Gegenstand so genau bezeichnen, wie dies bei einer Beschlagnahmeanordnung erforderlich ist, da sonst nicht zuverlässig festgestellt werden kann, ob und inwieweit eine Weigerung im Sinne von § 95 Abs. 2 Satz 1 StPO vorliegt. Enthält die Anordnung bei einer Aufzählung oder Verwendung von Oberbegriffen Zusätze, die die Gegenstände konkretisieren, wie zum Beispiel den genauen Aufbewahrungsort, den Verwendungszweck etc., genügt auch dies dem Bestimmtheitserfordernis (BeckOK StPO/Gerhold, aaO., § 98 Rn. 9).

Nach diesen Maßstäben hätte die Staatsanwaltschaft die gesuchte Korrespondenz recht genau bezeichnen können. Hier hätte sich angeboten, vor allem die bereits vorhandene bzw. angelegte Korrespondenz bezüglich des anmahnenden Schreibens des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 15.05.2020 oder näher zu bezeichnende Unterlagen, zu denen sich aus der oben erwähnten Auswertung des bereits bei der Durchsuchungsmaßnahme bei der FIU gesicherten Materials Bezüge ergaben, anzufordern.

g) Die Kammer geht zwar davon aus, dass der nicht nur aus Grundrechten, sondern ebenso aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende und als Maxime allen staatlichen Handelns geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch bei Maßnahmen, die zwischen verschiedenen Behörden getroffen werden, zu wahren ist (vgl. BGH NJW 1992, 1973; Wegner, wistra 2022, 350, 351 entgegen Gärditz, Verfassungsblog v. 18.09.2021, https://verfassungsblog.de/politisiertestrafverfolgung/). Nach dem oben Ausgeführten kommt es vorliegend jedoch letztlich nicht mehr darauf an, ob diesem Grundsatz bei der Anordnung der Durchsuchung im Ergebnis ausreichend Genüge getan worden ist. Allerdings hätte es sich von Seiten der Staatsanwaltschaft - trotz ihres Ermessensspielraums, welche Ermittlungsansätze sie konkret präferiert - vor dem Beantragen eines Durchsuchungsbeschlusses durchaus angeboten, zur Klärung offener Fragen zunächst die abschließende Auswertung bereits zur Verfügung stehender bzw. anzufordernder Beweismittel sowie ergänzend dazu eventuell die Befragung von Mitarbeitern der FIU als Zeugen zu veranlassen.

03. Eine Entscheidung der Kammer zur Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung vom 09.09.2021 ist nicht veranlasst.

Die Beschlagnahmeanordnung des Richters ergeht - unabhängig von dem Umstand, dass sie auch unterschrieben werden sollte - in Form eines schriftlichen Beschlusses, der näher zu begründen (§ 34 StPO) und aktenkundig zu machen ist. Das Erfordernis bleibt auch dann bestehen, wenn in Eilfällen der Beschluss der Staatsanwaltschaft zunächst mündlich oder fernmündlich zur Vollstreckung bekannt gegeben wird (§ 36 Abs. 2 Satz 1 StPO). Über die bloße Feststellung hinaus, dass die zu beschlagnahmende Sache als Beweismittel benötigt wird, ist dabei die Angabe der Umstände erforderlich, die Anlass zu der Annahme bieten, die zu beschlagnahmende Sache könne als Beweismittel von Bedeutung sein. Zum Zeitpunkt der Anordnung bzw. Durchführung der Beschlagnahme braucht zwar noch nicht festzustehen, für welche Art der Beweisführung der Gegenstand im Einzelnen in Betracht kommt. Es muss jedoch nachvollziehbar sein, dass und warum er überhaupt eine (potenzielle) Beweisbedeutung haben kann, weil eine Beschlagnahme sonst einen von § 94 StPO nicht gestatteten Ausforschungsbeweis darstellt und deshalb unzulässig ist. Die gebotene Nachvollziehbarkeit ist nur dann gegeben, wenn der Beschlagnahmebeschluss entsprechende Ausführungen hierzu enthält. Die gerichtliche Anordnung muss erkennen lassen, welche Gegenstände für welchen Tatverdacht und aus welchen Gründen bedeutsam sind (vgl. BVerfG (2. Kammer des 2. Senats), Beschluss vom 03.09.1991, - 2 BvR 279/90 -, juris Rn. 24).

Hieran fehlt es vorliegend, denn die Anordnung vom 09.09.2021 lässt schon nicht die Umstände erkennen, weshalb und inwiefern die „ganz konkreten EMailaccounts“ Anlass zu der Annahme boten, sie seien als Beweismittel von Bedeutung. Deshalb liegt noch keine wirksame Beschlagnahmeanordnung vor. In einem solchen Fall hat ein Betroffener zunächst eine Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO über die Bestätigung der Beschlagnahme konkreter Beweismittel herbeizuführen. Eine gegen die unwirksame Beschlagnahmeanordnung gerichtete Beschwerde ist entsprechend auszulegen.

Die zur Beschwerde gegen die Anordnung vom 09.09.2021 getroffene Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts vom 18.05.2022 ersetzt die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme hier nicht. Dort ist zwar erwähnt, die in Rede stehenden E-Mail-Accounts seien bestimmt bezeichneten Bediensteten zuzuordnen, die mit der „Fachaufsicht [?] über die FIU betraut gewesen seien“. Dies reicht im Blick auf die erforderliche Konkretisierung allerdings ebenfalls nicht, vielmehr bleibt es dabei, dass die Sache dem hierfür gemäß § 98 Abs. 2 Satz 3, 162 Abs. 1 StPO zuständigen Amtsgericht Osnabrück - Ermittlungsrichter - zur Entscheidung zurückzugeben ist. Im Zuge der Auswertung der einzelnen Datensätze auf ihre Beweisbedeutung dürften potentiell beweisbedeutsame Datensätze bzw. bestimmte E-Mails herausgefiltert worden sein, die nunmehr so konkret zu bezeichnen wären, dass eine Unsicherheit über den Umfang der Beschlagnahme nicht auftreten kann. Zur Sicherung beweiserheblicher EMails unter Vermeidung der Gewinnung überschießender und vertraulicher, für das Verfahren bedeutungsloser Informationen kommt die Beschlagnahme eines Teils des Datenbestands unter Eingrenzung der ermittlungsrelevanten E-Mails anhand bestimmter Sender- oder Empfängerangaben, eines bestimmten Zeitraums oder anhand von Begriffen in Betracht, um den erforderlichen und zulässigen Umfang der Beschlagnahme zu bestimmen, und im Übrigen eine Freigabeentscheidung zu treffen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.


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