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Entscheidungen

Corona

Corona, Fernbleiben Hauptverhandlung, Entschuldigung, Vertrauen auf Auskunft des Verteidigers

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.09.2022 - 1 OLG 53 Ss-OWi 378/22

Eigener Leitsatz: Es liegt nicht in der Entscheidungskompetenz des Verteidigers, dem Betroffenen zu gestatten“ an einem Hauptverhandlungstermin wegen einer vom Betroffenen für möglich gehaltenen Corona-Infektion ohne objektiven Nachweis fern zu bleiben. Das Vertrauen des Betroffenen auf die Richtigkeit dieser Auskunft des Verteidigers ist nicht geschützt.


In pp.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 28. April 2022 wird als unbegründet verworfen.
Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Der Zentraldienst der Polizei des Landes B. - Zentrale Bußgeldstelle - verhängte mit Bescheid vom 01. Juni 2021 gegen den verkehrsrechtlich vorbelasteten Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h ein Bußgeld in Höhe von 100,00 € und, unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG, gemäß § 4 Abs. 2 BKatV ein einmonatiges Fahrverbot.

Die Bußgeldstelle wirft dem Betroffenen vor, am 24. Februar 2021 um 09:42 Uhr mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen: pp., die Bundesautobahn A 24 bei Kilometer 224,285 zwischen den Anschlussstellen K. und F. in Fahrtrichtung H. mit einer Geschwindigkeit von - nach Toleranzabzug - 89 km/h befahren zu haben, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h beschränkt gewesen sei.

Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein. Das Amtsgericht Neuruppin bestimmte daraufhin Hauptverhandlungstermin auf den 28. April 2022, 11:15 Uhr. Mit Schriftsatz seines Verteidigers, der per beglaubigtem Anwaltspostfach (beA) am Terminstag um 09:53 Uhr bei dem Bußgeldgericht einging, beantragte der Betroffene Aufhebung dieses Termins, weil sich bei ihm am Vortag typische Symptome einer Corona-Erkrankung (Halsbeschwerden, Schnupfen, Fieber) eingestellt hätten. Der Verteidiger fügte seinem Schriftsatz den Ausdruck eines E-Mail-Schriftwechsels mit dem Betroffenen vom selben Tag bei, in dem er ihm unter anderem mitteilte, dass er nicht an dem Termin teilnehmen könne und dies auch nicht müsse.

Das Amtsgericht führte gleichwohl den Hauptverhandlungstermin durch und verwarf den Einspruch des Betroffenen durch Urteil. In den Gründen seines Urteils führte es aus, der Betroffene sei dem Hauptverhandlungstermin ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben. Die behauptete Covid-19-Erkrankung sei nicht durch geeignete Nachweise glaubhaft gemacht worden.

Gegen dieses seinem Verteidiger am 16. Mai 2022 zugestellte Urteil legte der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag Rechtsbeschwerde ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in die versäumte Hauptverhandlung.

Mit Beschluss vom 02. Juni 2022 verwarf das Amtsgericht den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen verwarf das Landgericht Neuruppin mit Beschluss vom 04. Juli 2022 als unbegründet.

Am 16. Juni 2022 ging die Begründung der Rechtsbeschwerde bei dem Amtsgericht ein. Der Betroffene erhebt die Verfahrensrüge einer Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und in allgemeiner Form die Sachrüge. Das Amtsgericht habe sich rechtsfehlerhaft nicht mit allen von ihm vorgetragenen Entschuldigungsgründen auseinandergesetzt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 08. August 2022, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Betroffene hat hierzu mit Anwaltsschriftsatz vom 06. September 2022 Stellung genommen.

II.

Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG statthaft und entsprechend den Bestimmungen der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.

2. In der Sache hat sie keinen Erfolg, sie ist unbegründet.

a) Gegen ein Verwerfungsurteil im Sinne des § 74 Abs. 2 OWiG kann mit der Rechtsbeschwerde nur vorgebracht werden, dass das Amtsgericht den Einspruch zu Unrecht wegen unentschuldigten Ausbleibens des Betroffenen verworfen habe, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen (Göhler, OWiG, 18. Auflage, zu § 74, Rz. 48a m. w. N.). Der Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG ist als Unterfall der Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör mit der nach §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO auszuführenden Verfahrensrüge geltend zu machen (OLG Koblenz NStZ-RR 2004, 373; OLG Köln NZV 2002, 241; OLG Brandenburg NStZ-RR 1997, 275).

Der Betroffene hat seine diesbezügliche Verfahrensrüge nicht in den Erfordernissen der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügender Form ausgeführt. So fehlt es bereits an einer vollständigen Mitteilung der Urteilsgründe.

Ungeachtet dessen hätte die Verfahrensrüge im Fall ihrer zulässigen Erhebung in der Sache keinen Erfolg.

Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 08. August 2022 ausgeführt:

„Das Gericht darf den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG nur verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist. Die Entschuldigung eines Ausbleibens im Termin ist dann als genügend anzusehen, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betroffenen einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen. Maßgebend dafür ist nicht, ob sich der Betroffene entschuldigt hat, sondern, ob er entschuldigt ist, weswegen der Tatrichter von Amts wegen prüfen muss, ob Umstände ersichtlich sind, die das Ausbleiben des Betroffenen genügend entschuldigen (vgl. zu § 329 StPO BGHSt 17, 391). Die ihn insoweit treffende Nachforschungspflicht setzt jedoch erst ein, wenn überhaupt ein hinreichend konkreter und schlüssiger Sachvortrag vorliegt, der die Unzumutbarkeit oder die Unmöglichkeit des Erscheinens indizierende Tatsachenbehauptungen enthält (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 06. März 2013 - 3 Ss 20/13 - m. w. N.) und dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind, die einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 - 202 StRR 29/20).

So liegt es hier nicht, denn in seiner Mitteilung an seinen Rechtsbeistand (Bl. 9 d. A.) erklärt der Betroffene lediglich, er leide an Symptomen, die er mit einer COVID-19-Erkrankung in Zusammenhang bringt. Er teilt jedoch nicht mit, dass er sich - was angesichts der zum relevanten Zeitpunkt jedermann problemlos zur Verfügung stehenden und anzuwendenden Testsysteme zu erwarten gewesen wäre - einen Selbsttest mit einem Positivergebnis unterzogen hat. Auch wäre es ihm trotz seiner Symptome offensichtlich möglich gewesen, eine Arztpraxis zum Zwecke der Ausstellung eines seine Infizierung bestätigenden Attestes aufzusuchen. Von dieser Möglichkeit hat er nach seiner Mitteilung nur deshalb keinen Gebrauch gemacht, weil er nicht in einer Arztpraxis „rumsitzen“ wollte. Auf die - letztlich nicht verifizierbare - bloße Behauptung des Betroffenen, er sei erkrankt, musste und durfte sich das Amtsgericht bei seiner Entscheidung über die Verwerfung des Einspruchs mithin nicht verlassen, sodass die Verwerfung des Einspruchs nicht zu beanstanden ist.“

Diese Ausführungen entsprechen der Sach- und Rechtslage, der Senat schließt sich ihnen an.

Die Ausführungen des Betroffenen in seiner Gegenerklärung vom 06. September 2022 geben keinen Anlass zu abweichender Bewertung. Soweit darin die Auffassung vertreten wird, nicht der sichere und attestierte Nachweis einer Corona-Erkrankung habe Priorität, sondern die besondere Selbstverantwortung jedes Einzelnen bei selbst festgestellten Symptomen, vermag sich der Senat dem für die Teilnahme des Betroffenen an einem innerhalb eines gegen ihn gerichteten justiziellen Verfahrens angesetzten Termin nicht anzuschließen. Insoweit sind die Belange der öffentlichen Gesundheitsvorsorge und der Justiz gegeneinander abzuwägen und in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen. Diese Abwägung führt nicht dazu, dass ein gerichtlich angesetzter Termin im Bußgeldverfahren allein auf den Vortrag des Betroffenen zu einer persönlich für möglich gehaltenen Infektion ohne objektiven Nachweis aufzuheben wäre.

Dass der Verteidiger in Verkennung der Rechtslage den Betroffenen ausdrücklich angewiesen hat, der Hauptverhandlung fernzubleiben, vermag ebenfalls nicht zu einer Entschuldigung dessen Nichterscheinens zu führen. Der Betroffene hatte keinerlei Veranlassung, auf die Richtigkeit dieser Anweisung zu vertrauen - die Entscheidung dieser Frage lag offensichtlich nicht in der Entscheidungskompetenz des Verteidigers (vgl. OLG Frankfurt DAR 2017, 595; BayObLG NZV 2003, 293).

b) Die Sachrüge führt im Fall eines Verwerfungsurteils lediglich zur Prüfung des Fehlens von Verfahrensvoraussetzungen und des Vorliegens von Verfahrenshindernissen (OLG Koblenz a. a. O.; OLG Hamm NZV 2003, 396). Diese Prüfung hat Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht ergeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO.


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