Gericht / Entscheidungsdatum: VG Lüneburg, Urt. v. 17.10.2022 1 A 139/21
Leitsatz des Gerichts: Macht der Fahrzeughalter nach einem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß unrichtige Angaben zum Fahrer (hier: Angabe eines Tarnnamens und einer Tarnanschrift), dann wirkt er nicht hinreichend an der Feststellung des Fahrers mit.
In pp.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, ein Fahrtenbuch für die Dauer von 6 Monaten zu führen, und gegen die diesbezügliche Kostenfestsetzung.
Mit dem Fahrzeug (Marke: Porsche) mit dem amtlichen Kennzeichen D. wurde am E. um 20:44 Uhr in B-Stadt, F., i.R. G. folgender Verkehrsverstoß begangen: Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h (zulässige Geschwindigkeit: 50 km/h, festgestellte Geschwindigkeit nach Toleranzabzug: 77 km/h).
Daraufhin wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet und der Kläger wurde als ermittelter Halter mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 als Beschuldigter angehört; der Anhörung beigefügt war ein Frontfoto des Fahrers. Hierauf teilte der Kläger am 28. Oktober 2019 mit, nicht er sei am Tattag gefahren, sondern ein Herr H. I., wohnhaft in der J. in K.. Daraufhin wurde das gegen den Kläger eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt und ein Verfahren gegen den vom Kläger benannten Fahrer eingeleitet. In der Folge ging bei der Bußgeldstelle nach Aktenlage unter dem 30. Oktober 2019 die Antwort eines Herrn H. I. ein, in welcher diesen den Verstoß zugab (Beiakte Bl. 27). Die Bußgeldbehörde der Freien und Hansestadt B-Stadt erließ in der Folge am 4. November 2019 einen Bußgeldbescheid gegen Herrn H. I.. Nachdem dieser das festgesetzte Bußgeld trotz Mahnung nicht beglichen hatte, leitete die Bußgeldbehörde Ermittlungsmaßnahmen ein. Im Rahmen der Ermittlungen wurde festgestellt, dass Herr H. I. an der vermeintlichen Wohnanschrift nicht wohnhaft war; eine Überprüfung beim Einwohnermeldeamt ergab zudem, dass dieser nicht mehr in L. gemeldet sei. Weitere Ermittlungen, u.a. der Polizei L., ergaben, dass es sich bei dem vom Kläger benannten Fahrer um eine Tarnpersonalie unter einer Tarnanschrift gehandelt habe. Nach Angaben der Polizei L. war die Person laut Einwohnermeldeamtsauskunft nie in L. verzeichnet, auch in anderen Systemen ist die Person nicht bekannt (Beiakte Bl. 58). Daraufhin wurde das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Herrn H. I. eingestellt und die Akten wurden an den Beklagten zwecks Prüfung einer Fahrtenbuchanordnung abgegeben.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2021 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Anordnung eines Fahrtenbuches an. Nachdem der Beklagte ermittelt hatte, dass das Tatfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. zwischenzeitlich abgemeldet und der Kläger Halter des Fahrzeuges (Marke: Mercedes Benz) mit dem amtlichen Kennzeichen M. geworden war, ordnete er mit Bescheid vom 11. August 2021, zugestellt am 17. September 2021, die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 6 Monaten für das Ersatzfahrzeug mit dem Kennzeichen M. an und erhob hierfür mit weiterem Bescheid vom 11. August 2021 Verwaltungskosten in Höhe von insgesamt 103,10 EUR.
Hiergegen richtet sich die von dem Kläger am 14. Oktober 2021 erhobene Klage.
Zur Begründung macht der Kläger geltend, er sei nicht Halter des Tatfahrzeuges. Er habe das Fahrzeug bereits vor dem vermeintlichen Verkehrsverstoß veräußert. Zudem werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Verkehrsverstoß mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. begangen worden sei. Das Bußgeldverfahren sei eingestellt worden. Die Ermittlung des Fahrzeugführers sei nicht unmöglich i.S.d. § 31a StVZO gewesen; der Beklagte habe keine Ermittlungen zum Fahrer angestellt. Die Versendung eines Anhörungsbogens werde bestritten. Ferner sei die Fahrtenbuchanordnung unverhältnismäßig. Er sei bisher nicht vorbestraft und Punkte im Verkehrszentralregister seien ebenfalls nicht eingetragen. Darüber hinaus sei der mit der Fahrtenbuchanordnung verfolgte Zweck unangemessen. Soweit der Beklagte im angefochtenen Bescheid auf die Geldbuße von 100,- EUR und einen Punkt im Verkehrszentralregister verweise, bringe er damit zum Ausdruck, dass er das Fahrtenbuch nur anordne, um die entgangene Bestrafung des Klägers im Bußgeldverfahren ungeschehen zu machen. Durch den damit einhergehenden Kostenbescheid werde er mit einer ähnlich hohen Zahlungsverpflichtung wie im Bußgeldbescheid belastet.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
1. den Bescheid des Beklagten hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage vom 11. August 2021 und den Kostenbescheid des Beklagten vom 11. August 2021 aufzuheben;
2. die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt seine Bescheide. Soweit der Kläger bestreite, einen Anhörungsbogen im Bußgeldverfahren erhalten zu haben, ist dem entgegenzuhalten, dass der Kläger selbst unter dem 28. Oktober 2019 hierauf geantwortet und als vermeintlichen Fahrer einen Herrn H. I. benannt hat. Hinsichtlich der Benennung des vermeintlichen Fahrers dränge sich der Verdacht auf, dass der Kläger die Ermittlungsbehörde gezielt getäuscht habe, damit das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn eingestellt werde. Selbstverständlich habe er hierdurch nicht an der Fahrerfeststellung mitgewirkt, sondern gerade versucht, diese zu vereiteln. Der Kläger sei zudem unzweifelhaft Halter des Tatfahrzeuges zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes gewesen. Er habe das Fahrzeug erst am 10. Oktober 2019 außer Betrieb setzen lassen. Dass der Kläger das Tatfahrzeug zwischenzeitlich veräußert hat, steht der Fahrtenbuchanordnung nicht entgegen, zumal § 31a StVZO es ermögliche, ein Ersatzfahrzeug - wie hier geschehen - zu bestimmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Beiakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die die Einzelrichterin mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Fahrtenbuchanordnung durch Bescheid vom 11. August 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat gegenüber dem Kläger zu Recht die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 6 Monaten angeordnet.
Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger als Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen M. verfügte Fahrtenbuchauflage ist § 31a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein auf ihn zugelassenes Fahrzeug die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen (Satz 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Zunächst bestehen keine Bedenken, dass mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen wurde. Bei der vom Gericht im Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage (auch) zu prüfenden Frage, ob die (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift vorliegen, genügt es, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist. Dies ist hier der Fall. Mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. wurde eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen. Dies ergibt sich aus den in der Beiakte vorhandenen Unterlagen, insbesondere aus den auf Blatt 1 ff. der Beiakte vorhandenen Messunterlagen mitsamt Bildmaterial. Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellungen zum Verkehrsverstoß (hier: Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 50 km /h) fehlerhaft waren, sind weder von dem Kläger substantiiert vorgebracht worden noch anderweitig ersichtlich. Bestreitet aber der Halter eines Fahrzeugs, der ein Fahrtenbuch führen soll, es habe sich ein Verkehrsverstoß ereignet, so muss er - soll seinem Vortrag gefolgt werden - substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14.6.1999 - 12 M 2491/99 -, juris Rn. 2; OVG NRW, Beschl. v. 9.5.2006 - 8 A 3429/04 -, juris Rn. 4). Dem genügt der Kläger durch ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen nicht. Soweit er in diesem Zusammenhang anführt, dass das Bußgeldverfahren eingestellt wurde, verfängt dieser Einwand bereits deshalb nicht, weil die Einstellung nicht mangels Feststellung eines Verkehrsverstoßes, sondern mangels Feststellung des konkreten Fahrzeugführers erfolgt ist.
Die Feststellung des Fahrzeugführers nach der Geschwindigkeitsüberschreitung vom E. war unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO.
Die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ist nicht möglich, wenn die zuständige Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen traf. Es kommt mithin darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen veranlasst, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Fahrerfeststellung unmöglich war, ist der Eintritt der Verfolgungsverjährung der Ordnungswidrigkeit. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde können sich an dem Verhalten und den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. dazu u.a. BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 -, juris Rn. 7, Beschl. v. 21.10.1987 - 7 B 162.87 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2019 - 12 ME 170/18 -, juris Rn. 17, Beschl. v. 1.2.2013 - 12 LA 122/12 -, juris Rn. 7, Beschl. v. 7.6.2010 - 12 ME 44/10 -, juris Rn. 5). An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters daran, den Fahrzeugführer zu bezeichnen, fehlt es regelmäßig bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Bußgeldstelle nicht zurücksendet oder keine weiteren Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer macht. Die Bußgeldbehörde kann daher in aller Regel davon ausgehen, dass weitere Ermittlungen zeitaufwendig wären und kaum Aussicht auf Erfolg bieten würden, und mit dieser Begründung auf weitere Ermittlungsversuche verzichten. Ihr werden weitere Ermittlungsversuche, die über die Anhörung des Fahrzeughalters hinausgehen, grundsätzlich nicht zugemutet (Kammerurt. v. 21.8.2019 - 1 A 181/18 -, juris Rn. 17 f.; Nds. OVG, Beschl. v. 1.2.2013 - 12 LA 122/12 -, juris Rn. 7, Beschl. v. 7.6.2010 - 12 ME 44/10 -, juris Rn. 8, Beschl. v. 6.4.2010 - 12 ME 47/10 -, juris Rn. 5, jeweils m.w.N.). Weitere Ermittlungen zum Fahrzeugführer sind in diesen Fällen nur ausnahmsweise erforderlich, nämlich dann, wenn sich im Einzelfall besondere Anzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrers hindeuten. Zur Anwendung bestimmter Ermittlungsmethoden ist die Behörde allerdings keinesfalls verpflichtet (vgl. VGH BW, Beschl. v. 29.1.2008 - 10 S 129/08 -, juris Rn. 4; Nds. OVG, Beschl. v. 31.10.2006 - 12 LA 463/05 -, juris Rn. 4).
Nach Maßgabe dessen war es der Verfolgungsbehörde i.S.d. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, den Fahrzeugführer festzustellen. Sie traf alle nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen. Sie übersandte dem Kläger unter dem 21. Oktober 2019 einen Anhörungsbogen. Soweit der Kläger den Zugang des Anhörungsbogens bestreitet, ist dies als Schutzbehauptung zu werten, denn er selbst hat auf den Anhörungsbogen reagiert und als Fahrer einen Herrn H. I. benannt (vgl. Beiakte Bl. 17). Der Kläger hat hierdurch indes nicht hinreichend an der Feststellung des verantwortlichen Fahrers mitgewirkt, denn er hat augenscheinlich unrichtige Angaben zum Fahrer gemacht. Die Ermittlungen der Bußgeldstelle der Freien und Hansestadt B-Stadt sowie der Polizei L. haben nach Aktenlage ergeben, dass der vom Kläger benannte Fahrer nicht existiert. Bei dem vom Kläger benannten Fahrer handelt es sich nach den Ermittlungen der Behörden um eine Tarnpersonalie; auch bei der vom Kläger angegebenen Anschrift handelt es sich um eine Tarnanschrift. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner eingehenden Erörterung, dass ein Fahrzeughalter seinen Mitwirkungspflichten bei der Fahrerermittlung nach einem begangenen Verkehrsverstoß nicht genügt, wenn er falsche Angaben tätig oder gar eine Person als Fahrer angibt, die nicht existent ist (vgl. hierzu u.a. auch OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 28.7.2011 - OVG 1 N 58.11 - juris; OVG NRW, Beschl. v. 11.10.2007 - 8 B 1042/07 -, juris). Aus diesem Grund bestand kein Anlass der Behörde, weitere Ermittlungsmaßnahmen zur Fahrerfeststellung zu veranlassen.
Unbeachtlich ist vorliegend, dass der Anhörungsbogen vom 21. Oktober 2019 dem Kläger nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß zuging. Es gehört zwar grundsätzlich zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen, dass der Halter möglichst umgehend, im Regelfall innerhalb von zwei Wochen, von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 25.6.1987 - 7 B 139.87 -, juris Rn. 2, Urt. v. 13.10.1978 - VII C 77.74 -, juris Rn. 18). Diese Zweiwochenfrist gilt jedoch für jene vom Regelfall abweichenden Gestaltungen nicht, in denen bei typisierender Betrachtung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt oder erkennbar ist, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch seine spätere Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist (vgl. hierzu umfassend: Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 31a StVZO Rn. 29 f.). Verzögerte Ermittlungshandlungen der Behörde schließen deshalb die Fahrtenbuchanordnung nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist und deshalb auch bei einer früheren Anhörung ein anderes Ermittlungsergebnis nicht zu erwarten gewesen wäre (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 25.6.1987 - 7 B 139.87 -, juris Rn. 2; Nds. OVG, Beschl. v. 23.11.2017 - 12 ME 211/17 -, n.v.; Beschl. v. 20.7.2015 - 12 ME 83/15 -, n.v.). So verhält es sich hier. Die verzögerte Anhörung ist bereits deshalb nicht ursächlich für die unterbliebene Täterermittlung, weil dem Kläger ein zur Identifizierung des Fahrers ausreichendes Foto vorgelegt wurde (vgl. hierzu: Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 31a StVZO Rn. 30 m.w.N.). Darüber hinaus hat sich der Kläger nicht auf ein fehlendes Erinnerungsvermögen berufen, sondern schlicht falsche Angaben getätigt. Nicht die verzögerte Übersendung des Anhörungsbogens, sondern die objektiv unrichtige Aussage des Klägers ist für die Nichtfeststellung des Täters ursächlich gewesen (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v 13.10.1978 - VII C 77.74 -, juris Leitsatz Nr. 3).
Der Beklagte erließ die angefochtene Verfügung gegen den richtigen Adressaten, weil der Kläger Halter des Fahrzeuges war, mit dem der zugrunde liegende Verkehrsverstoß begangen worden war. Für den Halterbegriff des § 31a StVZO gelten die zu § 7 StVG entwickelten Grundsätze (vgl. u.a. Nds. OVG, Beschl. v. 30.1.2014 - 12 ME 243/13 -, juris Rn. 7; Beschl. v. 12.12.2007 - 12 LA 267/07 -, juris Rn. 18; OVG NRW, Beschl. v. 12.6.2014 - 8 B 110/14 -, juris Rn. 7). Halter des Fahrzeugs ist danach - grundsätzlich unabhängig von der Eigentümerstellung - derjenige, der das Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat (d.h. die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten für die Unterhaltung und den laufenden Betrieb trägt) und die tatsächliche Verfügungsgewalt innehat, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Bei dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise kommt es weniger auf die rechtlichen Bezüge des Fahrzeugs, sondern vielmehr auf die Intensität der tatsächlichen Beziehungen an. Dies schließt es allerdings nicht aus, dass im Einzelfall von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist (vgl. u.a. Haus, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 19 ff. m.w.N.). Die aus der Eintragung als Halter im Fahrzeugregister folgende Indizwirkung kann nur durch plausibles und substantiiertes Vorbringen entkräftet werden (vgl. u.a. Nds. OVG, Beschl. v. 30.5.2016 - 12 LA 103/15 -, juris). Hier liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass zum Tatzeitpunkt eine andere Person, als der Kläger Halter des Tatfahrzeuges war. Der Kläger hat das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen (Gerichtakte Bl. 50) erst am 10. Oktober 2019 außer Betrieb setzen lassen. Nachweise für seine Behauptung, er habe das Fahrzeug bereits vor dem begangenen Verkehrsverstoß veräußert, hat der Kläger zudem nicht vorgelegt.
Die Fahrtenbuchanordnung lässt auch keine Ermessensfehler erkennen (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Eine solche Anordnung ist nur gerechtfertigt, wenn ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht vorliegt. Wird nur ein einmaliger, unwesentlicher Verstoß festgestellt, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann noch Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, ist die Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt. Vorliegend liegt indes ein wesentlicher Verkehrsverstoß vor. Bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von - wie hier - mehr als 20 km/h stellt regelmäßig eine so erhebliche Verkehrsübertretung dar, dass die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geboten ist. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Geschwindigkeitsübertretung, die eine der hauptsächlichen Unfallursachen ist, eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (so bereits Kammerurt. v. 3.12.2018 - 1 A 257/17 -, juris Rn. 23 unter Verweis auf VGH BW, Beschl. v. 10.8.2015 - 10 S 278/15 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Urt. v. 8.7.2014 - 12 LB 76/14 -, juris Rn. 26; VG Braunschweig, Urt. v. 15.2.2017 - 6 A 181/16 -, juris Rn. 21 m.w.N.).
Die Fahrtenbuchauflage ist keine Sanktion, sondern eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie soll helfen zu gewährleisten, dass die Behörden den Fahrzeugführer in Zukunft (für die Dauer der Anordnung) ermitteln können, wenn erneut mit einem Fahrzeug des Halters gegen Verkehrsvorschriften verstoßen wird oder Straftaten begangen werden. Sie richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Eine Fahrtenbuchauflage ist daher schon dann erforderlich, wenn nach den Erfahrungen in dem Anlassfall nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, dass der Fahrzeughalter in einer vergleichbaren Konstellation erneut nicht angegeben wird oder nicht angegeben werden kann, wer das Fahrzeug gefahren hat (vgl. zu alledem auch: VG Braunschweig, Urt. v. 26.6.2018 - 6 A 161/17 -, juris Rn. 28 und Beschl. v. 12.3.2012 - 6 B 40/12 -, juris Rn. 33). Das Verhalten des Klägers bietet vorliegend Anlass genug, ihn zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung anzuhalten. Denn er hat in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren gezeigt, dass er nicht willens ist, zu einer ordnungsgemäßen Ermittlung des Fahrzeugführers zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes beizutragen. Er hat auch weder Umstände vorgetragen noch sind dem Gericht solche sonst ersichtlich, die darauf schließen ließen, dass er bei einem künftigen Verkehrsverstoß - anders als im Ausgangsfall - zu einer hinreichenden Mitwirkung bei der Fahrerermittlung bereit sein würde.
Die Führung des Fahrtenbuchs ist vorliegend geeignet, zukünftige Ermittlungen nach Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug des Klägers zu fördern. Der Kläger ist gemäß § 31a Abs. 2 Nr. 1 StVZO verpflichtet, Name, Vorname und Anschrift des jeweiligen Fahrzeugführers in das Fahrtenbuch einzutragen. Die Gefahr, dass der Kläger eine nicht existente Person als Fahrzeugführer benennt oder eine unzutreffende Adresse angibt, und damit zum Misserfolg der Ermittlungsbemühungen beiträgt, ist bei Führung eines Fahrtenbuchs deutlich geringer, da der Kläger bei falschen Angaben im Fahrtenbuch damit rechnen muss, wegen einer Ordnungswidrigkeit zur Rechenschaft gezogen zu werden. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Benennung des Fahrzeugführers stellt gemäß § 69a Abs. 5 Nr. 4 StVZO eine Ordnungswidrigkeit dar, die leicht festzustellen ist, weil der Fahrzeughalter das Fahrtenbuch gemäß § 31a Abs. 3 StVZO der das Fahrtenbuch anordnenden oder von ihr bestimmten Stelle oder sonstigen zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit zur Prüfung auszuhändigen hat (OVG NRW, Beschl. v. 11.10.2007 - 8 B 1042/07 -, juris Rn. 11 ff. m.w.N.). Zudem trägt die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs dazu bei, dass etwaige Verstöße künftig unterbleiben. Ein Fahrzeugführer, der damit rechnen muss, dass er wegen der durch das Fahrtenbuch feststellbaren Fahreridentität für einen von ihm begangenen Verkehrsverstoß zur Verantwortung gezogen wird, wird Verkehrszuwiderhandlungen zu vermeiden suchen.
Die Anordnung lässt auch im Hinblick auf die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage von 6 Monaten keine Ermessensfehler erkennen. Um die Fahrzeugbenutzung wirksam überwachen und den Fahrzeughalter künftig im Falle eines Verkehrsverstoßes zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers anhalten zu können, ist es erforderlich, das Führen des Fahrtenbuchs für eine gewisse, nicht zu geringe Dauer anzuordnen. Bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchauflage ist insbesondere das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen. Darüber hinaus kann in die zu treffende Ermessensentscheidung einfließen, ob das erste Mal mit einem Pkw des Fahrzeughalters ein Verkehrsverstoß ohne Fahrerfeststellung begangen wurde oder es sich um einen Wiederholungsfall handelt. Auch das Verhalten des Fahrzeughalters bei der Aufklärung des Verkehrsverstoßes sowie etwaige Maßnahmen, die für die Zukunft weitere Verstöße verhindern sollen, kann die Behörde unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr würdigen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 23.1.2014 - 12 LB 19/13 -, juris Rn. 19). Stellt die Behörde - wie der Beklagte - im Regelfall hinsichtlich der Dauer auf die Schwere des Verkehrsverstoßes ab, so darf sie die Dauer der Fahrtenbuchauflage anhand dieses Kriteriums staffeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.5.2015 - 3 C 13.14 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, Urt. v. 8.7.2014 - 12 LB 76/14 -, juris Rn. 28, Urt. v. 23.1.2014 - 12 LB 19/13 -, juris Rn. 19). Je schwerer ein Verkehrsverstoß wiegt, desto höher ist das Interesse der Allgemeinheit, der Gefahr entgegenzuwirken, dass bei weiteren Zuwiderhandlungen vergleichbarer Schwere der Fahrer nicht ermittelt werden kann. Daher ist es bei einem schweren Verstoß gerechtfertigt, dem Halter eine längere Überwachung der Nutzung seines Fahrzeuges zuzumuten. Dabei darf sich die Behörde bei der Bemessung des Gewichtes einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften an dem Punktsystem nach der Anlage 13 zu § 40 FeV orientieren (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 8.7.2014 - 12 LB 76/14 -, juris Rn. 28). Nach diesen Maßgaben durfte der Beklagte ermessensfehlerfrei darauf abstellen, dass es sich um einen mittelschweren Verkehrsverstoß handelt. Durch die Benennung der im Ordnungswidrigkeitenverfahren zu verhängen Geldbuße von 100,- EUR sowie der Eintragung von 1 Punkt im Verkehrszentralregister hat der Beklagte entgegen der Ansicht lediglich deutlich gemacht, dass es sich um einen mittelschweren Verstoß handelt. Hiermit sollte dagegen nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Fahrtenbuchanordnung nur erfolge, um die entgangene Bestrafung des Klägers im Bußgeldverfahren ungeschehen zu machen.
Keinen Bedenken unterliegt schließlich, dass das Fahrtenbuch nicht hinsichtlich des ursprünglichen Tatfahrzeuges, sondern in Bezug auf das Ersatzfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen M. angeordnet worden ist. Rechtsgrundlage hierfür ist § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen. Ist der Betroffene bei Erlass der Fahrtenbuchauflage nicht mehr Halter des Tatfahrzeugs, so kann sich die Anordnung auf das seither angeschaffte Nachfolgefahrzeug beziehen, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist.
Die weiteren, in der Ordnungsverfügung enthaltenen Bestimmungen, die Inhalt, Vorlage und Aufbewahrung des Fahrtenbuches betreffen, rechtfertigen sich aus § 31a Abs. 2 und 3 StVZO.
2. Auch die durch Bescheid vom 11. August 2021 erfolgte Kostenfestsetzung ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Kostenfestsetzung ist § 6a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 StVG i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Ziffer 252 der Anlage (zu § 1) der GebOSt. Nach der Ziffer 252 der Anlage (zu § 1) GebOSt beträgt der Gebührenrahmen für die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches einschließlich der Prüfung der Eintragung 21,50 EUR bis 200,- EUR. Die Bemessung richtet sich nach § 6 GebOSt i.V.m. § 9 Abs. 1 VwKostG (vgl. u.a. auch Kammerurteil vom 20.9.2018 - 1 A 324/16 -, n.v.). Innerhalb des Gebührenrahmens hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 1 VwKostG bei der Festsetzung der Gebühr im Einzelfall den mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwand (Nr. 1) und die Bedeutung, den wirtschaftlichen Wert oder den sonstigen Nutzen der Amtshandlung für den Gebührenschuldner sowie dessen wirtschaftlichen Verhältnisse (Nr. 2) zu berücksichtigen. Damit sind der Behörde Maßstabshilfen an die Hand gegeben, die sie bei ihrer nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Ermessensentscheidung zu beachten und als Grundlage der Gebührenfestsetzung für den Adressaten erkennbar umzusetzen hat. Insoweit bedarf es jedoch nicht einer bis ins Einzelne gehenden betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung und einer konkreten Berechnung im jeweiligen Einzelfall, die vom Aufwand her regelmäßig außer Verhältnis zur Höhe der hier in Betracht zu ziehenden Gebühren stünde. Dem Äquivalenzprinzip in § 9 Abs. 1 VwKostG wird vielmehr in der Regel mit einer Pauschalierung des durchschnittlichen Verwaltungsaufwandes und einer typisierenden Wertrelation von Verwaltungsleistung und Nutzen der Amtshandlung genügt, sofern die Gebührenermittlung, deren wesentliche Gesichtspunkte darzulegen sind, nicht grob übersetzt ist (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 15.2.2017 - A 10/16 -, juris Rn. 35 unter Verweis auf Nds. OVG, Urt. v. 22.4.1981 - 9 OVG A 12/80 -; Nds. OVG, Urt. v. 18.3.2004 - 7 LB 112/03 -, juris Rn. 23; OVG NRW, Beschl. v. 21.12.2010 - 8 B 1626/10 -, juris Rn. 17 f). Vorliegend weisen die Festlegung einer Gebühr in Höhe von 100,- EUR durch den Beklagten und die entsprechende Begründung in dem Bescheid keine Ermessensfehler i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO auf.
Auch die Auslagenfestsetzung von 3,10 EUR ist rechtmäßig. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt hat der Gebührenschuldner als Auslagen die Entgelte für Zustellungen durch die Post mit Postzustellungsurkunde, hier i.H.v. 3,10 EUR, zu tragen (vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 23.1.2014 - 12 LB 46/13 -, juris Rn. 15).
3. Soweit der Kläger weiter begehrt, die Hinzuziehung seiner Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, hat dieser Antrag bereits deshalb keinen Erfolg, weil ein Vorverfahren nicht stattgefunden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.
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