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Entscheidungen

StPO

Einziehung, Vollstreckung, Entreicherung, Verhältnismäßigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Hamburg, Beschl. v. 24.08.2022 - 607 StVK 395/22

Eigener Leitsatz: 1. Zur Frage, welches Recht mit Blick auf das Unterbleiben der Einziehung auf Fälle anzuwenden ist, bei denen die zugrundeliegende Straftat vor dem 01.07.2021 beendet wurde.
2. Zur Annahme eines der Vollstreckung einer Einziehungsentscheidungen entgegenstehenden Vermögensabflusses.
3. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit der Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung.


Landgericht Hamburg

607 StVK 395/22

Beschluss

In dem Strafvollstreckungsverfahren
gegen pp.

durch die Richterin pp. am 24.08.2022:

Der Antrag des Verurteilten, das Unterbleiben der Vollstreckung der mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15.07.2021, rechtskräftig seit dem 03.03.2022, Az. 632 KLs 8/21 (= 6002 Js 64/21), angeordneten Einziehung des Wertersatzes des Taterlangten in Höhe von 70.815,00 Euro anzuordnen, wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Mit dem im Beschlusstenor genannten Urteil wurde der Verurteilte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen verurteilt und die Einziehung des Wertersatzes des Taterlangten in Höhe von 70.815,00 Euro angeordnet. Dem lag zugrunde, dass der Verurteilte zwischen dem 04.04.2020 und dem 10.06.2020 unter Verwendung der „Encrochat"-Verschlüsselungssoftware gewinnbringend mit Betäubungsmitteln gehandelt hatte.

Mit Blick auf die persönlichen Verhältnisse stellte das erkennende Gericht fest, dass der Verurteilte seit seinem sechszehnten Lebensjahr verschiedene Betäubungsmittel konsumierte und ab seinem achtzehnten Lebensjahr wiederholt mit Betäubungsmitteln handelte. Nach einer abgebrochenen Ausbildung war er im Einzelhandel seines Vaters tätig und erzielte Einnahmen als Rapper über einen Vertrag mit einer Musikproduktionsfirma, später bezog er Sozialleistungen.

Der Verurteilte gab Geld für Alkohol, Kokain und Onlineglücksspiele aus, bediente jedoch zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung auch private Schulden mit monatlichen Raten in Höhe von 50 Euro.

Mit Schreiben vom 10.06.2022 beantragte der Verurteilte, das Unterbleiben der Vollstreckung der Einziehung anzuordnen. Er habe sein gesamtes Vermögen verspielt, zudem eine stationäre Entzugsbehandlung durchgeführt und befinde sich nun auf einem guten Weg. Er sei entreichert und die Vollstreckung auch im Übrigen unverhältnismäßig, da sie seine Resozialisierung wesentlich erschweren würde.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat am 01.07.2022 Stellung genommen. Sie hält den Antrag für unbegründet. Der Verurteilte habe keinen Antrag auf Ratenzahlung gestellt, dem Übermaßverbot würde durch die Pfändungsschutzvorschriften hinreichend Rechnung getragen und die Vollstreckung sei nicht unverhältnismäßig.

Die Kammer erteilte dem Verurteilten daraufhin den Hinweis, dass er seine Entreicherung und eine etwaige Unverhältnismäßigkeit jedenfalls darzulegen und zu beweisen habe, da sich beides aus den Feststellungen des erkennenden Gerichts nicht ergebe. Am 05.08.2022 übersandte der Verteidiger des Verurteilten eine eidesstattliche Versicherung des Verurteilten vom 21.07.2022. In dieser versichert der Verurteilte, er sei vollständig vermögenslos und habe sämtliche Einnahmen, die er durch die Tat erzielt habe, aufgebraucht. Er habe insgesamt 60.000 Euro verspielt, sowohl online als auch in diversen Spielhallen. Darüber hinaus habe er für 15.000 Euro Drogen und Alkohol für den Eigenkonsum erworben. Es sei nichts von den Geldern aus den Taten übrig.

II.

Der zulässige Antrag des Verurteilten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Welche Vorschrift mit Blick auf das Unterbleiben der Einziehung auf Fälle anzuwenden ist, bei denen die zugrundeliegende Straftat vor dem 01.07.2021 beendet wurde, ist umstritten.

Nach der bis zum 30.06.2021 geltenden Fassung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO hatte die Vollstreckung auf Anordnung des Gerichts zu unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden war oder die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig wäre. Hiernach hatte die Vollstreckung der Einziehung zwingend und ohne Wertungsmöglichkeit zu unterbleiben, wenn der Betroffene mit Blick auf den Tatertrag entreichert war (vgl. nur BGH, Beschluss vom 11.07.2019, 1 StR 467/18). Darüber hinaus konnte das Unterbleiben der Vollstreckung auch dann angeordnet werden, wenn zwar keine Entreicherung vorlag, die Vollstreckung aber aus anderen Gründen unverhältnismäßig war.
Nach der seit dem 01.07.2021 geltenden Fassung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO unterbleibt die Vollstreckung auf Anordnung des Gerichts nur noch, soweit sie unverhältnismäßig wäre. Zwar kann auch nach dieser Fassung die Vollstreckung unterbleiben, wenn der Tatertrag im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Eine Entreicherung hat nun jedoch im Grundsatz nicht mehr das Unterbleiben der Vollstreckung zur Folge (vgl. BT-Drucksache 19/27654, S. 111). Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind vielmehr auch andere Aspekte zu berücksichtigen, etwa zu welchem Zweck die Taterträge verwendet wurden. Ebenso kann danach differenziert werden, ob durch die Einstellung der weiteren Vollstreckung Belange eines konkreten Geschädigten verletzt würden oder ob es das Gemeininteresse an der Vermeidung gemeinschädlicher Straftaten dadurch zu wahren gilt, dass ihre Begehung durch Abschöpfung finanziell unattraktiv wird. Nicht zuletzt kann die Verhältnismäßigkeit auch durch Zahlungserleichterungen gewahrt werden.

Teilweise wird nun vertreten, gemäß § 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 StGB sei aufgrund des strafähnlichen Charakters und einer damit einhergehenden materiellen Komponente der Einziehung auf Fälle, bei denen die Tat vor dem 01.07.2021 beendet wurde, die bis zum 30.06.2021 geltende Fassung des § 459g Abs. 5 StPO als das mildere Gesetz anzuwenden (so: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.03.2022, 1 Ws 122/22, BeckRS 2022, 11716).

Dem entgegen gesetzt wird jedoch auch vertreten, die gegenwärtige Fassung des § 459g Abs. 5 StPO sei unabhängig vom Zeitpunkt der Tatbeendigung anzuwenden. Eine Übergangsregelung sei für die Verfahrensvorschrift nicht geschaffen worden und die Neuregelung erlaube weiterhin nachvollziehbare und verfassungskonforme Ergebnisse (so: OLG Schleswig, Beschluss vom 07.07.2022, 2•Ws 63/22, BeckRS 2022, 16351).

Welche Vorschrift auf die Einziehung des mit einer vor dem 01.07.2021 beendeten Tat Erlangten anzuwenden ist, kann vorliegend jedoch offen bleiben, denn der Verurteilte hat schon nicht hinreichend dargelegt und bewiesen, dass der Wert des Erlangten nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist und auch Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit sind weder hinreichend dargelegt noch ersichtlich, so dass weder die Voraussetzungen der alten noch der neuen Fassung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO erfüllt sind.

2. Im Rahmen der Vollstreckung kann derzeit eine Entreicherung des Verurteilten nicht festgestellt werden.

Für die sichere Annahme eines Vermögensabflusses im Sinne des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO a.F. bedarf es über bloße Vermutungen hinaus einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Das Gericht hat konkrete Feststellungen zu Art und Umfang des Vermögensabflusses zu treffen. Eine dahingehende Amtsermittlungspflicht besteht jedoch nicht. Sind die relevanten Tatsachen dem Gericht nicht ohnehin bekannt - etwas aus den Feststellungen des erkennenden Gerichts - liegt es vielmehr am Einziehungsadressaten, einen Vermögensabfluss darzulegen und zu beweisen. Bloße nicht nachprüfbare Behauptungen des Verurteilten bilden dabei keine ausreichende Grundlage für die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts, da dies dem gesetzgeberischen Zweck der effektiven Abschöpfung inkriminierten Vermögens zuwiderliefe (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 07.09.2020, 161 AR 146/19, BeckRS 2020, 39454). Auch können die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast bei der Geltendmachung vollstreckungshindernder Einwendungen nicht deliktspezifisch herabgesenkt werden. Zwar treffen den Einziehungsadressaten gerade in Kriminalitätsbereichen wie dem Betäubungsmittelhandel erhebliche Beweisschwierigkeiten, da dort im wesentlichen Bargeldgeschäfte getätigt werden und Zahlungsflüsse dadurch regelmäßig kaum belegbar sind. Diese Beweisschwierigkeiten folgen jedoch unmittelbar aus der Natur der von dem Verurteilten begangenen Straftaten sowie der von ihm behaupteten Verwendung der Taterträge und somit aus Umständen, die allein in seiner Einflusssphäre liegen. Würde man in solchen Fällen die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast senken, so hätte dies die ungerechtfertigte Privilegierung einzelner Tätergruppen zur Folge und begründete die Gefahr, dass die vom Gesetzgeber bezweckte effektive Vermögensabschöpfung unterlaufen würde (so auch: KG Berlin, Beschluss vom 07.09.2020, 161 AR 146/19, BeckRS 2020, 39454).

Nach diesen Maßgaben kann vorliegend nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass der Wert des Taterlangten nicht mehr im Vermögen des Verurteilten vorhanden ist.

Ein entsprechender Vermögensabfluss ergibt sich nicht bereits aus den Feststellungen des erkennenden Gerichts. Dort ist zwar aufgeführt, dass der Verurteilte „sein Geld" für Drogen und Glücksspiele ausgab (S. 4 des Urteils vom 15.07.2021), es finden sich aber keinerlei konkrete Angaben dazu, in welchem Umfang und Zeitrahmen dies erfolgte oder ob dies den Tatertrag ganz oder teilweise umfasste.

Auch der Verurteilte hat einen Vermögensabfluss nicht ausreichend konkret dargetan. Ob die eidesstattliche Versicherung für sich genommen genügen würde, um einen entsprechenden Vermögensabfluss zu beweisen, muss die Kammer dabei nicht entscheiden, denn der Verurteilte hat eine Entreicherung schon nicht hinreichend konkret dargelegt.

Zwar hat er in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 21.07.2022 angegeben, er habe 60.000 Euro für Glücksspiele ausgegeben. Hierbei handelt es sich jedoch um eine lediglich pauschale Behauptung, die für die Kammer in keiner Weise überprüfbar ist. Der Verurteilte hat noch nicht einmal nähere Angaben dazu gemacht, über welchen Zeitraum und in welchen konkreten Einrichtungen er an Glücksspielen teilgenommen haben will. Auch hat er nicht näher dargelegt, wie sich die genannten 60.000 Euro zusammensetzen. Den Feststellungen des erkennenden Gerichts ist zu entnehmen, dass der Verurteilte phasenweise auch berufstätig war und bereits vor den abgeurteilten Taten seit seinem 18. Lebensjahr mit Betäubungsmitteln handelte, so dass auch andere Finanzquellen neben den Taterträgen für die Finanzierung des Glücksspiels in Betracht kommen, ebenso wie neben den Taterträgen erspielte Beträge hätten eingesetzt werden können. Die pauschale Behauptung, 60.000 Euro verspielt zu haben, stellt vor diesem Hintergrund keine hinreichend konkrete Tatsachengrundlage für die Annahme dar, der Tatertrag sei im Vermögen des Verurteilten nicht mehr vorhanden.

Gleiches gilt für die pauschale Behauptung, der Verurteilte habe 15.000 Euro für Alkohol und Drogen ausgegeben. Auch diesbezüglich hat der Verurteilte keine hinreichenden konkreten Angaben zum zeitlichen Rahmen und den Umständen der vorgeblich getätigten Ausgaben gemacht, die durch das Gericht in irgendeiner Form überprüft werden könnten. Gerade auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des erkennenden Gerichts genügt diese undifferenzierte Darstellung des Verurteilten nicht, um eine Entreicherung hinreichend konkret darzulegen. Dem Urteil des erkennenden Gerichts sind nämlich keine abschließenden Feststellungen dazu zu entnehmen, in welchem konkreten Umfang der Eigenkonsum erfolgt sein soll. Zwar ist angegeben, der Verurteilte habe ab Anfang 2020 täglich etwa zwei Flaschen hochprozentigen Alkohol und etwa 1g Kokain konsumiert. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um geschätzte Annahmen, der Konsum soll sich weiter gesteigert haben, was aber nicht näher präzisiert wird. (vgl. S. 4 des Urteils vom 15.07.2021). Der genaue Zeitrahmen des Konsums ist ebenfalls nicht näher beziffert. Das erkennende Gericht bewertete die Angaben des Verurteilten zu seinem Konsumverhalten zudem ausdrücklich kritisch, da zwei Arztbriefe im März beziehungsweise August 2020 lediglich einen „schädlichen Gebrauch von Kokain" bei dem Verurteilten diagnostiziert hatten und in einem psychiatrischen Konsil des Albertinen-Krankenhauses vom Juli 2020 sogar eine mehrwöchige Abstinenz beschrieben wurde (vgl. S. 39 f. des Urteils vom 15.07.2021). Auch der Verurteilte hat nun aber nicht näher dargelegt, welchen genauen Umfang sein Konsum im Tatzeitraum hatte, wie oft und in welchen Mengen er welche Betäubungsmittel konsumiert haben will. Mit Blick auf die Finanzierung des Konsums kommen zudem - neben den Taterträgen - ebenfalls die vorgenannten alternativen Finanzquellen in Betracht. Ein bestimmter Umfang des Vermögensabflusses mit Blick auf den Tatertrag kann auf dieser Grundlage nicht festgestellt werden.

Der Annahme der vollständigen Vermögenslosigkeit, wie sie der Verurteilte vorgetragen hat, steht ferner auch entgegen, dass er nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung private Schulden in monatlichen Raten von 50 Euro bedienen konnte.

Ohnehin käme eine Entreicherung vorliegend nur dann in Betracht, wenn der Verurteilte keine Aufwendungen erspart hätte. Der Verurteilte hat aber keinerlei Angaben dazu gemacht, ob er durch einen etwaigen Einsatz des Tatertrages sonstige Aufwendungen erspart hat. Wird rechtsgrundlos Geld erlangt, so hat der Empfänger immer dann Aufwendungen erspart, wenn er ohne den Einsatz des rechtsgrundlos erlangten Geldes andere Ressourcen aus seinem Vermögen hätte aufwenden müssen, die ihm nun erhalten geblieben sind. In einem solchen Fall ist der Empfänger weiterhin durch die so ersparten Aufwendungen bereichert, auch wenn das rechtsgrundlos erlangte Geld ausgegeben wurde, da der Wert des Erlangten durch die ersparten Aufwendungen weiterhin in seinem Vermögen vorhanden ist. Eine Entreicherung ist dann nur bei so genannten „Luxusaufwendungen" anzunehmen, die sich der Empfänger ohne das rechtsgrundlos erlangte Geld nicht anderweitig verschafft hätte. Ob Aufwendungen erspart wurden, ist somit entscheidend für die Frage, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Einziehungsadressaten vorhanden ist. Nur bei einer Luxusaufwendung käme eine Entreicherung in Betracht, da die mit Blick auf Luxusaufwendungen greifende verschärfte Haftung des § 819 BGB im Strafvollstreckungsrecht keine Anwendung finden soll (vgl. nur OLG Schleswig, NStZ-RR 2021, 63). Eine Luxusaufwendung läge vorliegend jedoch nur dann vor, wenn der Verurteilte ohne die Taterträge keine Ausgaben für Betäubungsmittel oder Glücksspiele getätigt hätte. Hierzu bedürfte es jedoch ebenfalls näherer Angaben durch den Verurteilten, da dieser bereits seit seinem 16. Lebensjahr regelmäßig Betäubungsmittel konsumiert und offenbar auch dem Glücksspiel über längere Zeiträume nachging.

3. Die Vollstreckung der Einziehung des Wertersatzes des Taterlangten ist auch nicht sonst unverhältnismäßig. An die Unverhältnismäßigkeit sind mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel der effektiven Vermögensabschöpfung hohe Anforderungen zu stellen, sie kann nur angenommen werden, wenn die Resozialisierung des Einziehungsadressaten wesentlich erschwert würde, die Vollstreckung eine erdrückende Wirkung zur Folge hat oder das Übermaßverbot verletzt ist.

Das grundrechtlich geschützte Resozialisierungsinteresse des Verurteilten steht einer Vollstreckung der Wertersatzeinziehung vorliegend nicht entgegen. Die Vollstreckungsbehörde ist grundsätzlich gehalten, die Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden, so dass die typischerweise mit jeder Einziehung verbundene Belastung für den Adressaten für sich genommen nicht zum Unterbleiben der Vollstreckung führen kann. Vielmehr müssen im Einzelfall besondere Gründe hinzutreten, die eine Gefährdung der Resozialisierungsmöglichkeiten durch die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung konkret befürchten lassen und denen nicht durch Maßnahmen nach § 459g Abs. 2 StPO i.V.m. § 459a StPO begegnet werden kann (vgl. hierzu auch: KG Berlin, Beschluss vom 07.09.2020, 161 AR 146/19, BeckRS 2020, 39454). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Die pauschale Behauptung des Verurteilten, die Vollstreckung der Einziehung würde ihn wieder in die Gefahr der Drogen- und Spielsucht bringen, genügt nicht, um die Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung zu begründen. Der Verurteilte hat selbst bereits berufliche Pläne skizziert, mit denen er seinen Lebensunterhalt künftig decken möchte. Aufgrund seines noch jungen Lebensalters ist auch nicht ersichtlich, warum er nicht in der Lage sein sollte, längerfristig Einkommen zu generieren, das über der Pfändungsfreigrenze liegt. Darüber hinaus hat er bereits eine Entzugsbehandlung erfolgreich absolviert und ein Hang zum übermäßigen Konsum sowie die Gefahr darauf zurückgehender Straftaten liegt nach sachverständiger Einschätzung bei dem Verurteilten nicht vor. Eine soziale Gefährdung durch sein Konsumverhalten wurde ausdrücklich nicht angenommen (S. 44 des Urteils vom 15.07.2021). Auch eine Verschlechterung der finanziellen Situation der Familie des Verurteilten gegenüber deren Lebenssituation bei Begehung der Taten ist mit Blick auf die auch bei der Vollstreckung geltenden Pfändungsfreigrenzen nicht zu befürchten.

Eine erdrückende Wirkung oder die Verletzung des Übermaßverbotes sind ebenso wenig dargelegt und auch nicht ersichtlich. Hierbei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass neben den ohnehin greifenden Pfändungsschutzvorschriften nach §§ 459g Abs. 2, 459a StPO Zahlungserleichterungen vereinbart werden können. Darüber hinaus kann auch die Vollstreckungsbehörde gemäß §§ 459g Abs. 2, 459c Abs. 2 StPO von der Vollstreckung absehen, wenn zu erwarten ist, dass sie in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen wird, etwa weil keine Vermögenswerte auffindbar sind.


Einsender: RA M. Rakow, Rostock

Anmerkung:


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