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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Betreuung, Unfähigkeit der Selbstverteidigung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 21.07.2022 - 25 Qs 262 Js 24395/22 (53/22)

Eigener Leitsatz: Steht der Beschuldigte unter Betreuung und zählt zum Aufgabenkreis des Betreuers die Vertretung vor Behörden, ist insoweit stets von einer notwendigen Verteidigung wegen Unfähigkeit der Selbstverteidigung auszugehen.


Landgericht Magdeburg

Beschluss
25 Qs 262 Js 24395/22 (53/22)

In der Beschwerdesache
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln

hat die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richter am 21. Juli 2022 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Aschersleben vom 22. Juni 2022 (Az.: 5 Gs 262 Js 24395/22 (1182/22)), durch den der Antrag des Beschuldigten auf Beiordnung von Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger vom 01. Juni 2022 zurückgewiesen wurde, aufgehoben.
Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der dem Beschuldigten hierfür entstandenen notwendigen Auslagen, hat die Landeskasse zu tragen.

Gründe:

Gegen den Beschuldigten wird von der Staatsanwaltschaft Magdeburg ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 BtMG geführt.

Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, am 02. Mai 2022 in Blankenburg 0,7 g Marihuana sowie 3,2 g Methamphetamin besessen zu haben, wobei diese Betäubungsmittel im Rahmen einer Verkehrskontrolle bei dem Beschuldigten aufgefunden und sichergestellt worden seien.

Mit Schriftsatz vom 01. Juni 2022, bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg eingegangen am selben Tage, zeigte Rechtsanwalt pp. die Verteidigung des Beschuldigten an und beantragte namens und in Vollmacht des Beschuldigten, diesem gemäß § 140 Abs. 2 i. V. m. § 141 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 142 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO beigeordnet zu werden. Der Verteidiger führte aus, dass er im Falle seiner Beiordnung das Wahlmandat niederlege. Zudem bat der Verteidiger um die unverzügliche Weiterleitung des Antrages gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO an das zuständige Amtsgericht. Zur Begründung führte der Verteidiger aus, dass es sich hierbei um einen Verstoß gegen das BtMG anlässlich der Festnahme „aufgrund 230-er Haftbefehls" am 01. Mai 2022 in dem Verfahren 2 Ls 130 Js 3620/22 handele.

Mit Beschluss vom 22. Juni 2022, dem Beschuldigten zugestellt am 25. Juni 2022, wies das Amtsgericht Magdeburg den Antrag des Beschuldigten auf Bestellung eines Pflichtverteidigers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei dem Beschuldigten am 02. Mai 2022 in Blankenburg 0,7 g Marihuana sowie 3,2 g Methamphetamin aufgefunden worden seien. Die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO lägen nicht vor. Weder die Schwere der Tat noch die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge noch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ließen die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheinen. Es sei nicht ersichtlich, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen könne. Auch die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO seien nicht gegeben.

Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2022, beim Amtsgericht Magdeburg eingegangen am selben Tage, legte der Verteidiger sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 22. Juni 2022 ein, welche er mit separatem Schriftsatz vom 30. Juni 2022 begründete. Der Verteidiger führte aus, dass der Beschuldigte unter amtlicher Betreuung stehe, sodass ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO gegeben sei.

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2022 übersandte der Verteidiger der Kammer den Beschluss des Amtsgerichts Aschersleben — Betreuungsgericht — vom 30. Juli 2015 (Az.: 19 XVII 121/15), durch den der Beschuldigte unter Betreuung des Mitarbeiters des Betreuungsvereins Staßfurt e.V., Herrn pp., gestellt wurde. Der Aufgabenkreis des Betreuers umfasst danach auch die Vertretung in Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 15. Juli 2022 teilte das Amtsgericht Aschersleben —Betreuungsgericht — der Kammer mit, dass die Betreuung des Beschuldigten nach wie vor bestehe und ab 29. Juli 2022 für die nächsten sieben Jahre verlängert werde.

Die nach § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO i. V. m. § 311 StPO zulässige sofortige Beschwerde des Beschuldigten ist im Ergebnis begründet.

Vorliegend sind die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers gegeben. Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO vor.

Nach § 140 Abs. 2 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

Vorliegend ist die Mitwirkung eines Verteidigers geboten, weil der Beschuldigte sich selbst nicht sinnvoll verteidigen kann.

Die Mitwirkung eines Verteidigers ist immer dann erforderlich, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschuldigte aus in seiner Person liegenden Gründen (geistige Fähigkeiten, Gesundheitszustand, sonstige Umstände) nicht in der Lage sein wird, alle Möglichkeiten einer sachgemäßen Verteidigung zu nutzen (BeckOK StPO/Krawczyk, 39. Ed. 1.1.2021, StPO § 140 Rn. 39). Dabei ist § 140 Abs. 2 StPO schon dann anwendbar, wenn an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 140 Rn. 30).

Steht der Beschuldigte unter Betreuung und zählt zum Aufgabenkreis des Betreuers die Vertretung vor Behörden, ist insoweit stets von einer notwendigen Verteidigung auszugehen (LG Berlin StV 2020, 165; 2016, 487; KG BeckRS 2016, 04227; LG Leipzig BeckRS 2017, 128130; OLG Hamm 14.8.2003 — 2 Ss 439/03, NJW 2003, 3286; BeckOK StPO/Krawczyk, 40. Ed. 1.7.2021, StPO § 140 Rn. 45; MüKoStPO/Thomas/Kämpfer, 1. Aufl. 2014, StPO § 140 Rn. 49).

Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass der Beschuldigte durch den Beschluss des Amtsgerichts Aschersleben — Betreuungsgericht — vorn 30. Juli 2015 (Az.: 19 XVII 121/15) unter Betreuung des Mitarbeiters des Betreuungsvereins Staßfurt e.V., Herrn pp., steht, ist vorliegend von einer Unfähigkeit des Beschuldigten zur Selbstverteidigung und somit von einer notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO auszugehen.
In Anwendung des § 309 Abs. 2 StPO hat die Kammer dem Beschuldigten Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO analog.


Einsender: RA J. - R. Funck, Braunschweig

Anmerkung:


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