Gericht / Entscheidungsdatum: LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 04.08.2022 - 16 Qs 27/22
Eigener Leitsatz: Ist nicht erkennbar, weshalb ein Telefonat mit der im Ausland lebenden Ehefrau, die in keinerlei Verbindung zur verfahrensgegenständlichen Tat steht, dem Zweck der Untersuchungshaft widersprechen soll bzw. wie durch das Telefonat das Verfahren beeinträchtigt werden könnte, ist dem Untersuchungshaftgefangenen eine Telefonerlaubnis zu erteilen.
Landgericht Nürnberg-Fürth
16 Qs 27/22
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Verteidiger: Rechtsanwalt
wegen gef. Körperverletzung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 16. Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 4. August 2022 folgenden
Beschluss
1. Auf die Beschwerde des Angeklagten pp. wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 14.07.2022 aufgehoben und dem Angeklagten ein Telefonat mit seiner in Bulgarien lebenden Ehefrau genehmigt.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Der Beschluss war aufzuheben, da er nicht der Sach- und Rechtslage entspricht.
Nach § 119 Abs. 1 StPO dürfen derartige Beschränkungen, wie hier konkret bezüglich eines gestatteten Telefonats, nur auferlegt werden, sofern dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich ist. Das bedeutet, dass das Gericht, das für Entscheidungen nach § 119 Abs. 1 StPO zuständig ist. nur solche Argumente für Beschränkungen heranziehen darf, die aus Haftgründen. wenn auch aus solchen. die nicht im konkreten Haftbefehl aufgeführt sind. Berücksichtigung finden dürfen (AG Nürnberg, Beschluss vom 10.02.2022, Az. 57 Gs 1224/22; OLG Nürnberg. Beschluss vom 22.05.2014. Az. 1 Ws 153/14, 1 Ws 154/14).
Vorliegend ist nicht erkennbar, weshalb ein Telefonat mit der im Ausland lebenden Ehefrau, die in keinerlei Verbindung zur verfahrensgegenständlichen Tat steht, dem Zweck der Untersuchungshaft widersprechen soll bzw. wie durch das Telefonat das vorliegende Verfahren beeinträchtigt werden könnte.
Das Amtsgericht hat hierzu in der Begründung des angegriffenen Beschlusses auch keine näheren Ausführungen gemacht. Gründe der Anstaltsordnung haben bei der grundsätzlichen Frage von Genehmigungen von Telefonaten außer Acht zu bleiben, weil § 119 StPO die Erteilung von Beschränkungen nur gestattet, soweit diese haftgrundbezogen sind. Die Wahrung der Anstaltsordnung im Rahmen der Vorschriften des BayUVollzG ist ausschließlich Sache der Justizvollzugsanstalt, nicht der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts.
Im Übrigen ist bei Telefonaten mit nahen Familienangehörigen im Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG ein großzügigerer Maßstab angezeigt (OLG Nürnberg a.a.O.).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.
Einsender: RA G. Loyens, Nürnberg
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