Gericht / Entscheidungsdatum: AG Mönchengladbach, Beschl. v. 15.07.2022 - 57 Gs 621/22
Eigener Leitsatz: Eine rückwirkende Bestellung des Pflichtverteidigers ist zulässig, wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung gemäß § 140 StPO vorlagen und die Entscheidung allein aufgrund justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der (ehemalige) Angeklagte keinen Einfluss hatte.
57 Gs 621/22 (610 Js 202/22)
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
hat das Amtsgericht Mönchengladbach
durch den Richter am Amtsgericht pp. am 15. Juli 2022 beschlossen:
Der Angeschuldigten pp. wird Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger bestellt (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO).
Gründe:
Rechtsanwalt pp. war der Beschuldigten gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO im Hinblick auf ihren Aufenthalt in der JVA (vgl. u.a. BI. 197, 204 d.A.) als Pflichtverteidigerin zu bestellen.
Zwar ist eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung nach Verfahrensabschluss grundsätzlich unzulässig beziehungsweise erledigt, da die Bestellung eines
Pflichtverteidigers nicht dem Kosteninteresse des Beschuldigten oder seines Verteidigers dient, sondern allein dem Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Beschuldigter in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (vgl. BGH, NStZ-RR 2009, 348; BGH, Beschluss vom 27. April 1989 - 1 StR 627/88; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 1 ARs 1/15, jeweils zitiert nach Juris; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1996, 171). Das Gericht erachtet jedoch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung vieler anderer Landgerichte sowie (nunmehr) vereinzelter Oberlandesgerichte auch eine rückwirkende Bestellung für zulässig, wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung gemäß § 140 StPO vorlagen und die Entscheidung allein aufgrund justizinterner Vorgänge unterblieben ist, auf die der (ehemalige) Angeklagte keinen Einfluss hatte (vgl. LG Bremen, NStZ-RR 2004, 113; LG Hamburg, StV 2005, 207; LG Saarbrücken, StV 2005, 82; LG Itzehoe, NStZ 2011; LG Magdeburg, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 29 Qs 2/20, BeckRs 2020, 2477; OLG Nürnberg Beschl. v. 6.11.2020 Ws 962/20, Ws 963/20, BeckRS 2020, 35193 Rn. 8, beck-online; vgl. zudem OLG Bamberg Beschl. v. 29.4.2021 1 Ws 260/21, BeckRS 2021, 14711 Rn. 10-19, beck-online mit ausführlicher Begründung). So liegt hier der Fall, da Rechtsanwalt pp. bereits mit Schriftsatz vom 06.04.2022 die Beiordnung zum Pflichtverteidiger beantragte und er somit alles Erforderliche für seine Beiordnung getan hat. Zu dem Zeitpunkt der Antragstellung lagen die Voraussetzungen für die Beiordnung vor. Am 07.07.2022 erfolgte durch die Staatsanwaltschaft die Verfahrenseinstellung gemäß § 154 StPO und erst mit Verfügung vom 13.07.2022 wurde die Akte dem Amtsgericht zur Entscheidung über den Antrag auf Beiordnung vorgelegt.
Einsender: RA V. Cappa, Dortmund
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