Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Urt. v. 01.02.2022 - 10 O 715/21
Eigener Leitsatz: Derjenige, gegen den aufgrund eines PCR-Testbefundes eine Quarantäneanordnung getroffen wird, hat auch dann keinen Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn anschließend keine Symptome auftraten.
In pp.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auf 15.000,- festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten Schmerzensgeld wegen einer Absonderungsanordnung.
Die Kläger zu 1) bis 4) sind eine Familie und leben in einer Hausgemeinschaft zusammen.
Am 14.04.2021 wurde der Kläger zu 2) positiv auf das Coronavirus (COVID-19) getestet. Die Kläger zu 1) bis 4) erhielten daraufhin alle vom Gesundheitsamt der Beklagten zunächst mündlich am 14.04.2021, später dann schriftlich, zugegangen am 19.04.2021, einen Bescheid über die häusliche Absonderung (Quarantäne) vom 14.04. bis 28.04.2021. Die Klägerinnen zu 1), 3) und 4) erhielten die Absonderungsanordnung wegen eines Kontaktes zu einem bestätigten COVID-19-Fall. Die Absonderungsanordnung erfolgte aufgrund einer SARS-COV-2 Erregernachweismeldung des Labors Hannover MVZ GmbH vom 15.04.2021.
Die Kläger wiesen alle keine Symptome einer COVID-19 Erkrankung auf. Die Kläger behaupten, der PCR-Test beim Kläger zu 2) sei falsch positiv gewesen, da lediglich das E-Gen und das ORF1-Gen entgegen der Anordnung der WHO gemessen worden seien. Der PCR-Test sei entgegen den Erhebungen des Robert-Koch-Instituts ausweislich eines vom Amtsgericht Weimar mit Beschluss vom 08.04.2021 eingeholten Sachverständigengutachtens der Professorin Dr. K. von der Universitätsklinik W.burg nicht aussagekräftig bezüglich einer COVID-19-Infektion. Das Testergebnis sei nur ein Laborwert, der keine Aussage über das Vorhandensein infektiöser Viren erlaube und nur in Zusammenschau mit einer klinischen Symptomdiagnose überhaupt eingesetzt werden dürfe.
Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte habe gegen ihre Amtspflichten verstoßen, da sie alle positiven PCR-Tests bis zu einem CT-Wert von 45 an das RKI melde in Kenntnis der Tatsache, dass es sich nicht um Infizierte gemäß der WHO handele. Zudem setze sie fehlerhaft alle positiven PCR-Tests bis zum CT-Wert 45 mit einer Infektion gleich. Der Beklagten sei auch bekannt, dass keine Infektion bei dem überwiegenden Teil der positiv getesteten Personen vorliege, erst recht nicht über einen CT-Wert von 30 hinaus; dennoch habe die Beklagte alle positiven Testergebnisse bis zu einem CT-Wert von 45 dem RKI übermittelt, damit die Inzidenz gefälscht werde. Auch verstoße die Beklagte gegen ihre Amtspflichten, da sie die Infektionszahl zur Begründung der Anordnung publiziere, obwohl sie wisse, dass positiv getestete Personen keine Infizierten seien. Die Beklagte hätte auch ein milderes Mittel als die Absonderung wählen können. Auch hätte die Beklagte eine ärztliche Untersuchung für die Feststellung eines konkreten Infektionsgeschehens anordnen müssen. Gegen die Amtspflichten verstoße auch, dass die Beklagte keinen negativen PCR-Test zur Aufhebung der Absonderungsanordnung ermögliche.
Die Beklagte habe auch eine drittbezogene Amtspflicht verletzt, da die von ihr durchgeführten Amtshandlungen rechtswidrig seien. Die Rechtswidrigkeit der Verordnung ergebe sich schon daraus, dass § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG), der Rechtsverordnungen durch die Landesregierungen zur Regelung von Maßnahmen gem. §§ 28, 28a, 29 IfSG erlaube, gegen Art. 80 GG verstoße.
Die Kläger sind der Auffassung, ihnen stehe wegen der Quarantäneanordnung pro Person pro Tag ein Schmerzensgeld i.H.v. 250,- zu, da sie durch die Quarantäneanordnung soziale Einschränkungen und psychische Belastungen erlitten hätten; sie hätten keinen Zugang zur Natur gehabt und nicht die Möglichkeit erhalten, sportliche Aktivitäten im Freien auszuführen. Zudem sei ihnen die Freiheit entzogen worden. Die Freiheitsentziehung hätte jedoch nur durch einen Richter gem. Art. 104 GG erfolgen dürfen; daher hätte nach der Anordnung der Absonderung eine Anhörung durch einen Richter stattfinden müssen.
§ 839 Abs. 3 BGB hindere einen Amtshaftungsanspruch nicht, da die Beantragung einstweiligen Rechtschutzes bei dem Verwaltungsgericht nicht vor Ablauf der Quarantäneanordnung zum Erfolg hätte führen können. Auch hätten sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kein Schmerzensgeld erhalten können.
Die Kläger beantragen,
die Beklagtenpartei zu verurteilen, an die Klageparteien jeweils ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 3.750,- nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, eine Haftung ihrerseits scheide bereits wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 839 Abs. 3 BGB aus, da die Kläger Widerspruch gegen die Verfügungen bzw. einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht hätten erheben bzw. stellen können. Diese Verfahren wären zumindest geeignet gewesen, eine Schadensminderung zu erreichen.
Ein Anspruch komme aber auch deshalb nicht in Betracht, weil sie keine Amtspflichten verletzt habe, da die von ihr getroffenen Entscheidungen rechtmäßig und zumindest vertretbar gewesen seien.
Soweit die Kläger darauf Bezug nähmen, dass der PCR-Test, die Beurteilung der Pandemielage anhand von Inzidenzwerten sowie die darauf beruhenden Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung durch Absonderung als Grundlage für den Erlass der streitgegenständlichen Anordnungen nicht geeignet gewesen seien, sei sie nicht passivlegitimiert. Denn bei den Maßnahmen und Empfehlungen handele es sich um solche, die vom Bund und von den Ländern beschlossen und umgesetzt worden seien. Die von ihr getroffenen Maßnahmen seien angesichts der Pandemielage gerechtfertigt gewesen. Dies ergebe sich auch aus der Risikobewertung des RKI vom 02.08.2021. Die Testung mit der PCR-Methode sei eine hinreichende Tatsachenfeststellung für einen Coronatest. Die dafür erforderlichen Abstriche aus dem Nasenrachenraum würden in eigens dafür ausgestatteten Laboren im Rahmen eines standardisierten und zertifizierten Verfahrens analysiert und fachgerecht befundet werden. Die Testmethode beruhe auf wissenschaftlich belegten Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts, die auch allgemein anerkannt seien. Andere Auffassungen seien Mindermeinungen und nicht vertretbar.
Zwar könne - so behauptet die Beklagte - die Krankheit auch asymptomatisch verlaufen; das ändere jedoch nichts an der Ansteckungsfähigkeit, die auch von einem symptomlosen Virusträger ausgehen könne.
Die Beklagte meint weiterhin, der Kläger zu 2) sei als positiv getesteter Ausscheider im Sinne des § 2 Nr. 6 IFSG, die Klägerinnen zu 1), 3) und 4) als Hausgenossen Ansteckungsverdächtige im Sinne der §§ 28 IFSG bzw. 30 IFSG. Die Anforderungen an einen Ansteckungsverdacht seien bei der Covid-19-Pandemie nicht allzu hoch anzusetzen. Ein Ermessensfehlgebrauch ihrerseits im Rahmen der getroffenen Maßnahmen liegen nicht vor. Die häusliche Quarantäne sei eine Freiheitseinschränkung, aber keine Freiheitsentziehung. Der Schutz Dritter vor Ansteckungen überwiege gegenüber den Interessen der Kläger, von einer Quarantäneanordnung verschont zu bleiben. Der Eingriff in die Grundrechte der Kläger sei daher gerechtfertigt. Das von den Klägern geltend gemachte Schmerzensgeld sei daher dem Grunde nach, jedoch auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des von ihnen begehrten Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 15.000,- gem. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG, § 253 Abs. 2 BGB noch aus einer anderen Anspruchsgrundlage.
Voraussetzung für einen solchen Schmerzensgeldanspruch wäre, dass die behauptete Rechtsgutsverletzung bei den Klägern zu einem erstattungsfähigen immateriellen Schaden geführt hätte.
Selbst wenn man vorliegend von einer Rechtsgutsverletzung der Kläger i.S.d. § 253 Abs. 2, nämlich der Verletzung der Gesundheit oder der Freiheit, ausgehen würde, hätte dies nicht gleichzeitig die Bejahung eines Schmerzensgeldanspruchs zur Folge.
Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 847 BGB a.F. ist die Prüfung eines Schmerzensgeldes an der Bedeutung der konkreten Rechtsgutsverletzung für die Lebensführung des Verletzten auszurichten. Dabei ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Mensch vielfältigen Beeinträchtigungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt ist und daran gewöhnt wird, sich von ihnen möglichst nicht nachhaltig beeindrucken zu lassen. Sofern diese Schwelle im konkreten Einzelfall von der erlittenen Beeinträchtigung vornehmlich wegen ihres geringen, nur vorübergehenden Einflusses auf das Allgemeinbefinden nicht überschritten wird, kann es schon an einer Grundlage für die geldliche Bewertung eines Ausgleichsbedürfnisses fehlen. Demnach gibt es Fallkonstellationen, in denen es wegen der Umstände des Einzelfalls und des Umfangs der erlittenen Beeinträchtigung nicht der Billigkeit entspricht, ein Schmerzensgeld zuzusprechen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1992 - Aktenzeichen: VI ZR 120/91 -, Rn. 8, zitiert nach juris). Die Grundsätze dieser Rechtsprechung finden auch auf die Auslegung von § 253 Abs. 2 BGB Anwendung (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 253 Rn. 14). Damit ist das Überschreiten dieser Geringfügigkeitsschwelle ein ungeschriebenes anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal mit der Folge, dass es nach den allgemeinen Beweisregeln von den Klägern als Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen ist.
Dieser Darlegungslast haben die Kläger nicht genügt.
Ein Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze ergibt sich zunächst nicht bereits aus dem Umstand, dass die Kläger zwei Wochen in ihrer persönlichen Fortbewegungsfreiheit eingeschränkt waren, weil sie die Häuslichkeit nicht verlassen durften.
Bei dieser Quarantänemaßnahme handelt es sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht etwa um eine Freiheitsentziehung, die in der Tat wohl nur mit richterlicher Genehmigung hätte erfolgen dürfen, sondern lediglich um eine Freiheitsbeschränkung. Denn den Klägern war es gestattet, während der Quarantäneanordnung in ihrer Häuslichkeit alles das zu tun und zu lassen, was sie wollten und über die vorhandenen technischen Medien auch Kontakt zur Außenwelt zu halten.
Eine feste zeitliche Grenze, ab der eine Freiheitseinschränkung als ausgleichspflichtig anzusehen wäre, gibt es nicht. Abzustellen ist vielmehr auf die konkrete Situation des Einzelfalls, bei der es insbesondere auch auf die Ausgestaltung und Intensität des Eingriffs sowie auf herabwürdigende Behandlungen und mögliche rufschädigende Wirkungen ankommt (vgl. LG Göttingen, Urteil vom 30. Januar 1990 - Aktenzeichen: 2 O 322/89 -, NJW 1991, 2.6, beck-online; LG Hannover, Urteil vom 20.08.2021 - Aktenzeichen: 8 O 2/21 -, zitiert nach juris). Daher kann aus dem bloßen Überschreiten der zeitlichen Grenzen, die in der Rechtsprechung als schmerzensgeldbegründend angesehen wurden (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 7. März 2018 - Aktenzeichen: 1 U 1025/17 -, zitiert nach juris: 13 Stunden in psychiatrischem Krankenhaus; Landgericht Göttingen, a.a.O.: 2 Stunden mit 400 weiteren Personen in einem Polizeikessel) nicht abgeleitet werden, dass vorliegend allein wegen der zweiwöchigen Dauer die Billigkeitsschwelle überschritten wurde. Denn die Quarantäne der Kläger unterscheidet sich in gravierender Weise von den genannten Fällen. Die Kläger mussten keine demütigenden Zwangsbehandlungen erdulden. Sie wurden nicht mit psychischen Zwangsmitteln an einem fremden Ort festgehalten, sondern konnten sich innerhalb ihrer Wohnung ohne Überwachung Dritter frei bewegen und ihren Tagesablauf in diesem Rahmen vollkommen frei bestimmen. Schließlich wurde ihre Freiheitsbeschränkung auch auf einen Umstand gegründet, der - anders als bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder bei einer Festnahme als möglicher Straftäter - nicht geeignet war, ihr Ansehen und ihren Ruf in der Gesellschaft zu gefährden.
Die von den Klägern vorgetragenen Beeinträchtigungen durch die Quarantäne sind auch nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt des Ausgleichsgedankens zu begründen.
Denn die in der Klageschrift geschilderten Einschränkungen in der Lebensführung der Kläger sind dafür zu pauschal gehalten. Die Kläger haben nicht konkret dargelegt, welche sozialen Einschränkungen und welche psychischen Belastungen sie durch die Quarantäne erlitten haben wollen. Konkret haben die Kläger lediglich vorgetragen, dass sie keinen Zugang zur Natur und keine Möglichkeit gehabt hätten, im Freien sportliche Aktivitäten auszuführen. Diese geschilderten Umstände sind jedoch nicht ausreichend, um ein Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle begründen zu können. Die angeordnete Quarantäne hatte eine Dauer von lediglich 14 Tagen. Die Kläger mussten daher für einen Zeitraum zuhause bleiben, wie er auch unter normalen Umständen, z.B. bei einem hinreichenden Auskurieren einer Grippe, eintreten kann. Zudem hätten die Kläger, da sie ja nach eigenem Bekunden symptomfrei waren, auch sportliche Aktivitäten innerhalb ihrer Wohnung durchführen können.
Der Vortrag der Kläger, die Beklagte habe gegen ihre Amtspflichten verstoßen, da sie auch den positiven PCR-Test an das RKI weitergeleitet habe, obwohl sie wisse, dass bei dem überwiegenden Teil der positiv getesteten Personen keine Infektion vorliege und dennoch den positiven PCR-Test dem RKI übermittelt habe, damit die Inzidenz gefälscht werde, ist nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt der Genugtuungsfunktion zu begründen.
Denn die Beklagte konnte aufgrund der Pandemielage und der von Bund und den Ländern deswegen getroffenen Maßnahmen sowie der wissenschaftlichen Expertise beim RKI davon ausgehen, dass ein PCR-Test fundierte Ergebnisse für das Bestehen oder Nichtbestehen einer Infektion liefert und sich auch hierauf ohne weitere ärztliche Untersuchungen des Testergebnisses verlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 20. April 2021 - Aktenzeichen: 1 S 1121/21 -, zitiert nach juris, insoweit ausgeführt:
Der Senat geht davon aus, dass es sich bei einem PCR-Test um ein geeignetes Instrument handelt, das Vorliegen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion zu ermitteln. Bei korrekter Durchführung der Tests und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse ist von einer sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde auszugehen, denn aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Tests und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100 %. Die Herausgabe eines klinischen Befundes unterliegt einer fachkundigen Validierung und schließt im klinischen Setting Anamnese und Differenzialdiagnosen ein. In der Regel werden nicht plausible Befunde in der Praxis durch Testwiederholung oder durch zusätzliche Testverfahren bestätigt bzw. verworfen. Die aufgestellte Behauptung, in 71,12 % der Fälle sei das Testergebnis offensichtlich falsch, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage.
Diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gibt auch die insoweit einhellige Rechtsprechung der übrigen Verwaltungsgerichtshöfe bzw. Oberverwaltungsgerichte der Länder wieder. Die von den Klägern dargelegte gegenteilige Auffassung der Professorin Dr. K. von der Universitätsklinik W.burg stellt insoweit eine absolute Mindermeinung dar und ist daher unbeachtlich.
Die Beklagte verstieß auch nicht dadurch gegen ihre Amtspflichten, dass sie eine Quarantäneanordnung gegen den Kläger zu 2 aussprach in dem Wissen, dass dieser keine typischen Symptome einer Covid-19-Infektion aufwies und sich auch gesund fühlte.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in seiner o.g. Entscheidung hierzu Folgendes angeführt:
Darüber hinaus wird auch durch das RKI nicht in Abrede gestellt, dass ein positiver SARS-CoV-2-Test nicht gleichbedeutend mit einer symptomatischen Erkrankung des Getesteten ist, da ... die Erkrankung in vielen Fällen auch asymptomatisch verläuft, was wiederum nichts an der Ansteckungsfähigkeit ändert, die von symptomlosen Virusträgern gleichwohl ausgeht. Es ist mithin sachgerecht, auch symptomlose Virusträger als Ausscheider i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 2 IFSG einzustufen, da sie das Coronavirus ebenso weitergeben können, wie symptomatische Virusträger.
Vorliegend war also die häusliche Quarantäne des Klägers zu 2) sehr wohl erforderlich, um auszuschließen, dass der Kläger zu 2) außerhalb seiner Häuslichkeit Dritte mit dem Coronavirus infizierte.
Auch die Quarantäneanordnung gem. § 28i FSG für die Klägerin zu 1) und die Klägerinnen zu 3) und 4) für den festgesetzten Zeitraum war gerechtfertigt, auch wenn diese die gesamte Zeit symptomfrei waren und sich nicht identifiziert haben. Denn es bestand aufgrund der häuslichen Nähe zu dem infizierten Kläger zu 2) die Wahrscheinlichkeit jedenfalls für den festgesetzten Zeitraum, dass sich die Klägerinnen zu 1), 3) und 4) bei dem Kläger zu 2) ansteckten und ohne die Quarantäneanordnung dritte Personen außerhalb ihres häuslichen Umfeldes mit dem Erreger hätten infizieren können. Auch hierbei ist zu berücksichtigen, dass inzwischen bekannt ist, dass auch nicht selbst mit dem Erreger infizierte Personen den SARS-Cov-2 Erreger auf Dritte übertragen können.
Die Beklagte hat auch nicht dadurch gegen ihre Amtspflichten verstoßen, dass sie den Klägerinnen zu 1), 3) und 4) nicht nach fünf Tagen ermöglichte, sich durch einen negativen PCR-Test aus der Quarantäne frei zu testen.
Denn diese Möglichkeit hatte die Beklagte zum Zeitpunkt der Quarantäneanordnung für die Klägerinnen zu 1), 3) und 4) noch nicht.
Schließlich liegt auch insoweit keine Amtspflichtverletzung der Beklagten vor, als diese nicht ein milderes Mittel als die Absonderung in der Häuslichkeit für die Kläger angeordnet hat. Denn ein milderes Mittel als die Absonderung in der Häuslichkeit war im Hinblick auf den Gesundheitsschutz Dritter vor einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2 Erreger nicht gegeben.
Die Kläger haben auch nicht schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte eine drittbezogene Amtspflicht verletzt hat, da die von ihr durchgeführten Amtshandlungen rechtswidrig seien. Denn hinsichtlich des Vorwurfs, dass sich die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Beklagten schon daraus ergebe, dass § 32 IfSG gegen Art. 80 GG verstoße, ist die Beklagte schon nicht passivlegitimiert.
Denn die Beklagte wendet die vom Land Sachsen-Anhalt beschlossene Rechtsverordnung zur Regelung von Maßnahmen gem. §§ 28, 28a, 29i FSG lediglich an und setzt sie um. Anspruchsgegner wäre für die Kläger insoweit das die Rechtsverordnung erlassende Land Sachsen-Anhalt.
Schließlich kommt ein Anspruch der Kläger auf das von ihnen begehrte Schmerzensgeld auch wegen § 839 Abs. 3 BGB nicht in Betracht.
Denn die Kläger haben es unterlassen, die Quarantäneanordnung der Beklagten mit dem Mittel des verwaltungsrechtlichen Eilrechtsschutzes anzugreifen. Dieses Unterlassen war auch schuldhaft, da die Kläger von massiven vorsätzlichen Amtspflichtverletzungen bei der erlassenen Quarantäneanordnung ausgingen. Den Klägern wäre es vor diesem Hintergrund möglich und zumutbar gewesen, unmittelbar nach der mündlichen Quarantäneanordnung sich telefonisch anwaltliche Hilfe zu besorgen und verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen. Dies wäre auch innerhalb der 14 Tage andauernden Quarantäne erfolgversprechend gewesen. Denn verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zeigen, dass einstweiliger Rechtsschutz im Verwaltungsrechtsweg sogar binnen einen Tages erreichbar ist (vgl. z.B. VG München vom 01.04.2021 - Aktenzeichen: M 26a S21.1762 -; LG Hannover a.a.O.).
Dieses Unterlassen war für den von den Klägern behaupteten Schaden auch kausal. Diese Kausalität i.S.v. § 839 Abs. 3 BGB ist zu bejahen, wenn bei Wahrunterstellung des Klägervortrags im Primärrechtsschutz richtigerweise zugunsten des Geschädigten hätte entschieden werden müssen (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 18. März 2021 - Aktenzeichen: 4 U 51/20 -, zitiert nach juris; LG Hannover a.a.O.). Ausgehend von der Darstellung der Kläger hätte das Verwaltungsgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Quarantäneverfügung angeordnet.
Die Klage war somit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 3 ZPO, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.
Einsender:
Anmerkung: Berufung zurückgewiesen durch OLG Naumburg 5 U 35/22
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