Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 12.05.2022 - 5 Ws 114/22
Leitsatz des Gerichts: 1. Gemäß § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO sind die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben. Die an diesen Vortrag zu stellenden Anforderungen entsprechen im Wesentlichen den Rügeanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Daran hat sich durch die Neueinführung des § 222b Abs. 3 StPO durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 05.11.2019 nichts geändert.
2. Ob einem Schöffen die Dienstleistung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 GVG zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist - zur Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter - ein strenger Maßstab anzulegen. (Bereits gebuchter) Erholungsurlaub eines Schöffen stellt in der Regel einen Umstand dar, der zur Unzumutbarkeit der Dienstleistung führt.
3. Im Verfahren nach § 222b Abs. 3 StPO überprüft das Rechtsmittelgericht die Ermessens-entscheidungen des Vorsitzenden lediglich am Maßstab der Willkür.
5 Ws 114/22
In pp.
Der Besetzungseinwand des Angeklagten wird auf dessen Kosten verworfen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Essen hat am 29.03.2021 Anklage wegen Totschlags in drei Fällen zum Landgericht - Schwurgericht - Essen gegen den Angeklagten erhoben. Mit Beschluss vom 30.06.2021 hat das Landgericht das Verfahren bezüglich eines der Vorwürfe eröffnet und hinsichtlich der beiden weiteren Totschlagsvorwürfe abgetrennt und im hiesigen Verfahren fortgeführt. Mit Beschluss vom 21.12.2021 hat das Landgericht Essen das Hauptverfahren auch insoweit eröffnet.
Der Vorsitzende des Schwurgerichts hat mit Verfügung vom 18.01.2022 nach vorheriger Abstimmung den Termin für die Hauptverhandlung für den 04.05.2022 mit neun Fortsetzungsterminen am 06.05., 16.05, 19.05. 25.05., 30.05., 07.06., 15.06., 21.06. und 24.06.2022 bestimmt und die Verfahrensbeteiligten geladen. Mit ergänzender Verfügung vom 07.02.2022 hat der Vorsitzende den Fortsetzungstermin am 25.05.2022 aus dienstlichen Gründen aufgehoben und stattdessen einen weiteren Fortsetzungstermin am 02.06.2022 bestimmt. Es wurden in der Folge zahlreiche Zeugen und ein Sachverständiger geladen, sodass für sämtliche Hauptverhandlungstermine Beweisprogramm vorgesehen war.
Mit Email vom 24.01.2022 hat die Hauptschöffin B gegenüber der Schöffengeschäftsstelle mitgeteilt, sie befinde sich am 19.05.2022 und am 25.05.2022 im Urlaub. Den Urlaubstermin habe sie bereits mitgeteilt. Dem Vorsitzenden wurde sodann ein Vermerk mit der Bitte um Entscheidung gemäß §§ 77, 54 GVG vorgelegt, nach welchem die Hauptschöffin sich in der Zeit vom 16.05.2022 bis zum 27.05.2022 im Urlaub befinde und daher am Fortsetzungstermin am 25.05.2022 verhindert sei. Auf telefonische Nachfrage teilte die Hauptschöffin dem Vorsitzenden des Schwurgerichts mit, sie werde sich "in der mitgeteilten Zeit" in einem bereits gebuchten Familienurlaub in Spanien befinden, der aufgrund der Berufstätigkeit ihres Ehemannes nicht verschiebbar sei. Der Vorsitzende entpflichtete daraufhin mit Beschluss vom 28.01.2022 die Schöffin. Aufgrund eines Versehens trug er in die Begründung hierfür ein, dass die Schöffin sich an den Sitzungstagen am 16.05.2022 und 27.05.2022 im Ausland aufhalten werde und ihr das Erscheinen daher unzumutbar sei. Im Übrigen wurde wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf einen Telefonvermerk betreffend das oben genannte Telefonat mit der Schöffin.
Die im Anschluss geladene Hilfsschöffin A hat am 01.02.2022 mitgeteilt, dass sie sich vom 06.05.2022 bis zum 09.05.2022 mit ihrem Sohn im Urlaub befinden werde und eine Buchungsbestätigung übersandt. Aus den von der Hilfsschöffin übersandten Unterlagen ergab sich, dass es sich um eine Reise nach Italien anlässlich eines Geburtstags handelte. Der Vorsitzende hat die Schöffin daraufhin mit Beschluss vom 02.02.2022 von der Dienstleistung an der Sitzung am 04.05.2022 mit Fortsetzungsterminen entbunden.
Anstelle der Hilfsschöffin ist sodann der Ersatzschöffe C geladen worden. Nach Mitteilung hierüber an den Vorsitzenden des Schwurgerichts hat dieser am 08.04.2022 die Mitteilung der Gerichtsbesetzung an die Verfahrensbeteiligten verfügt. Dem Verteidiger ist das Schreiben am 11.04.2022 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 19.04.2022, eingegangen beim Landgericht am selben Tag, hat der Angeklagte die Besetzung des Gerichts hinsichtlich des Schöffen C gerügt und im Wesentlichen damit begründet, dass hinsichtlich der Entpflichtung der Hauptschöffin B angesichts der widersprüchlichen Dokumentation der Urlaubs- und Verhinderungsdaten zu besorgen sei, dass der Vorsitzende die Entscheidung auf einer falschen tatsächlichen Grundlage getroffen habe. Betreffend die Hilfsschöffin A fehle es der Entpflichtungsentscheidung an einer Begründung, insbesondere da der Auslandsaufenthalt angesichts des Anlasses und der Dauer nicht als Erholungsurlaub anzusehen sei. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Schriftsatz Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 04.05.2022 hat das Landgericht Essen - Schwurgericht - in Besetzung mit drei Berufsrichtern den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung der Kammer zurückgewiesen und die Sache dem Senat gemäß § 222b Abs. 3 S. 1 StPO zur Entscheidung vorgelegt, wo sie am 06.05.2022 eingegangen ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Besetzungseinwand als unbegründet zu verwerfen.
Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 10.05.2022 ergänzend Stellung genommen.
II.
Der Besetzungseinwand des Angeklagten ist bereits nicht zulässig erhoben worden. Er hätte zudem auch in der Sache keinen Erfolg.
1. Zwar besteht die Zuständigkeit des Senats für die Entscheidung gemäß §§ 222b Abs. 3 S. 1 StPO i. V. m. § 121 Abs. 1 Nr. 4 GVG, nachdem die Kammer den erhobenen Einwand für nicht begründet erachtet hat.
Auch ist der Besetzungseinwand fristgerecht nach § 222b Abs. 1 S. 1 StPO binnen einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung gemäß § 222a StPO geltend gemacht worden. Die Gerichtsbesetzung ist dem Verteidiger am 11.04.2022 zugestellt worden. Am 19.04.2022 ist der Schriftsatz beim Landgericht Essen eingegangen, mit welchem der Besetzungseinwand erhoben wurde. Der 18.04.2022 war ein Feiertag.
Die Begründung des Besetzungseinwands genügt jedoch nicht den an diesen zu stellenden Anforderungen.
Gemäß § 222b Abs. 1 S. 2 StPO sind die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben. Die an diesen Vortrag zu stellenden Anforderungen entsprechen im Wesentlichen den Rügeanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO (vgl. etwa BGH, Urteil vom 07. September 2016 - 1 StR 422/15 -; OLG Celle, Beschluss vom 27.01.2020 - 3 Ws 21/20 - jeweils recherchiert bei juris; Schmitt in: Meyer-Goßner / Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 222b Rn. 6; Jäger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2019, § 222b Rn. 17; Arnoldi in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Aufl. 2016, § 222b Rn. 13). Hierfür spricht zum einen die nahezu wortgleiche Formulierung des § 222b Abs. 1 S. 2 StPO und des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Dies entspricht aber auch dem Gesetzeszweck. Mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 eingeführten Rügepräklusionsvorschriften der §§ 338 Nr. 1, 222b Abs. 1 StPO wollte der Gesetzgeber seinerzeit erreichen, dass Besetzungsfehler bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellen Aufwand zustande gekommenes Strafurteil allein wegen eines Besetzungsfehlers aufgehoben und in der Folge die gesamte Hauptverhandlung - mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten - wiederholt werden muss (BGH a.a.O.). Mit Blick auf diesen Normzweck und im Sinne der Intentionen des Gesetzgebers sind unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen hohe, weitgehend den Rügeanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechende Anforderungen an den Inhalt des Besetzungseinwands zu stellen (BGH a.a.O.). Nichts anderes ergibt sich auch nach der Neueinführung des § 222b Abs. 3 StPO durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 05.11.2019. Ziel auch dieser Neuregelung war ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien durch die Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens Besetzungsrügen schon vor oder zu Beginn der Hauptverhandlung abschließend durch ein höheres Gericht bescheiden zu lassen, um Urteilsaufhebungen im Revisionsverfahren aufgrund von Falschbesetzungen zu vermeiden, ohne dass die Gesetzesbegründung Anhaltspunkte dafür bietet, dass ein von der bisherigen Rechtslage abweichender Darlegungs- oder Prüfungsmaßstab vom Gesetzgeber gewollt war (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 05.11.2019, BTDrucks. 19/14747).
Unter Anwendung revisionsrechtlicher Maßstäbe sind die den Besetzungsmangel begründenden Tatsachen in dem Besetzungseinwand ohne Bezugnahmen und Verweisungen anzugeben. Die Verfahrenstatsachen sind so vollständig und genau anzugeben, dass allein auf Grundlage dieses als richtig unterstellten Vortrages dem Senat eine Entscheidung möglich ist. Eine Bezugnahme auf Anlagen zur Antragsschrift ist demgegenüber unzulässig, denn es ist nicht Aufgabe des Rechtsmittelgerichts, das Vorbringen an der passenden Stelle zu ergänzen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 7.5.2018 − 2 RBs 61/18 - beck online; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 344 Rn. 21).
Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen genügt das Vorbringen den Anforderungen des § 222b Abs. 1 S. 2 StPO i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO nicht. Insbesondere enthält die Rüge keine Angaben dazu, an welchen konkreten Tagen die Kammer Fortsetzungstermine anberaumt hat. Das Rügevorbringen beschränkt sich insoweit darauf, mitzuteilen, dass zehn Hauptverhandlungstermine in der Zeit zwischen dem 04.05.2022 und dem 24.06.2022 bestimmt worden seien, von welchen der Termin am 25.05.2022 nachträglich aufgehoben worden und ein weiterer Termin am 02.06.2022 anberaumt worden sei. Um die Entscheidungen über die Entbindung die Schöffinnen infolge der von ihnen mitgeteilten Abwesenheiten überprüfen zu können, ist dem Senat jedoch die Kenntnis darüber, inwieweit Fortsetzungstermine in die jeweiligen Zeiträume fallen, erforderlich.
Ferner gibt die Rüge auch die Mitteilung des "Urlaubstermins" durch die Schöffin B, auf welche diese in ihrer Email vom 24.01.2022 Bezug nimmt nicht wieder, bzw. führt gegebenenfalls nicht aus, dass es eine solche Mitteilung nicht gab. Auch dies wäre für die Überprüfung des Rügevorbringens erforderlich gewesen.
2. Der Besetzungseinwand ist zudem auch unbegründet. Die Entbindungen der Hauptschöffin und der Hilfsschöffin sind nicht zu beanstanden.
Nach §§ 77 Abs. 3, 54 Abs. 1 GVG kann der Vorsitzende einer Strafkammer des Landgerichts einen Schöffen auf dessen Antrag wegen eingetretener Hinderungsgründe von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen entbinden. Ein Hinderungsgrund liegt vor, wenn der Schöffe an der Dienstleistung durch unabwendbare Umstände gehindert ist oder wenn ihm die Dienstleistung nicht zugemutet werden kann.
Ob einem Schöffen die Dienstleistung im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 GVG zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist - zur Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter - ein strenger Maßstab anzulegen (OLG Hamm, Beschluss vom 28. 5. 2001 - 2 Ss 400/01 - juris). Hierbei stellt Erholungsurlaub eines Schöffen in der Regel einen Umstand dar, der zur Unzumutbarkeit der Dienstleistung führt (vgl. BGH, Beschluss vom 8.5.2018 − 5 StR 108/18 - beck online). Berufliche Gründe hingegen rechtfertigen nur ausnahmsweise die Verhinderung eines Schöffen (vgl. BGH, Beschluss vom 02.05.2018 - 2 StR 317/17 - beck online).
Der Senat überprüft die Ermessensentscheidungen des Vorsitzenden lediglich am Maßstab der Willkür (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2020 - 2 Ws 36/20 - juris; KG, Beschluss vom 27. April 2020 - 4 Ws 29/20 -, juris; Ritscher, in: BeckOK zur StPO, 41. Edition Stand: 01.04.2022, § 222b Rn. 16; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 222b Rn. 19). Dies hat der Bundesgerichtshof unter Geltung der alten Rechtslage vor Novellierung des § 222b StPO durch das am 13.12.2019 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 mit Blick auf § 54 Abs. 3. S. 1 GVG, 336 S. 2 Alt. 1 StPO klargestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 05. August 2015 - 5 StR 276/15 -, juris). Dieser im bisherigen Revisionsrecht bestehende Prüfungsmaßstab hat auch nach Neueinführung des § 222b Abs. 3 StPO weiterhin Geltung und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 16. Dezember 2021 - 2 BvR 2076/21 - juris; OLG Hamm a.a.O.; Ritscher in: BeckOK a.a.O.; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.).
Willkür in diesem Sinne liegt dabei nicht erst bei einer bewussten Fehlentscheidung, sondern bereits dann vor, wenn die mit der Entbindung des Schöffen verbundene Bestimmung des gesetzlichen Richters grob fehlerhaft ist und sich so weit vom Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr gerechtfertigt erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016- 2 StR 342/15 -, juris). Dies ist hier nicht der Fall.
Dies gilt zunächst für die Entscheidung, dass der Hauptschöffin B infolge ihres Erholungsurlaubs die Dienstleistung in der Hauptverhandlung vom 04.05.2022 mit den Fortsetzungsterminen nicht zumutbar war. lm Falle von Erholungsurlaub eines Schöffen liegt die Annahme von Willkür ohnehin fern (vgl. BGH, Beschluss vom 8.5.2018 − 5 StR 108/18 - beck online). Vorliegend hat der Vorsitzende sich zudem durch telefonische Nachfrage zusätzliche Erkenntnisse verschafft und sich so hinsichtlich der Dauer und des Grundes für die Unverschiebbarkeit des Urlaubs (bereits gebuchter Auslandsurlaub mit der Familie) versichert. Dass in den Entbindungsbeschluss sodann versehentlich die Daten der Urlaubsreise der Hauptschöffin (An- und Abreisetag) als Daten der Hauptverhandlungstermine, an welchen diese verhindert sei, eingetragen wurden, wie der Vorsitzende in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 04.05.2022 ergänzend erläutert hat, stellt nicht infrage, dass der Vorsitzende seine Entscheidung auf der richtigen Tatsachengrundlage getroffen hat, zumal die offensichtliche Unrichtigkeit sich bereits daraus ergibt, dass am angegebenen 27.05.2022 überhaupt kein Fortsetzungstermin anberaumt war und die Daten den An- und Abreisetagen entsprechen. Soweit seitens der Verteidigung darauf hingewiesen wurde, dass die dienstliche Stellungnahme an sie nicht übersandt worden sei, ergibt sich aus dem Beschluss der Kammer vom 04.05.2022, dass diese in der Hauptverhandlung am selben Tag verlesen worden ist, was die Verteidigung in ihrem Vorbringen bestätigt. Einer zusätzlichen Übersendung bedurfte es daher nicht.
Ebenso wenig stellt sich die Entscheidung, der Hilfsschöffin A sei die Teilnahme an der Hauptverhandlung unzumutbar, als willkürlich dar. Die Hilfsschöffin hatte mitgeteilt, sich am Fortsetzungstermin am 19.05.2022 mit ihrem Sohn im Urlaub befinden und Buchungsbestätigungen für die Flüge vorgelegt, wobei sich hieraus ergab, dass die Schöffin am Terminstag bereits früh morgens abreisen würde. Die Beurteilung des Kurzurlaubs anlässlich eines Geburtstags als Erholungsurlaub stellt sich jedenfalls nicht willkürlich dar. Sie ist vielmehr naheliegend. Die von der Verteidigung vorgebrachte Argumentation, aus § 7 Abs. 2 BUrlG sei zu schließen, dass von Erholungsurlaub erst ab einem Urlaub von zwölf aufeinanderfolgenden Werktagen auszugehen sei, geht fehl. Die vorgenannte Vorschrift bestimmt vielmehr, dass bei einem Arbeitnehmer, der Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen hat, ein Urlaubsteil mindestens zwölf Werktage umfassen muss. Daraus folgt aber, dass der andere Urlaubsteil gerade einen geringeren Umfang haben kann.
Schließlich sind auch die Entscheidungen des Vorsitzenden, in beiden Fällen die Schöffinnen von der Dienstleistung insgesamt zu entbinden und die jeweiligen Fortsetzungstermine nicht zu verlegen, nicht als willkürlich anzusehen. Unabhängig davon, ob eine Pflicht hierzu überhaupt angenommen werden kann (ablehnend etwa OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2020 - 2 Ws 36/20 - juris), war dies jedenfalls vorliegend angesichts dessen, dass ein umfangreiches Beweisprogramm bereits vorbereitet und Zeugen für jeden Fortsetzungstermin geladen waren - was im Rahmen des Rügevorbringen ebenfalls nicht dargestellt worden ist -, unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes in Haftsachen nicht geboten.
Die Entbindungsentscheidungen des Kammervorsitzenden genügten - ergänzt durch den Vermerk des Kammervorsitzenden vom 27.01.2022 - auch dem Dokumentationserfordernis des § 54 Abs. 3 S. 2 GVG. Dass es sich bei den in der Entbindungsentscheidung der Schöffin B angegebenen Daten um einen offensichtlichen Fehler handelt, ergibt sich - wie oben ausgeführt - bereits durch einen Abgleich mit den festgesetzten Terminen. Der Vorsitzende hat dies zudem durch seine dienstliche Stellungnahme vom 04.05.2022 ergänzend erläutert. Dass es sich um die Urlaubsdaten der Schöffin handelte, hätte sich außerdem durch die - im Rügevorbringen fehlende - Vorlage der Mitteilung der Schöffin über die Daten ihres Urlaubs - wie in deren Email in Bezug genommen - ergänzend überprüft werden können. Die Entscheidung betreffend die Hilfsschöffin A bedurfte vor dem Hintergrund der mitgeteilten Abwesenheit aufgrund eines Urlaubs im Ausland keiner weiteren Begründung.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 464 Abs. 2 StPO i. V. m. § 473 Abs. 1 StPO analog. Aus der Gesetzesbegründung für die Neuregelung des § 222b Abs. 3 StPO ergibt sich, dass hinsichtlich der Kostengrundentscheidung kein Regelungsbedarf gesehen wurde, da diese sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 464ff StPO) richten soll (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2020 - 2 Ws 36/20 - juris).
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