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Entscheidungen

Zivilrecht

Dieselskandal, Sittenwidrigkeit, Schadensersatz

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.01.2022 – 8 U 85/20

Leitsatz des Gerichts: 1. Zur Annahme der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB bei einem EU 6 3.0l Motor in einem Audi A 5 wegen der verwendeten Aufheizstrategie "A“.
2. Die Einräumung eines "verbriefen Rückgaberechts“ mit der von Anfang an vereinbarten Möglichkeit, im Rahmen der Finanzierung ("Vario Kredit“) anstelle der Zahlung der Schlussrate das Fahrzeug zurückzugeben, steht einem Schaden nicht entgegen.
3. Zur Anrechnung des Vorsteuerabzugs auf den Schaden.
4. Zum Ersatz von Finanzierungskosten.
5. Zur - hier - fehlenden Erstattungsfähigkeit von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.


In pp.

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 07.05.2020 - 3 O 496/19 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.128,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin zu 24 % und die Beklagte zu 76 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 53 % und die Beklagte zu 47 % zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Fahrzeugherstellerin deliktische Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines finanzierten Neuwagens mit V6 3.0 l TDI-Dieselmotor (Emissionsklasse Euro 6) geltend.

Die Klägerin erwarb aufgrund Kaufvertrages vom 25.06.2014 (Anlage K1) vom Audi Zentrum Heidelberg GmbH einen Audi A5 Sportback 3.0 TDI als Neuwagen zum Kaufpreis von 66.407,75 EUR. Den Kauf finanzierte sie mit einem Darlehen der Audi Bank. Im Zusammenhang mit der Finanzierung wurde der Klägerin ein verbrieftes Rückgaberecht zum Rückkaufpreis von 35.647,20 € eingeräumt. Hiervon machte sie im November 2017 Gebrauch und gab das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 46.528 km zurück. Die Audi Zentrum Heidelberg GmbH zahlte daraufhin die Abschlussrate in Höhe von 35.647,20 € an die Audi Bank. Für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (nachfolgend: KBA) einen verpflichtenden Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung an, da das Fahrzeug über eine nur auf dem Prüfstand wirkende Aufheizstrategie verfügt, die dafür sorgt, dass der NOx-Grenzwert dort sicher eingehalten wird.

Die Klägerin hat vorgetragen, in dem Fahrzeug sei ein Dieselmotor des Typs EA 897 verbaut. Dieser Motor sei vom Dieselskandal betroffen. Bei der in dem Fahrzeug zur Optimierung der Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren eingesetzten schadstoffmindernden Aufheizstrategie handle es sich um eine unerlaubte Abschalteinrichtung. Die Beklagte sei der Klägerin deshalb wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet. Die Manipulation sei aus unsittlichem Gewinnstreben erfolgt. Eine derartige systematische Manipulation habe nicht ohne Kenntnis des Vorstands oder leitender Angestellter erfolgen können. Der Klägerin sei ein Schaden in Form eines merkantilen Minderwerts entstanden, der mit 20 % des Kaufpreises zu bemessen sei. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte die Klägerin das Fahrzeug 20 % günstiger kaufen können.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie nehme zwar auf Anordnung des KBA eine Aktualisierung der Motorensoftware der Fahrzeuge vom streitgegenständlichen Typ vor. Das KBA habe das Software-Update für Fahrzeuge dieses Typs bereits freigegeben. Entgegen der Behauptung der Klägerin sei in dem Fahrzeug jedoch kein Motor des Typs EA 897, sondern ein Motor des Typs EA 896 Gen2 Vorerfüller verbaut. Die Ausführungen der Klägerin gingen daher bereits am hier streitgegenständlichen Fahrzeug vorbei. Es fehle auch an schlüssigem Vortrag der Klägerin, inwieweit sie getäuscht oder in sittenwidriger Weise geschädigt worden sei. Da die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, könne sie die Umsatzsteuer nicht ersetzt verlangen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen, soweit diese mit den hier getroffenen nicht in Widerspruch stehen, des Parteivorbringens im Einzelnen und der Entscheidungsgründe sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das von der Klägerin mit der Berufung angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer Berufung bringt die Klägerin im Wesentlichen vor:

Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin sei für ihre Behauptung, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Motor des Typs EA 897 verbaut sei, beweisfällig geblieben. Es sei davon auszugehen, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form der vom KBA beanstandeten Aufheizstrategie implementiert worden sei. Aus der vorgelegten Rückrufliste (Anlage K 26) ergebe sich, dass das streitgegenständliche Modell mit der Genehmigungsnummer e1*2001/116* 0430*22 wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aufgeführt werde. Dass die Klägerin sich entschieden habe, ihr verbrieftes Rückgaberecht auszuüben, stehe der Annahme eines Schadens nicht entgegen. Dieser bestehe darin, dass die Klägerin einen für sie nachteiligen Vertrag geschlossen habe. Gemäß § 249 BGB könne sie statt der Rückgängigmachung des Vertrages auch am Vertrag festhalten und zusätzlich Schadensersatz beanspruchen. Dieser sogenannte kleine Schadensersatz könne auch bei deliktischen Ansprüchen geltend gemacht werden.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Zahlung von 13.281,55 € nebst Zinsen zu verurteilen (sogenannter kleiner Schadensersatz). Mit Schriftsatz vom 04.08.2021 hat die Klägerin die Klage geändert. Sie beansprucht nunmehr die Erstattung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer. Den so berechneten Schaden beziffert sie (zuletzt) mit 21.558,07 EUR (im Einzelnen: II 128 f.).

Die Klägerin beantragt zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin 21.558,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit aus einem Betrag in Höhe von 13.281,55 EUR zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.184,05 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Berufungsangriffe der Klägerin und bringt ergänzend vor:

Zutreffend sei, dass die Beklagte auf Anordnung des KBA eine Aktualisierung der Motorensoftware der Fahrzeuge vom streitgegenständlichen Typ vorgenommen habe. Nach Auffassung des KBA sei die Bedatung der beanstandeten Softwarebestandteile aufzuweiten, um einen breiteren Anwendungsbereich im Straßenbetrieb zu gewährleisten. Der Klägerin sei kein Schaden entstanden, da sie von ihrem verbrieften Rückgaberecht Gebrauch gemacht habe. Die Möglichkeit, das Fahrzeug am Ende der Darlehenslaufzeit schlicht zurückzugeben, schließe bereits die Entstehung eines Schadens in Form eines ungewollten Vertragsschlusses von vornherein aus. Die geltend gemachten Finanzierungskosten wären als Sowieso-Kosten ohnehin nicht erstattungsfähig. Jedenfalls sei die Umsatzsteuer nicht ersatzfähig, da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt sei. Bei der Berechnung der im Wege der Vorteilsausgleichung in Abzug zu bringenden Nutzungsvorteile sei der degressiven Berechnungsmethode (Ingolstädter Formel) gegenüber der linearen Wertabschreibungsmethode der Vorzug zu geben. Die von der Klägerin vorgenommene Änderung des Klageantrags sei unzulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet.

1. Die Klage ist mit dem geänderten Klageantrag Ziffer 1 zulässig und teilweise begründet.

a) Die Antragsänderung im Berufungsrechtszug ist zulässig.

Verfahrensrechtlich ist ein Wechsel der Schadensbemessung, der auf einer Änderung der Disposition des Geschädigten beruht, gemäß § 264 Nr. 3 ZPO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 ZPO schon nicht als Klageänderung anzusehen, sofern der Lebenssachverhalt im Übrigen unverändert ist (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 –, juris Rn. 53). Letzteres ist hier der Fall.

Im Übrigen wären auch die Voraussetzungen der §§ 263, 533 ZPO erfüllt. Die Beklagte hat der Klageänderung zwar nicht zugestimmt. Die Klageänderung wäre aber prozessökonomisch und damit sachdienlich. Sie dient der Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien und erfordert – im Unterschied zum ursprünglichen Klagebegehren, das die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Minderwert des Fahrzeugs erforderlich gemacht hätte – keine Beweisaufnahme. Die Anspruchsvoraussetzungen des neuen Anspruchs unterscheiden sich zudem nicht von denjenigen des alten Anspruchs, so dass die bisherigen Prozessergebnisse verwertbar bleiben. Schließlich könnte die Klageänderung auf Tatsachenvortrag gestützt werden, den das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Die Tatsache, dass der Kauf des Fahrzeugs mit einem Darlehen der Audi Bank finanziert wurde, wurde bereits in erster Instanz vorgetragen und ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Höhe der Finanzierungszinsen von 2.329,77 € und der monatlichen Service-Raten in Höhe von 827,64 € hat die Beklagte – nach Vorlage des Darlehensvertrages durch die Klägerin – im Senatstermin unstreitig gestellt.

b) Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 31, 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 10.128,12 €. Das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug Audi A5 Sportback 3.0 TDI verfügte im Zeitpunkt des Inverkehrbringens und im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin über eine Motorsteuerungssoftware, die zwecks Täuschung des KBA im Typgenehmigungsverfahren bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO 715/2007/EG nur auf dem Prüfstand sicher eingehalten wurden. Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs durch den Hersteller unter bewusster und gewollter Täuschung des KBA mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist objektiv sittenwidrig (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 16 ff.).

aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 –, juris Rn. 14).

bb) Das Verhalten der Beklagten ist im Verhältnis zur Klägerin als objektiv sittenwidrig zu qualifizieren. Die Klägerin hat vorgetragen, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Aufheizstrategie („Strategie A“) zum Einsatz kommt. Die Beklagte hat diesen Vortrag – auch auf den Hinweis des Senats in der Verfügung vom 19.10.2021 – nicht bestritten, so dass er der Entscheidung zugrunde zu legen ist. Die Aufheizstrategie ist eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO 715/2007/EG, die unter keinen der Ausnahmetatbestände des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO 715/2007/EG fällt und die nach der Überzeugung des Senats aufgrund einer strategischen unternehmerischen Entscheidung eingesetzt wurde, um die Abgasrückführung beeinflussen zu können und die Typgenehmigung unter bewusster Täuschung des KBA zu erhalten (vgl. Senat, Urteil vom 29. Juli 2021 – 8 U 59/20 –, juris Rn. 29 ff.). Auf die Frage, ob in dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Motor des Typs EA 897 oder ein Motor des Typs EA 896 Gen2 verbaut ist, kommt es nicht an.

(1) Dem ständig mit Dieselsachen befassten Senat ist – wie im Senatstermin erörtert – aus in anderen Verfahren vorgelegten Bescheiden des KBA bekannt, dass zum Starten der Aufheizstrategie eine Vielzahl von Initialisierungsparametern verwendet wird, die über eine UND-Verknüpfung miteinander verbunden sind. Das bedeutet, dass alle Bedingungen gleichzeitig vorliegen müssen, damit die Aufheizstrategie zum Einsatz kommt. Die zu den Parametern gehörenden Werte (Schaltbedingungen) sind so eng bedatet, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen wirkt. Schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führen zur Abschaltung der Aufheizstrategie. Wird die Aufheizstrategie abgeschaltet, verschlechtert sich das Stickoxidemissionsverhalten und wird der NOx-Grenzwert von 80 mg/km bei der Prüfung nicht sicher eingehalten.

(2) Eine Motorsteuerungssoftware, die in der beschriebenen Weise konfiguriert ist, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Denn die Aufwärmstrategie zielt nach den Feststellungen des KBA darauf ab, ähnlich wie die bei Motoren der Baureihe EA 189 zum Einsatz gekommene „Schummelsoftware“ das Emissionsverhalten der Fahrzeuge ausschließlich im Prüfstandbetrieb zu verbessern, um die ohne die Abschalteinrichtung zu erwartende oder von der Beklagten zumindest befürchtete Überschreitung des NOx-Grenzwertes von 80 mg/km bei der Abgasprüfung sicher zu vermeiden. Der Einbau einer solchen Abschalteinrichtung ist von keinem der in Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO 715/2007/EG aufgeführten Ausnahmetatbestände gedeckt und insbesondere nicht notwendig, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.

(3) Der Einbau einer solchen Abschalteinrichtung ist objektiv sittenwidrig, weil er nur zu dem Zweck erfolgte, das KBA über die ohne die Software nicht gewährleistete Einhaltung der Emissionsgrenzwerte in den Fahrzyklen des NEFZ zu täuschen, um die Typgenehmigung für das Fahrzeug zu erlangen. Die bewusste Täuschung des KBA rechtfertigt das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit.

cc) Die subjektiven Voraussetzungen für den Anspruch aus § 826 BGB liegen ebenfalls vor.
Randnummer29

(1) Der Einbau der unerlaubten Abschalteinrichtung und der dazu verwendeten Software erfolgte vorsätzlich. Insoweit genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei dieser nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss (BGH, Urteil vom 13. September 2004 – II ZR 276/02 –, juris Rn. 38 m.w.N.). Die mit der Abschalteinrichtung eingesetzte Software wurde bewusst benutzt, um die Abgasrückführung beeinflussen zu können und so die Typgenehmigung zu erhalten. Einen anderen Zweck hatte ihre Verwendung nach Überzeugung des Senats nicht. Dabei nahm die Beklagte bewusst in Kauf, dass eine Entdeckung der Abschalteinrichtung dazu führen würde, dass das KBA entweder die Typgenehmigung widerruft oder andere Maßnahmen anordnet, um einen gesetzmäßigen Zustand der Fahrzeuge zu erreichen. Damit musste sie zwangsläufig davon ausgehen, dass dem Fahrzeug eine Betriebsuntersagung drohte. Die Beklagte hat dabei das Risiko der darin liegenden Schädigung der Endkunden als möglich erkannt und billigend in Kauf genommen.

(2) Die Beklagte muss sich dabei das Handeln und die Kenntnis ihrer Organe analog § 31 BGB zurechnen lassen. Denn es ist davon auszugehen, dass die Organe der Beklagten an der zumindest konkludenten Täuschung des KBA - die einer Täuschung des Klägers gleichsteht - verantwortlich beteiligt waren. Dass die Organe der Beklagten um die unzulässige Abschalteinrichtung wussten und diese billigten, gilt im Streitfall gemäß § 138 Abs. 3 ZPO bereits als zugestanden.

Zwar trägt nach allgemeinen Grundsätzen derjenige die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen und damit auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2019 - V ZR 244/17 -, juris Rn. 37; Urteil vom 18.01.2018 – I ZR 150/15 –, juris Rn. 26). Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft aber eine sekundäre Darlegungslast, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 37).

Im Streitfall ist die Beklagte aus vergleichbaren Gründen wie in der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs dargelegt ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Die dortigen Grundsätze sind auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Die Klägerin hat zu den in der Sphäre der Beklagten liegenden Umständen hinreichend konkret vorgetragen. Sie hat bereits in der Klageschrift (dort Seite 29; I 59) behauptet, dass der Vorstand sowie zahlreiche Mitarbeiter der Beklagten von der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt und diese gebilligt hätten. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen trifft die Beklagte ebenso wie die Volkswagen AG im Falle der Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffend den Motor EA 189 eine sekundäre Darlegungslast, dass und warum der Vorstand in die Entwicklung nicht involviert gewesen sei und von der unzulässigen Abschalteinrichtung nichts gewusst habe. Dieser ist die Beklagte mit ihrem Vortrag nicht hinreichend nachgekommen. Sie legt nicht plausibel dar, wie eine derartige Software ohne Wissen des Vorstands entwickelt und verbaut worden sein soll, sondern beschränkt sich auf die Aussage, dass die Klägerin zu den subjektiven Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche keinen hinreichend konkreten und einlassungsfähigen Sachvortrag geliefert habe.

Der Senat ist zudem in freier Beweiswürdigung davon überzeugt, dass den Organen der Beklagten der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung und der dazu implementierten Software nicht verborgen geblieben ist. Immerhin handelt es bei diesem Vorgang um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern und auch massiven persönlichen zivil-, arbeits- und strafrechtlichen Risiken für die entscheidenden Personen, denen bei den untergeordneten Konstrukteuren kein annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil gegenüberstand. Angesichts dessen ist es nach der Überzeugung des Senats ausgeschlossen, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands erfolgt sein soll und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte.

dd) Durch das vorsätzlich sittenwidrige Verhalten der Beklagten ist der Klägerin ein Schaden entstanden, der in dem Abschluss des Kaufvertrages über das bemakelte Fahrzeug liegt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 43 ff.). Der Inhalt der Schadensersatzpflicht bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB. Die Klägerin ist im Wege der Naturalrestitution so zu stellen, als hätte sie den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht geschlossen. Im Ergebnis kann die Klägerin deshalb Zahlung von 10.128,12 € verlangen.

(1) Dass der Klägerin im Zusammenhang mit der Fahrzeugfinanzierung ein verbrieftes Rückgaberecht eingeräumt wurde, steht der Annahme eines Schadens nicht entgegen. Denn der Schaden der Klägerin liegt bereits in der Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit (BGH, a.a.O., Rn. 44 ff.; vgl. zuletzt auch BGH, Urt. v. 16.12.2021 - VII ZR 389/21). Das verbriefte Rückgaberecht ermöglichte es dem Kläger nur, das Fahrzeug bei Fälligkeit der Schlussrate zu einem bereits bei Vertragsschluss festgesetzten Kaufpreis an den Händler zurückzugeben. Diese Möglichkeit ließ den mit Eingehung der Verbindlichkeit eingetretenen Schaden nicht entfallen. Durch die Möglichkeit, das Fahrzeug bei Fälligkeit der Schlussrate an den Händler zurückzugeben, wurde der Klägerin lediglich das Vermarktungs- und Restwertrisiko genommen. Sie hatte aber das Risiko der Betriebsuntersagung zu tragen, das wegen der Implementierung der unzulässigen Abschalteinrichtung bis zum Aufspielen des Softwareupdates bestand (OLG Karlsruhe, Urteil vom 08. Juni 2021 – 17 U 1162/19 –, juris Rn. 68; OLG Hamm, Urteil vom 23. November 2020 – I-8 U 43/20 –, juris Rn. 85; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.12.2021 – VII ZR 389/21 –, Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 228/2021).

(2) Die Klägerin kann daher von der Beklagten die Erstattung des von ihr gezahlten Bruttokaufpreises in Höhe von 66.407,75 € verlangen. Da die Klägerin unstreitig zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und den Vorsteuerabzug auch geltend gemacht hat, muss sie sich diesen im Wege der Vorteilsausgleichung aber auf den Schaden, der in der Bezahlung des Kaufpreises liegt, anrechnen lassen (BGH, Urteil vom 18. März 2014 – VI ZR 10/13 –, juris Rn. 17). Der durch die Bezahlung des Kaufpreises entstandene Schaden reduziert sich damit auf 55.804,83 € (= 66.407,75 € geteilt durch 1,19).

Dem steht nicht entgegen, dass der Unternehmer im Falle einer Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG in sinngemäßer Anwendung von § 17 Abs. 1 UStG verpflichtet ist, den in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nach Erstattung des Kaufpreises durch den Verkäufer zu berichtigen. Denn im Streitfall macht die Klägerin keine Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend, die ohnehin nur im Verhältnis zum Verkäufer möglich wäre, sondern einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte als Fahrzeugherstellerin. Da die Rückgabe des Fahrzeugs an das Audi Zentrum Heidelberg nicht im Rahmen einer Rückabwicklung des Kaufvertrages, sondern in Ausübung des verbrieften Rückgaberechts zum vereinbarten Rückkaufpreis erfolgte, stellt diese ebenfalls keine Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG, sondern eine steuerbare entgeltliche Rücklieferung dar (vgl. BeckOK UStG/Meyer UStG § 17 Rn. 86 ff.).

(3) Die Klägerin kann des Weiteren die im Zusammenhang mit dem Fahrzeugkauf angefallenen Finanzierungskosten in Höhe der angefallenen Darlehenszinsen von 2.329,77 € ersetzt verlangen (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – VI ZR 274/20 –, juris Rn. 12 ff.). Die Beklagte hat die Höhe der Finanzierungskosten nach Vorlage des Darlehensvertrages durch die Klägerin im Senatstermin unstreitig gestellt. Dass die Finanzierungskosten auch beim Erwerb eines anderen Fahrzeugs angefallen wären, behauptet die Beklagte nicht konkret. Ihrem Vortrag, die Finanzierungskosten wären als Sowieso-Kosten ohnehin nicht erstattungsfähig gewesen, kann nicht hinreichend entnommen werden, dass die Klägerin ohne die schädigende Handlung der Beklagten einen alternativen Fahrzeugkauf getätigt und diesen ebenfalls finanziert hätte.

Die für die monatliche Service-Rate aufgewendeten Kosten in Höhe von insgesamt 827,64 € kann die Klägerin hingegen nicht ersetzt verlangen, weil es sich hierbei nicht um Finanzierungskosten, sondern um Aufwendungen für gewöhnliche Unterhaltungskosten handelt. Diese stellen keine vergeblichen Aufwendungen und damit keinen Schaden dar (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19 –, juris Rn. 24).

(4) Von dem zu erstattenden Kaufpreis und den zu erstattenden Finanzierungskosten ist im Wege der Vorteilsausgleichung der von der Klägerin aufgrund der Ausübung des verbrieften Rückgaberechts im Wege der Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangte Rückkaufpreis von 35.647,20 € in Abzug zu bringen. Der durch den Kauf und die Finanzierung entstandene Schaden in Höhe von 58.134,60 € (= 55.804,83 € plus 2.329,77 €) reduziert sich damit auf 22.487,40 €.

(5) Von diesem Betrag ist im Wege der Vorteilsausgleichung außerdem eine Nutzungsentschädigung für die von der Klägerin gefahrenen Kilometer in Abzug zu bringen (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 64 ff.). Die Nutzungsentschädigung kann im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO ermittelt werden, indem der gezahlte Bruttokaufpreis – von dem auch dann auszugehen ist, wenn der geschädigte Käufer vorsteuerabzugsberechtigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 – VIII ZR 198/90 –, BGHZ 115, 47-56, juris Rn. 13) – für das Fahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert mit den gefahrenen Kilometern multipliziert wird (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 80). Der Senat legt diese lineare Berechnungsmethode seiner Schätzung zugrunde.

Der Senat verkennt nicht, dass manche Gerichte die gezogenen Nutzungen nach einer degressiven Berechnungsmethode bewerten wollen. Es besteht aus Sicht des Senats jedoch keine Veranlassung, einem solchen Berechnungsmodell deshalb den Vorzug zu geben, weil die lineare Bewertungsmethode nicht berücksichtigt, dass der tatsächliche Wertverlust eines Fahrzeugs während der ersten gefahrenen Kilometer deutlich höher ist als etwa nach Erreichen eines Kilometerstandes von 50.000 km oder 150.000 km. Denn bei der Vorteilsausgleichung geht es nicht darum, den durch die Nutzung des Gegenstandes eingetretenen Wertverlust auszugleichen (und damit den Schädiger nicht übermäßig zu „belasten“). Andernfalls könnte auch schlicht der während der Nutzungszeit eingetretene Wertverlust – unabhängig von der tatsächlichen Fahrleistung – als Berechnungsgrundlage für den Nutzungswertersatz herangezogen werden. Dies wird jedoch, soweit ersichtlich, von niemandem vertreten.

Nach der vom Senat herangezogenen Berechnungsmethode ergibt sich eine Nutzungsentschädigung von 12.359,28 €. Der Bruttokaufpreis für das streitgegenständliche Fahrzeug beträgt wie oben ausgeführt 66.407,75 €. Die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs beläuft sich nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien auf 250.000 km. Der Kilometerstand betrug unstreitig beim Erwerb des Fahrzeugs 0 km und im Zeitpunkt der Rückgabe 46.528 km. Daraus errechnet sich nach obiger Formel eine Nutzungsentschädigung von 12.359,28 € (= 66.407,75 € geteilt durch 250.000 km mal 46.528 km). Nach Abzug der Nutzungsentschädigung verbleibt somit ein zu ersetzender Schaden von 10.128,12 €.

c) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 ZPO. Da sich der Streitgegenstand beim Übergang vom kleinen zum großen Schadensersatz bei unverändertem Lebenssachverhalt nach den Ausführungen unter 1. a. nicht ändert, kann die Klägerin Rechtshängigkeitszinsen aus dem in der Hauptsache zugesprochenen Betrag, der den mit der Klageerhebung geltend gemachten Betrag nicht übersteigt, ab dem auf die Zustellung der Klage folgenden Tag und nicht erst ab dem auf die Zustellung des Schriftsatzes mit dem geänderten Klageantrag folgenden Tag beanspruchen.

2. Mit dem Klageantrag Ziffer 2 hat die Klage keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

a) Die Klägerin hat bereits nicht schlüssig dargelegt, dass vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten überhaupt angefallen sind.

aa) Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 15. August 2019 – III ZR 205/17 –, juris Rn. 43; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.11.2020 – 17 U 635/19 –, juris Rn. 82).

bb) Die Klägerin hat dazu lediglich vorgetragen, ihre Prozessbevollmächtigten hätten die Beklagte mit Schreiben vom 20.12.2019 zur Zahlung zur Erfüllung der Ansprüche der Klägerin aufgefordert (Klageschrift, S. 42). Daraus ergibt sich aber nicht der für eine schlüssige Darlegung eines Anspruchs notwendige Vortrag, den Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.11.2020 – 17 U 635/19 –, juris Rn. 83). Letzteres ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil anzunehmen ist, dass den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die ausweislich der von ihnen verwendeten Textbausteine die Klagen zum Dieselskandal als Massengeschäft betreiben, aufgrund der Vielzahl der von ihnen betreuten Mandate bekannt war, dass die Beklagte auf außergerichtliche Zahlungsaufforderungen keine Zahlungen leistete. Eines gerichtlichen Hinweises auf die fehlende Schlüssigkeit des Klagevortrags bedarf es bei bloßen Nebenforderungen nicht (§ 139 Abs. 2 S. 1 BGB). Hinzu kommt, dass die Klage bereits unter dem 27.12.2019 gefertigt wurde, wenige Tage nach dem außergerichtlichen Anwaltsschreiben vom 20.12.2019. Die kurze Zeitspanne zwischen außergerichtlichem Zahlungsverlangen und Klageerhebung legt nahe, dass die Klägerin bereits einen Klageauftrag erteilt hatte und das außergerichtliche Schreiben vom 20.12.2019 lediglich eine Vorbereitungshandlung darstellte.

b) Ungeachtet dessen scheitert ein Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Anwaltskosten auch daran, dass es sich bei einer zunächst nur auf die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gerichteten Mandatierung unter den hier gegebenen besonderen Umständen nicht um eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung gehandelt hätte. Denn wie oben dargelegt, war den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgrund der Vielzahl der von ihnen betreuten Mandate im Dieselskandal bekannt, dass die Beklagte auf außergerichtliche Zahlungsaufforderungen keine Zahlungen leistete. Sie mussten deshalb annehmen und die Klägerin darüber aufklären, dass ein zunächst nur auf die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs beschränktes Mandat nicht zielführend ist und nur unnötige Kosten verursacht. Das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus anderen Mandaten bekannte Verhalten der Beklagten legte für sie den Schluss nahe, die Ansprüche des Klägers nur mittels Erhebung einer Klage realisieren zu können, und gab ihnen daher Veranlassung, sich gleich ein unbedingtes Mandat zur Klageerhebung erteilen zu lassen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Randnummer51

4. Der Klägerin war auf ihren Antrag kein Schriftsatzrecht einzuräumen, da weder die Voraussetzungen des § 283 ZPO noch diejenigen des § 139 Abs. 5 ZPO vorliegen. Der Schriftsatz der Beklagten vom 08.12.2021 enthält keinen neuen Sachvortrag, der eine Erwiderung durch den Kläger erfordern würde. Im Senatstermin hat die Beklagte ebenfalls keinen neuen Sachvortrag gehalten. Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 08.12.2021 und im Senatstermin Rechtsausführungen gemacht hat, blieb es der Klägerin unbenommen, nach Schluss der mündlichen Verhandlung ebenfalls noch rechtliche Ausführungen schriftlich vorzubringen. Der Senat hat im Senatstermin im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage auch keine Hinweise nach § 139 ZPO erteilt.


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