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Entscheidungen

StPO

Berufungsverwerfung, Ausbleiben des Angeklagten, Identitätsfeststellung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.04.2022 – 1 Rv 34 Ss 173/22

Leitsatz des Gerichts: Der Angeklagte ist auch dann als bei Beginn des Hauptverhandlungstermins nicht erschienen zu behandeln (§ 329 Abs. 1 S. 1 StPO), wenn er zwar zum Termin erscheint, sich aber nicht als Angeklagter zu erkennen gibt und Fragen des Gerichts zu seiner Identität verweigert.
Zu aufwändigen, dem Zweck des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO zuwiderlaufenden Ermittlungen zur Feststellung der Identität einer in der Hauptverhandlung erschienenen Person, bei welcher es sich nur möglicherweise um den Angeklagten handelt, ist das Gericht nicht verpflichtet.


In pp.

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Oktober 2021 wird auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, die dem Verteidiger Gelegenheit zur Gegenäußerung gegeben hat, einstimmig als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs.1 Satz 1 StPO).

Gründe

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Nach den Feststellungen erschien bei Fortsetzung der – nach Aufruf der Sache um 9.00 Uhr für ca. 20 Minuten unterbrochenen - Hauptverhandlung um 9.23 Uhr eine dem Gericht unbekannte männliche Person im Sitzungssaal, welche im Zuschauerraum Platz nahm. Auf Frage der Vorsitzenden, ob sie der Angeklagte sei, erklärte diese, dass sie der „Exekutor des B.“ sei und zeigte auf den leeren Platz neben dem Verteidiger. Mit Hilfe des Gerichtswachtmeisters, demgegenüber die Person lediglich eine Abstammungsurkunde vorweisen konnte, in welcher der Name B. genannt war, konnte die Identität der Person nicht festgestellt werden. Auch der anwesende Verteidiger konnte die Identität des Angeklagten nicht sicher bestätigen. Mehrere Fragen der Vorsitzenden ließ die Person unbeantwortet, zeigte auf den leeren Platz neben dem Verteidiger oder antwortete mit Gegenfragen. Als Angeklagter gab sich die Person nicht zu erkennen. Die Berufung des Angeklagten wurde sodann verworfen.

2. Soweit die Revision beanstandet, die Kammer habe es pflichtwidrig unterlassen, die Identität der Person, bei welcher es sich um den Angeklagten gehandelt habe, näher aufzuklären, etwa durch Gegenüberstellung mit KHK K., dem der Angeklagte bekannt und der zu dessen Identifizierung in der Lage sei, genügt die Rüge nicht den an eine Verfahrensrüge zu stellenden Anforderungen gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2008, 87). Diese verhält sich insbesondere nicht dazu, ob KHK K. in der Hauptverhandlung anwesend war und dass so innerhalb angemessener Zeit Klarheit über die Identität der anwesenden Person hätte gewonnen werden können. Zu aufwändigen und zeitraubenden, den Zweck des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO zuwiderlaufenden Ermittlungen zur Identität der anwesenden Person war die Kammer nicht verpflichtet.

3. Hat es sich bei der anwesenden Person um den Angeklagten gehandelt, ist seine Berufung gem. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO zu Recht verworfen worden. Der Angeklagte hat – entgegen § 111 Abs. 1 OWiG – Angaben zu seiner Identität verweigert und hat sich gegenüber dem Gericht nicht als solcher zu erkennen gegeben. Demzufolge war er i.S.d. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO als “bei Beginn der Hauptverhandlung nicht erschienen” zu behandeln. Für ein Erscheinen genügt nicht schon die körperliche Anwesenheit des Angeklagten (vgl. BGH NJW 1970, 2253), sondern erfordert nach dem Zweck des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO, eine Sachentscheidung über seine Berufung nicht dadurch zu verzögern, dass er sich der Verhandlung entzieht (BGHSt 17, 188; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. § 329 Rn. 2), auch, sich als Angeklagter zu erkennen zu geben, auf Frage des Gerichts gem. § 111 Abs. 1 OWiG Angaben zu seiner Identität zu machen und sich so als Angeklagter und Berufungsführer auszuweisen (LG Berlin NStZ-RR 1997, 338; Löwe-Rosenberg/Gössel, StPO, 27. Aufl. 2019 § 329 Rn. 7). Hierdurch wird sein Recht, sich zur Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 243 Abs. 5 StPO), nicht berührt. Andernfalls ist er nicht zum Zwecke der Durchführung der Berufungshauptverhandlung erschienen und hat die Folge, dass seine Berufung ohne Sachverhandlung verworfen wird, hinzunehmen.


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