Gericht / Entscheidungsdatum: LG Osnabrück, Beschl. v. 24.01.2022 9 T 466/21
Eigener Leitsatz: Der Antragsteller muss bei einem elektronisch eingereichten Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfevergütung, dem der Berechtigungsschein als eingescanntes Dokument beigefügt ist, das Original des Berechtigungsscheins grundsätzlich nicht vorlegen.
LG Osnabrück
Beschluss
9 T 466/21
In der Beschwerdesache pp.
- Beschwerdeführer -
Beteiligte
Landgericht Osnabrück - Der Bezirksrevisor -, Neumarkt 2, 49074 Osnabrück
Geschäftszeichen: 5600 Ea VII 3/21 Ra
hat das Landgericht Osnabrück 9. Zivilkammer durch pp. am 24.01.2022 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Papenburg vom 20.07.2021 geändert. Die dem Beschwerdeführer zustehenden Gebühren und Auslagen werden nach Maßgabe des Antrages vom 09.02.2021, Az. 2 II 349/20 des Amtsgerichts Papenburg, auf 333,80 festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde gegen diese Entscheidung wird zugelassen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Papenburg erteilte den Rechtssuchenden pp. am 30.08.2020 antragsgemäß einen Berechtigungsschein für die Beratungshilfe wegen einer Kündigung aufgrund von Eigenbedarf. Die Beratung wurde durch den Beschwerdeführer durchgeführt, der mit am 09.02.2021 über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) bei dem Amtsgericht eingereichtem Antrag seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Landeskasse geltend gemacht hat. Dem Antrag war als eingescanntes Dokument eine Abbildung des Berechtigungsscheins beigefügt (Blatt 16 d. A.). Nachrichtlich teilte der Beschwerdeführer wiedergegeben auf dem Prüfvermerk vom 09.02.2021, BI. 14 d. A. mit, das Original des Berechtigungsscheins befinde sich bei ihm und werde nach Zahlungseingang entwertet, was anwaltlich versichert werde. Zudem berief er sich unter anderem auf die Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 16.12.2019 zum Aktenzeichen 9 W 30/19, wonach der elektronische Vergütungsfestsetzungsantrag auch ohne Vorlage des Berechtigungsscheins im Original zulässig sei.
Mit Beschluss vom 09.02.2021 hat die zuständige Urkundsbeamtin den Vergütungsantrag vom 09.02.2021 zurückgewiesen, weil der Berechtigungsschein nicht im Original vorgelegt worden sei. Diese Auffassung teilt die Bezirksrevisorin beim Landgericht Osnabrück nach Maßgabe ihrer Stellungnahme vom 07.04.2021. Mit Beschluss vom 20.07.2021 hat der Amtsrichter die dagegen eingelegte Erinnerung des Beschwerdeführers vom 09.03.2021 mit ausführlicher Begründung ebenfalls wegen Fehlens des Berechtigungsscheins im Original zurückgewiesen; zugleich hat er die Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen. Diese hat der Beschwerdeführer gegen den ihm am 29.07.2021 zugestellten Beschluss vom 20.07.2021 am 29.07.2021 eingelegt. Er hält an seiner Rechtsansicht fest. Der Amtsrichter hat mit Beschluss vom 13.08.2021 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Osnabrück vorgelegt. Der zuständige Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom 16.09.2021 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (richtigerweise nach § 33 Abs. 8 S. 2 RVG) auf die Kammer übertragen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig und begründet. Die Gebühren und Auslagen sind antragsgemäß nach Maßgabe der Kostenberechnung vom 09.02.2021 mit einer Geschäftsgebühr zweier Auftraggeber gemäß Nr. 2503 des Vergütungsverzeichnisses auf 85,00 + 25,50 , also 110,50 , einer Einigungs- und Erledigungsgebühr nach Nr. 2508 des Vergütungsverzeichnisses in Höhe von 150,00 sowie einer Pauschale nach Nr. 7002 Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 , insgesamt also auf 280,50 zuzüglich Umsatzsteuer auf die Vergütung nach Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses in Höhe von 53,30 auf insgesamt 333,80 festzusetzen.
Mit der inzwischen wohl herrschenden Meinung ist die Kammer der Ansicht, dass der Antragsteller bei einem elektronisch eingereichten Antrag auf Festsetzung der Beratungshilfevergütung, dem der Berechtigungsschein als eingescanntes Dokument beigefügt ist, das Original des Berechtigungsscheins grundsätzlich nicht vorzulegen hat. Insoweit folgt die Kammer insbesondere der Entscheidung des OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 16.12.2019. Die Kammer macht sich die Begründung des OLG nach Maßgabe der weiter nachfolgenden Ausführungen vollumfänglich zu eigen (vgl. zitiert nach juris, dort Rn. 11 bis15 sowie MDR 2020, 634 f.). Diese Auffassung hat zuvor bereits Hansens in seiner ablehnenden Anmerkung zu der erstinstanzlichen Entscheidung des LG Saarbrücken, Beschluss vom 28.08.2019 (5 T 83/19), RVGreport 2019, 478 ff. vertreten und zutreffend ausgeführt, nirgends sei normiert, auch nicht in den Regelungen der Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV), dass das Original vorzulegen sei. Dieser Auffassung sind im Ergebnis auch: Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Auflage 2022, Rn. 1302; Volpert in Burhoff/Volpert, 6. Auflage 2021, Beratungshilfe, Rn. 523; Biallaz in: Ory-Weth, jurisPK-ERV Bd. II, 1. Auflage, § 14 FamFG (Stand: 01.09.2020) Rn. 61; Lissner, RVGreport 2020, 2 (6).
Zwar ist nach § 1 Nr. 2 BerHFV im Bereich der Beratungshilfe von der der Beratungsperson für den Antrag auf Zahlung einer Vergütung das in Anlage 2 bestimmte Formular zu verwenden und in dem Formular ein Text anzukreuzen, nach dem der Berechtigungsschein im Original beigefügt sei. Jedoch hat anders als damals das Saarland das Land Niedersachsen mit Erlass des MJ vom 15.07.2005 (Az.: 5650-204.19, Fassung vom 16.12.2016, gültig seit dem 01.07.2017, (Nds. Rpfl. 2005, Nr. 8, S. 244) zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 16.12.2016 (Nds. Rpfl. 2017, Nr. 1 S. 10)) zur Vergütung bei Beratungshilfe zu Ziffer 1. Satz 1 angeordnet, der Festsetzungsantrag könne auch mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung erstellt werden oder von einem amtlichen Formular abweichen, wenn er inhaltlich diesem entspreche. Da in Niedersachsen nicht einmal das Original der Anlage 2 der BerHFV verwendet werden muss, spricht dies umso mehr dafür, dass es keine Regelung gibt, nach der zwingend der Beratungshilfeschein im Original vorzulegen ist.
Der in der vorgenannten Entscheidung des OLG Saarbrücken genannte Ausnahmefall liegt nicht vor. Dem Akteninhalt lässt nicht entnehmen, die ursprünglich tätig gewesene Urkundsbeamtin habe das Original des Berechtigungsscheins zur Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs der Beratung sperson für erforderlich gehalten. Es ist davon auszugehen, dass ihre ablehnende Entscheidung nach dem knappen Inhalt formal auf das Fehlen des Originals abstellt. Zudem hat der Beschwerdeführer in dem Antrag mitgeteilt, er versichere anwaltlich, dass sich das Original des Berechtigungsscheins bei ihm befinde und nach Zahlungseingang entwertet werde.
Eine doppelte Liquidation ist bereits aus dem vorgenannten Gründen nicht zu erwarten. Zudem ist die Festsetzung der Gebühren und Auslagen nach dem o. g. Erlass des MJ vom 15.07.2005 zur Vergütung bei Beratungshilfe zu Ziffer 1. Satz 2 zur Durchschrift des Berechtigungsscheins zu nehmen. Nach § 25 Abs. 1 und 3 Aktenordnung (Az. 1454 102. 12 vom 17.12.2019, Nds. Rpfl. 2020, 50) i. V. m. der Liste 4a, dort Ziff. 7 bis 9 sind in Angelegenheiten der Beratungshilfe die gebührenrelevanten Tatbestände zu vermerken (siehe auch die Erläuterungen zu Ziffer 3. der Liste 4a).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 56 Abs. 3 S. 2 und 3 RVG.
IV.
Die Kammer hat die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen aus § 33 Abs. 6 S. 1 RVG zugelassen. Gemäß § 33 Abs. 6 S. 2 RVG kann sie nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 ZPO gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht Oldenburg. Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung der Entscheidung beim Landgericht Osnabrück, Neumarkt 2, 49074 Osnabrück eingelegt wird.
Einsender: RA W. Markus, Esterwegen
Anmerkung:
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