Gericht / Entscheidungsdatum: LG Düsseldorf, Beschl. v. 14.02.2022 - 18 Qs 9/22
Eigener Leitsatz: Ein Fall der notwendigen Verteidigung unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage kann aufgrund der zu erwartenden umfangreicheren Beweisaufnahme durch Vernehmung einer Vielzahl von Polizeizeugen anzunehmen sein.
18 Qs 9/22
Landgericht Düsseldorf
Beschluss
In dem Beschwerdeverfahren
betreffend pp.
Verteidiger: Rechtsanwältin Lisa Grüter, Asselner Hellweg 93, 44319 Dortmund,
hat die 18. große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2022 durch die Richterin am Landgericht, die Richterin und die Richterin am Landgericht am 14.02.2022
beschlossen:
Der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 20.01.2022 wird aufgehoben.
Frau Rechtsanwältin pp. wird dem Angeklagten als Pflichtverteidigerin beigeordnet.
Gründe:
I.
Mit Strafbefehl vom 21. Januar 2021 hat das Amtsgericht Düsseldorf auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten wegen des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40,00 EUR festgesetzt. Dem Erlass des Strafbefehls lag ein Geschehen vom 27. August 2018 auf dem Privatgelände des Düsseldorfer Flughafens zugrunde, in dessen Rahmen der Angeklagte den Zeugen pp. an der Schutzweste gezogen und zu Fall gebracht haben soll.
Gegen den ihr am 18. November 2021 zugestellten Strafbefehl hat die Verteidigerin des Angeklagten am selben Tag Einspruch eingelegt. Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2021 hat sie mit Verweis auf die Schwierigkeit der Sachlage beantragt, ihre Beiordnung als Pflichtverteidigerin anzuordnen. Mit Beschluss vom 20. Januar 2022 hat das Amtsgericht Düsseldorf den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigerin zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hat die Verteidigerin des Angeklagten in dessen Namen mit Schriftsatz vom 27. Januar 2n22. Beschwerde eingelegt.
II,
Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Entgegen der Entscheidung des Amtsgerichts vom 20. Januar 2022 liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage vor, vgl. § 140 Abs. 2 Var. 3 StPO.
Eine schwierige Sach- und Rechtslage kann sich aus dem zu erwartenden Umfang oder der Schwierigkeit der Beweisaufnahme ergeben. Der Umfang einer Sache bemisst sich nach der Dauer der Hauptverhandlung, der Anzahl der Angeklagten und Zeugen und auch dem Umfang der Akten (BGHSt 15, 306 (307); LG Düsseldorf StraFo 1997, 307). Eine schwierige Sachlage kann unter anderem vorliegen, wenn zahlreiche Zeug*innen zu vernehmen sind (Stuttgart StV 1987, 8).
Dies zugrunde gelegt ist ein Fall der notwendigen Verteidigung unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage aufgrund der zu erwartenden umfangreicheren Beweisaufnahme durch Vernehmung einer Vielzahl von Zeug*innen anzunehmen. Bei Annahme der prognostizierten Schwierigkeit der Beweisaufnahme fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Angeklagte nach der Aktenlage einen tätlichen Angriff auf den Zeugen pp. bestreitet und vielmehr mehrfach angibt, am 27. August 2018 seinerseits Opfer von Polizeigewalt geworden zu sein. Für die Frage von Schuld und Strafe wird im Rahmen der Beweisaufnahme insbesondere die durch das Gericht zu beurteilende Glaubwürdigkeit der Zeug*innen und Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen, auf welche die Verteidigung unter Ausübung ihres Fragerechts Einfluss nehmen kann, maßgebend sein, weshalb eine Verteidigung des Angeklagten als notwendig erachtet wird. Ausweislich des Akteninhalts sind von den insgesamt zehn Zeug*innen teilweise inhaltlich divergierende Schilderungen zum tatsächlichen Ablauf der körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Polizeibeamten und dem Angeklagten insbesondere zu einem etwaigen nicht gerechtfertigten tätlichen Angriff seitens des Angeklagten zu erwarten. Zwar geben insbesondere die Aussagen der Zeugen und den Sachverhalt im Hinblick auf das aggressive und laute Auftreten des Angeklagten im Wesentlichen im Einklang mit den Schilderungen der anwesenden Polizeibeamten wieder. Bereits diese Aussagen gegenüber der Polizei unterscheiden sich allerdings bei den Angaben zu dem mutmaßlichen tätlichen Angriff des Angeklagten zum Nachteil des Zeugen pp. So will der Zeuge pp einen Schlag des Angeklagten in das Gesicht des männlichen Polizeibeamten gesehen haben, während die Zeugen pp. und pp. angeben, den Polizeibeamten zu Boden fallen, allerdings keinen Schlag gesehen zu haben. Von den Schilderungen der vorbenannten Zeugen erheblich abweichend scheint der Zeuge pp. die Aggression von den Polizeibeamten ausgehend wahrgenommen zu haben. Hinzu kommt, dass die Zeugin pp. ausweislich der Mitteilung der Verteidigerin bestätigen können soll, dass der Angeklagte Opfer von Polizeigewalt geworden ist.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Verfahren derzeit noch weiter
betrieben wird.
Einsender: RAin L.Grüter, Dortmund
Anmerkung:
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".