Gericht / Entscheidungsdatum: LG Oldenburg, Beschl. v. 07.03.2022 - 4 Qs 76/22
Eigener Leitsatz: 1. Die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers ist generell nicht zulässig.
2. Das Vorliegen eines Falles der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge ist im Regelfall anzunehmen, wenn eine mögliche Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr im Raum steht. Bei der insoweit zu treffenden Prognose sind grundsätzlich alle gegen den Beschuldigten derzeit geführten Verfahren zu berücksichtigen, wobei die Grenze auch dann gelten soll, wenn sie nur wegen einer erforderlichen Gesamtstrafe erreicht wird. Hierbei handelt es sich allerdings keinesfalls um einen Automatismus. Vielmehr kommt es stets auf eine konkrete Einzelfallbewertung an.
Landgericht Oldenburg
Beschluss
4 Qs 76/22
In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt Thilo Schäck, Kleppingstraße 20, 44135 Dortmund
wegen Sachbeschädigung
hat das Landgericht Oldenburg - 4. Große Strafkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, den Richter am Landgericht und den Richter am 07.03.2022 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 11.02.2022 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Der Beschuldigte soll am 12.01.2022 gegen 23:15 vorsätzlich gegen die Eingangstür der Polizeidienststelle in der Bahnhofstraße 9 in 49377 Vechta getreten haben, worauf 'diese zerbrochen sei. Nach Mitteilung des Tatvorwurfes zeigte der Verteidiger des Beschuldigten am 20.01.2022 per E-Mail seine Mandatierung an.
Mit Verfügung vom 21.01.2022 wurde das Verfahren nach abschließender Bearbeitung durch die Polizei Vechta an die Staatsanwaltschaft Oldenburg übersandt. Dort ging es am 24.01.2022 ein. Am 07.02.2022 gelangte ein Schreiben des Verteidigers vom 31.01.2022 zur Akte, in welchem er Akteneinsicht sowie die Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragte. Mit Verfügung vom 08.02.2022 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 154 Abs. 1 StPO i. H. a. das beim Amtsgericht Vechta anhängige Verfahren 820 Js 70225/21 ein. Mit Beschluss vom 11.02.2022 wies das Amtsgericht Oldenburg den Antrag des Beschuldigten vom 31.01.2022 auf Bestellung des Verteidigers als Pflichtverteidiger zurück. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 18.02.2021.
Als Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass gegen den Beschuldigten zahlreiche weitere Ermittlungsverfahren laufen. In dem Verfahren 28 Gs 820 Js 531/22 (93122) wegen eines besonders schweren Fall des Diebstahls sei eine Beiordnung als Pflichtverteidiger erfolgt. Da die Bildung einer Gesamtstrafe mit der Tat aus dem betreffenden Verfahren möglich sei, bestehe ein Fall der notwendigen Verteidigung auch in diesem Verfahren, insbesondere wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge i. 5. d. § 140 Abs. 2 StPO. Darüber hinaus bestehe ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO auch deshalb, weil die Sach- und Rechtslage schwierig sei, da bei dem Beschuldigten die Begutachtung im Hinblick auf die Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB im Raum stehe.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 11.02.2022 hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung ist zulässig.
a) Gemäß § 142 Abs. 7 S. 1 StPO ist die sofortige Beschwerde der statthafte Rechtsbehelf gegen die ablehnende Entscheidung einer Pflichtverteidigerbestellung. Sie ist auch nicht nach § 142 Abs. 7 S. 2 StPO ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO ersichtlich nicht in Betracht kommen.
b) Die sofortige Beschwerde wurde am 18.02.2022 innerhalb von einer Woche nach Zustellung am 15.02.2022 form- und fristgerecht i. S. d. §§ 306, 311 StPO eingelegt.
c) Dem Rechtsmittel fehlt es auch nicht an der notwendigen Beschwer. Sie ist nicht dadurch entfallen, dass das Verfahren gegen den Beschuldigten schon vor Entscheidung über den Beiordnungsantrag abgeschlossen wurde und damit die Notwendigkeit seiner Verteidigung entfallen ist, Zwar dienen die. Rechtsmittel der StPO einer gegenwärtigen, fortdauernden Beschwer. Ihr Ziel ist die Aufhebung einer den Beschwerdeführer beeinträchtigenden Maßnahme (Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., vor § 296 StPO, Rn. 17, m. w. N.). Allerdings ist anerkannt, dass die Beschwer durch den Vollzug einer Maßnahme ausnahmsweise nicht entfällt, wenn Wiederholungsgefahr oder ein Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme auch nach deren Erledigung fortbesteht (Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., vor § 296 StPO, Rn. 18, m. w. N.). Eine Beschwerde bleibt daher beispielsweise zulässig in Fällen fortwirkender Grundrechtseingriffe, wenn sich die Belastung durch die Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann (Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., vor § 296 StPO, Rn. 18a, m. w. N.). Die zuletzt genannte Fallgruppe ist mit der vorliegenden Fallkonstellation vergleichbar und auf sie übertragbar. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beschuldigte alles aus seiner Situation Mögliche für die umgehende Bestellung eines Pflichtverteidigers getan hatte. Lediglich den Zeitpunkt der Entscheidung durch das zuständige Gericht und damit die Möglichkeit eines Rechtsmittels hatte er nicht in der Hand. Solange das zuständige Gericht nicht über die schnellstmögliche Bestellung eines Pflichtverteidigers entscheidet (vgl. § 141 Abs. 1 S. 1 StPO), ist dieser zwar nicht durch eine positive Entscheidung, wohl aber durch das Unterbleiben einer Entscheidung beeinträchtigt. Denn er hat zunächst keine Möglichkeit, die Herbeiführung der Entscheidung zu erzwingen. Auf die Beendigung des Verfahrens, welche die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers obsolet macht, hat ein Beschuldigter typischerweise ebenfalls keinen Einfluss. Liegt es wie hier allein an Abläufen, die der Betroffene nicht beeinflussen kann, ob die Entscheidung über seinen Antrag vor oder nach dem Abschluss des Verfahrens ergeht, so wäre ihm faktisch die Möglichkeit verwehrt, eine Entscheidung im gerichtlichen Beschwerdeverfahren herbeizuführen.
2. Die sofortige Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers kommt nach Ansicht der Kammer bereits generell nicht in Betracht. Darüber hinaus lag auch kein Fall der notwendigen Verteidigung vor. Dazu im Einzelnen:
a) Eine nachträgliche, gleichsam rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Abschluss des Verfahrens kommt nicht in Betracht, selbst wenn der Antrag wie hier bereits vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde.
aa) Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschl. v. 20.07.2009 1 StR 344/08) hat bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 eine nach Verfahrensabschluss beantragte Beiordnung zum Pflichtverteidiger abgelehnt. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung war die rückwirkende Bestellung eines Verteidigers schlechthin unzulässig und unwirksam. Dies galt auch dann, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt, aber versehentlich nicht über ihn entschieden worden war. Als Begründung hierfür wurde im Wesentlichen angeführt, dass bei den §§ 140 ff. StPO die Sicherung einer ordnungsgemäßen Verteidigung im Vordergrund steht", die Vorschriften aber nicht in eine Sozialregelung für mittellose Beschuldigte" verkehrt werden dürften (vgl. im Überblick Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders. § 142 StPO, Rn. 19 m. w. N.).
bb) Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte größtenteils die Ansicht vertreten, dass die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht in Betracht kommt, weil sie ausschließlich dem Zweck dient, dem Verteidiger für einen bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen, nicht jedoch die notwendige ordnungsgemäße Verteidigung zu gewährleisten (OLG Hamburg, Beschl. v. 16.09.2020 2 Ws 112/20; OLG Bremen, Beschl. vom 23.09.2020 - 1 Ws 120/20; OLG Braunschweig, Beschl. v. 02.03.2021 - 1 Ws 12/21). Diese Einschätzung teilt die Kammer. Die rückwirkende Beiordnung ist auf etwas Unmögliches gerichtet und kann die notwendige Verteidigung eines Angeklagten für die Vergangenheit nicht mehr gewährleisten (OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.03.2020 -1 Ws 19/20).
Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers widerspräche damit dem Sinn und Zweck der notwendigen Verteidigung. Denn das Institut ist insbesondere dazu bestimmt, dem Angeklagten einen rechtskundigen Beistand zu sichern und so einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten (vgl. BGH, Beschl. v. 27.04.1989 1 StR 627/88). Aus diesem Grund zählt § 140 StPO einzelne Fallgruppen auf, in denen die Verteidigung eines Beschuldigten durch einen Verteidiger als notwendig anzusehen ist. Dabei ist es unerheblich, ob der Beschuldigte in der Lage wäre, die Kosten der Verteidigung aus eigenen Mitteln aufzubringen oder nicht. Vielmehr knüpft das strafprozessuale Recht der notwendigen Verteidigung gerade nicht an die Bedürftigkeit der beschuldigten Person an. Dies kommt nicht nur dadurch zum Ausdruck, dass die Bestellungsvorschriften eine Bedürftigkeitsprüfung nicht vorsehen. Vielmehr hat der Beschuldigte bzw. Angeklagte im Falle einer späteren Verurteilung die Kosten seiner Verteidigung zu tragen, selbst wenn diese im Falle der Pflichtverteidigung zunächst (gegebenenfalls teilweise) aus der Staatskasse entrichtet wurden (vgl. LG Bonn, Beschl. v. 18.05.2021 63 Qs-920 Js 214/2141/21).
Entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht (so z. B. OLG Nürnberg, Beschl. v. 06.11.2020 - Ws 962/20, WS 963/20 und hiernach nunmehr auch OLG Bamberg, Beschl. v. 29.04.2021 - 1 Ws 260/21), hat sich dies nach Einschätzung der Kammer auch nicht mit Blick auf die PKH-Richtlinie EU 2016/1919 vom 26.10.2016 und die darauf beruhenden Änderungen aus dem Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 geändert. Denn nach Art. 4 dieser Richtlinie ist der Anspruch auf Prozesskostenhilfe" dann sicherzustellen, wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist", mithin dann, wenn es für das weitere Verfahren von Bedeutung ist (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 16.09.2020 - 2 Ws 112/20). Die Richtlinie zielt aber gerade nicht darauf ab, den Beschuldigten nachträglich zu jeder Phase eines Verfahrens von den Kosten seiner Verteidigung freizuhalten (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. vom 02.03.2021 - 1 Ws 12/21). Nach Abschluss eines Strafverfahrens kann eine Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren jedoch nicht mehr im Interesse der Rechtspflege erforderlich sein. Sie kann das Verfahren in keiner Weise mehr beeinflussen. Eine derartige Änderung war auch vom Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie nicht gewollt (vgi. BT-Drucks. 19/13829, S. 2, 21f.). Es war insbesondere nicht das Ziel der Richtlinie, den Vergütungsanspruch des Verteidigers zu sichern.
cc) Der Beiordnungsantrag des Beschuldigten ist auch nicht dilatorisch behandelt worden. Vielmehr erfolgte die Einstellungsentscheidung zügig nach Eingang des Verfahrens am 24.01.2022 bereits mit Verfügung vom 08.02.2022 - nur einen Tag nach Zugang des Beiordnungsantrags am 07.02.2022. Ab diesem Zeitpunkt kam eine Beiordnung ersichtlich nicht mehr in Betracht, da keine Verteidigung mehr notwendig war.
Der Beiordnungsantrag wurde unverzüglich, mit derselben Verfügung vom 08.02.2022, dem zuständigen Amtsgericht Oldenburg zur Entscheidung vorgelegt.
b) Es lag zum Zeitpunkt der Antragstellung auch kein Fall der notwendigen Verteidigung i. S. d. § 140 StPO vor.
aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Frage, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, ist das Datum der Antragstellung (vgl. BT-Drucks. 19/13829, S. 37).
bb) Ein Fall der notwendigen Verteidigung i. S. d. Kataloges des § 140 Abs. 1 Nr. 1 11 StPO lag und liegt ersichtlich nicht vor und wurde durch den Beschwerdeführer auch nicht behauptet.
cc) Es lag und liegt aber auch kein Fall der notwendigen Verteidigung i. S. d. § 140 Abs. 2 StPO vor - weder angesichts der zu erwartenden Rechtsfolge noch wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage.
(1) Das Vorliegen eines Falles der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge wird im Regelfall angenommen, wenn eine mögliche Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr im Raum steht (statt Vieler: Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders. § 140 StPO, Rn. 23a m. w. N.). Bei der insoweit zu treffenden Prognose sind grundsätzlich alle gegen den Beschuldigten derzeit geführten Verfahren zu berücksichtigen, wobei die Grenze auch dann gelten soll, wenn sie nur wegen einer erforderlichen Gesamtstrafe erreicht wird (im Überblick Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders. § 140 StPO, Rn. 23a m. w. N.). Hierbei handelt es sich allerdings keinesfalls um einen Automatismus. Vielmehr kommt es nach Einschätzung des OLG Stuttgart stets auf eine konkrete Einzelfallbewertung an:
Ein geringfügiges Delikt wird nicht allein deshalb zur schweren Tat i. S. von § 140 II StPO, weil die Strafe später voraussichtlich in einem anderen Verfahren in eine Gesamtstrafenbildung von mehr als 1 Jahr einzubeziehen sein wird. [...] Es bedarf deshalb der Prüfung im Einzelfall, ob andere Verfahren und die Erwartung späterer Gesamtstrafenbildung das Gewicht des abzuurteilenden Falles tatsächlich so erhöhen, dass die Mitwirkung eines Verteidigers geboten ist." (OLG Stuttgart, Beschl. v. 02.03.2012 2 Ws 37/12).
Diese Einschätzung teilt die Kammer. Die Antwort auf die Frage, ob die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO wegen der zu erwartenden Rechtsfolge bereits im Ermittlungsverfahren anzuordnen ist, ist durch eine Prognoseentscheidung zu treffen. Staatsanwaltschaft und zuständiges Gericht haben jeweils in eigener Kompetenz zu prüfen, ob prospektiv eine schwere Rechtsfolge zu besorgen ist, also ob bereits im Ermittlungsverfahren erkennbar ist, dass eine bestimmte Straferwartung im Raum steht (vgl. BT-Drucks. 19/13829, S. 36).
Maßgeblich für die zu treffende Prognoseentscheidung ist dabei in erster Linie die mutmaßlich begangene konkrete Tat. Erst in zweiter Linie kommt es auf die Tat in einer Zusammenschau mit möglichen anderen Taten an. Die Vorverlagerung der Perspektive in das Ermittlungsverfahren setzt dabei, wie im Ergebnis bereits die Staatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, insbesondere voraus, dass ein Abschluss des Verfahrens mit Anklage oder Strafbefehl zu erwarten ist. Denn liegt eine Einstellung des Verfahrens unmittelbar auf der Hand, muss eine Prognoseentscheidung notgedrungen zu dem Ergebnis kommen, dass eine schwere Rechtsfolge schlicht unwahrscheinlich ist.
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen bewertet die Kammer die mutmaßlich begangene Tat nicht als so schwer, dass eine Verteidigung i. S. d. § 140 Abs. 2 StPO unerlässlich wäre. Dem Beschuldigten wird ein sachlich und rechtlich einfach gelagerter Fall der gemeinschädlichen Sachbeschädigung vorgeworfen. Hierbei handelt es sich um ein geringfügiges Delikt, für welches das Gesetz nach § 304 Abs. 1 StGB einen Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht. Auch unter Berücksichtigung möglicher Vorstrafen und der weiteren Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten war in dieser Sache zum Zeitpunkt der Antragstellung realistischer Weise keine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr zu erwarten. Angesichts anderer im Raum stehender, schwerer wiegender Taten war eine Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 StPO abzusehen. Dies wird in eindrücklicher Weise durch die ungewöhnlich zügige Bearbeitung des Verfahrens von allen Beteiligten seit dem Tattag am 12.01.2021 belegt. Selbst im Falle einer späteren Gesamtstrafenbildung stand allenfalls zu erwarten, dass die hiesige Tat lediglich geringfügig, jedenfalls aber nicht wesentlich ins Gewicht fallen würde. Da nach Art und Umfang des Tatvorwurfs auch Auswirkungen auf die Strafaussetzung zur Bewährung ausgeschlossen gewesen wären, war die Mitwirkung eines Verteidigers unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht erforderlich.
(2) Aus den vorstehend genannten Gründen besteht auch kein Fall der notwendigen Verteidigung aufgrund einer möglichen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage. Die denkbare Überprüfungsnotwendigkeit einer Alkoholproblematik des Beschuldigten w Zeitpunkt der Antragstellung unerheblich. Denn auch insoweit ist Prognoseentscheidung für den Fortgang des Verfahrens entscheidend. Zeichnet sich dagegen - wie hier - frühzeitig ab, dass eine Einstellung des Verfahrens sehr wahrscheinlich ist, kann es für die Entscheidung über eine Pflichtverteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren auf die nachgelagerte Frage einer denkbaren Begutachtung nicht mehr ankommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA T. Schäck, Dortmund
Anmerkung:
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