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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Darmstadt, Beschl. v. 11.01.2022 - 3 Qs 15/22

Eigener Leitsatz: Auch nach neuem Recht ist die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ausgeschlossen


LANDGERICHT DARMSTADT

3 Qs 15/22

Beschluss

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidigerin:

wegen

hier: Rechtsanwältin pp wegen Verdachts der Urkundenfälschung Pflichtverteidigerbestellung

hat die 3. Strafkammer - Beschwerdekammer - des Landgerichts Darmstadt auf die sofortige Beschwerde des ehemals Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Offenbach vom 02.12.2021 am 11.01.2022 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

Gegen den ehemals Beschuldigten wurde des Verdachts der Urkundenfälschung ermittelt. Das Verfahren wurde durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 12.11.2021 gemäß § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf weitere anhängige Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Bereits mit Schriftsatz vom 17.08.2021 hatte die Verteidigerin ihre Bestellung als Pflichtverteidigerin beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Amtsgericht die Bestellung der Verteidigerin als Pflichtverteidigerin ab, da eine rückwirkende Bestellung nach Verfahrensbeendigung nicht in Betracht käme.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig aber unbegründet. Dabei haben zwar weder das Amtsgericht noch die Staatsanwaltschaft beachtet, dass nach der bald zwei Jahren geänderten Gesetzesfassung alle Entscheidungen über die Verteidigerbestellung der sofortigen Beschwerde unter-liegen (§142 Abs. 7 StPO), weshalb weder eine Zustellung des angefochtenen Beschlusses erfolgte noch eine Nichtabhilfeentscheidung erforderlich gewesen wäre. Zugunsten des Beschwerdeführers muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gewahrt blieb. Dies ändert jedoch an der Unbegründetheit der Beschwerde nichts.

Bereits nach alter Gesetzeslage galt, dass eine nachträgliche und mit Rückwirkung versehene Pflichtverteidigerbestellung, wie sie der ehemals Beschuldigte mit seiner erhobenen Beschwerde gegen die Ablehnungsentscheidung des Amtsrichters letztlich begehrt, nach ganz überwiegender Auffassung, die auch die Kammer teilt, schlechthin unzulässig und mithin grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. BGH NStZ 1997, 299; StV 1989, 378; OLG Hamm, Beschluss vom 27.05.2008 — 5 Ws 184/08; Beschluss vom 04.03.2008 - 2 Ws 374 u. 375/07; Beschluss vom 28.06.2007 — 2 Ws 174/07; Beschluss vom 06.07.2004 - 1 Ws 203/04; Beschluss vom 02.11.2004 - 1 Ws 270/04; Beschluss vom 20.07.2000 — 1 Ws 206/00; Beschluss vom 24.08.1999 - 4 Ws 301/99; OLG Schleswig, Be-schluss vom 24.01.2008 - 2 Ws 8/08; KG Berlin, Beschluss vom 09.03.2006 — 5 Ws 563/05; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1996, 171; OLG Frankfurt am Main Be-schluss vom 05.08.2010 zu 3 Ws 710/10, Meyer-Goßner, § 141 Rdnr. 8). Dies beruht darauf, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht dem Kosteninteresse des Beschuldigten und seines Verteidigers dient, sondern allein den Zweck verfolgt, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Beschuldigter in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet ist. Nach rechtskräftigem Ab-schluss des Strafverfahrens scheidet eine diesem Zweck der Pflichtverteidigung entsprechende Tätigkeit des Verteidigers jedoch denknotwendig aus. Dies gilt auch dann, wenn der Wahlverteidiger oder der Rechtsanwalt, den der Beschuldigte als den zu stellenden Pflichtverteidiger benannt hatte, seine Bestellung bereits vor Abschluss des Verfahrens beantragt hatte (Vgl. OLG Frankfurt/M., in ständiger Rechtsprechung so 3 Ws 622/17, Beschluss vom 29.08.2017 m.w.N.).

Die infolge der gesetzlichen Neuregelung teilweise vertretene Ansicht, wonach jedenfalls bei Antragstellung vor Einstellung des Verfahrens eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung in Betracht kommt, vermag nicht zu überzeugen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 16.09.2020; Az. 2 Ws 112/20, Rn. 15, juris, OLG Frankfurt Beschluss vom 27.10.2021, 3 Ws 563/21 sowie Kammerbeschlüsse 3 Qs 167/21, 3 Qs 193/21 und 3 Qs 269/21, insgesamt zum Meinungsstreit Nachweise in NStZ-RR 2021, S. 315). An der Grundlage für die bisher vertretene herrschende Meinung hat sich nichts geändert. An dieser Schutzrichtung des Rechts der Pflichtverteidigung sollte auch durch die gesetzliche Neuregelung nichts geändert werden (BT-Drs. 19/13829, S. 2f.). Dem entspricht es auch, dass dem nicht beigeordneten Pflichtverteidiger auch nach der Neuregelung kein eigenes Beschwerderecht zusteht. Auf ein etwaiges Kosteninteresse des nicht bestellten Pflichtverteidigers kommt es daher auch hier nicht an.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.


Einsender: RÄin. C. Bender, Wetzlar

Anmerkung:


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