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Entscheidungen

OWi

Verspätete Richterablehnung, Anhörungsrüge

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 10.01.2022 – 3 Ws (B) 310/21

Leitsatz des Gerichts: 1. Entscheidet das Gericht über die Rechtsbeschwerde außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist.
2. Nichts anderes gilt, wenn die Ablehnung mit einer Gehörsrüge nach § 356a StPO verbunden wird, weil der Rechtsbehelf nicht dazu dient, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs doch noch Geltung zu verschaffen.
3. Die nicht den Akteninhalt betreffenden Informations- und Einsichtsrechte leiten sich im Bußgeldverfahren nicht aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ab.
4. Der Zulassungsgrund des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG (Verletzung rechtlichen Gehörs) ist auf nicht vom Wortlaut der Norm erfasste Verletzungen des Verfahrensrechts nicht entsprechend anwendbar.


3 Ws (B) 310/21122 Ss 143/21

In der Bußgeldsache
gegen pp.

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am 10. Januar 2022 beschlossen:

Das Ablehnungsgesuch gegen den erkennenden Einzelrichter des Senats wird als unzulässig verworfen.
Die gegen den Senatsbeschluss vom 25. November 2021 gerichtete Gehörsrüge wird zurückgewiesen.
Der Betroffene hat die Kosten seiner Gehörsrüge zu tragen.

Gründe:

Der Senat hat die gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 30. September 2021 gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 25. November 2021 verworfen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Nichtgewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 33a StPO“. Zugleich lehnt er den zuständigen Einzelrichter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig; das als Gehörsrüge nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 356a StPO zu behandelnde Gesuch auf „Wiedereinsetzung“ ist unbegründet.
1. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig. Es ist verspätet (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO).
Entscheidet das Gericht, wie üblich und hier geschehen, über die Rechtsbeschwerde außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 289 [Revision]; Senat, Beschlüsse vom 21. Januar 2014 – 3 Ws (B) 594/13 – und vom 14. Oktober 2021 – 3 Ws (B) 190/21 –).
Nichts anderes gilt, wenn die Ablehnung mit einer Gehörsrüge nach § 356a StPO verbunden wird (vgl. BGH NStZ 2007, 416; NStZ-RR 2012, 314; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 356a Rn. 1). Denn die Regelung des § 356a StPO soll dem Revisionsgericht die Möglichkeit geben, einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen; der Rechtsbehelf dient indes nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs doch noch Geltung zu verschaffen (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 314).
2. Die Gehörsrüge ist unbegründet.
a) Der gegen den Senatsbeschluss gerichtete Antrag auf „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Nichtgewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 33a StPO“ ist als nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 356a StPO statthafte Gehörsrüge zu bewerten. § 356a StPO enthält gegenüber der (allerdings auch nicht auf „Wiedereinsetzung“ gehenden) Vorschrift des § 33a StPO eine spezielle Regelung (vgl. BGH NStZ 2007, 326).
b) Die Gehörsrüge ist unbegründet, weil der Betroffene in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt ist. Der Senat hat bei der Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Revisionsführer nicht gehört worden ist, noch zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen.
aa) Die Nichtanwendung des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG (Verletzung rechtlichen Gehörs) auf nicht vom Wortlaut der Norm erfasste Verletzungen des Verfahrensrechts ist Gegenstand gefestigter und vielfach publizierter Rechtsprechung des Senats und entspricht der vorherrschenden Rechtsprechung und der herrschenden Literaturmeinung (vgl. Senat VRS 134, 48; ZfSch 2018, 472 [= StraFo 2018, 383 = NJW-Spezial 2018, 491]; 2021, 288; VRR 2019, Nr. 10, 17 [Volltext bei juris] und Beschlüsse vom 3. Juni 2021 – 3 Ws (B) 148/21 –; BayObLG NZV 1996, 44; OLG Braunschweig, Beschluss vom 19. Oktober 2011 – Ss (OWiZ) 140/11 – [juris]; OLG Saarbrücken SVR 2018, 155 [Volltext bei juris]; Hadamitzky in KK-OWiG 5. Aufl., § 80 Rn. 40; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 80 Rn. 8; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2; offen: Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 80 Rn. 16e [analoge Anwendung „erscheint vertretbar“] unter Hinweis auf BVerfGE 92, 191; GA 1996, 180; NJW 1993, 2167; a. A. OLG Rostock, Beschl. vom 13. Juli 2016 – 21 Ss OWi 103/16 (Z) – [offenkundiges redaktionelles Versehen bei Abfassung der Urteilsformel]). Einer erweiternden Anwendung auf weitere – auch durch die Verfassung ausgeschlossene – Rechtsverletzungen steht bereits der insoweit eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Eine analoge Anwendung stellte einen tiefgreifenden Eingriff in den Normenbestand dar, der ausschließlich dem Gesetzgeber zusteht. Dieser hat aber in Kenntnis des Diskurses – auch bei der Neufassung des § 80a durch Gesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) – die bisherige Ausnahmeregelung, die sich auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs beschränkt, ersichtlich bewusst beibehalten (vgl. Hadamitzky in KK-OWiG 5. Aufl., § 80 Rn. 40).
bb) Auch die als überraschend und unvertretbar beanstandete Auffassung des Senats, „dass sich die Informations- und Einsichtsrechte nicht aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ableiten“, entspricht der gefestigten und vielfach veröffentlichten Auffassung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 27. April 2018 – 3 Ws (B) 133/18 – [juris], vom 22. September 2020 – 3 Ws (B) 182/20 – [juris m. Anm. Krenberger] und vom 3. Juni 2021 – 3 Ws (B) 148/21 – [juris]), der sonstigen Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 63, 45 [Spurenakten]; BGHSt 30, 131 [Spurenakten]; OLG Bremen NStZ 2021, 114; OLG Koblenz NZV 2021, 201; BayObLG DAR 2021, 104) und der Rechtsliteratur (vgl. nur Cierniak, zfs 2012, 664 [670]; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2). Soweit der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in seiner durch die Oberlandesgerichte einhellig abgelehnten Grundsatzentscheidung vom 27. April 2018 (NZV 2018, 275) die Informations- und Einsichtsrechte neben dem Recht auf ein faires Verfahren auch aus Art. 103 Abs. 1 GG ableiten will, folgt der Senat dem nicht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. OLG Köln VRS 109, 346).



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